6 Schlagen Sie ein Ja vor

Hab keine Angst, dich aus dem Fenster zu lehnen … Nur dort findest du reiche Frucht.
Altes englisches Sprichwort

Wenn Sie einmal Nein gesagt haben, ist die Versuchung groß, es dabei zu belassen und die Sache als erledigt zu betrachten: »Toll! Ich habe Nein gesagt.« Aber das reicht nicht. Es gibt noch einen dritten, äußerst wichtigen Teil des positiven Neins: den Vorschlag eines Ja?

Der vielleicht häufigste Fehler besteht darin, die Sache als erledigt zu betrachten und dadurch die Gelegenheit zu verpassen, ein positives Ergebnis vorzuschlagen. Auf die Anfrage des anderen hin sagen wir zwar, was wir nicht tun wollen, aber wir sagen nicht, was wir tun werden. In Bezug auf seine Verhaltensweisen sagen wir ihm, was er unserer Ansicht nach nicht tun soll, aber wir vergessen, ihm zu sagen, was er unserer Ansicht nach tun soll.

Denken Sie daran, dass Nein sagen nicht nur ein Kommunikationsakt, sondern auch eine Übung in der Kunst der Überredung ist. Sie wollen, dass der andere Ihr Nein akzeptiert. Sie wollen, dass er sein Verhalten ändert. Und in der Regel wollen Sie auch die Beziehung aufrechterhalten. Hier bietet sich Ihnen die Gelegenheit, den anderen durch Ihr Nein zu überreden: Erleichtern Sie ihm, das zu tun, was Sie von ihm wollen.

Der dritte, wesentliche Bestandteil des positiven Neins ist ein Ja? Das positive Nein beginnt mit einem Ja! und endet mit einem Ja? Das erste Ja ist eine Bestätigung Ihrer persönlichen Hauptinteressen, das zweite Ja ist die Einladung an den anderen, gemeinsam ein positives Ergebnis zu erzielen. Während eine Tür sich durch Ihr Verhalten schließt, öffnen Sie eine andere und fragen Ihr Gegenüber: »Möchtest du mit mir zusammen durch diese Tür gehen?«

Wer eine Tür schließt, sollte eine andere öffnen

Eines Tages sah ich mir zusammen mit meiner damals fünf Jahre alten Tochter Gabriela den Film Hook an. In einer Szene sagt Captain Hook in heftigem Ton zu Peter Pan: »Ich hasse dich! Ich hasse dich! Ich hasse dich!« Meine Tochter sah mich an und sagte: »Das hätte er nicht sagen dürfen. Es wäre viel besser, wenn er sagen würde: ›Ich mag dich zwar nicht, aber manchmal spiele ich trotzdem mit dir.‹« Fünfjährige wissen also, wie klug es ist, seinem Gegenüber eine Tür zu öffnen. Aber wir Erwachsenen vergessen es leicht.

Eine Tür zu schließen und sie anschließend wieder zu öffnen kann Ihre Botschaft verwässern und Ihr Nein schwächen. Aber eine Tür zu schließen und eine zweite Tür zu öffnen, wobei die erste weiterhin geschlossen bleibt, vermag Ihr Nein sogar zu klären und zu stärken.

In der Bürgerrechtsbewegung gab es seinerzeit einen wichtigen Wendepunkt, der genau illustriert, wie ein solcher Prozess vonstattengehen soll. In Nashville, Tennessee, im Winter und Frühjahr 1960 saßen schwarze Studenten an Mittagstischen in Kaufhäusern der Innenstadt, die bis dahin nur für Weiße reserviert gewesen waren. Nachdem im Haus eines führenden schwarzen Anwalts eine Bombe explodiert war, die ihn und seine Familie fast getötet hätte, begannen Hunderte von Studenten und Bürgern einen Protestmarsch zum Rathaus. Auf der Rathaustreppe, im Angesicht der Menge, trafen die Repräsentanten der Protestierenden mit dem Bürgermeister, Ben West, zusammen. Einer der schwarzen Sprecher konfrontierte Bürgermeister West mit zornigen Vorwürfen, woraufhin West seinen guten Leumund wütend verteidigte.

Dann trat eine 22-jährige Frau, Diane Nash, vor und fragte ihn, ob er es nicht auch für falsch hielt, »einen Menschen nur wegen seiner Rassenzugehörigkeit oder seiner Hautfarbe zu diskriminieren«. West antwortete, dass »es seiner Ansicht nach moralisch nicht vertretbar war, Menschen schwarzer Hautfarbe zwar Waren zu verkaufen, ihnen aber Dienstleistungen zu verweigern«. Nash hakte nach. Sie fragte ihn, ob die Rassentrennung an den Mittagstischen seiner Ansicht nach aufgehoben werden sollte. West zögerte und reagierte ausweichend, aber Nash blieb hartnäckig: »Also, Herr Bürgermeister. Würden Sie empfehlen, dass die Rassentrennung an Mittagstischen aufgehoben werden sollte?« Als West mit »Ja« antwortete, erhob sich lauter Applaus, und die Protestierenden konnten sich einfach nicht zurückhalten und umarmten den Bürgermeister. Seine positive Antwort führte direkt zur Aufhebung der Rassentrennung an den Mittagstischen – ein großer Sieg im Kampf um die bürgerlichen Rechte.

