5 Bekräftigen Sie Ihr Nein

Es ist leicht, »Nein!« zu sagen, wenn im Innern ein tieferes »Ja!« brennt.
Stephen R. Covey

Nun, da Sie Ihr Ja artikuliert haben, wird es Zeit, Ihr Nein zu bekräftigen. Wir sind auf unserer Reise nun im Herzen der Methode des positiven Neins angelangt. Wir befinden uns nicht nur im Zentrum der drei Phasen, sondern auch im Mittelteil der Aussage des positiven Neins. Alles andere ist Vorspiel oder Nachspiel.

Die wesentliche Aktion, die Bekräftigung des Neins, ist sehr einfach. Sie setzen eine klare Grenze, ziehen eine saubere Linie, errichten einen Wall.

Die Macht des Neins

Nein zu sagen ist ein wesentlicher Bestandteil des Lebens. Jede lebendige Zelle besitzt eine Membran, die bestimmten notwendigen Nährstoffen den Zugang gewährt und andere wiederum abwehrt. Jeder lebendige Organismus benötigt derlei Grenzen, um sich selbst zu schützen. Um zu überleben und zu gedeihen muss jeder Mensch und jede Organisation in der Lage sein, Nein zu sagen zu allem, was seine/ihre Sicherheit, Würde und Integrität bedroht.

Nein ist der Schlüsselbegriff zu Ordnung, Struktur und Disziplin. Regeln und Gesetze werden häufig in Form eines Neins formuliert. Von den Zehn Geboten in der Bibel beispielsweise sind acht als Nein formuliert. Die großen Tugenden des Neins sind Klarheit und Genauigkeit. Denken Sie nur an den Unterschied, den es für ein Kind macht, ob Sie ihm sagen: »Bitte behandele deine Klassenkameraden respektvoll.« oder »Du darfst nicht schlagen!«. Ein »Nein« vermittelt eine einfache und klare Botschaft und spezifiziert präzise, was Sie meinen.

Für jeden Menschen kommt der Augenblick im Leben, da er die Macht des Neins erkennt, um eine schützende Grenze zu setzen. Einmal beobachtete ich auf dem Schulhof meiner Tochter einen weinenden kleinen Jungen, dessen Schulkameraden ihn an einem von einem Baum herabhängenden Seil hin und her schwangen. Er wollte herunter, aber er konnte seine Gefühle nicht mitteilen. Dann sah ich, wie eine Lehrerin ins Geschehen eingriff. Leise sagte sie zu ihm: »Sag, was du willst.« Sofort sagte er: »Hört mit dem Schaukeln auf! Hört mit dem Schaukeln auf!« Als seine Schulkameraden aufhörten, leuchtete sein Gesicht förmlich auf: Er hatte die Macht des Neinsagens entdeckt.

Aber der Nutzen eines Neins geht weit über Schutz und Disziplin hinaus. Wenn wir uns spöttisch über Kleinkinder äußern, die Nein sagen, und von der »kindlichen Trotzphase« reden, entgeht uns die wichtige Entwicklung, die sie durchmachen. In dieser Phase ihres Lebens lernen sie, eigenständig zu handeln und Grenzen zu setzen. Sie beginnen zu definieren, wer sie sind – und wer sie nicht sind. Wenn man aufmerksam zuhört und lernt, zwischen den Zeilen zu lesen, entdeckt man hinter dem Nein eine ganz neue Botschaft: »Nein, das esse ich nicht! Nein, das ziehe ich nicht an! Nein, da will ich nicht hingehen!« – Was hören Sie heraus? »Ich existiere! Ich habe ein Recht auf meine Gefühle. Ich habe ein Recht auf eine eigene Meinung. Ich bin ich selbst.« Ein neues Wesen verkündet seine unabhängige Existenz . Neinsagen zu lernen ist ein wesentlicher Bestandteil der lebenslangen Entwicklung eines jeden Menschen.

Nein ist das Schlüsselwort für die Definition Ihrer Identität, Ihrer Individualität oder – auf Firmenebene – Ihrer Marke. Wenn Sie nicht Nein sagen können, haben Sie keine Marke, denn Letztere wird durch das definiert, wozu Sie Nein sagen. Nein ist ein Selektionsprinzip, das es Ihnen erlaubt, so zu sein, wie Sie sind, und nicht wie jemand oder etwas anderes. Nein verleiht Ihnen Einzigartigkeit und definiert Ihre Persönlichkeit, durch die Sie die Welt bereichern.

Weil wir mit unserem Nein unsere Macht zum Ausdruck bringen, übertreiben wir es damit manchmal, weshalb der Eindruck entstehen kann, dass wir unser Gegenüber angreifen wollen. Oder wir sind zu zurückhaltend, zögerlich und leise mit unserem Nein, sodass wir gar nichts erreichen. Die Herausforderung besteht darin, genau den richtigen Ton zu finden. Wie können Sie Ihr Nein selbstbewusst vertreten, ohne aggressiv zu wirken?

Lassen Sie Ihr Nein fließen

Die Lösung besteht darin, etwas einzusetzen, das man als Ihr natürliches Nein bezeichnen könnte. Ein natürliches Nein ist einfach und geradeheraus. Es fließt wie selbstverständlich und fast mühelos aus Ihrem Ja. Als meine Tochter Gabriela noch klein war, beherrschte sie diese Form des Neins perfekt. Es kam ihr über die Lippen, als sei es die natürlichste Sache der Welt. »Nein, ich will jetzt nicht reden, Papa. Ich spiele gerade. Kann ich jetzt gehen?« Auch wenn ich 5 000 Meilen entfernt im Dschungel saß und zuvor viele Meilen gewandert war, nur um ein Telefon zu finden und mit ihr zu reden, auch wenn ich ungefähr ein Dutzend Mal versucht hatte, eine Verbindung zu bekommen: Ihr Nein war dermaßen natürlich, dass es mich jedes Mal vollkommen entwaffnete. Es war durchsichtig, angstfrei, unverdorben durch Zorn. Es war ehrlich, sauber und sachlich.

Je älter wir werden, umso komplexer werden unsere Emotionen und Motivationen. Wir entwickeln ein besseres Gespür für die möglichen Konsequenzen, sodass es uns schwerer fällt, Nein zu sagen. Aber wenn Sie der Methode des positiven Neins bis hierhin gefolgt sind, haben Sie das Schwierigste gewissermaßen schon hinter sich. Sie haben die wichtige Vorbereitungsarbeit bereits geleistet. Sie sind wie ein Leistungssportler, der hart trainiert hat. Und nun ist es an der Zeit, den Lohn für diese harte Arbeit zu ernten.

