Vorwort zur deutschen Ausgabe

Als ein Forscherteam um Professor Roger Fisher von der Harvard-Universität anfangs der 80er Jahre das inzwischen zum Klassiker gewordene Standardwerk Das Harvard-Konzept veröffentlichte, setzte nicht nur in akademischen Kreisen eine weltweite Debatte zur Kunst des Verhandelns ein. Wissenschaftler und Praktiker unterschiedlichster Herkunft begannen alte Theorien zu hinterfragen und gleichzeitig neue Ideen zu entwickeln, die uns ermutigen sollten, unsere Konflikte vermehrt auf dem Verhandlungsweg zu bearbeiten, anstatt reflexartig den Rechtsweg zu bemühen oder gar zu versuchen, mittels Machteinsatz zum Ziel zu gelangen. Weltweit entstanden unzählige Forschungsprojekte und als Folge davon eine Flut von Fachliteratur, wobei auch heute die Harvard-Universität nach wie vor als Ausgangspunkt und Referenz vieler dieser Bestrebungen gilt.

William Ury, Koautor des Harvard-Konzepts, setzte sich als international anerkannter Mediator sowohl mit der Frage auseinander, wie man mit einer ablehnenden Haltung des Gegenübers umgehen und dennoch die gesetzten Ziele im Sinne einer Win-win-Übereinkunft erreichen könnte, als auch mit den Rollen, die Vermittler zwischen Konfliktparteien einnehmen könnten. Mit dem nun vorliegenden Buch Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln hat er eine wichtige Lücke geschlossen. Denn hier geht es nicht um das Nein des Partners, sondern um das eigene Nein.

Vielen Menschen kommt ein Ja leichter über die Lippen als ein Nein. Nein sagen können oder gar müssen gehört aber nicht nur zum Alltag von Eltern und Erziehern, sondern begleitet uns das ganze Leben lang. Die Erfahrung lehrt uns, dass wir beim Versuch, unterschiedliche Interessen auszugleichen, also beim Verhandeln, kaum je am eigenen Nein vorbeikommen, selbst wenn unser Ziel letztlich ein Ja ist.

Aus der Sicht eines Experten für Verhandlungsführung, der als langjähriger Praktiker im Rahmen seiner Seminar- und Mediationstätigkeit immer wieder mit Problemen und Konflikten sachlicher und zwischenmenschlicher Natur konfrontiert wird, ist für mich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Ja und Nein keine Gleichung mit mehreren Unbekannten. Im Gegenteil: Es ist ein interessantes Spannungsfeld, das zwar immer wieder Überraschungen bereithält, aber keine unüberwindbaren Hindernisse.

Durch die Art und Weise, wie William Ury das eigene Nein in all seinen Facetten ausleuchtet und mit vielen, aus dem Leben gegriffenen Beispielen veranschaulicht, gelingt ihm einmal mehr, was nur wenigen wissenschaftlichen Autoren beschieden ist, nämlich intellektuellen Tiefgang mit großer Praxisnähe und einer verständlichen Darstellung zu verbinden.

In einem Zeitalter, das trotz vielseitiger Befriedungsbemühungen nicht signifikant konfliktfreier, sicherer oder friedlicher geworden ist, bietet dieses Buch eine Rückbesinnung auf die Tugend, rücksichtsvoll und anständig miteinander umzugehen, auch wenn oder gerade weil wir untereinander nicht einig sind.

Dieses Buch sei nicht nur jüngeren Lesern wärmstens empfohlen, die ihren Beitrag leisten möchten, die Verhandlungsqualität in den verschiedensten Lebensbereichen zu verbessern, sondern auch ältere Semester finden darin Bestätigungen und vielleicht sogar neue Erkenntnisse! Denn hier wird beispielhaft aufgezeigt, dass ein klares Nein auch zum (Über)Leben gehört, und dass es möglich ist, Nein zu sagen, ohne dabei die Gegenseite zu verletzen.


Ulrich Egger

Verhandlungsberater und Mediator, CH-8001 Zürich
www.eggerphilips.ch