Während alle anderen es bei ihrem Nein zu der Haltung der Weißen und zum Bürgermeister im Besonderen bewenden ließen, ging Diane Nash einen Schritt weiter und lud ihn zum Jasagen ein. Sie öffnete ihm eine Tür, und Bürgermeister West ging hindurch.

Ein Nein allein löst oft ein hohes Maß an Frustration aus: Ihre Umwelt reagiert zornig, und Sie haben unter den Folgen zu leiden. Das gilt insbesondere, wenn die anderen das Gefühl haben, ohne jede Rückzugsmöglichkeit mit dem Rücken zur Wand zu stehen – ähnlich, wie sich wahrscheinlich Bürgermeister Ben West fühlte, als er von dem studentischen Sprecher attackiert wurde. Wenn Sie jedoch – wie Diane Nash mit ihren beharrlichen Fragen – eine Tür öffnen, zeigen Sie Ihrem Gegenüber einen Ausweg. Ihre Macht kann sich entfalten, indem Sie Ihr Gegenüber überreden, diesen Ausweg zu nutzen. Kurz gesagt: Statt den anderen zu frustrieren, sollten Sie sich darauf konzentrieren, seine Aufmerksamkeit auf ein positives Ergebnis umzuleiten.

Ein positiver Gegenvorschlag hat einen weiteren großen Vorzug: Er demonstriert Respekt für den anderen. Wenn Sie einen Weg finden, sich auf seine Bedürfnisse einzustellen, ist er wahrscheinlich viel eher bereit, Ihr Nein zu akzeptieren und seinerseits auch Ihre Interessen zu respektieren. Genau darin liegt das Geheimnis der Überredungskunst.

Und schließlich – obwohl Ihnen das jetzt vielleicht komisch vorkommen mag – gibt ein Vorschlag dem anderen Gelegenheit, seinerseits Ihnen ein Nein entgegenzusetzen. Statt ihn in der unangenehmen Position des Zurückgewiesenen zu belassen, können Sie das Blatt wenden und ihm die Gelegenheit bieten, Ihnen Ihre Bitte abzuschlagen. Das reduziert den Stachel der Ablehnung, der oft zu destruktiven Gegenreaktionen führt. Aus psychologischer Sicht wird dadurch ein gewisses Gleichgewicht hergestellt, eine Symmetrie, die die gesunde Beziehung zum anderen wieder herstellt. Dadurch, dass Sie Ihrem Gegenüber die Möglichkeit geben, Nein zu sagen, und sein Recht auf eigene Entscheidungen respektieren, erleichtern Sie ihm, so paradox das klingen mag, ein Ja. Und wenn er Ihren positiven Vorschlag letztlich doch ablehnt, dann betrachten Sie es einfach als Teil der Herausforderung; schließlich behandeln wir in den nächsten drei Kapiteln verschiedene Möglichkeiten, wie man den Widerstand des anderen in Akzeptanz verwandeln kann.

Ein positiver Vorschlag stellt keineswegs eine Schwächung Ihres Neins dar. Wie Diane Nashs Beispiel zeigt, ist das Gegenteil der Fall: Ein guter Vorschlag vermag Ihr Nein zu stärken und effektiver zu machen. Dabei ist es besonders wichtig, dass Ihre Signale eindeutig sind und dass Sie Ihrem Gegenüber keine falschen Hoffnungen machen. Ihr Vorschlag muss 100-prozentig mit Ihrem Nein in Einklang stehen: Genau wie Ihr Nein sollte Ihr Vorschlag in Ihrem ursprünglichen Ja! verwurzelt sein.

Ein positiver Vorschlag ist eine praktische Lösung – spezifisch, realistisch und konstruktiv. Er kann verschiedene Formen annehmen. Wenn Sie zu einer Forderung Nein sagen, kann Ihr Vorschlag eine dritte Alternative sein. Wenn Sie Nein zu einer unerwünschten Verhaltensweise sagen, kann er in Form der konstruktiven Bitte daherkommen, das fragliche Verhalten zu verändern. Oder, wenn ein Nein vollständig und ausreichend ist, kann er ganz minimalistisch sein: Dann bitten Sie den anderen einfach nur, Ihr Nein zu akzeptieren. Diese drei Varianten wollen wir uns im Folgenden etwas detaillierter ansehen.

Nein zu Forderungen: Finden Sie eine dritte Option

Wenn Ihr Gegenüber eine unangemessene oder unerwünschte Forderung stellt, kommt ein Ja nicht infrage. Doch die Beziehung ist Ihnen wichtig, weshalb Sie auch nicht einfach nur Nein sagen wollen. In einem solchen Fall könnten Sie es folgendermaßen formulieren: »Gibt es für uns beide nicht noch eine dritte Möglichkeit?« Mit anderen Worten: Kombinieren Sie Ihr Nein mit einer positiven Lösung, die sich an den Bedürfnissen Ihres Gegenübers ebenso orientiert wie an Ihren eigenen.

