9 Handeln Sie ein Ja aus

Einen Baum erkennt man an seinen Früchten.
Altes Sprichwort

Nun kommen wir zum letzten Schritt des positiven Neins. Es wird Zeit, die Früchte unserer Arbeit zu ernten. Denn das Ziel besteht nicht einfach nur darin, Nein zu sagen, sondern vielmehr auch darin, trotzdem zu einem Ja zu gelangen. Ein Ja auszuhandeln ist die letzte Herausforderung, mit der Sie bei Ihrem Nein konfrontiert werden.

Eine der ältesten Schilderungen von wirklich kühnen Verhandlungen findet man im Buch Genesis. Als Gott dem Propheten Abraham seinen Plan anvertraut, die Städte Sodom und Gomorrha zu zerstören, um die Einwohner für ihre Sünden zu bestrafen, wagt Abraham es, Nein zu Gottes Plan zu sagen – und zwar auf positive Weise. »Willst du wirklich den Gerechten mit dem Frevler verderben?« (Gen, 18, 23), fragt er. Hinter seinem Nein sagt Abraham in Wirklichkeit Ja! zum Wert des menschlichen Lebens. Abraham lässt seinem Nein einen Vorschlag folgen – ein Ja?. »Vielleicht gibt es 50 Gerechte in der Stadt. Willst du sie wirklich verderben und nicht lieber dem Ort um der 50 Gerechten willen, die dort wohnen, vergeben?«, fragt er. Gott geht auf Abrahams Vorschlag ein. Und Abraham bleibt beharrlich: »Vielleicht fehlen an den 50 Gerechten noch fünf. Wirst du wegen der fünf die ganze Stadt verderben?« Gott lässt sich erneut darauf ein. Abraham kann die Zahl zunächst auf 40, dann auf 30, 20 und schließlich auf zehn reduzieren. Bedauerlicherweise ist er zwar trotzdem nicht in der Lage, die Städte zu retten, aber die Lektion bleibt die gleiche. Mit einem positiven Nein ist es möglich, für das einzutreten, was man für richtig hält, ohne eine überaus wichtige Beziehung zu gefährden. Es ist möglich, selbst zu dem mächtigsten Wesen überhaupt Nein zu sagen und trotzdem zu einem Ja zu gelangen.

Das Ziel: Ein positives Ergebnis

Das Ziel ist ein positives Ergebnis, das unsere Hauptinteressen schützt. Dieses positive Ergebnis kann in verschiedenen Varianten daherkommen. Zum einen kann es sich um eine Vereinbarung handeln, die die Interessen beider Seiten berücksichtigt. Dabei ist es unwichtig, ob Sie diese Vereinbarung explizit getroffen haben oder nicht. Letztlich zählt nur, dass der andere Ihr Nein aufrichtig akzeptiert. Das Ergebnis kann auch eine positive Beziehung sein – eine gesunde, authentische Beziehung, in der beide Beteiligten sich selbst treu bleiben können. Und manchmal kann eine Einigung auch die Form einer freundschaftlichen Trennung haben.

Diese wichtige Lektion lernte ich, als meine Frau und ich beschlossen, uns zu trennen. Wir hatten zwar noch keine Kinder, aber trotzdem war das Nein zu unserer Ehe ein sehr schmerzhafter Prozess. Im Lauf der Zeit wurde uns beiden jedoch klar, dass unsere Trennung ein positives Ergebnis war. Heute, viele Jahre später, sind wir beide glücklich mit anderen Partnern verheiratet und haben beide Kinder. Die Grundlage unserer ursprünglichen Verbindung – eine tiefe Freundschaft – haben wir uns erhalten, und mittlerweile sind auch unsere Sprösslinge gute Freunde geworden. Dank einer generellen großzügigen Gesinnung aller Beteiligten und sorgfältiger Beziehungsarbeit mit allen vier Partnern, den alten und den neuen, stehen sich unsere Familien sehr nah, und wir fahren sogar manchmal zusammen in den Urlaub, was für uns alle ein Quell der Freude ist. Keine der heiklen Verhandlungen, in die ich im Lauf der Jahre verstrickt war, war befriedigender für mich als diese. Sie illustriert, wie man Nein sagen und dennoch beim Ja ankommen kann. Ein Nein vermag Sie dem anderen sogar noch näher zu bringen und führt ganz bestimmt zu einer authentischeren Beziehung.

Ähnliche Prozesse habe ich auch schon bei geschäftlichen Verhandlungen erlebt. Ich erinnere mich an eine Teilnehmerin meiner Verhandlungsseminare in Harvard. Nennen wir sie Katherine Taylor. Sie arbeitete als Chefsyndikus für ein großes Technologie-Unternehmen, das einen großen Kunden und namhaften Computerhersteller wegen des Verstoßes gegen das Patentrecht verklagte. Im Lauf ihrer bisherigen Karriere war Taylor als Staatsanwältin tätig gewesen. Sie glaubte eher an den Erfolg ihres Plan B – den Gang vor den Richter – als an Verhandlungen. Aber wie sie mir später berichtete, hatte sie die Unterscheidung zwischen Positionen und Interessen, die wir in unserem Verhandlungsseminar vorgestellt hatten, besonders beeindruckt. Also beschloss sie, doch noch einmal das Gespräch mit dem Gegner zu suchen. Zwei Stunden vor Prozessbeginn rief sie also den Chefsyndikus des Kunden an. Es war eine Frau, die ich hier Barbara Smith nenne. Taylor schlug vor, den Gerichtstermin um eine Woche zu verschieben und stattdessen zu verhandeln.