Lassen Sie Ihr Nein fließen. Lassen Sie es aus dem Ja fließen, das Sie enthüllt haben. Lassen Sie es aus der Macht fließen, die Sie entwickelt haben. Lassen Sie es aus dem Respekt fließen, den Sie dem anderen entgegenbringen. Wenn Sie das beherzigen, wird Ihr Nein klar, engagiert und rein sein.

Lassen Sie es aus Ihrem Ja fließen

Das vielleicht Wichtigste, das Sie im Kopf behalten müssen, wenn Sie Nein sagen, ist Ihr Ja – Ihr Hauptinteresse, Ihr Kernbedürfnis, der Wert, den Sie schützen wollen. Denken Sie daran, dass Nein nur eine andere Art des Jasagens ist.

In der folgenden Episode erleben Sie, wie eine Mutter für die besonderen Bedürfnisse ihres Kindes eintritt, als seine Lehrerin verlangt, dass es einen bestimmten Kurs aufgibt:


Lehrerin: Tut mir leid, Mrs. Taylor, aber Courtney kann den Literaturkurs nicht länger besuchen. Sie gehört einfach nicht hierher.

Mutter (in sachlichem Ton): Nein. Courtney hat das Recht, genauso wenig ausgeschlossen zu werden wie ihre Mitschülerinnen. Wir werden einen Weg finden müssen, damit es funktioniert.

Lehrerin: Aber sie kann einfach nicht Schritt halten.

Mutter: Sie hat in der Tat einige Schwierigkeiten, aber ich versichere Ihnen, dass sie die anfallenden Aufgaben erledigen wird.

Lehrerin: Aber gerade die haben Courtney neulich doch so aus der Fassung gebracht.

Mutter (ruhig und fest): Sie hat sich deshalb so aufgeregt, weil ihr gesagt wurde, dass sie in diesem Kurs nichts zu suchen habe.

Courtney blieb in dem Kurs und sie erledigte ihre Aufgaben.

Das Nein der Mutter floss natürlich aus ihrem Ja – aus ihrem Wunsch, dass ihr Kind sich zugehörig fühlte. Die Mutter griff die Lehrerin nicht an. Sie vermied Äußerungen wie: »Wenn Sie meiner Tochter sagen, dass sie in diesem Kurs nichts zu suchen hat, dann diskriminieren Sie sie!« Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, Courtneys Recht zu schützen, genau wie ihre Schulkameraden am Kurs teilzunehmen. Die Mutter sprach kein Machtwort, sie schlug nicht mit der Faust auf den Tisch, sondern trat entschieden für ihr Kind ein.

Wie dieses Beispiel deutlich macht, ist ein natürliches Nein keine rigide und unbeugsame Position, sondern vielmehr eine feste Haltung, die als organische Konsequenz aus Ihren Interessen erwächst. Denken Sie daran: Sie nutzen nur die Klarheit, Genauigkeit und Macht eines Neins, um Ihrem Gegenüber zu vermitteln, was wirklich für Sie zählt und wozu Sie Ja sagen.

Stellen Sie sich Ihr Nein nicht als Mauer, sondern vielmehr als starke, lebendige Grenze vor, die das schützt, was Ihnen am Herzen liegt. Während eine Mauer eine optische Barriere zwischen den Parteien aufbaut, erlaubt es eine Grenzlinie beiden Beteiligten, einander zu sehen und in Verbindung zueinander zu bleiben – und sich trotzdem klar voneinander abzugrenzen.

Lassen Sie es aus Ihrer Macht fließen

Sprachphilosophen unterscheiden zwischen solchen Botschaften, die eine Situation beschreiben, und jenen relativ seltenen Botschaften, die eine Situation tatsächlich verändern. Sie bezeichnen Letztere als »performative Sprachakte«. Das klassische Beispiel dafür sind zwei Menschen, die vor dem Standesbeamten oder Priester »Ich will« sagen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Beschreibung ihrer Gefühle, sondern um eine Handlung. Diese Worte verändern ihren sozialen Status von alleinstehend zu verheiratet.

Auch ein positives Nein ist ein solcher performativer Sprachakt, denn damit beschreiben Sie nicht nur Ihre Gefühle oder Interessen, sondern Sie zeigen Ihr Engagement für eine zukünftige Vorgehensweise. Sie sind bereit, Ihr Nein durch Ihre persönliche Macht zu stützen. Ihre Absicht ist stark, und falls nötig greifen Sie sogar auf einen Plan B zurück. Durch Ihr Engagement schaffen Sie eine neue Grenze, die bislang nicht existierte. Sie verändern Ihre soziale Realität.

Mein Freund David ist Indianer, der die religiösen Traditionen seiner Vorfahren aktiv praktiziert: Er errichtet Schwitzhütten in der Wildnis – saunaähnliche Bauten, in denen die Menschen beten und durch die Hitze in einen besonderen Zustand der Andacht versetzt werden. Während eines besonders trockenen Sommers verboten die Behörden sämtliche Feuer, um das Ausbrechen von Waldbränden zu verhindern. David geht mit Feuer stets ganz besonders vorsichtig um. Er lässt niemals ein Feuer allein und sorgt immer dafür, dass ein Hüter der Flammen Tag und Nacht darüber wacht. Als der Fire Marshal darauf bestand, dass David seine Feuerzeremonien einstellte, wurde David nicht wütend. Er senkte nur einfach die Stimme und gab ein tiefes, klingendes, lang gezogenes Nein von sich, das aus seinem Ja! zu seinen religiösen Überzeugungen kam. »Neeeiiin. Wir werden unsere Religion auch weiterhin ausüben, wie wir es immer schon getan haben, lange bevor die Europäer auf diesen Kontinent kamen. Es gehört zu unserer heiligen Pflicht, unsere Feuer die ganze Nacht über zu beobachten. Wir haben noch nie einen Waldbrand ausgelöst und werden es auch niemals tun. Ich möchte Sie herzlich einladen, sich unsere Vorsichtsmaßnahmen näher anzusehen, wenn Sie möchten.« Nach dieser Unterhaltung versuchte niemand mehr, David an der Ausübung seiner religiösen Praktiken zu hindern.

Und genau das ist es. Das Nein ist ruhig und fest. Es ist tief und volltönend, es klingt nach, als ob es sich um eine physisch wahrnehmbare Grenze handelte. Sie machen Ihrem Gegenüber keinen Vorschlag, wo eine Grenzlinie zu ziehen sei, Sie sprechen noch nicht einmal darüber, Sie ziehen sie einfach, und zwar durch die Macht, die Ihrem Engagement erwächst. Sie schaffen eine neue Realität.

