Landkarte der esbz

 

Rahmenbedingungen

 

Die Schulgründung wurde vom Elternverein Weiterführende Evangelische Schule Berlin e. V. initiiert und durch ihn in der Aufbauphase mit großem Engagement getragen. Er entstand im Dezember 2006, als sich herausstellte, dass die Grundschule, die ebenfalls von Eltern gegründet worden war, nicht bis zum Ende der Sekundarstufe I weiterlaufen konnte, da sie nur einzügig war. Aus der Not machten Eltern aus den evangelischen Grundschulen Berlin Mitte, Pankow und Lichtenberg eine Tugend und schlossen sich zu einer neuen Gründungsinitiative zusammen, die über sich hinauswuchs, denn bereits im August 2007 konnte die esbz ihr Eröffnungsfest feiern. Seit 1. Oktober 2007 ist die Schulstiftung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz Trägerin der esbz. Grundlage der Lern- und Schulkultur sind die staatlichen Rahmenvorgaben, das kirchliche Schulgesetz, das dem staatlichen weitgehend entspricht, die demokratische Mitbestimmung aller Beteiligten durch gewählte Schüler-, Eltern- und Teamvertreter. Oberstes Entscheidungsgremium der Schule ist die Schulkonferenz. Der Schlüssel für die Berechnung der Lehrerwochenstunden entspricht dem Berechnungsschlüssel an staatlichen Schulen. Gleiches gilt für den Anspruch auf Erzieher und Sozialpädagogen. Berliner Gemeinschaftsschulen mit Ganztag bekommen bei bis zu 300 Schülern zwei Erzieherstellen und bei einer Schülerzahl über 300 eine weitere Sozialpädagogenstelle.

Der Start war ungewöhnlich. Die Stadträtin für Bildung stellte zunächst kein Gebäude zur Verfügung, da sie in ihrem Bezirk keine Schule in freier Trägerschaft wünschte. Erst im Juni 2007 wurde auf erheblichen Druck der Eltern ein heruntergekommener Plattenbau zur Verfügung gestellt. Das bedeutete: Drei Wochen vor den Sommerferien gab es nun zwar ein Gebäude, jedoch kein Kollegium, und die potenziellen Schüler waren inzwischen alle an anderen Schulen angemeldet. Das Schuljahr 2007/2008 startete daher mit 16 Kindern im Jahrgang 7, der Schulleiterin, einer Kollegin mit halber Stelle sowie einer Englischlehrerin, die vier Stunden in der Woche kam. Auch was die Einrichtung betrifft, war der Start ein Abenteuer der besonderen Art. Tische, Stühle, Schränke, die naturwissenschaftliche Grundausstattung bekamen wir von einer Schule, die geschlossen wurde. Es war der erste große Elterneinsatz.

Schon in den ersten Monaten gab es viele Anfragen für Quereinsteiger, und so richteten wir zum zweiten Halbjahr zwei Klassen mit jeweils 23 Jugendlichen ein. Da etliche mit Leistungsdefiziten im Probehalbjahr, Lernhandicaps oder Verhaltensauffälligkeiten zu uns kamen, zwei Schüler waren durch Schulangst seit Monaten Schulverweigerer gewesen, stellte das erste Jahr eine große Herausforderung dar. Trotz der schwierigen Startbedingungen hat der gesamte Pionierjahrgang 2011 erfolgreich den Schulabschluss mit den zentralen Prüfungen absolviert, viele haben die Qualifikation für die Sekundarstufe II erreicht.

Die Schule befindet sich noch immer im Aufbau. Inzwischen sind wir bis zur Jahrgangsstufe 11 hochgewachsen und haben 387 Schüler. In den nächsten beiden Jahren werden noch je etwa 60 Schüler hinzukommen. Die Schule hat sich rasch einen sehr guten Ruf erworben. Weil als Gemeinschaftsschule alle Kinder der Evangelischen Grundschule Berlin-Mitte, unserer Partnerschule im Gemeinschaftsschulprojekt, einen Anspruch auf einen weiterführenden Schulplatz an der esbz haben, der von den meisten angenommen wird, bleiben nur wenige Plätze, die wir frei vergeben können. Für das Schuljahr 2011/2012 hatten wir für die 7. Jahrgangsstufe 350 Anmeldungen auf 15 Plätze.