Am darauffolgenden Tag führten die beiden Anwältinnen ein langes Telefonat. Taylor sagte zu Smith: »Ich durchblicke zwar Ihre rechtliche Position, aber ich bin nicht sicher, ob ich richtig verstanden habe, welche Interessen Sie verfolgen.« Dann erklärte Smith ihr, dass ihr Geschäftsführer nicht nur wegen der Höhe der vorgeschlagenen Abfindungssumme besorgt sei, sondern vor allem auch wegen der Auswirkungen, die ein Prozess auf den Aktienkurs haben könnte. Wie sollte der Geschäftsführer dies den Aktionären erklären? Taylor hörte nur zu und machte sich Notizen. Dann sagte sie: »Danke, ich verstehe Ihre Bedenken nun besser. Darf ich Sie morgen zurückrufen und Ihnen dann unsere Interessen darlegen?« Smith stimmte zu.

Am nächsten Tag schilderte Taylor die Interessen ihrer Firma, und Smith hörte zu. Als Lieferant wünschte sich ihr Unternehmen nicht nur einen fairen finanziellen Ausgleich, sondern auch die Erhaltung einer gewinnbringenden Beziehung zum Kunden. Während der nächsten beiden Tage telefonierten die beiden Anwältinnen immer wieder und am Ende der Woche hatten sie – sehr zur Überraschung sämtlicher Beteiligten – eine Einigung erzielt. Vereinbart wurde eine Abfindungssumme, deren Höhe für Patentstreitigkeiten dieser Art einmalig war: Sie bewegte sich in einem geschätzten Rahmen von 400 Millionen Dollar. Eines der Schlüsselelemente war eine sorgfältig formulierte gemeinsame Erklärung beider Unternehmen, die der Geschäftsführer des Kunden verlesen konnte, um den Aktionären die hohe Abfindungssumme zu erklären. Auf diese Weise wurden die Auswirkungen auf den Aktienkurs gemildert. Außerdem wurde der Rahmenvertrag zwischen beiden Unternehmen von drei auf zehn Jahre erweitert. Die Beziehung blieb also erhalten. Statt den kostspieligen Plan B eines Prozesses mit ungewissem Ausgang auf sich zu nehmen, konnte Taylor durch Verhandlungen zu einer Lösung gelangen, die nicht nur die grundlegenden Interessen ihrer eigenen Firma, sondern auch die ihres Kunden bediente. Auf diese Weise sagte sie Nein zum Diebstahl geistigen Eigentums und erreichte trotzdem ein äußerst wichtiges Ja.

Meiner Erfahrung nach sind derlei positive Ergebnisse sogar in gewalttätigen und blutigen Situationen möglich. Betrachten wir zum Beispiel die Geiselnahme in New York City, die ich im vorigen Kapitel beschrieben habe. Sie endete mit der Freilassung der Geisel und der friedlichen Kapitulation des Geiselnehmers. Die Verhandlungsführer sagten beharrlich Nein zu seinen Forderungen und zu der Drohung, die Geisel zu töten. Trotzdem gelangten sie zum Ja. Bei Geiselnahmen, mit denen wir es heutzutage immer häufiger zu tun haben, ist ein solches Ergebnis gar nicht so selten – tatsächlich gehört es sogar zur Norm. Aber auch in größeren – und damit auch erheblich gewaltsameren – Zusammenhängen funktioniert diese Technik. Denken Sie an das vom Bürgerkrieg zerrissene Südafrika, wo Nelson Mandela und seine Verbündeten vom ANC erfolgreich Nein zum grausamen System der Apartheid sagten, gleichzeitig aber durch beharrliche Verhandlungen mit der weißen, nationalistischen Opposition zum Ja gelangten.

In all diesen Fällen konnte man letztlich nicht nur eine Übereinkunft treffen, sondern sorgte auch für eine gesündere, authentischere Beziehung. Wie man ein solches positives Ergebnis erzielt, werden wir im Verlauf dieses Kapitels genauer untersuchen.

Bauen Sie eine goldene Brücke

Vor 2 500 Jahren riet der chinesische Heerführer Sun Tsu seinen Generälen, »dem Gegner eine goldene Brücke zu bauen, über die er sich zurückziehen kann«. Obwohl sein Rat immer noch Gültigkeit hat, würde ich ihn lieber etwas positiver formulieren: Bauen Sie eine goldene Brücke für den anderen, über die er voranschreiten kann – auf eine positive Lösung zu.

Wenn Sie sich einen Augenblick lang in die Lage des anderen versetzen, werden Sie sehen, wie schwer es für ihn ist, Ja zu Ihrem Vorschlag zu sagen. Vielleicht klafft zwischen Ihren und seinen Wünschen eine riesige Lücke. Diese Kluft ist oft angefüllt mit der Befürchtung, dass die eigenen Interessen nicht erfüllt werden, oder mit der Sorge, das Gesicht zu verlieren. Wenn Sie wollen, dass der andere Ja sagt, so besteht Ihre Aufgabe darin, ihm eine goldene Brücke zu bauen, die diese Kluft überwindet.

Einem Ja zu Ihrem Vorschlag stehen drei prinzipielle Hindernisse im Weg: An erster Stelle stehen hier die unerfüllten Bedürfnisse oder Bedenken Ihres Gegenübers. Falls der andere Ihnen auf persönlicher Ebene zustimmt, fragt er sich vielleicht besorgt – und dies ist das zweite Hindernis –, wie wichtige Auftraggeber oder Interessenvertreter , deren Zustimmung er benötigt oder haben will, wohl reagieren werden. Zum Dritten soll nicht unerwähnt bleiben, dass ein Ja Ihres Gegenübers nicht von Dauer sein muss, zumal nicht, wenn der Prozess des Neinsagens Ihre Beziehung so sehr belastet hat, dass Sie den Schaden auch auf lange Sicht nicht werden reparieren können.