Vergleichen Sie, wie zwei verschiedene Menschen in meinem Bekanntenkreis mit dem Wunsch ihrer Familie umgingen, einen Hund anzuschaffen. Im ersten Fall sagte ein Familienvater Nein zu seiner Frau und seinen Kindern, die sich sehnlich einen Hund wünschten. Er selbst gibt seine Worte folgendermaßen wider: »Ich sagte: ›Ich mag keine Hunde! Ich will keine Hunde im Haus haben! In unserer Familie brauchen wir keinen Hund.‹ Darauf antworteten meine Kinder: ›Wir brauchen einen neuen Vater.‹ Am Ende bekamen wir zwei große Hunde. Obwohl ich mich letztlich problemlos damit arrangierte, war es wahrscheinlich das ineffizienteste Nein meines Lebens.«

Im zweiten Fall widersetzte sich eine Frau den Plänen ihres Mannes, einen Hund zu kaufen. Ihr Nein enthielt eine klare Schilderung der Bedingungen, die ihr Mann würde akzeptieren müssen: »Wir können uns nur dann einen Hund anschaffen, wenn du erstens dafür sorgst, dass er nicht die Möbel anknabbert, zweitens einen Zaun anbringen lässt und dir drittens eine Lösung überlegst, wo wir den Hund unterbringen, wenn wir in Urlaub sind.« Sie übertrug ihrem Mann die Verantwortung, eine Lösung auszuarbeiten. Am Ende zog auch in dieser Familie ein Hund ein, aber die Vereinbarung funktionierte.

Finden Sie Alternativen, von denen beide Parteien profitieren

Seien Sie also kreativ und überlegen Sie sich – genau wie die eben zitierte Ehefrau – eine Alternative, von der beide Beteiligten profitieren können. Die Lösung lautet nicht automatisch Entweder-Oder, also »Entweder sind Sie selbst zufrieden oder der andere«. Häufig können Sie auch eine Möglichkeit entwickeln, die beide Parteien befriedigt.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Eine Ihrer wichtigsten Angestellten kommt eines Tages in Ihr Büro und bittet um eine Beförderung. Sie gehen davon aus, dass sie mehr Geld will. Da Ihr Budget aber ohnehin schon ziemlich belastet ist, lautet Ihre unmittelbare Antwort auf ihre Anfrage Nein. Sie antworten ihr, dass Ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Als sie Ihr Büro verlässt, sieht sie unglücklich aus. Und wenn Sie länger darüber nachdenken, wird Ihnen klar, dass Sie selbst mit dieser Lösung ebenfalls nicht glücklich sind. Sie wollen keine entmutigte Mitarbeiterin, die sich über kurz oder lang vielleicht nach einem anderen Job umsieht. Also denken Sie über mögliche Alternativen nach, die mit Ihrem knappen Budget vereinbar sind, die die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiterin aber trotzdem berücksichtigen.

Sie wissen, dass sie mehr Anerkennung, Verantwortung und größere Herausforderungen sucht, die letztlich in einer erheblichen Beförderung münden. Außerdem möchte sie sich finanziell verbessern – schließlich wird ihr Sohn bald aufs College gehen, sodass hohe Kosten auf sie zukommen. Aus diesen Überlegungen ergeben sich ein paar interessante Alternativen:

 
  • Anerkennung. Wie wäre es mit einem neuen Titel, der ihr Bestätigung und Anerkennung gibt? Vielleicht könnte man ihr ja die Aufgabe übertragen, die Firma bei einer wichtigen Konferenz zu repräsentieren?
  • Mehr Verantwortung. Könnte die Mitarbeiterin nicht an einem neuen Projekt teilnehmen, das nicht nur über eine hohe Sichtbarkeit verfügt, sondern auch bedeutsam für die Zukunft des Unternehmens ist?
  • Maßnahmen zur Studienförderung. Könnten Sie sich nicht an die Personalabteilung wenden und überprüfen, ob man ein preiswertes Studiendarlehen arrangieren könne? Vielleicht können Sie Ihrer Mitarbeiterin ja auch helfen, Stipendienmöglichkeiten auszuloten.

Abhängig von den persönlichen Verhältnissen Ihrer Mitarbeiterinnen und den Ressourcen Ihres Unternehmens bieten sich vielleicht noch andere Alternativen an. Wer auf diese Weise eine dritte Alternative schafft, durchbricht den falschen Dualismus von Ja und Nein. Er zeigt, dass er dem anderen genug Wertschätzung entgegenbringt, um seinen Sorgen so gut es geht zu begegnen. Er verschiebt das Schwergewicht vom Negativen zum Positiven, von dem, was nicht getan werden kann, zu dem, was getan werden kann. Er demonstriert seinen guten Glauben und sein Interesse daran, dem anderen bei der Befriedigung seiner Bedürfnisse zu helfen – nur nicht auf Kosten seiner eigenen.

Wenn Sie persönlich nicht helfen können, schlagen Sie jemand anders vor, der vielleicht in die Bresche springen könnte. Wenn ein Kollege Sie dringend bittet, ein bestimmtes Projekt zu übernehmen, können Sie Ihrem Nein vielleicht die Frage hinzufügen: »Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, einen Freiberufler zu engagieren , der Ihnen aus der Patsche hilft? Ich könnte Ihnen die Namen und Adressen einiger sehr guter Kräfte geben.« Eine Empfehlung auszusprechen oder einen Kontakt herzustellen kann oft eine sehr wertvolle Hilfe sein.