Die Schule ist offen für alle Kinder, unabhängig von ihrer konfessionellen, sozialen oder ethnischen Herkunft. Derzeit haben etwa 20 Prozent unserer Schüler einen sogenannten Migrationshintergrund, oft nur ein Elternteil. Etwa ein Viertel der Familien ist schulgeldbefreit oder zahlt den geringsten Schulgeldsatz; 16 Kinder haben festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf (Autismus, Asperger, Förderschwerpunkt Lernen, körperliche Handicaps, Förderschwerpunkt sozial emotional). Ab dem nächsten Schuljahr werden drei Kinder mit Downsyndrom mit uns lernen, zwei davon kommen von unserer Partnergrundschule.

Als Schule in freier Trägerschaft werden uns nur 93 Prozent der vergleichbaren Personalkosten refinanziert, Sachkosten und Miete werden nicht erstattet. Die Differenz zu den tatsächlichen Kosten, die pro Schüler entstehen, muss durch Schulgeld aufgebracht werden. Dieses richtet sich nach dem Einkommen der Eltern und liegt zwischen 45 und 315 Euro monatlich für das erste Kind, Geschwisterkinder zahlen beim Minimalsatz 22,50 Euro (erstes Geschwister) beziehungsweise 11,25 Euro (ab dem zweiten Geschwister). Hartz-IV-Empfänger sind generell von Schul- und Buchgeld befreit, Familien mit geringem Einkommen können einen Antrag auf Befreiung stellen. Hinzu kommen 40 Euro pro Monat für das gemeinsame warme Mittagessen, an dem alle Schüler der Sekundarstufe I verpflichtend teilnehmen. Für Kinder mit Förderbedarf bekommen Berliner Schulen in freier Trägerschaft die den Kindern zustehenden Förderstunden nicht direkt nach Stunden pro Kind zugewiesen, sondern berlinweit ist ein Durchschnittsbetrag berechnet, der pauschal in den 93 Prozent Refinanzierung enthalten ist. So haben wir, um die Inklusion zu ermöglichen, in den ersten Jahren durch Putzen unserer Schule und die damit eingesparten Mittel eine zusätzliche halbe Sonderschulstelle selbst erwirtschaftet.

Unser Schulgebäude war und ist eine Herausforderung. »Von außen betrachtet ist die erst vor knapp drei Jahren gegründete Schule ein Horrorkabinett«, so war in Spiegel WISSEN zu lesen. »Zwei heruntergekommene Plattenbauten mit zugigen Fenstern und löchriger Fassade, in denen die Gewerbeaufsicht vermutlich keinen Betrieb zulassen würde.«[26] Da wir einen wunderbaren Hausmeister und engagierte, tatkräftige Eltern haben, konnten wir unser Schulgebäude inzwischen in vielen Bauwochenenden deutlich verschönern. Fast unsere gesamte Einrichtung haben wir in den ersten Jahren secondhand aus geschlossenen Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden organisiert. Damit wir unser Forum, eine große Aula, bauen konnten, haben weit über 100 Eltern einen Bürgschaftskredit in Höhe von 100 000 Euro aufgenommen, der nun in den nächsten Jahren nach und nach zurückgezahlt wird.

Seit 2008 nehmen wir in Kooperation mit der Evangelischen Grundschule Berlin-Mitte am Berliner Pilotprojekt Gemeinschaftsschule teil. Gemeinschaftsschulen haben in Berlin einen anspruchsvollen Auftrag, nämlich Modelle für individuelle Förderung zu entwickeln und zu erproben, ohne die Kinder in Leistungsgruppen aufzuteilen, wie es an Gesamtschulen bis vor kurzem gesetzlich vorgeschrieben war und dementsprechend noch häufig Praxis ist. Deshalb darf in der Sekundarstufe I in keinem Fach äußerlich differenziert werden. Das längere gemeinsame Lernen, das in den meisten OECD-Staaten seit langem selbstverständliche Praxis ist, soll mit der Gemeinschaftsschule auch in Berlin zu einem Verständnis von diversity als Bereicherung und mehr Chancengerechtigkeit unabhängig von den Voraussetzungen der Kinder und Jugendlichen führen. Durch die von der gesamten Schulgemeinde getragene Schulentwicklung und die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern soll sich nicht nur die Gemeinschaftsschule als demokratischer Lern- und Lebensraum entwickeln, sondern auch eine neue Lernkultur in Kommunen aufgebaut werden. Verantwortung, gegenseitiger Respekt und Anerkennung sind dabei wichtige Leitziele.