Stellen Sie sich diese letzte Phase des Jas wie eine Reise vor. Auf Ihrem Weg gibt es drei Jas, die Sie vom anderen benötigen – ein Ja zu einer klugen Übereinkunft, ein Ja zur persönlichen Anerkennung und ein Ja zu einer gesunden Beziehung:


Übereinkunft → Anerkennung → Beziehung

 

Im Folgenden wollen wir herausfinden, wie wir zu jedem einzelnen dieser Jas gelangen können.

Ermöglichen Sie eine kluge Übereinkunft

Ihre erste Herausforderung besteht darin, eine Übereinkunft zu erzielen, die nicht nur Ihre eigenen Interessen befriedigt, sondern auch die Ihres Gegenübers.

Machen Sie keine Kompromisse beim Wesentlichen

Bei Verhandlungen geht es nicht einfach darum, irgendein Ja zu erzielen, sondern das richtige Ja. Eine befriedigende Übereinkunft ist nur dann möglich, wenn Sie andere Vereinbarungen, die nicht Ihren Interessen dienen, ausschließen. Oft ist die Versuchung groß, langfristige Prioritäten zugunsten eines kurzfristigen Gewinns aufzugeben. Effektive Verhandlungen erfordern also eine ständige Konzentration auf das Wesentliche. Es besteht durchaus die Gefahr, dass Sie irgendwann auf Biegen und Brechen eine Einigung mit dem Gegenüber erzielen wollen, auch wenn das für Sie selbst gar nicht so sinnvoll ist. Die Beziehung zu dem anderen, ob es nun Ihr Ehepartner oder Ihr Chef ist, scheint plötzlich eine ungeheure Bedeutung zu haben. Treten Sie deshalb einen Schritt zurück und gehen Sie auf den Balkon. Konzentrieren Sie sich auf Ihr zugrunde liegendes Ja – auf Ihre Interessen, Bedürfnisse und Werte, die überhaupt erst zu Ihrem Nein geführt haben. Rufen Sie sich Ihren Plan B ins Gedächtnis. Verkaufen Sie sich nicht unter Wert und lassen Sie sich nicht auf eine Übereinkunft ein, die Ihre Bedürfnisse weniger gut erfüllt, als Ihr Plan B es könnte.

Kurz: Behalten Sie stets Ihr Ziel im Auge – eine Lösung, die Ihre grundlegenden Interessen befriedigt. Sie sollten den anderen zwar respektieren, aber retten müssen Sie ihn nicht.

Kümmern Sie sich um die nicht erfüllten Interessen des anderen

Finden Sie heraus, warum Ihr Gegenüber Ihren Vorschlag zurückweist. Inwiefern entspricht er nicht seinen Interessen? Formulieren Sie Ihre Frage etwa folgendermaßen: »Ich möchte Ihre Bedenken besser nachvollziehen können. An welcher Stelle kommt mein Vorschlag Ihren Bedürfnissen nicht entgegen?«

An dieser Stelle möchte ich Ihnen exemplarisch die Verkaufsverhandlungen für ein großes Unternehmen schildern. Der potenzielle Käufer war ein global und international agierender Konsumartikelhersteller. Der Verkäufer – nennen wir ihn Tom – war der Hauptaktionär eines erfolgreichen Nahrungsmittelherstellers, dessen Hauptanliegen eine umweltfreundliche Unternehmenspolitik war. Nach langen Verhandlungen waren beide Parteien in eine Sackgasse geraten. Das Hauptproblem war der Preis. Tom verlangte ganze 10 Prozent mehr, als der Käufer zahlen wollte, und er war zu keinerlei Kompromissen bereit. Mit anderen Worten: Beide Seiten sagten zum Vorschlag des jeweilig anderen Nein.

Das Geschäft stand kurz vor dem Scheitern. Dann nahm sich der Vizepräsident des Konsumartikelherstellers, den ich hier Jack nenne, einen von Toms Bevollmächtigten beiseite und sagte: »Ich verstehe das nicht. Wir haben sämtliche Unterlagen und Gutachten sorgfältig geprüft, und der Marktwert der Firma steht eindeutig fest. Wir sind bereit, einen Spitzenpreis zu zahlen, aber Toms Forderungen lassen sich auch durch die guten Umsatzzahlen nicht legitimieren. Habe ich etwas übersehen, oder gibt es noch ein anderes Hindernis? Was braucht Tom?« Der Bevollmächtigte zögerte, doch dann erklärte er, dass Tom sich augenblicklich intensiv mit der Frage auseinandersetzte, was er nach der Veräußerung der Firma mit seinem Leben anfangen sollte, die er immerhin mit aufgebaut hatte. Er wollte sich weiterhin für den Umweltschutz einsetzen und erwog die Gründung einer Stiftung. Das zusätzliche Geld, jenen Aufschlag in Höhe von 10 Prozent, benötigte er, um diese Stiftung aus der Taufe zu heben.

Jack, unser Vizepräsident, dachte lange über das Problem nach. Sein Unternehmen, das Farmen und Plantagen in der ganzen Welt unterhielt, befand sich mitten in der Planungsphase zur Gründung eines globalen Umweltrates, dessen Hauptaufgabe darin bestehen sollte, Produkte umweltfreundlicher zu gestalten und Spenden an Umweltprojekte in der ganzen Welt zu vergeben. Der Rat würde auf viel höhere finanzielle Ressourcen zurückgreifen können als Toms Stiftung. Also suchte Jack Tom auf und bat ihn, als Präsident für diesen Umweltrat zu arbeiten. Der Verkaufsvertrag wurde noch am gleichen Abend unterzeichnet und die Firma zum Marktwert verkauft.