»Später«

Manchmal ist die Haupteinschränkung das richtige Timing. In diesem Fall besteht die dritte Alternative darin, der Forderung des anderen zwar zuzustimmen, den Zeitplan jedoch zu ändern. Wenn ein Kunde Sie zum Beispiel drängt, sich sofort mit seinem Problem zu befassen, könnten Sie folgendermaßen reagieren: »Unglücklicherweise habe ich heute andere Verpflichtungen, aber wenn Sie wollen, kann ich Ihre Unterlagen heute Nachmittag schnell einmal überfliegen und Ihnen meine Eindrücke telefonisch übermitteln. Morgen Abend könnte ich dann einen detaillierten schriftlichen Bericht fertighaben. Wäre Ihnen damit gedient?«

Eine Mutter schildert folgendes Beispiel: »Beim Einkauf mit meiner zweijährigen Tochter landeten wir irgendwann in dem Gang mit den Keksen. Meine Tochter fragte mich: ›Mama, können wir heute ein paar Kekse kaufen?‹ Ich studierte aufmerksam meine Einkaufsliste, sah sie an und antwortete: ›Kekse stehen nicht auf meiner Liste.‹ Meine Tochter dachte einen Augenblick lang nach, zog dann ihrerseits einen imaginären Einkaufszettel hervor und sagte: ›Aber auf meiner!‹ Nach einem Augenblick der Überlegung antwortete ich: ›Das nächste Mal kaufen wir ein, was auf deinem Einkaufszettel steht.‹ Mein Nein war, glaube ich, deshalb so effektiv, weil es respektvoll war und ihr Hoffnung machte.«

Genau wie das »Nicht jetzt« muss man das »Später« sorgfältig behandeln. Es darf keine schuldbewusste Ausflucht sein, wenn die angemessene Antwort eigentlich ein direktes Nein wäre. Wenn Sie es nicht ernst meinen, dürfen Sie auch nicht versprechen, es später oder beim nächsten Mal zu tun.

»Wenn … dann«

Wenn Sie eigentlich Ja sagen wollen, von veränderlichen Umständen aber wieder behindert werden, haben Sie die Möglichkeit, ein an bestimmte Bedingungen gebundenes Angebot zu machen. Mit anderen Worten: Schildern Sie, unter welchen Umständen Sie Ja sagen würden.

Nehmen wir zum Beispiel Dave, den Präsidenten eines aufstrebenden Beratungsunternehmens, der davon überzeugt war, einem voraussichtlichen neuen Fortune-500-Kunden, also einem besonders erfolgreichen und wohlhabenden Unternehmen, eine abschlägige Antwort erteilen zu müssen, obwohl seine eigene Firma ein paar lukrative Geschäfte dringend nötig gehabt hätte. Erste Nachforschungen seines Teams über den betreffenden Kunden hatten ergeben, dass dessen schlechte Organisationsstruktur nahezu jede Erfolgsaussicht für eine Verbesserung von Arbeitsabläufen zunichte gemacht hätte. Dave informierte also den Kunden, dass seine Firma nicht zur Verfügung stand, solange Letzterer seine organisatorischen Probleme nicht gelöst hatte. Tatsächlich lehnte er den Auftrag ab – nicht mit einem ausdrücklichen Nein, aber mit einem durchdachten, klaren Vorschlag: »Wenn Sie Ihre organisatorischen Probleme lösen, dann werde ich Ihnen helfen.« Als er das Meeting verließ, fragte Dave sich, wie der Geschäftsführer seines eigenen Unternehmens wohl reagieren würde, wenn er ihm berichtete, dass er diesen Auftrag abgelehnt hatte. Aber er wusste, dass es klare, wirtschaftliche Gründe für seine Entscheidung gab, und schließlich wollte er den jungen Beratern, die er in seinem Team betreute, den richtigen Weg weisen.

Ein paar Monate später bekam er einen Anruf von dem gleichen Kunden. Man habe sich den Rat zu Herzen genommen und das Unternehmen komplett reorganisiert. Dann äußerte der Kunde eine Bitte, die sich vornehmlich an Dave richtete: »Bitte besuchen Sie uns ein zweites Mal mit Ihrem Team und helfen Sie uns bei der Optimierung unserer Arbeitsabläufe.« Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass sich Dave das kein zweites Mal sagen ließ.

Schlagen Sie eine Problemlösungsstrategie vor

Wenn Ihnen nichts einfällt, um Ihren eigenen Interessen und denen der Gegenseite gleichermaßen gerecht zu werden, sollten Sie sich eine Strategie zur Lösung des Problems überlegen und sie zur Sprache bringen. Daraus entwickeln sich oft ganz neue Diskussionsansätze und Perspektiven – und positive Handlungsalternativen.