Folgende Situation zwischen einer Firma und ihrem Hauptkunden mag das veranschaulichen. »Die Verhandlungen mit unserem Kunden zogen sich nun schon seit sechs Monaten hin, und wir waren dabei, unser definitiv letztes Angebot zusammenzustellen. Wir nahmen uns drei bis vier Wochen Zeit, um es vorzubereiten und die Bedürfnisse des Kunden zu berücksichtigen. Eine unserer Top-Führungskräfte sollte es unterbreiten. ›Dies sind die Unterlagen für unser letztes Angebot!‹, verkündete er, doch der Kunde stellte erneute Forderungen und wollte noch mehr herausschlagen. Unser Mitarbeiter antwortete mit ruhiger, sachlicher Stimme: ›Vielleicht haben Sie mich nicht verstanden. Dies ist unser letztes Angebot.‹ Innerhalb von fünf Sekunden nahm das Gespräch eine völlig neue Wendung. Der Repräsentant des Kunden antwortete: ›Lassen Sie mich mit dem zuständigen Kollegen telefonieren, um die Bedingungen mit ihm zu diskutieren.‹ Jetzt hatten sie gelernt, uns und unsere Dienstleistungen zu schätzen.«

Der Mitarbeiter zog eine klare Linie. Es war kein Bluff. Er signalisierte sein Engagement nur bis zu einem bestimmten Punkt. Darüber hinaus war er bereit, seinen Plan B in Kraft treten zu lassen, der darin bestand, sich von diesem bestimmten Kunden zurückzuziehen und sich neue zu suchen. Natürlich müssen Sie Ihren Plan B nicht unbedingt offen ansprechen, aber er ist trotzdem ein impliziter Bestandteil der Verhandlungen und unterstreicht die Grenze, die Sie setzen. Paradoxerweise kann ein Nein für den anderen auch wie ein Geschenk sein. Wenn einmal eine klare Linie gezogen wurde, kann auch Ihr Gegenüber sich entspannen, so seltsam das auch anmuten mag. In dem soeben geschilderten Fall war der Kunde zufriedener, denn er wusste, dass er bei den Verhandlungen nun die bestmöglichen Konditionen erreicht hatte.

Um Ihr Engagement zu zeigen, reicht ein sachlicher Ton, genau wie mein Freund David und die oben beschriebene Führungskraft ihn an den Tag legten. Sie greifen niemanden an, sondern verkünden einfach nur eine neue Tatsache, eine klare Grenze, die Sie als Antwort auf die Forderung oder das Verhalten des anderen setzen.

Damit Ihr Nein gehört wird, ist es nicht notwendig zu schreien. Es besteht weder die Notwendigkeit, aggressiv zu werden, noch ein Anlass, abzuwiegeln. Ein fester, neutraler Ton ist genau richtig. Paradoxerweise signalisiert ein Nein, das mit leiser Stimme geäußert wird, oft mehr Entschlossenheit als ein lautes, schrilles.

Sie können gleichzeitig höflich und entschlossen sein. Mein Freund Stephen beschrieb mir ein Telefonat seiner Frau Sandra. Wieder einmal war sie gebeten worden, ehrenamtlich bei einer Benefizveranstaltung der Gemeinde mitzuarbeiten. In derlei Situationen sind viele Menschen verständlicherweise um Worte verlegen. Sie stammeln ein oder zwei Entschuldigungen und erklären, dass sie sowieso schon überlastet sind. Wenn der Anrufer sie weiter unter Druck setzt, erscheint es ihnen oft leichter, mit einem resignierten Seufzer doch nachzugeben. Voller Bewunderung hörte Stephen, wie Sandra mit ruhiger, neutraler Stimme sagte: »Dieses Jahr mache ich bei keiner Spendenaktion mit. Aber danke, dass Sie an mich gedacht haben.« Das war alles – höflich, fest und endgültig.

Achten Sie auf einen sachlichen und neutralen Ton und lassen Sie Ihr Nein natürlich aus Ihrer Macht fließen.

Lassen Sie es aus Ihrem Respekt fließen

Durch ein negatives Nein distanzieren Sie sich von dem anderen. Mit einem positiven Nein tun Sie das Gegenteil: Sie stellen Nähe her. Sie versuchen, mit dem anderen durch Respekt in Verbindung zu bleiben.

Wenn ein erfolgreiches spanisches Bankhaus einem wichtigen Kunden mitteilen muss, dass man die vorgeschlagene Investition nicht finanzieren wird, wird die Sache nicht einfach nur dem Kreditsachbearbeiter überlassen. Das Nein ist so wichtig, dass es direkt von einem der Geschäftsführer geäußert wird. Manch einer würde das Nein durch einen Brief oder Telefonanruf kommunizieren, weil es ihm unangenehm wäre, einem solch wichtigen Kunden mit einem Nein zu antworten, und würde mit diesem Verhalten die Distanz noch vergrößern. Der Vertreter der bewussten spanischen Bank jedoch tut das genaue Gegenteil. Er versucht, Nähe herzustellen und zu intensivieren. Er lädt den Kunden zu einem ausgedehnten Essen auf das Familienlandgut ein, das etwa eine Stunde von Madrid entfernt liegt. Sie genießen ein vorzügliches Essen und gute Gespräche. Danach, wenn Bankier und Kunde am Likör nippen und eine Zigarre rauchen, verkündet der Finanzfachmann: »Wie Sie wissen, ist uns unsere geschäftliche Beziehung zu Ihnen sehr wichtig. Wir bedauern außerordentlich, dass wir Ihnen bei diesem speziellen Deal nicht stärker von Nutzen sein können. Aber wir würden uns freuen, wenn wir Sie in Zukunft bei vielen anderen Transaktionen unterstützen dürften.« Der Bankier sagt ganz sachlich Nein, ohne höfliche Schnörkel. Gleichzeitig macht er deutlich, wie viel Wert er seinem Kunden beimisst. Dadurch übermittelt er nicht nur die wichtige Botschaft, sondern er sorgt auch für den Erhalt der Beziehung. Zu einem Geschäft Nein zu sagen ist ein besonderer Anlass, dem die gleiche feierliche Sorgfalt zuteil werden sollte wie einem erfolgreichen Geschäftsabschluss.