Jack hatte Toms Hauptinteressen entdeckt und festgestellt, dass sie nicht berücksichtigt wurden. Dann hatte er einen Weg gefunden, Tom zufriedenzustellen, ohne die Hauptinteressen seiner eigenen Firma zu verraten. Jack hatte Tom eine goldene Brücke gebaut und ihm geholfen, Ja zu sagen.

Eine kluge Übereinkunft richtet sich zum einen nach Ihren eigenen grundlegenden Bedürfnissen, berücksichtigt aber genauso die Ihres Gegenübers. Sie verwandeln eine anfängliche Entweder-oder-Situation (entweder Sie selbst gewinnen oder der andere) in eine Sowohl-als-auch-Lösung (von der letztlich beide Seiten profitieren).

Natürlich wäre es gut, wenn das Ergebnis allen Seiten Gewinn brächte (Win-Win), aber das ist nicht immer möglich. Angesichts Ihrer Forderungen fällt es dem anderen vielleicht schwer, die endgültige Vereinbarung wirklich als Gewinn für sich selbst zu verbuchen. Als Verlustgeschäft sollte er sie aber auch nicht betrachten, sondern vielmehr als Übereinkunft, mit der er auch langfristig leben kann. Es muss sich um ein Ergebnis handeln, das seine grundlegendsten Bedürfnisse berücksichtigt und mit seinen Interessen stärker in Einklang steht als sein eigener Plan B.

»Ich war schon immer der Ansicht, dass ein Deal nur dann gut ist, wenn beide Seiten davon profitieren«, sagt der Milliardär Sumner Redstone, der CEO des Medienriesen Viacom. »Wer den anderen als Verlierer dastehen lässt, der vergisst, dass es auch ein Leben nach dem Geschäft gibt. Immerhin könnte es sein, dass man noch einmal zusammenarbeiten muss.«

Verhelfen Sie dem anderen zur Anerkennung

Eine Übereinkunft ist gut, aber der Verhandlungsprozess ist damit immer noch nicht zu Ende. Es gilt auch die – formelle oder informelle – Anerkennung derjenigen zu gewinnen, vor denen sich Ihr Gegenüber rechtfertigen muss, oder von den Menschen, die ihm am Herzen liegen. Das können der Chef, die Kollegen, der Vorstand, die Familienmitglieder oder das eigene Spiegelbild sein. Die Welt strotzt nur so vor Vereinbarungen, die von wichtigen Personen aus dem Umfeld des Verhandlungspartners nicht akzeptiert und deshalb auch nie in die Praxis umgesetzt wurden. Wenn wir unserem Gegenüber zum Ja verhelfen, dürfen wir niemals vergessen, wer außer ihm ebenfalls noch Ja sagen muss, damit unsere Übereinkunft verbindlich bleibt.

Diese Lektion habe ich auf die harte Tour im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit gelernt. Mein Kollege Steve Goldberg und ich wurden gebeten, bei einem erbitterten Konflikt in einer Mine in Kentucky zu vermitteln. Die Situation war sehr angespannt. Die Bergleute hatten gegen die Bestimmungen des Gewerkschaftsvertrags verstoßen und einen wilden Streik ausgerufen. Das Management reagierte darauf mit der Entlassung eines Drittels der Belegschaft. Die Bergmänner streikten weiter. Ein ortsansässiger Richter sperrte sie eine Nacht lang ins Gefängnis. Daraufhin kamen die Männer am nächsten Tag bewaffnet zur Arbeit, und es gab sogar Bombendrohungen.

Zu Beginn konnten Steve und ich die Gewerkschaftsführer und das Management noch nicht einmal dazu überreden, sich zusammenzusetzen und miteinander zu sprechen. Also pendelten wir sechs Wochen lang zwischen beiden Seiten hin und her, hörten zu und übermittelten dem jeweilig anderen die Vorschläge der Gegenseite. Schließlich beschlossen die Parteien, sich doch noch an einen Tisch zu setzen, und es gelang ihnen sogar, eine gemeinsame Vereinbarung auszuarbeiten. Beide Seiten waren ebenso überrascht wie erfreut, als ob sie einen Friedensvertrag unterzeichnet hätten.

Es gab nur noch eine winzige Kleinigkeit: Die Vereinbarung musste von den Bergleuten ratifiziert werden. Die Abstimmung darüber fand eine Woche später statt und endete mit beinahe einstimmigem Ergebnis – gegen die Vereinbarung. Obwohl das Dokument eine entscheidende Verbesserung der Arbeitsbedingungen festgelegt hätte, wiesen die Arbeiter es zurück, weil sie den Absichten des Managements misstrauten. Wenn die Führungsebene sich auf einen solchen Vertrag eingelassen hatte, musste es einen Haken an der Sache geben. Vermutlich verbarg sich in irgendeiner Formulierung eine Fußangel. Aufgrund dieser Annahme schien es sicherer und befriedigender, mit Nein zu stimmen.

Steve und ich mussten von vorn anfangen. Diesmal konzentrierten wir uns darauf, das Vertrauen der Bergleute zu gewinnen, sodass sie die Vereinbarung unterstützten. Die darauffolgenden Monate verbrachte ich in der Mine – einen Großteil der Zeit unter der Erde – und lernte die meisten Bergarbeiter persönlich kennen. Ich hörte viel zu, vermittelte ein wenig und versuchte, beiden Seiten dabei zu helfen, die Bedingungen des Vertrags informell schon einmal zu verwirklichen, ohne dass ein entsprechendes Dokument ratifiziert worden war. Die Beziehung wurde langsam besser, und in den darauffolgenden zwölf Monaten gab es nicht einen einzigen Streik.

