Kapitel 13

Gladys Tut Es Für Sich Selbst - Zum Haus des Frohsinns - Herrn Beuges Vergangenheit - Die Nützlichkeit von Clowns als Krankenpfleger wird in Frage gestellt - Eulrich bekommt einen Engel - Das goldene Geheimnis (nicht unbedingt ein Drachenzauber) - Die Rückkehr der Zähne - Vetinari schaut voraus - Die Bank triumphiert - Das kleine Geschenk des Bluppers - Wie man einen wunderbaren Tag verdirbt

Am ersten Tag seines restlichen Lebens wachte Feucht von Lipwig auf, was nett war, wenn man bedachte, dass dies an jedem beliebigen Tag etlichen Leuten nicht vergönnt war. Aber er wachte allein auf, was weniger schön war.

Es war sechs Uhr morgens, und der Nebel schien an den Fenstern zu kleben, so dick, dass er eigentlich Croutons hätte enthalten müssen. Aber er mochte diese Momente, bevor die Fragmente des gestrigen Tages sich in seinem Kopf wieder zusammensetzten.

Moment mal, das hier war doch gar nicht die Suite! Es war sein Zimmer im Postamt, das mit all dem Luxus und Komfort ausgestattet war, den man spontan mit dem Begriff »Beamtendienstwohnung« assoziierte. Eine Erinnerung an gestern war plötzlich wieder da. Ach ja, Vetinari hatte angeordnet, dass die Bank geschlossen wurde, während seine Buchhalter diesmal alles unter die Lupe nahmen. Feucht wünschte ihnen viel Glück mit dem Spezialitätenschrank des verstorbenen Sir Joshua ...

Herr Quengler war nicht da, was er bedauerte. Man konnte eine frühmorgendliche sabbernde Hundebegrüßung erst dann richtig schätzen, wenn man sie nicht mehr hatte. Und Gladys war auch nicht da, was ihn besorgte.

Sie tauchte auch nicht auf, während er sich anzog, und auf seinem Tisch lag keine Times. Außerdem musste sein Anzug dringend gebügelt werden.

Schließlich fand er sie im Sortierraum, wo sie einen Wagen mit Post schob. Das blaue Kleid war verschwunden und durch ein graues ersetzt worden, das nach den vergleichsweise niedrigen Standards der Golemmode recht schick aussah.

»Guten Morgen, Gladys«, sagte Feucht vorsichtig. »Ob wohl die Chance besteht, dass ich heute meine Hose gebügelt bekomme?«

»Im Umkleideraum Der Postboten Steht Immer Ein Warmes Bügeleisen Bereit, Herr Lipwig.«

»Oh! Aha. Richtig. Und, äh ... die Timest«

»Jeden Morgen Werden Vier Exemplare In Herrn Grützes Büro Geliefert, Herr Lipwig.«

»Ich vermute, ein Sandwich kommt wohl überhaupt nicht...«

»Ich Muss Wirklich Mit Meiner Arbeit Weitermachen, Herr Lipwig«, sagte der Golem in tadelndem Tonfall.

»Weißt du, Gladys, ich werde das Gefühl nicht los, dass du dich irgendwie verändert hast«, sagte Feucht.

»Ja! Für Mich Selbst«, sagte Gladys mit glühenden Augen.

»Und was genau tust du?«

»Das Habe Ich Noch Nicht Herausgefunden, Weil Ich Das Buch Erst Bis Seite Zehn Gelesen Habe.«

»Ach so. Du liest also ein neues Buch. Aber keins von Lady Deirdre Wagen, würde ich wetten.«

»Nein, Weil Sie Völlig Unmoderne Ansichten Hat. Da Kann Ich Nur Drüber Lachen.«

»Ja, das kann ich mir vorstellen«, sagte Feucht nachdenklich. »Und ich vermute, dass du besagtes Buch von Fräulein Liebherz bekommen hast, richtig?«

»Ja. Es Trägt Den Titel Warum Männer Dir Ins Gehege Kommen Von Releventia Pfeifauf«, sagte Gladys ernst.

Dabei hatten wir zu Anfang nur die besten Absichten, dachte Feucht. Wir finden sie, wir graben sie aus, wir befreien sie. Aber wir wissen gar nicht, was wir tun oder wem wir es antun.

»Gladys, mit Büchern ist es so ... also, es ist... ich meine, nur weil es niedergeschrieben wurde, musst du nicht... das soll heißen, es bedeutet nicht, dass ... worauf ich hinauswill, ist, dass jedes Buch ...«

Er hielt inne. Sie glaubten an Worte. Worte verliehen ihnen Leben. Ich kann ihr nicht sagen, dass wir wie Jongleure damit spielen, dass wir ihre Bedeutung verändern, wie es uns gerade passt...

Er klopfte Gladys auf die Schulter. »Also gut, lies all die Bücher und bilde dir eine eigene Meinung, ja?«

»Das War Eine Beinahe Unangemessene Berührung, Herr Lipwig.«

Feucht lachte, hörte jedoch gleich wieder auf, als er ihre ernste Miene sah.

»Äh, wohl nur für Frau Pfeifauf, würde ich meinen«, sagte er und ging, um sich eine Times zu schnappen, bevor alle Exemplare geklaut waren.