Einer meiner Seminarteilnehmer wusste Folgendes zu berichten. Als er einen Kunden um eine garantierte Abnahmeverpflichtung von Produkten in Höhe von 10 Millionen Dollar bat, antwortete der Kunde in neutralem Ton: »Darauf werden wir uns nicht einlassen. Trotzdem sollten wir uns zusammensetzen und die Bedingungen noch einmal überarbeiten. Ich bin sicher, dass wir einen Vertrag ausarbeiten können, der für beide Seiten befriedigend ist.« Mein Seminarteilnehmer sagte hierzu: »Das Nein war direkt und unumwunden und weckte keine unrealistischen Erwartungen, aber ihm folgte eine Einladung zu neuen Verhandlungen.« Er betrachtete diese Antwort als das effektivste Nein, mit dem er jemals konfrontiert worden war.

Ich selbst habe es bei zahlreichen politischen und geschäftlichen Konflikten am eigenen Leib erfahren: Durch die intensive, gemeinsame Entwicklung von Problemlösungsstrategien können sogar scheinbar festgefahrene Konflikte bewältigt werden. Natürlich kann man nicht wissen, ob es wirklich gelingt, eine Einigung zu erzielen, aber der eine oder andere kleinere Durchbruch ist immer möglich. Und diese kleinen Fortschritte wiederum sind es, die uns den Weg zu größeren Lösungen ebnen. Von Südafrika bis Nordirland wurden zahlreiche Neins in schweren Konflikten durch Geduld und Beharrlichkeit schrittweise in ein Ja verwandelt, das beide Seiten akzeptieren konnten.

Nein zu Verhaltensweisen durch eine konstruktive Bitte

Wenn Sie zum Verhalten Ihres Gegenübers Nein sagen, ist es oft hilfreich, detaillierte Angaben über die genaue Veränderung zu machen, die Sie sich wünschen.

Auch wenn es Ihnen noch so offensichtlich erscheint: Ihrem Gegenüber ist oft nicht klar, was Sie wollen. Mein Freund Marshall erzählte mir die Geschichte von einer Frau, die sich eines Tages bei ihrem Mann beklagte, dass dieser zu viel Zeit im Büro verbrachte. Am darauffolgenden Tag meldete er sich gleich zu einem Golfturnier für das Wochenende an! Sie war darüber sehr unglücklich, denn ihr Mann hatte sie vollkommen missverstanden: Sie wollte, dass er mehr Zeit zu Hause mit ihr und den Kindern verbrachte. Sie hatte ihr Nein zwar geäußert, aber ohne eine positive, konstruktive Bitte hinzuzufügen, die deutlich gemacht hätte, was genau sie sich wünschte.

Betrachten wir als positives Gegenbeispiel den Fall einer Bürgerinitiative, die sich bildete, um einer unerwünschten Entwicklung in ihrem Stadtteil Einhalt zu gebieten. Die Initiative überredete unzählige Anwohner dazu, bei der Bauaufsichtsbehörde anzurufen oder an den Sitzungen der entsprechenden Kommissionen teilzunehmen. Die Bauaufsichtskommission war frustriert und beklagte sich darüber, dass die Protestierenden – wie schon andere vor ihnen – zwar artikulierten, was sie nicht wollten, dem Ausschuss jedoch keinerlei Hilfestellung boten, indem sie mögliche Veränderungen vorschlugen, die das verwirklichten, was sie wollten. Daraufhin machten sich die Bürger an die Arbeit: Sie wälzten Literatur zum Thema Stadtplanung, nahmen an entsprechenden Kursen teil und wurden ihrerseits zu Experten. Dann wandten sie sich erneut an die Bauaufsichtsbehörde mit konkreten Vorschlägen für Veränderungen, was letztlich zu einer befriedigenden Überarbeitung der Baupläne führte.

So wie die wichtigste Regel bei Spendenaktionen lautet: »Vergiss nicht, um Geld zu bitten«, heißt die wichtigste Regel beim Verkaufen: »Vergiss nicht, um das gute Geschäft zu bitten.« Und genauso können wir die wichtigste Regel für ein Nein zu bestimmten Verhaltensweisen formulieren: »Vergiss nicht, um das zu bitten, was du willst.« Dieser letzte, aber entscheidende Teil des positiven Neins gerät nur allzu häufig in Vergessenheit.

Ein konstruktives Ansinnen hat vier Charakteristika. Es ist klar, realistisch, positiv formuliert und sollte respektvoll hervorgebracht werden.

Formulieren Sie Ihre Bitte klar und deutlich

Eine Bitte um eine Verhaltensänderung klingt häufig folgendermaßen:

 
  • »Ich möchte, dass du dich rücksichtsvoller verhältst.«
  • »Ich möchte, dass du mehr Verantwortung übernimmst.«
  • »Bitte, sei nicht so mürrisch.«

Mit anderen Worten: Die Bitten sind vage, unklar und schwer umzusetzen.

Statt den anderen aufzufordern, seine Einstellung oder seine Gefühle zu verändern, was nur selten funktioniert, ist es effektiver, explizit um bestimmte Verhaltensweisen zu bitten. Statt zu verlangen: »Ich möchte, dass du mehr Verantwortung übernimmst«, sagen Sie lieber: »Könntest du das Geschirr, das du benutzt hast, bitte selber spülen?« Statt jemanden, der ständig nach unten blickt, aufzufordern, »nicht so mürrisch« zu sein, versuchen Sie, ihm in freundlichem Ton zu sagen: »Kannst du mich bitte anzusehen, wenn ich mit dir rede? Dann kann ich mich besser auf dich konzentrieren.« Definieren Sie Ihre Bitte nicht im Hinblick auf das, was der andere fühlen, sehen oder sein soll, sondern formulieren Sie konkret, was er Ihrer Ansicht nach tun soll.