Für mich war das eine gute Lektion. Das Vertrauen derer zu gewinnen, die auf der anderen Seite stehen und die der Vereinbarung letztlich ebenfalls zustimmen müssen, ist keine Nebensächlichkeit, sondern ein zentraler Bestandteil des Gesamtprozesses und genauso viel Aufmerksamkeit wert wie die Einigung selbst.

Machen Sie den Akzeptanzrede-Test

Die ursprüngliche Vereinbarung zwischen Gewerkschaft und Management, bei deren Ausarbeitung Steve und ich halfen, wäre an einem wichtigen Test gescheitert: dem Akzeptanzrede-Test.

Diesen Test können Sie machen, wenn Sie den anderen nur schwer überreden können, Ihren Vorschlag anzunehmen. Tun Sie einen Augenblick lang so, als ob der gegnerische Verhandlungsführer Ja gesagt hätte und die voraussichtliche Vereinbarung nun den anderen Mitgliedern seiner Interessengemeinschaft präsentieren müsste. Stellen Sie sich vor, der andere hielte dazu eine kleine Rede, in der er den Menschen, die er vertritt, darlegt, warum diese Vereinbarung gut ist und warum sie sie unterstützen sollten. Machen Sie einen Entwurf für diese Rede. Wie lautet das entscheidende Argument, das er vorbringen könnte, damit auch die übrigen Mitglieder seiner Gruppe die Übereinkunft akzeptieren? Notieren Sie die wichtigsten Diskussionspunkte.

Jetzt stellen Sie sich vor, wie der andere die von Ihnen verfasste Rede vorträgt, und denken Sie über die harten Fragen nach, mit denen er sich möglicherweise konfrontiert sieht:

 
  • »Warum hast du aufgegeben?«
  • »Was hast du aufgegeben?«
  • »Musstest du dieses Zugeständnis machen?
  • »Was ist mit unseren Bedürfnissen – hast du uns vergessen?«
  • »Warum sind wir nicht gefragt worden?«

Stellen Sie sich vor, wie schwierig eine solche Rede angesichts des Chores kritischer Fragen wäre. Niemand hört gern, dass er aufgegeben oder jemanden verraten hat, besonders nicht von Menschen, auf deren gute Meinung man Wert legt.

Dies ist der Akzeptanzrede-Test. Wenn Sie sich nicht vorstellen können, dass der andere mit seiner Rede seine Gleichgesinnten überzeugt, dann wissen Sie, dass Sie noch daran arbeiten müssen. Wenn der andere sich nicht vorstellen kann, sich möglicher Kritik zu stellen, wird er Ihrem Vorschlag wahrscheinlich nicht zustimmen. Und selbst wenn er es tut, kann er die gemeinsame Vereinbarung angesichts des Widerstands aus den eigenen Reihen wohl kaum realisieren. In einem solchen Fall müssen Sie Ihren Vorschlag verändern, damit er überzeugender wird – natürlich ohne Ihre grundlegenden Bedürfnisse zu verraten. Stellen Sie sich vor, mit welchen Kritikpunkten der andere möglicherweise konfrontiert wird, und überlegen Sie sich, welches die besten Antworten wären. Betrachten Sie es als Ihre Aufgabe, den anderen auf die Akzeptanzrede vorzubereiten, die er Ihrer Auffassung nach halten sollte.

Bei der Durchführung dieses Tests kann Ihnen die unten abgebildete Tabelle dienlich sein. Identifizieren Sie die Interessengemeinschaft der Gegenseite. Notieren Sie die Hauptdiskussionspunkte und zeigen Sie auf, in welcher Weise Ihr Vorschlag die wichtigsten Anliegen der gegnerischen Partei berücksichtigt. Listen Sie die Hauptkritikpunkte auf, die sie vorbringen, und die besten Antworten, die man darauf geben könnte.

Sie müssen dem anderen dabei helfen, diese Akzeptanzrede zu halten. Ohne ihn auszutricksen oder sich ihm gegenüber herablassend zu verhalten, sollten Sie ihn mit den besten Argumenten ausstatten, mit denen er seine Interessengemeinschaft überzeugen kann. Es ist ein Fehler anzunehmen, dass dies ausschließlich die Aufgabe Ihres Verhandlungspartners ist: Wenn Sie eine Übereinkunft anstreben, die tatsächlich zum Tragen kommen soll, dann müssen Sie selbst sich ebenfalls darum bemühen.

Wie bereits beschrieben, hatte ich es im Rahmen meiner Vermittlungstätigkeit eines Tages mit den militärischen Oberbefehlshabern einer Guerillabewegung zu tun, die mit Gewalt die Unabhängigkeit ihrer Region vom Mutterland durchzusetzen versuchte. Ich bat die Männer, ihre Unabhängigkeitsforderung dem Akzeptanzrede-Test zu unterziehen.

»Stellen Sie sich vor, der Präsident lässt sich auf Ihre Forderungen ein und hält morgen eine Fernsehansprache, in der er der ganzen Nation verkündet, dass er Ihrer Region die politische Unabhängigkeit gewährt. Wie würden seine Wähler reagieren?«

»Er hätte ein Riesenproblem, aber das ist seine Sache«, antwortete der Oberbefehlshaber.

»Wenn Sie aber wollen, dass er diese Rede hält, dann ist es auch Ihr Problem. Wie können Sie ihm seine Rede erleichtern?«, fragte ich.

Die Guerillaführer überdachten die politischen Einschränkungen, denen der Präsident unterlag, und stimmten ihre unmittelbaren Forderungen darauf ab: Sie erbaten zunächst also lediglich einen vorübergehenden Waffenstillstand, was die Regierung tatsächlich akzeptierte.