»Es gibt einfach immer wieder Augenblicke im Leben, in denen man Nein sagen muss«, sagt Luiz Inácio Lula da Silva, dessen Leben in extremer Armut begann und der vom Gewerkschaftsführer zum Präsidenten Brasiliens avancierte. »Und dieses Nein muss mit der gleichen Aufrichtigkeit, der gleichen Ehrlichkeit und im gleichen Ton geäußert werden wie ein Ja.«

Versuchen Sie, beim Neinsagen mit Ihrem Gegenüber in Verbindung zu bleiben – genau wie der spanische Bankier –, um den Weg für ein positives Ergebnis und eine positive Beziehung zu bereiten.

Es ist nicht immer einfach, auf nette Weise Nein zu sagen. Oft befrachten wir unser Nein mit jeder Menge Gefühls-Müll – mit Wut, Furcht, Schuld oder Scham. Diese emotionalen Lasten stehen einer klaren, effektiven Kommunikation im Weg. Versuchen Sie, Ihr Nein so weit wie möglich von Ballast zu befreien. Genau deshalb haben Sie auch die wichtige Vorbereitungsarbeit geleistet, haben negative Emotionen in positive Absicht verwandelt und eine respektvolle Haltung entwickelt. Das hält Ihr Nein rein und klar.

Machen Sie sich nicht zu viele Sorgen darüber, was der andere wohl von Ihnen denken mag. Betrachten Sie es nicht als Ihre Aufgabe, Ihr Nein so zu formulieren, »dass der andere sich nicht aufregt« und Sie »hinterher immer noch mag«, denn damit sind Sie zum Scheitern verurteilt. Wenn Sie versuchen, die Reaktionen Ihres Gegenübers zu beeinflussen, verlieren Sie Ihre eigenen Interessen und Werte womöglich aus den Augen und versuchen überdies, etwas zu kontrollieren, auf das Sie doch eigentlich gar keinen Einfluss haben. Definieren Sie Ihre Aufgabe stattdessen also folgendermaßen: »Ich muss mein Nein auf klare, ehrliche und respektvolle Weise vorbringen. Die Reaktion meiner Umwelt kann ich nicht beeinflussen.«

Eine der größten Künste im Leben besteht darin, Unangenehmes zu sagen, ohne unangenehm zu sein.

Nein sagen zu Forderungen

Unten habe ich einige besondere Schlüsselworte oder Formulierungen aufgelistet, auf die Sie zurückgreifen können, um den Forderungen Ihres Gegenübers mit einem Nein zu begegnen, das natürlich aus Ihrem Ja, Ihrer Macht und Ihrem Respekt fließt. Denken Sie immer daran, dass Ihr Ton und Ihre eigentliche Absicht mit Ihren Worten in Einklang stehen müssen, wenn Sie die richtige Wirkung haben sollen.

»Nein« oder »Nein danke«

Das einfachste Wort, um eine Grenze zu setzen, ist »Nein«. Dies ist ein Wort der reinen Macht. Für jene Mitmenschen, die eigentlich davor zurückscheuen, ihre Kraft zu nutzen, und eher dazu neigen, sich anzupassen oder Konflikte zu vermeiden, kann es nützlich sein, ihre Sätze mit dem Wort Nein zu beginnen, um Ihrem Nein überhaupt erst wieder Macht zu verleihen. »Nein. Ich möchte, dass du zuerst etwas Gesundes ist. Deshalb darfst du vor dem Abendessen kein Eis essen«, sagt die Mutter oder der Vater zum Kind. Das Nein ist klar und direkt.

Direktheit ist wichtig, kann aber mit Anmut vorgebracht werden. In einer Wochenschauaufnahme von Mahatma Gandhi, der in England landete, um Friedensverhandlungen mit den Briten zu führen, sind ein paar eifrige Reporter zu sehen, die ihn bitten, ins Mikrophon zu sprechen. Er antwortet nur: »Ich glaube nicht«, und schreitet lächelnd davon.

Wer seinem Nein ein »Danke« hinzufügt, demonstriert Respekt und Interesse an der Beziehung. Das Nein schützt, das Danke verbindet. Ein einfaches, energisches, höflich anerkennendes »Nein danke« ist häufig ausreichend. Wenn Sie mit Telefonverkäufern zu tun haben, die Ihre abschlägige Antwort einfach ignorieren, können Sie zum Beispiel sagen: »Ich sage jetzt Nein. [Pause] Danke! Auf Wiederhören.«

»Ich habe meine Grundsätze«

Eine wirkungsvolle Methode, um eine Grenze zu setzen, besteht darin, Ihr Nein zu Ihren persönlichen Grundsätzen in Bezug zu setzen. So könnten Sie beispielsweise formulieren: »Ich arbeite grundsätzlich nicht in Ausschüssen mit.« Oder: »Ich verleihe mein Geld generell nicht an Freunde.« Oder: »Telefonische Angebote kommen für mich grundsätzlich nicht in Frage.«

Wer behauptet, einem Grundsatz zu folgen, der signalisiert, dass sein Nein keine einmalige Botschaft ist, sondern gängige Praxis, über die er lange nachgedacht hat. Eine solche Äußerung signalisiert Entschlossenheit. Sie ist ein Zeichen, dass Sie Ihre Haltung so schnell nicht aufgeben werden. Natürlich sollte eine solche Aussage nicht leichtfertig gemacht werden oder irreführend als starre gegnerische Position gekennzeichnet werden; sie funktioniert nur dann, wenn es sich tatsächlich um einen Ihrer Grundsätze handelt, um etwas, das Sie genau durchdacht haben.

Eine Grenze, die Bestandteil Ihrer Grundsätze ist, signalisiert Ihrem Gegenüber, dass Ihr Nein nicht persönlich gemeint ist. Es ist unabhängig von seiner Person und seinem Verhalten. Es ist im Wesen positiv. Sie sagen Nein, weil Sie weiterhin Ja zu Ihren Grundsätzen und Werten sagen. Mit anderen Worten: Eine Aussage wie »Ich habe meine Prinzipien« bekräftigt Ihre Interessen, stützt sie durch Ihre persönliche Macht und lässt Ihre persönliche Beziehung außen vor, weil das Nein unpersönlich bleibt.