In der Gemeinschaftsschule gibt es keine Probezeit und keine herkömmliche Versetzung. Alle Schülerinnen und Schüler rücken bis Jahrgangsstufe 10 in die nächsthöhere Jahrgangsstufe auf und sollen ihrer Lernentwicklung entsprechend individuell gefördert werden. Auf Antrag eines Schülers oder dessen Erziehungsberechtigten kann die Klassenkonferenz in begründeten Einzelfällen die freiwillige Wiederholung einer Jahrgangsstufe oder spätestens am Ende des ersten Schulhalbjahres den Rücktritt in die vorherige Jahrgangsstufe gestatten. Auch das Überspringen einzelner Jahrgangsstufen ist grundsätzlich möglich.

Berliner Gemeinschaftsschulen und inzwischen auch Berliner Sekundarschulen können Zensuren bis Klasse 9 aussetzen. An der esbz dokumentieren die Klassenlehrer, die zugleich Tutoren für jeweils 13 Jugendliche sind, mit Zertifikaten regelmäßig den individuellen Leistungsstand. Einmal im Halbjahr führt der Lehrer ein Bilanz- und Zielgespräch mit den Schülern und Eltern. Am Ende des Schuljahres bekommen alle zusätzlich einen ausführlichen Lernentwicklungsbericht. Der erbrachte Leistungsstand kann jederzeit auch in einem Notenzeugnis unter Hinweis auf das abschlussbezogene Anforderungsniveau dokumentiert werden, sollte dies beispielsweise aufgrund eines Schulwechsels oder Umzugs in ein anderes Bundesland erforderlich werden. Gemeinschaftsschulen, so auch die esbz, nehmen an bundesweiten Vergleichsarbeiten und den zentralen Abschlussprüfungen teil, in der Pilotphase werden die Berliner Gemeinschaftsschulen wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Am Ende der Jahrgangsstufe 10 werden alle Abschlüsse der Sekundarstufe I vergeben. Mit Qualifikation für die Sekundarstufe II können die Schüler die gymnasiale Oberstufe besuchen. Gemeinschaftsschulen in Berlin nehmen sich 13 Schuljahre Zeit bis zum Abitur. Immer gilt: Kinder einer Gemeinschaftsschule haben einen gesicherten Schulplatz von Klasse 1 bis 10 beziehungsweise bis zum Abitur.

Als verpflichtende Ganztagsschule nutzen wir die uns zur Verfügung stehenden 34 Stunden für einem rhythmisierten Ganztag: Der Unterricht beginnt täglich um 8.30 Uhr und endet montags bis donnerstags um 15.45 Uhr und freitags um 14.15 Uhr, dann mit der Schulversammlung. Innerhalb dieser Zeit brechen wir die klassische Aufteilung in Unterricht am Vormittag und Arbeitsgruppen am Nachmittag auf, um größtmögliche Freiräume zu schaffen für ganz unterschiedliche Projekte und um wichtige Elemente wie Klassenrat, Projekt Verantwortung und Schulversammlung zu ermöglichen. Englisch als Fremdsprache ist für alle verpflichtend, Französisch und Spanisch werden als weitere Fremdsprachen ab Jahrgang 7 oder 9 angeboten. Darüber hinaus haben unsere Schüler viele Wahlmöglichkeiten, die ihnen das Verfolgen individueller Interessen und das Lernen nach eigenem Rhythmus und Lernstand ermöglichen. Wir verstehen uns als Innovationslabor für einen Paradigmenwechsel in der Lern- und Schulkultur. Unser Konzept, das auf dem Ethos der Agenda 21 basiert, wird regelmäßig überdacht und weiterentwickelt, dabei beziehen wir die Jugendlichen, von denen wir viel lernen können, maßgeblich als Experten mit ein.