Helfen Sie dem anderen, das Gesicht zu wahren

Wer ein Nein akzeptiert, läuft Gefahr, bei den ihm wichtigen Menschen das Gesicht zu verlieren. Dies schadet nicht nur dem Ego, sondern bedeutet noch viel mehr: Er verliert seine persönliche Ehre, seine Würde und Selbstachtung. Wie oft schon habe ich Verhandlungen scheitern sehen, weil der andere sein Gesicht nicht wahren konnte. Betrachten Sie es deshalb als Ihre Aufgabe – so seltsam dies auch klingen mag –, dem anderen dabei zu helfen, bei seiner Interessengemeinschaft gut dazustehen, damit er Ihren Vorschlag akzeptieren kann.

Lassen Sie mich im Folgenden einen Rat des Experten für Geiselnahmen, Dominick Misino, zitieren, den ich schon in einem früheren Kapitel erwähnt habe: »Es gehört zu unseren wichtigsten Grundsätzen als Verhandlungsführer, dass man dem Typen am anderen Ende der Telefonleitung dabei helfen muss, das Gesicht zu wahren, wenn man gewinnen will. … Das habe ich ganz am Anfang meiner Karriere gelernt, als ich bei einer Geiselnahme in Spanish Harlem vermitteln sollte. Es war in einer heißen Sommernacht um etwa drei Uhr morgens. In den Straßen liefen bestimmt 300 bis 400 Menschen herum. Ein junger Mann mit einem geladenen Gewehr hatte sich in einem überfüllten Mietshaus verbarrikadiert. Er signalisierte zwar seine Bereitschaft aufzugeben, tat es aber nicht, um nicht hinterher als Schwächling dazustehen. Der Kerl hatte zwar gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen, aber er war kein Mörder, also machte ich ihm folgenden Vorschlag: Wenn er sich beruhigte und sich von mir Handschellen anlegen ließ, würde ich dafür sorgen, dass es so aussah, als hätte er bei seiner Festnahme heftige Gegenwehr geleistet. Er legte sein Gewehr nieder und benahm sich wie ein perfekter Gentleman, bis wir auf die Straße hinauskamen, wo er wie verrückt herumschrie und Krach schlug, genau wie wir vorher vereinbart hatten. Währenddessen feuerte die Menge ihn mit wilden ›José! José!‹-Rufen an. Wir warfen ihn auf den Rücksitz des Autos, drückten das Gaspedal durch und rasten davon. Zwei Straßen weiter setzte José sich auf, grinste breit und sagte zu mir: ›Hey Danke, Mann. Das war wirklich nett von Ihnen.‹ Er hatte erkannt, dass ich ihm einen Ausweg aus seiner Situation gezeigt hatte, sodass er weder andere getötet hatte noch selbst ums Leben gekommen war. Das habe ich niemals vergessen.«

Pflegen Sie eine gesunde Beziehung

Die meisten Menschen entfernen sich nach einem Nein voneinander, wo doch eigentlich das Gegenteil viel besser wäre. Ein positives Nein ermöglicht es Ihnen, eine engere und authentischere Beziehung mit dem anderen aufzubauen – zumindest, wenn Sie wollen.

Ihre Beziehung – zum Partner oder Ex-Partner, zu Ihrem Kind oder Ihren alten Eltern, zu Ihrem Chef oder Ihrem Kunden – ist vielleicht wichtig für Sie. Wenn Ihr Gegenüber Ihrer Bitte zwar nachkommt, Ihre Beziehung danach aber dauerhaft Schaden nimmt, so haben Sie zwar kurzfristig einen Sieg errungen, müssen jedoch einen langfristigen Verlust beklagen. Idealerweise sollte eine Beziehung aus dem Konflikt jedoch gestärkt hervorgehen und nicht noch zusätzlich belastet werden.

Denken Sie immer daran, dass Sie mit Ihrem Gegenüber auch in Zukunft zu tun haben könnten, auch wenn Sie keine Lust dazu haben. Ihr jetziges Nein ist vielleicht nur eine Episode in einer langen Folge von Neins. Ihre große Aufgabe besteht darin, der Beziehung eine herzliche Basis zu geben, auch wenn Sie weiterhin Ihre Differenzen haben werden.

Auch wenn Sie kein inniges Verhältnis zu dem anderen anstreben, sollten Sie daran denken, dass die Beziehung zumindest eine Zeit lang funktionieren muss. Andernfalls dürfte es schwerfallen, die Übereinkunft, die Sie erreicht haben, auch wirklich zu realisieren. Wie können Sie dafür sorgen, dass Ihr Gegenüber Ihre Bedürfnisse nicht nur jetzt, sondern auch weiterhin respektiert? Wie werden Sie mit den Differenzen umgehen, die sich während der Realisierungsphase Ihrer Vereinbarung ergeben können? Eine funktionierende Beziehung ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Umsetzung.

Reichen Sie dem anderen die Hand

Genau wie der spanische Bankier, den Sie bereits in einem früheren Kapitel kennen gelernt haben, seinen Kunden zu einem besonderen Abendessen auf sein Landgut einlud, um ihm mitzuteilen, dass seine Bank ihm in diesem speziellen Fall ihre Unterstützung versagen würde, müssen Sie der Beziehung zum anderen beim Neinsagen mehr Aufmerksamkeit widmen, nicht weniger. Sie müssen dem anderen die Hand reichen.