Betrachten wir an dieser Stelle das Beispiel eines Textilfabrikanten, der von seinen Kunden ständig unter Druck gesetzt wurde, ihre Bestellungen pünktlich auszuführen. Jahrelang reagierte die Firma mit Anpassung. Wenn ein Kunde aufgrund von Verzögerungen ungehalten wurde, pflegte der Hersteller mit aller Konzentration die Sache zu beschleunigen – er peitschte den Auftrag durch und stellte derweil alle anderen Bestellungen zurück. Das Ergebnis war ein schlecht funktionierendes System und Unzufriedenheit auf allen Ebenen. Schließlich beschäftigte sich die Firmenleitung mit dem Problem und engagierte ein Team von Beratern, das ein neues und besseres System entwickeln sollte, um eine pünktliche Auslieferung der Produkte zu gewährleisten. Zu diesem Zweck wurde eine neue Firmenpolitik in Bezug auf Kunden formuliert: keine punktuelle Beschleunigung mehr. Diese neue Politik wurde offiziell verkündet und trotz der anfänglichen Ablehnung durch die Kunden auch aufrechterhalten.

Das Endergebnis? Die Komplexität des Fabrikmanagements wurde deutlich reduziert. Dadurch konnten Bestellungen nun innerhalb von zwei Wochen statt der sonst üblichen sechs abgewickelt werden. Es gab deutlich geringere Verzögerungen und es war gar nicht mehr nötig, Bestellungen zu beschleunigen – ein Gewinn für alle Beteiligten.

»Ich habe andere Pläne« oder »Ich habe andere Verpflichtungen«

Eine konkrete, alltägliche Antwort, die Ihre Interessen bekräftigen und ihre Macht stärken kann, ohne die Beziehung zu belasten, lautet: »Ich habe andere Pläne.« Oder: »Zu diesem Zeitpunkt habe ich schon andere Verpflichtungen.« Mit anderen Worten: Zeigen Sie dem anderen, dass Sie bereits eine andere Verantwortung übernommen haben.

So könnten Sie dem Freund, der Sie zu einer Party einlädt, sagen: »Es tut mir leid. Ich habe schon andere Pläne für den Abend. Danke!« Dem Kollegen, der Sie bittet, ein eiliges Projekt zu übernehmen, können Sie sagen: »Ich würde dir gern aushelfen, aber ich muss erst noch ein paar andere Projekte fertigstellen, bevor ich wieder neue Aufgaben übernehmen kann.« Wenn Ihr Vorgesetzter Sie bittet, am Wochenende an diesem oder jenem Projekt zu arbeiten, können Sie sagen: »Es tut mir leid. Ich habe an diesem Wochenende wichtige Familienangelegenheiten zu erledigen.« Demjenigen, der Sie bittet, sich ehrenamtlich zu engagieren, können Sie antworten: »Im Augenblick muss ich mich stärker auf meine Familie/mein Privatleben/meine Arbeit/mein Studium konzentrieren.«

Einer meiner Klienten schlug einem neuen Kunden einmal ein richtig gutes Geschäft vor. Die Antwort lautete: »Da wir mit Ihrem Konkurrenten bereits eine Vereinbarung getroffen haben, kann ich Ihr Angebot zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Betracht ziehen.« Mein Klient betrachtete dies als eines der effektivsten Neins, das er je erhalten hatte, denn »es demonstrierte moralische Integrität und zeigte, dass sie sich an ihre Vereinbarungen hielten«. Dadurch signalisierte man ihm, dass er, falls man in Zukunft Geschäfte mit ihm machen würde, die gleiche Ehrlichkeit und das gleiche Engagement erwarten konnte, die man jetzt seinem Konkurrenten entgegenbrachte.

»Nicht jetzt«

Es ist nicht leicht, Nein zu sagen, besonders dann nicht, wenn Ihnen die Beziehung zu dem anderen wichtig ist. Eine Möglichkeit, um die negative Botschaft für Ihr Gegenüber abzumildern und Ihnen Ihr Nein zu erleichtern, besteht darin, es zeitlich zu begrenzen. Anders formuliert, benutzen Sie die magischen Worte: »Nicht jetzt.«

Ein Kunde, der Sie bittet, eine spezielle technologische Lösung für sein Problem zu entwickeln, wird ein »Es tut mir leid, aber im Moment können wir Ihnen eine solche Lösung nicht anbieten« besser akzeptieren können als ein pauschales Nein. Genauso wird ein Angestellter, der Sie um eine Gehaltserhöhung bittet, besser mit der Ablehnung umgehen können, wenn er hört: »Es tut mir leid, aber unsere wirtschaftliche Situation lässt dies unter den momentanen Umständen nicht zu.« Einer meiner Bekannten, der eine solche Antwort erhielt, formuliert es folgendermaßen: »Ich hatte das Gefühl, dass man meiner Bitte durchaus zugehört hatte, und dass die Tür immer noch offen stand. In der Zukunft ist ein Ja also keineswegs unmöglich.«

In der Tat lädt ein »Nicht jetzt« zu weiteren Anfragen in der Zukunft ein. Wenn Sie also sicher sind, dass es für den betreffenden Angestellten niemals eine Gehaltserhöhung geben wird, dass Sie dem Kunden die betreffende technologische Lösung niemals bieten können oder dass Ihr Kind niemals ein Motorrad haben darf, ist es in der Regel besser, Ihrem Gegenüber das auch zu sagen. »Nicht jetzt« ist ausschließlich jenen Fällen vorbehalten, in denen die reale Möglichkeit besteht, den Bedürfnissen des anderen in Zukunft doch noch gerecht zu werden.

Wenn der andere Sie unter Druck setzt und Sie fragt: »Wenn nicht jetzt, wann dann?«, und Sie wissen es nicht, können Sie antworten: »Ich weiß es noch nicht. Das müssen wir abwarten.« Oder: »Tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht sagen, was die Zukunft uns bringen wird.«

Wenn Ihr Gegenüber Sie weiter unter Druck setzt und eine sofortige Antwort von Ihnen verlangt, Sie aber nicht zu einer vorschnellen Entscheidung gedrängt werden wollen, können Sie immer noch mit folgenden Worten reagieren: »Wenn Sie jetzt gleich eine Antwort benötigen, so lautete sie Nein.« Der andere könnte dann plötzlich entdecken, dass er doch Zeit hat, um auf eine überlegte Entscheidung zu warten.

»Nicht jetzt« ist eine sehr nützliche Formulierung, besonders wenn Sie im Zweifel sind. Es ist besser, »nicht jetzt« zu antworten und später doch Ja zu sagen, als eine einmal gemachte Zusage zurückzuziehen.