Seien Sie dabei so genau wie möglich. Statt zu sagen: »Ich möchte, dass du mehr Zeit mit der Familie verbringst«, was man vielfältig interpretieren kann, formulieren Sie es lieber folgendermaßen: »Ich möchte, dass du den ganzen Sonntag zu Hause bleibst, dass du mit den Kindern spielst und ihnen bei den Hausaufgaben hilfst.« Ein Nein erhält seine Macht nicht nur dadurch, dass es stark ist, sondern auch durch die Genauigkeit des Gegenvorschlags.

Kurz gesagt: Bieten Sie dem anderen eine positive, verhaltensorientierte Lösung für Ihr Problem an. Nutzen Sie den Vorteil, dass sein Verhalten objektivierbar ist: Sie und Ihr Gegenüber können genau beurteilen, ob Ihre Bitte erfüllt wurde oder nicht. Außerdem konzentriert sich der verhaltensorientierte Ansatz auf das, was der andere Ihrer Ansicht nach tun soll, und nicht auf das, was er Ihrer Meinung nach sein soll.

Formulieren Sie Ihre Bitte realistisch

Der zweite Prüfstein für Ihre Bitte besteht in ihrer Realisierbarkeit. Ein Ansinnen wie »Hör auf, so wütend zu sein« konzentriert sich zum einen nicht auf das Verhalten des anderen und ist zum anderen auch kaum umsetzbar. Oft ist es Ihrem Gegenüber nämlich gar nicht möglich, seinen Zorn in diesem Augenblick zu überwinden. Konstruktiver ist es, einen ersten Schritt in puncto Verhaltensänderung zu erbitten: »Würdest du dich jetzt bitte erst einmal hinsetzen und mir erklären, warum du so wütend bist?« Diese Bitte ist realisierbar. Sie gibt dem anderen das Gefühl, dass man ihm respektvoll zuhört, und kann ein erster Schritt sein, damit seine Wut verraucht.

In einem schon früher zitierten Beispiel versuchten von Forest Ethics und der Dogwood Alliance rekrutierte Umweltaktivisten, die Firma Staples dazu zu bewegen, keine aus gefährdeten Waldbeständen gewonnenen Produkte mehr zu verkaufen. Bei einer Aktionärshauptversammlung richteten sie also eine realistische Bitte an den Geschäftsführer. Dieser war alles andere als überzeugt davon, dass seine Firma aufhören konnte, derlei Produkte einzukaufen und zu vertreiben, deshalb luden ihn die Umweltaktivisten öffentlich zu einer Rundreise in die gefährdeten Gebiete ein, damit er selbst mehr über dieses kritische Thema lernen konnte. Und tatsächlich betraute der CEO einige Mitarbeiter damit, sich die Sache genauer anzusehen. Deren Reise trug maßgeblich dazu bei, dass die Verantwortlichen mehr über das Problem erfuhren. Zwischen der Geschäftsführung und den Umweltaktivisten entstand eine konstruktive Beziehung, was nicht zuletzt die Voraussetzung für die bahnbrechende Vereinbarung war, die letztlich zustande kam: Staples erklärte sich bereit, keine Produkte mehr einzukaufen, die aus dem Holz gefährdeter Waldbestände hergestellt wurden.

Eine realistische Bitte übt stärkeren, konstruktiveren Druck auf Ihr Gegenüber aus als eine unrealistische. Diese Lektion lernte in den 80er Jahren auch die Antiapartheidbewegung in Südafrika. Ihr mächtigster Slogan lautete nicht: »Keine Apartheid mehr!«, sondern »Befreit Nelson Mandela!« (»Free Mandela!«). Diese simple, spezifische und realistische Forderung trug dazu bei, Menschen auf der ganzen Welt zu mobilisieren, Druck auf das weiße, südafrikanische Minderheitenregime auszuüben und schließlich Mandelas Entlassung zu bewirken.

Je mehr Beachtung Sie den Bedürfnissen und Einschränkungen Ihres Gegenübers schenken, umso größer sind die Chancen, dass der Betreffende Ihrer Bitte nachkommt. Achten Sie bei der Berücksichtigung Ihrer eigenen Belange also darauf, dass Ihr Verhalten möglichst wenig negative Auswirkungen auf andere hat. Je stärker Sie die legitimen Interessen des anderen respektieren, umso mehr respektiert dieser auch die Ihrigen.

Formulieren Sie Ihre Bitte positiv

Auch die Antiapartheidbewegung hatte also gelernt, dass es einen großen Unterschied macht, wenn man sein Ansinnen – »Befreit Mandela« – positiv formuliert.