Auf persönlicher Ebene habe ich das am Ende meiner ersten Ehe gelernt. Als meine erste Frau und ich zu unserer Ehe Nein sagten, achteten wir sorgfältig darauf, Ja zu unserer zukünftigen Freundschaft zu sagen. Bevor wir anfingen, uns mit dem heiklen Thema zu befassen, wie wir unseren Privatbesitz aufteilen würden, einigten wir uns auf ein paar Grundprinzipien, durch die wir unser gemeinsames Engagement für eine starke und dauerhafte Freundschaft betonten. Diese Prinzipien halfen uns, unsere Differenzen zu überwinden und eine für uns beide befriedigende Lösung zu finden. Die ganze Zeit über blieben wir einander aufs Engste verbunden und hielten nach praktischen Möglichkeiten Ausschau, uns gegenseitig in dieser persönlichen Übergangsphase zu helfen, ob es nun darum ging, eine neue Wohnung zu finden oder den Verlust eines Elternteils zu betrauern. Es war zwar nicht immer leicht, aber das Endergebnis war die Sorgfalt und Mühe, die jeder von uns in die Pflege der Beziehung investierte, mehr als wert.

Es ist zwar nicht immer einfach, dem anderen im Eifer des Gefechts die Hand zu reichen, aber oft ist es von großem Nutzen. In seinen Memoiren erinnert sich Nelson Mandela an seine erste Fernsehdiskussion mit Präsident de Klerk, die den ersten demokratischen Wahlen in Südafrika unmittelbar vorausging: »Doch als sich die Diskussion ihrem Ende näherte, hatte ich das Gefühl, zu grob mit dem Mann umgesprungen zu sein, der in einer Regierung der nationalen Einheit mein Partner sein würde.« Dieses Resümee brachte ihn dazu, seinem Gegner auf metaphorischer Ebene die Hand zu reichen und folgende Worte direkt in die Kamera zu sagen: »Der Wortwechsel zwischen Mr. de Klerk und mir sollte eine bedeutsame Tatsache nicht verdunkeln. Ich denke, wir sind für die ganze Welt ein leuchtendes Beispiel von Menschen aus verschiedenen rassischen Gruppen, die eine gemeinsame Loyalität, eine gemeinsame Liebe für ihr gemeinsames Land teilen … Trotz der Kritik an Mr. de Klerk …«, sagte Mandela und wandte sich nun um, um seinem Gesprächspartner direkt in die Augen zu sehen, »Sir, Sie sind einer von jenen, auf die ich baue. Wir wollen das Problem dieses Landes gemeinsam angehen.« Dann streckte er de Klerk die Hand entgegen und sagte: »Ich bin stolz, Ihre Hand zu halten, damit wir voranschreiten können.«

Mandela schreckte nicht davor zurück, de Klerk in eine hitzige Debatte zu verwickeln. Trotzdem behielt er den größeren Zusammenhang im Auge: Auch in Zukunft würde er eine persönliche Beziehung zu de Klerk haben, ebenso wie sämtliche schwarzen Südafrikaner sich weiterhin mit weißen Südafrikanern arrangieren mussten. Mandelas Verhalten war keineswegs nur eine leere Geste. Für seine Millionen von Anhänger war sein Verhalten beispielhaft: Er streckte die Hand aus, um die Kluft zwischen ihm selbst und seinem größten politischen Gegner zu überbrücken, um »voranzuschreiten«. Trotz ihres schwierigen persönlichen Verhältnisses bat Mandela de Klerk, als zweiter Vizepräsident der Interimsregierung zu fungieren, und de Klerk akzeptierte, um in einer Zeit enormen politischen und sozialen Umbruchs den Frieden zu sichern. Beide erwiesen sich durch ihr Verhalten als äußerst mutige Staatsmänner und trugen maßgeblich dazu bei, dass die heikle Verschiebung der Machtverhältnisse erfolgreich vonstattenging.

Stellen Sie das Vertrauen wieder her

Wenn Ihre Beziehung durch Ihr Nein sehr angeschlagen ist, sollten Sie sich Gedanken darüber machen, was Sie unternehmen können, um sie zu kitten. Der Heilungsprozess kann ihr wieder zur Ganzheit verhelfen. Man sagt, dass ein Knochen an der Bruchstelle umso stärker wieder zusammenwächst. Auf diese Möglichkeit sollten Sie hinarbeiten.

Ein paar aufrichtige Worte der Anerkennung, eine Entschuldigung oder der Ausdruck des Bedauerns können Wunder wirken. Im Folgenden schildere ich Ihnen das Beispiel meines Kollegen Josh Weiss: »Ein Unternehmen, für das ich tätig war, hatte aufgrund vergangener Geschäfte eine problematische Beziehung zu einem Indianerstamm. Trotzdem lag eine Zusammenarbeit in beiderseitigem Interesse. Die Firma machte einen, wie man glaubte, sehr großzügigen Vorschlag. Doch der Stamm wies ihn ohne jede Erklärung prompt zurück. Man braucht wohl kaum zu betonen, wie verwirrt die Firmenvertreter waren. Im Verlauf unseres Trainings analysierten wir die Situation genauer, und ich fragte nach der bisherigen Beziehung zwischen beiden Verhandlungspartnern. Ein Unternehmensvertreter erklärte uns, dass sich der Stamm schlecht behandelt fühlte. Ich fragte, ob Firmenvertreter jemals sprachlich zum Ausdruck gebracht hatten, dass sie die Schwierigkeiten der Vergangenheit bedauerten. Sie verneinten, waren aber bereit, das nachzuholen und sich vom Ergebnis überraschen zu lassen. Einen Monat später erfolgte die Einigung in der bewussten Angelegenheit, was eindeutig auf die neue Wortwahl der Firmenvertreter zurückzuführen war. Bemerkenswert hierbei ist, dass sich die Firma noch nicht einmal entschuldigt hatte, sondern einfach nur ihr Bedauern über die vergangenen Probleme zum Ausdruck gebracht hatte.«

Füllen Sie das Konto Ihres Wohlwollens wieder auf

Wenn Ihr Nein die Ersparnisse an Wohlwollen, die Sie auf der Bank des anderen haben, aufgebraucht hat, ist nun der Zeitpunkt gekommen, Ihr Konto bei ihm wieder aufzufüllen.