»Ich lehne lieber ab, als schlechte Arbeit zu leisten«

Diese Faustregel nutzt ein Schuldirektor aus meinem Bekanntenkreis, wenn er gefragt wird, ob er einen neuen Verantwortungsbereich übernehmen will: »Kann ich auf diesem Gebiet gute Arbeit leisten?«, fragt er sich dann. »Habe ich genug Zeit, um der Angelegenheit gerecht zu werden? Besitze ich die notwendigen Fähigkeiten?« Wenn die Antwort Nein lautet, lehnt er rundheraus ab. Sein Nein ist in Wirklichkeit ein Ja zu Effektivität und hohen Qualitätsmaßstäben.

Indem Sie ablehnen statt schlechte Arbeit zu leisten, bekräftigen Sie nicht nur Ihre eigenen Interessen, sondern bemühen sich auch um die Beziehung zu dem anderen. Denn wenn Sie die fragliche Aufgabe übernähmen und nur unbefriedigende Leistungen erbrächten, wären Sie hinterher beide schlechter dran – und Ihre Beziehung würde darunter leiden.

Eine Elektronikfirma, die zu meinen Klienten zählte, wurde von einem wichtigen Kunden gebeten, ein neues, anwendungsspezifisches Produkt zu entwickeln. Der Abgabetermin war sehr knapp bemessen. Der stellvertretende Verkaufsleiter war zunächst versucht einzuwilligen, aber er und seine Kollegen erkannten schließlich doch, dass ihre Produktionskapazität fast erschöpft war. Die Chancen, den Abgabetermin und die Qualitätsstandards des Kunden zu erfüllen, standen also nicht besonders gut. Deshalb gaben sie dem Kunden eine abschlägige Antwort und ersparten dadurch sich und ihm jede Menge Unzufriedenheit. »Wir haben uns die Entscheidung nicht leichtgemacht, aber es war das beste Nein meines Lebens. Auch unser Kunde wusste unser Verhalten und die Ehrlichkeit, die wir von vornherein an den Tag legten, zu schätzen«, sagte der Verkaufsleiter später zu mir.

Oft wird man auch nur deshalb um einen Gefallen gebeten, weil der andere sich nicht sicher ist, ob er die entsprechende Aufgabe bewältigen kann. Stärken Sie das Selbstbewusstsein des anderen und antworten Sie ihm: »Sie würden diese Aufgabe doch viel besser erledigen. Ich vertraue da voll auf Ihre Fähigkeiten.« So hat Ihr Nein sogar noch ermutigende Wirkung.

Kurz gesagt: Seien Sie sich Ihrer Grenzen bewusst, stehen Sie offen dazu und investieren Sie Ihre Zeit in Dinge, die Sie gut können. Sie selbst und andere sind auf lange Sicht so besser dran.

Nein sagen zu Verhaltensweisen

Auf dem internationalen diplomatischen Parkett ist ein Schlüsselbegriff das französische Wort demandeur, was so viel heißt wie »der Bittende«. Bei jedem Geschäftsabschluss stellt sich die Frage: »Wer bittet um etwas?« Wenn Sie derjenige sind, der Forderungen seines Gegenübers abschlägig beantwortet, so ist der andere in der Rolle des Bittenden. Wenn Sie aber Nein zum Verhalten des anderen sagen, dann sind Sie in der Rolle des Bittenden. Mit anderen Worten: Wenn Sie Ihr Gegenüber um etwas bitten, so nimmt Ihr positives Nein eine etwas andere Form an.

Im Folgenden gebe ich Ihnen ein paar nützliche Formulierungen an die Hand, die Ihnen bei Ihrem Nein zu unangemessenem Verhalten eine Hilfestellung bieten können.

»Stopp!«/»Nein!«

Wenn Sie sich bestimmten Verhaltensweisen gegenüber abgrenzen wollen, so heißen die mächtigsten Worte »Stopp« und »Nein«. Im Fall sexueller Belästigung zum Beispiel hat sich der Ausruf »Stopp!« als besonders wirkungsvoll erwiesen: »Stopp! Hören Sie sofort auf! Ich bin nicht interessiert und ich will nicht, dass Sie weitermachen.«

Das oberste Gebot hier ist Klarheit. Sie wollen keinerlei Zweifel beim anderen darüber aufkommen lassen, wozu Sie da gerade Nein sagen. »Hör damit auf!«, sagt ein Partner verärgert zum anderen. »Womit soll ich aufhören?«, lautet die Antwort. »Hör mit dem auf, was du da tust. Du weißt doch genau, was ich meine.« »Nein, weiß ich nicht.« Das Einzige, was uns weiterbringt, ist eine präzise und sachbezogene Sprache. Sagen Sie: »Bitte hör auf, Zeitung zu lesen, wenn ich mit dir rede.« Der andere muss genau verstehen, womit er Ihrer Ansicht nach aufhören soll.

Seien Sie fest und höflich. »Bitte hör auf, mich zu ärgern«, sagte die siebenjährige Emma zu ihrer Klassenkameradin Izzy, die sie verspottete. Ihre Stimme klang ernst. Und sie hatte eine unmittelbare Wirkung. Ich habe selbst erlebt, wie Izzy zu Emma hinüberging, sich entschuldigte und sie in den Arm nahm. Wenn Siebenjährige zu so etwas in der Lage sind, dann können wir es auch.

Mit dem Wörtchen »Nein« können wir auch beleidigenden Verhaltensweisen Einhalt gebieten. Wenn wir im Fall eines Angriffs nicht »Hilfe!«, sondern »Nein« rufen, greifen Umstehende interessanterweise oft eher ein. Das jedenfalls behaupten die Trainer der Impact Bay Area, die Frauen im Bereich Selbstverteidigung schulen . Mit einem »Nein!« ziehen wir auf ganz natürliche Weise die Aufmerksamkeit unserer Umwelt auf uns und alarmieren jeden in Hörweite. Außerdem weisen die Experten auf eine weitere positive Wirkung hin: »Durch Ihr deutlich artikuliertes Nein kommunizieren Sie auch mit sich selbst. Es zwingt Sie zum Atmen und verhindert, dass Sie vor Angst wie gelähmt sind. Es verleiht Ihnen Energie. Es setzt Adrenalin frei. Es erinnert Sie an diesen [Selbstverteidigungs-] Kurs, daran, was Sie hier an körperlichen Techniken gelernt haben, an die Unterstützung durch Ihre Gruppe [durch Gleichgesinnte] und an die Tatsache, dass Sie das Recht haben, für Ihre eigene Sicherheit zu kämpfen. Die meisten Angreifer suchen leichte Beute. Sie haben kein Interesse an einer Auseinandersetzung, nicht einmal auf verbaler Ebene. Wer Nein sagt, ist ein weniger attraktives Opfer. Die Strategie, sich zu unterwerfen und nett zu dem Angreifer zu sein in der Hoffnung, dass er dann auch nett zu Ihnen ist, ist meist wenig erfolgversprechend.«

»Nein!« zu sagen hilft Ihnen, Ihre Energie zu sammeln, erinnert Sie daran, dass Sie das Recht dazu haben, zieht die Aufmerksamkeit Ihrer Umwelt auf sich und ist Ausdruck Ihrer Macht.