Woran denken Sie zuerst, wenn ich Sie auffordere, nicht an Elefanten zu denken? Mit anderen Worten: Wenn Sie Ihrem Gesprächspartner ein »Schrei mich nicht an!« entgegenschleudern, so formulieren Sie die Lösung negativ, und seine Aufmerksamkeit richtet sich automatisch auf das unerwünschte Verhalten und trägt unbewusst zu seiner Verstärkung bei – besonders, wenn Sie selbst ebenfalls schreien. Es ist also viel effektiver, mit normaler Stimme zu sagen: »Bitte sprich in ruhigem Ton mit mir.« Lenken Sie die Gedanken des anderen eindeutig auf die positive Handlungsweise, die Sie von ihm verlangen.

Ein Mann aus meinem Bekanntenkreis machte sich Sorgen um seine alte Mutter, die ganz allein in einem großen Haus lebte. »Es war schwer, Nein zu ihrem Lebensstil zu sagen, aber sie war in dem alten Haus einfach nicht mehr sicher. Eines Tages stürzte sie und lag ganze sechs Stunden auf dem Boden, bevor zufällig jemand vorbeikam. Doch trotz meiner wiederholten Bitten weigerte sie sich, umzuziehen. Schließlich machte ich ihr ein Angebot. ›Probiere für sechs Wochen das betreute Wohnen in einer Appartment-Anlage aus. Wir behalten das Haus, wir rühren nichts an, und wenn dir das neue Arrangement nicht gefällt, kannst du ja wieder zurück nach Hause ziehen. Wie wäre das?‹ Es fiel ihr deutlich leichter, versuchsweise umzuziehen, als gleich das ganze Haus aufzugeben. Schließlich gefiel es ihr so gut in ihrer neuen Wohnung, dass der Verkauf des alten Hauses kein Problem mehr darstellte.« Der Sohn veränderte den Fokus vom Negativen (»Verkaufe das Haus«) zum Positiven (»Probiere dieses neue Arrangement sechs Wochen lang aus«).

Mit anderen Worten: Sagen Sie dem anderen nicht einfach nur, dass er mit der Verhaltensweise aufhören soll, die Sie nicht wollen, sondern bitten Sie ihn, etwas zu tun, was Sie wollen.

Formulieren Sie Ihre Bitte respektvoll

Auch wenn Ihr Vorschlag durchaus realistisch ist, ist es möglich, dass der andere ablehnend reagiert. Dann sollten Sie sich Gedanken über Ihren Ton machen. Vielleicht haben Sie Ihr Ansinnen ja auch auf eine Weise vorgebracht, der ihn zu einem Machtkampf herausfordert oder ihn befürchten lässt, das Gesicht zu verlieren. Ihr Auftreten kann den Unterschied zwischen Akzeptanz und Weigerung bedeuten.

Nur allzu oft kommt ein Vorschlag in Gestalt einer Forderung oder eines Befehls daher: »Hör damit auf, sonst …!« Eine Forderung zielt darauf ab, den anderen zu kontrollieren, und missachtet typischerweise sein Recht auf eine eigene Entscheidung. Das erschwert es ihm, das zu tun, was Sie gern von ihm hätten. »Hör auf, mit mir zu reden, während ich telefoniere!« hört sich anders an als: »Könntest du bitte warten, bis ich mit dem Telefonat fertig bin? Dann können wir uns unterhalten.« Die grundsätzliche Botschaft ist die gleiche, aber in der ersten Variante kommt sie als Befehl herüber, in der zweiten als Bitte. Der wahre Unterschied liegt nicht so sehr in den Worten, sondern in der respektvollen Grundhaltung dem anderen gegenüber.

Das Ergebnis Ihres Vorschlags sollte gegenseitiger Respekt sein

Manchmal gibt es einfach keine andere Lösung als ein einfaches Nein. In einem solchen Fall kann das von Ihnen vorgeschlagene Ja minimalistisch ausfallen: Sie bitten Ihr Gegenüber im- oder explizit, Ihr Nein zu akzeptieren und Ihre Bedürfnisse zu respektieren. Das Ergebnis, auf das Sie abzielen, lautet: »Leben und leben lassen, respektieren und respektiert werden.«

So sagt nach einem heftigen Streit ein Partner zum anderen: »Ich möchte jetzt eine Zeit lang allein sein. Bitte respektiere das. Danke!« Zu einem beharrlichen Vertreter an der Tür kann der Hausherr sagen: »Bitte respektieren Sie unsere Privatsphäre und klingeln Sie nicht noch einmal hier. Seien Sie so freundlich!« Nachdem ein Freund die Einladung des anderen ausgeschlagen hat, sagt er: »Ich bitte um dein Verständnis.«

Eines Tages beobachtete ich folgende Situation: Der zehnjährige Ty tobte ausgelassen herum und machte jede Menge Lärm, während sein Vater sich mit ein paar Freunden unterhielt. Nachdem Ty das erste Nein seines Vaters ignoriert hatte (»Ty, bitte lass das Toben«), sagte sein Vater: »Ty, ich rede mit dir. Bitte hilf mir. Wir versuchen uns zu unterhalten, und es ist mir wichtig, dass du das respektierst.« Diesmal fügte sich Ty.

Was immer Sie auch an positiven Vorschlägen machen, das Endergebnis sollte immer das gleiche sein: Sie verhalten sich dem anderen gegenüber respektvoll und bitten um die gleiche Behandlung. Tatsächlich ist gegenseitiger Respekt sogar das Ziel des positiven Neins.