In unserer hektischen Welt ist es nur allzu üblich, Beziehungen für selbstverständlich zu halten und sie als reine Hilfsmittel zu betrachten, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Unser problematischer Kunde oder Kollege hört nur dann von uns, wenn wir ein Problem haben, bei dessen Lösung er uns helfen soll. Wir sind nur dann nett zu anderen Menschen, wenn wir etwas von ihnen brauchen. Probleme sind dadurch vorprogrammiert.

In der Phase nach Ihrem Nein sollten Sie sofort nach Gelegenheiten zur Beziehungspflege Ausschau halten. Wenn Sie Ihrem halbwüchsigen Sohn verboten haben, am Wochenende auszugehen, damit er überfällige Hausaufgaben nachholt, sollten Sie vielleicht nach erfolgreich erledigter Arbeit mit ihm und der Familie ein Eis essen gehen, um ein bisschen zu feiern. Scheuen Sie keine Mühen, um ihn in die Familie einzubeziehen, und erinnern Sie ihn, dass die Strafe keine persönliche Zurückweisung war. Wenn Sie eine problematische Beziehung zu einer Kundin oder Kollegin haben, laden Sie sie zum Mittagessen ein oder zu einer Veranstaltung, für die sie sich interessiert. Sprechen Sie dabei nicht ein einziges Mal übers Geschäft. Überraschen Sie sie auf positive Weise, und das nicht nur einmal! Achten Sie auf regelmäßige Kommunikation: in Meetings, beim Mittagessen, bei Zusammenkünften.

Wenn Sie die Hilfegesuche eines Kollegen mehrfach mit Nein beantworten mussten, versuchen Sie, ihm zu helfen, ohne dass er Sie darum fragt.

Oder folgen Sie dem Rat Benjamin Franklins: Wenn er jemanden für sich gewinnen wollte, pflegte er ihn zunächst einmal um einen Gefallen zu bitten. Auf diese Weise stand er in seiner Schuld. Anschließend suchte Franklin nach Möglichkeiten, sich erkenntlich zu zeigen. Bekam er beispielsweise mit, dass jemand ein seltenes Buch besaß, schickte er ihm eine Nachricht ins Büro mit der Anfrage, ob er bereit wäre, es ihm für 14 Tage zu leihen.

Schließen Sie mit einem positiven Akzent

Wie bereits erwähnt, sollte man zu Beginn einen positiven Akzent setzen, weil der erste Eindruck zählt. Genauso wichtig aber ist die positive Bemerkung am Ende, denn der letzte Eindruck ist ebenfalls von großer Bedeutung. Hierbei kann es sich beispielsweise einfach nur um die Bestätigung Ihrer Beziehung handeln: »Martha, ich weiß, dass es nicht einfach für uns beide war, uns mit diesem Thema zu befassen. Danke, dass du dich so sehr bemüht hast, meine Bedürfnisse in dieser Situation zu respektieren. Ich freue mich darauf, mit dir an dieser Sache und bei anderen Gelegenheiten auch weiterhin zusammenzuarbeiten.«

Mit anderen Worten: Bestätigen Sie, dass Sie Schwierigkeiten hatten, danken Sie Ihrem Gegenüber für die Kooperation und konzentrieren Sie sich auf eine positive Zukunft. Dabei besteht kein Anlass zum Süßholzraspeln – eine sachliche Anerkennung und ein einfaches Danke sind genug. Wenn der andere ein gutes Gefühl bei der ganzen Sache hat, wird er sich viel eher auf eine Übereinkunft einlassen und sie umzusetzen versuchen.

Eine positive Bemerkung zum Abschluss kostet Sie nur wenig und kann große Vorteile bringen. Um es mit den Worten Shakespeares zu formulieren: »Tu, was Gegner vor Gericht tun: Kämpfe hart, aber iss und trink mit ihnen wie mit Freunden.«

Als Geste des Respekts nach einem langen politischen Kampf um die Bürgerrechte schickte Mahatma Gandhi seinem unbezähmbaren Gegner, dem Premierminister Jan Smuts aus Südafrika, ein Paar Sandalen, die er im Gefängnis angefertigt hatte, in das Smuts ihn hatte bringen lassen. Smuts trug sie jeden Sommer – voller Stolz. Zu Gandhis 70. Geburtstag schickte Smuts die Sandalen an Gandhi mit folgenden Worten zurück: »Ich habe das Gefühl, dass ich es nicht wert bin, in den Schuhen eines so großen Mannes zu gehen.« Durch sein Nein war Gandhi nicht nur zu einem Ja mit einem harten politischen Gegner gelangt; er hatte den Feind auch in einen Freund und Bewunderer verwandelt.

Sagen Sie Nein … und erzielen Sie trotzdem ein Ja

Dieser letzte Schritt des Gesamtprozesses – das Aushandeln des Jas – lässt Sie letztlich beim Ja ankommen. Sie begannen Ihre Reise, indem Sie Ja zu Ihren eigentlichen Interessen sagten, und nun beenden Sie sie, indem Sie dem anderen dabei helfen, Ja zu einem Ergebnis zu sagen, das diese Interessen befriedigt. Der Schlüssel liegt in der goldenen Brücke, durch die Sie es dem anderen erleichtert haben, Ja zu einer Einigung und zu einer gesünderen Beziehung zu sagen.