»Warten Sie!«/»Nun mal langsam!«/»Augenblick mal!«

Die Worte »Nein« oder »Stopp« sind manchmal zu abrupt und barsch. Um auf unangemessene Verhaltensweisen zu reagieren und das Verhältnis nicht ganz so zu belasten, gibt es weitere Formulierungsmöglichkeiten, wie »Warten Sie!« »Nun mal langsam!« oder »Augenblick mal!«. Manchmal müssen Sie dem anderen einfach nur Einhalt gebieten und eine Pause einfordern, sodass er sein Verhalten noch einmal überdenken kann. »Gebt mal einen Augenblick Ruhe!«, sagt der Vater zu den beiden streitenden Geschwistern. »Wie können wir eine bessere Lösung für euch beide finden?«

Manchmal genügt auch eine einfach Geste, um den anderen zum Innehalten zu bewegen. Dazu ein Beispiel: Eines Tages ging mein Freund Herman mit seiner Frau im unteren Manhattan spazieren. Als das Paar an der Ecke die Straße überquerte, bremste ein Auto mit quietschenden Reifen dicht vor ihnen. Es hatte sie nur um wenige Zentimeter verfehlt. Vor Schreck und Zorn schlug Herman mit der Faust auf die Motorhaube des Autos. Wütend stieg der junge Fahrer aus und schrie: »Warum hämmern Sie auf mein Auto ein?«

Herman entgegnete heftig: »Sie hätten meine Frau und mich beinahe umgebracht!«

Schnell versammelte sich eine Menge Schaulustiger um die drei. Herman ist weiß, der Fahrer war schwarz, und plötzlich bekam die ganz Szenerie einen rassistischen Unterton. Die Zuschauer begannen bereits, Partei zu ergreifen, und es fehlte nicht viel, um die ganze Situation zu einer handfesten Prügelei eskalieren zu lassen.

Dann bemerkte Herman hinter sich einen älteren schwarzen Mann, der die Auseinandersetzung ebenfalls beobachtet hatte. Der Mann bewegte seine Hand mit nach unten zeigender Innenfläche auf und ab, als ob er dem jungen Fahrer sagen wollte: »Nun mal langsam … denk doch mal darüber nach, was du hier tust.« Der Mann bemerkte die Geste des Älteren, bemühte sich sichtlich um Selbstbeherrschung, kehrte dann plötzlich zu seinem Auto zurück, stieg ein und fuhr ohne ein weiteres Wort davon.

In unserer heutigen, schnelllebigen Welt ist die Aufforderung zur Langsamkeit eine Nein-Variante, die ich persönlich sehr nützlich finde. Sobald ich merke, dass ich mir zu viel zumute oder mich überfordere, rufe ich sie mir ins Gedächtnis.

»Das ist nicht okay.«/»Das ist nicht angemessen.«/ »Das ist nicht erlaubt.«

Manchmal müssen wir auch einfach nur in neutralem Ton darauf hinweisen, dass das Verhalten des anderen nicht angemessen ist. »Das ist nicht okay« ist eine sachliche Aussage, die gleichzeitig eine klare Grenze zieht zwischen dem, was okay ist, und dem, was nicht okay ist, und trotzdem den Menschen von seinem Verhalten unterscheidet. Die Person ist okay, ihr Verhalten nicht. Sich auf einen bestimmten Verhaltenskodex zu beziehen entpersonalisiert das Nein. Eine Formulierung wie: »Ich bedaure, aber Handys sind in diesem Teil des Krankenhauses nicht gestattet« nimmt dem Tadel den Stachel.

Celia Cerrillo, die Lehrerin, deren Schule in einem sozialen Brennpunkt liegt, und die jene bereits zitierte Regel aufstellt, dass niemand in ihrem Klassenzimmer den anderen beschimpfen darf, beschreibt, was etwa einen Monat, nachdem sie diese Regel verkündet hat, unter den Kindern passiert: »Eh man es sich versieht, sagen die Kinder zueinander: ›Dieses Verhalten ist nicht richtig. Das ist hier nicht erlaubt.‹ Es ist ein schöner Erfolg, wenn man solche Äußerungen hört.« Und es funktioniert, wie Ms. Cerrillo hinzufügt: »In meinem Klassenzimmer habe ich kaum Disziplinprobleme.«

»Ich finde das nicht in Ordnung.«/»Das kann ich nicht akzeptieren.«

Wenn Sie befürchten, dass Ihr Gegenüber sich gemaßregelt fühlen könnte, wenn Sie ihn über richtige Verhaltensweisen aufklären, können Sie die Nicht-okay-Formulierung in eine Ich-Botschaft verwandeln, wie zum Beispiel »Ich finde das nicht in Ordnung«. Wenn Ihr Kollege Ihnen Beleidigungen an den Kopf wirft, schauen Sie ihm in die Augen, senken Sie die Stimme, sprechen Sie langsam und deutlich und sagen Sie: »Bitte hören Sie auf damit! Ich kann gut mit Kritik umgehen, aber diese Art der Rede kann ich nicht akzeptieren. Wenn Sie ein Problem mit meiner Arbeitsweise haben, dann lassen Sie uns professionell und sachlich darüber reden.« Durch die Verwandlung der Nicht-okay-Botschaft in eine Ich-Botschaft können Sie dem anderen Ihr Nein übermitteln, ohne der Beziehung zu schaden.

»Das ist genug.«

»Genug« ist ebenfalls ein interessantes Wort. Sie verurteilen den anderen nicht wegen seines Verhaltens, sondern erwähnen einfach nur, dass es jetzt reicht. Es ist Zeit aufzuhören. »Das war genug Gepolter für heute«, verkündet die Mutter den Kindern. Die Grenze ist erreicht und wird als solche deutlich gemacht. Inmitten eines Bürgerkriegs in Asien, bei dem ich als Vermittler fungierte, hatte die demokratische Bewegung die Notstandsregelungen des autoritären Regimes satt und machte sich das Motto »Genug ist genug« zu eigen. »Genug« signalisiert Ihr Engagement, ohne anzugreifen.