Setzen Sie zum Schluss einen positiven Akzent

Wie bereits geschildert, ist es für die Beziehung äußerst förderlich, das positive Nein mit einer freundlichen Bemerkung einzuleiten. Genauso hilfreich kann es sein, auch am Ende einen positiven Akzent zu setzen. Das kann ein positiver Vorschlag sein, aber auch eine einfache, respektvolle Geste: »Vielen Dank, aber wir nehmen keine telefonischen Bewerbungen entgegen. Ich wünsche noch einen schönen Tag.« Es kostet Sie nichts, Ihre Mitmenschen respektvoll zu behandeln, trotzdem kann es irgendwann Früchte tragen.

Nach einem Nein ist es oft nützlich, die Möglichkeit einer späteren Einigung anzukündigen und zu betonen, dass Sie auf eine gute Beziehung in der Zukunft vertrauen. »Ich bin sicher, dass wir mit diesem Ansatz auf dem Weg sind, unser Problem zu lösen und den Grundstein für eine starke Partnerschaft zu legen.« Wer eine Einladung zur Mitarbeit in einem ehrenamtlichen Komitee ablehnt, könnte es zum Beispiel folgendermaßen formulieren: »Ich weiß es zu schätzen, dass Sie an mich gedacht haben, aber durch meine momentanen Verpflichtungen ist es mir leider nicht möglich, mich bei Ihnen zu engagieren. Ich würde mich freuen, wenn ich Ihnen vielleicht auf informellem Wege irgendwann von Nutzen sein könnte, und hoffe, dass sich uns andere Gelegenheiten zur Zusammenarbeit bieten werden.« Mit anderen Worten: Entwerfen Sie das Bild einer positiven Zukunft.

Im Zuge seines Neins zur Kolonialherrschaft liebte Gandhi es, die britische Imperialregierung bei Verhandlungen immer wieder daran zu erinnern, dass er nach der Erklärung der indischen Unabhängigkeit auf eine für beide Seiten profitbringende Beziehung zwischen seinem Land und Großbritannien hoffte. Er tat das mit einem Augenzwinkern, denn er wusste, dass seine Gesprächspartner nicht daran glaubten, dass Indien jemals ein souveräner Staat sein würde. Doch Gandhi sollte Recht behalten – Indien wurde nicht nur unabhängig, sondern die beiden Länder unterhalten bis zum heutigen Tag eine enge und für beide Seiten gewinnbringende Beziehung.

Sagen Sie nicht einfach Nein. Sagen Sie Ja! Nein. Ja?

Wir sind nun am Ende der zweiten Phase angelangt, die darin bestand, das positive Nein zu übermittelt: Sie beginnen mit einem Ja zu Ihren eigenen Interessen, dann lassen Sie Ihr Nein natürlich und eindeutig aus Ihrem Ja hervorgehen, und schließlich machen Sie einen positiven Vorschlag. Sie beginnen mit einem affirmativen Ja!, lassen ein sachliches Nein folgen und schließen mit einem einladenden Ja?.

So wie Sie lernen, aus einzelnen Worten grammatisch korrekte Sätze zu bilden, können Sie lernen, Ihr eigenes Nein aus den genannten Elementen zu einem sorgfältigen Gebilde zusammenzusetzen. Betrachten wir abschließend das Beispiel eines 16-jährigen Jungen, den sein Großvater drängte, Einzelheiten über sein Sexualleben preiszugeben. »Hör zu, Großvater«, antwortete der junge Mann. »Es macht mich wirklich verlegen, wenn du so intime Fragen stellst. Könntest du das bitte lassen? Wenn ich bereit bin, darüber zu reden, sage ich dir bestimmt Bescheid, okay?« Der Großvater respektierte seine Wünsche.

Führen wir uns die einzelnen Einheiten des positiven Neins anhand dieses Beispiels noch einmal vor Augen:

 
  • »Es macht mich wirklich verlegen, wenn du so intime Fragen stellst.« = Artikulieren Sie Ihr Ja!.
  • »Könntest du das bitte lassen?« = Bekräftigen Sie Ihr Nein.
  • »Und wenn ich bereit bin, darüber zu reden, sage ich dir bestimmt Bescheid.« = Schlagen Sie ein Ja? vor.

Natürlich können Sie die drei Elemente auch in eine andere Reihenfolge bringen oder eines lediglich andeuten, wie beispielsweise bei folgender Bitte: »Könnten Sie bitte das Rauchen einstellen? Ich habe Asthma.« Wichtig dabei ist nur, dass Sie vorbereitet sind und alle drei Einheiten stets im Kopf behalten. Solange Sie fest entschlossen bleiben und sich nicht auf Vermeidungsstrategien einlassen, können Sie bei der Äußerung jedes einzelnen Elements flexibel sein.

Nachdem Sie Ihr positives Nein geäußert haben, müssen Sie sich immer noch mit der Reaktion Ihres Gegenübers auseinandersetzen. Oft fällt es dem anderen schwer, ein Nein zu akzeptieren, und sei es noch so positiv. Ihre nächste Herausforderung besteht also darin, den Widerstand des anderen in Akzeptanz zu verwandeln. Genau darum geht es in der dritten und letzten Phase der Methode des positiven Neins.