Nein sagen, ohne »Nein« zu sagen

Ein unverblümtes Nein kann bei Ihrem Gegenüber Gefühle der Scham und Zurückweisung auslösen. Es ist ein kämpferisches Wort, das oft Widerstand und Gegenreaktionen provoziert. Wer das Nein missbraucht – insbesondere bei Kindern – riskiert, dass es Macht und Glaubwürdigkeit einbüßt. Irgendwann fangen Ihre Kinder an, es einfach zu ignorieren oder es mit »vielleicht« gleichzusetzen.

Gerade weil Nein ein solch mächtiges Wort ist, sollte man es sorgfältig, absichtsvoll und sparsam einsetzen. Oft kann man die gleiche Botschaft auch durch andere Formulierungen vermitteln, ohne das Wort tatsächlich auszusprechen. Zum Beispiel in den folgenden Fällen:

 
  • Mitten in der ärztlichen Untersuchung besteht eine Fünfjährige darauf, die Praxis zu verlassen. »Liebling, wir bleiben«, antwortet der Vater ruhig.
  • Um den Preis zu drücken verlangt der Kunde, das Produkt, das die Reinigungsfirma anbietet, zu entbündeln: Die Reinigungsprodukte sollen von der Schulung und dem Management-Service getrennt werden. »Wir bieten dieses Produkt nur als Paket an«, antwortet der Vertreter der Firma.
  • Angesichts eines Trommelfeuers aus wütenden Beleidigungen, das ein wichtiger Investor am Telefon loslässt, sagt der Hotelmanager ruhig: »Wir rufen Sie morgen zurück, Peter«, und legt auf – womit er in der Tat Nein zum Verhalten des anderen sagt.

In jedem dieser Fälle wird die Bedeutung und die Macht des Neins deutlich vermittelt, allerdings ohne das Wort tatsächlich zu benutzen. Das Nein ist impliziert, bleibt aber unausgesprochen.

Es besteht auch die Möglichkeit, sich ausschließlich auf das ursprüngliche und das abschließende Ja zu konzentrieren und das Nein lediglich mitschwingen zu lassen. Sie haben eine lange Fahrt mit einer Freundin vor sich, deren Geschwätzigkeit Ihnen auf die Nerven geht, weshalb Sie verkünden: »Nach diesem anstrengenden Tag habe ich das Bedürfnis nach Ruhe und Frieden. Hast du etwas dagegen, wenn wir uns auf der Fahrt einfach nur schweigend etwas Musik anhören?« Mit anderen Worten: Formulieren Sie eine Ich-Botschaft und unterbreiten Sie anschließend einen konstruktiven Vorschlag.

Eine weitere Alternative besteht darin, Ihr Nein als Ja zu formulieren. Statt zu Ihrem Kind zu sagen: »Du darfst nicht spielen, bevor du deine Hausaufgaben nicht erledigt hast«, sagen Sie: »Sobald du deine Hausaufgaben erledigt hast, darfst du spielen.« Statt zu Ihrem Kollegen zu sagen: »Ich kann Ihnen nicht helfen, solange ich diese Aufgabe hier nicht erledigt habe«, sagen Sie: »Ich würde mich freuen, Ihnen helfen zu können, nachdem ich diese Aufgabe hier erledigt habe.« Statt zu Ihrem Freund zu sagen: »Ich gehe mit dir nicht zu dem Spiel«, sagen Sie: »Ich hole dich nach dem Spiel ab.« Mit anderen Worten: Konzentrieren Sie sich auf das Positive, während Sie die für Sie notwendige Grenze ziehen.

Viele Kulturen in Ostasien kennen mannigfaltige Wege, Nein zu sagen, ohne das Wort tatsächlich auszusprechen. Man will den anderen nicht beschämen und ihm helfen, das Gesicht zu wahren. Um Nein zu sagen, finden die Menschen indirekte Mittel und Wege, wie zum Beispiel die Vermittlung eines Dritten oder subtile Gesten. Bei Personen, die mit der Semiotik anderer Kulturen nicht vertraut sind, kann dies zu Verwirrung führen.

Dazu noch eine kleine Anekdote: Während meiner Arbeit für einen größeren amerikanischen Automobilkonzern berichtete mir einer der leitenden Manager über seine Verhandlungen mit dem Geschäftsführer eines südkoreanischen Automobilherstellers. Zu diesem Zeitpunkt besaß die amerikanische Firma 10 Prozent des koreanischen Unternehmens. Der Manager schlug seinem Verhandlungspartner vor, diesen Anteil auf 50 Prozent zu erhöhen. »Das ist nicht unmöglich«, antwortete der Koreaner höflich.

Der US-Manager analysierte diese Antwort und dachte: »Eine Aussage wie ›Das ist nicht unmöglich‹ bedeutet, dass es möglich ist.« Nach seiner Rückkehr nach Detroit schickte er ein hochkarätiges Team nach Seoul, um die Vertragsmodalitäten auszuarbeiten. Zwei Wochen lang saß das Team dort herum: Jedes Meeting, das sie mit den Koreanern vereinbarten, wurde aus unerklärlichen Gründen verschoben. Schließlich nahm ein koreanischer Manager seinen amerikanischen Kollegen beiseite und erklärte ihm leise, dass eine Aussage wie »Das ist nicht unmöglich« nur eine höfliche Form von »Nur über meine Leiche!« ist.

Folgende wichtige Botschaft sollten Sie aus all dem im Kopf behalten: Während das Wort »Nein« manchmal unausgesprochen bleiben kann, sollte die Intention stets klar und machtvoll vermittelt werden.

Ein Schutzschild

Wenn ich ein Symbol für das positive Nein finden müsste, so würde ich ein Schutzschild wählen. Ein Schild schützt Sie und Ihr Ja, ohne andere zu verletzen. Im Gegensatz dazu ist ein negatives Nein ein Schwert – ein Schwert der Zurückweisung. Es greift den anderen an, ohne für die Beziehung Sorge zu tragen.

Wie groß die Versuchung auch sein mag, den anderen zurückzuweisen und anzugreifen, wenn Sie Nein sagen, denken Sie immer daran, dass Ihr wirkliches Ziel darin besteht, zu schützen und zu verteidigen. Sie wollen dem anderen keinen Schaden zufügen, sondern sich selbst vor Schaden bewahren. Zu schützen, ohne zurückzuweisen – dies ist das Wesen des positiven Neins.

Ein positives Nein hört jedoch nicht beim Nein auf. Es gibt ein drittes grundlegendes Element: den positiven Vorschlag. Und dieses Thema behandele ich im folgenden Kapitel.