Für den Chefredakteur musste es ein weiterer bittersüßer Tag gewesen sein. Schließlich gab es nur eine Seite eins. Am Ende hatte er alles hineingepackt, den Satz »Ich glaube, das schmeckt nach Ananas«, mit den bekleckerten Üppigs im Hintergrund, und sogar Puccis Rede war wörtlich abgedruckt. Es war wunderbar. Sie hatte sich einfach nicht mehr bremsen können. Aus ihrer Sicht war alles völlig klar: Sie hatte Recht, und alle anderen waren Idioten. Sie war so sehr in ihre eigene Stimme verliebt, dass die Wächter ihre offizielle Ermahnung auf ein Stück Papier schreiben und es ihr vors Gesicht halten mussten, bevor sie sie fortbringen konnten, wobei sie natürlich immer noch redete ...

Und jemand hatte ein Bild von Cosmos Ring gemacht, der das Sonnenlicht einfing. Die Amputation war nahezu vorbildlich gelungen, sagten die Ärzte im Krankenhaus, und wahrscheinlich hatte sie ihm das Leben gerettet. Und sie wunderten sich, wie Feucht hatte wissen können, was zu tun war, wobei sich sein medizinisches Wissen im Grunde nur darauf beschränkte zu erkennen, dass auf einem Finger keine grünen Pilze gedeihen sollten ...

Die Zeitung wurde ihm aus den Händen gerissen.

»Was hast du mit Professor Flett angestellt?«, wollte Adora Belle wissen. »Ich weiß, dass du irgendetwas getan hast! Lüg mich nicht an!«

»Ich habe gar nichts getan«, wehrte sich Feucht und dachte noch einmal über den Wortlaut nach. Ja, wenn man es genau nahm, war es die Wahrheit.

»Ich war nämlich im Institut für Postmortale Kommunikation!«

»Und was haben sie gesagt?«

»Ich bin gar nicht hineingekommen! Ein Tintenfisch lag vor der Tür! Aber ich weiß, dass du irgendetwas getan hast! Er hat dir das Geheimnis verraten, wie man mit den Golems redet, nicht wahr?«

»Nein.« Die absolute Wahrheit.

»Wirklich nicht?«

»Nein. Ich habe mir etwas Vokabular von ihm ausgeborgt, aber daraus habe ich kein Geheimnis gemacht.«

»Wird es auch bei mir funktionieren?«

»Nein.«

»Nehmen sie etwa nur Befehle von einem Mann an? Ich wette, dass es darum geht!«

»Das glaube ich nicht.« Durchaus wahr.

»Also gibt es ein Geheimnis?«

»Im Grunde ist es gar kein Geheimnis. Flett hat es uns gesagt. Er wusste nur nicht, dass es ein Geheimnis war.« Völlig richtig.

»Ist es ein bestimmtes Wort?«

»Nein.« Wahr.

»Hör mal, warum willst du es mir nicht sagen? Du weißt doch, dass du mir vertrauen kannst!«

»Ja, schon. Natürlich. Aber kann ich dir auch vertrauen, wenn dir jemand ein Messer an die Kehle hält?«

»Warum sollte jemand das tun?«

Feucht seufzte. »Weil du dann wüsstest, wie man die größte Armee kommandiert, die es je gegeben hat! Hast du dich mal da draußen umgesehen? Sind dir nicht die vielen Polizisten aufgefallen?« »Was für Polizisten?«

»Die Trolle, die das Kopfsteinpflaster neu verlegen. Wie oft kann man so etwas beobachten? Und die Droschken, die keine Fahrgäste annehmen wollen. Das Heer der Bettler. Und auf dem Kutschenhof lungern jede Menge Leute herum und beobachten die Fenster. Diese Polizisten meine ich. So etwas nennt man eine Beschattung, und ich bin die Beute ...«

Ein Klopfen an der Tür. Feucht erkannte es. Jemand versuchte auf sich aufmerksam zu machen, ohne zu stören.

»Komm herein, Stanley«, sagte er. Die Tür ging auf.

»Ich bin’s, Herr«, sagte Stanley, der das Leben mit der Sorgfalt eines Mannes bewältigte, der eine Gebrauchsanweisung las, die aus einer Fremdsprache übersetzt war.

»Ja, Stanley.«

»Der Leiter der Briefmarkenabteilung, Herr«, sagte Stanley.

»Ja, Stanley?«

»Lord Vetinari ist im Kutschenhof, Herr, und inspiziert den neuen automatischen Postsammler. Er sagt, es hätte keine Eile.«

»Er sagt, es hätte keine Eile«, sagte Feucht zu Adora Belle.

»Also sollten wir uns lieber beeilen?«

»Genau.«

»Es erinnert verblüffend an einen Galgen«, sagte Lord Vetinari, während hinter ihm Kutschen ein- und ausfuhren.

»Damit kann eine schnelle Kutsche Postsäcke aufnehmen, ohne langsamer zu werden«, sagte Feucht. »Das bedeutet, dass Briefe von kleinen Postämtern auf dem Land per Express befördert werden können, ohne die Kutsche aufzuhalten. Auf einer langen Fahrt können so einige Minuten eingespart werden.«

»Und wenn ich dir ein paar von den Golempferden überlasse, könnten die Kutschen mit einhundert Meilen pro Stunde fahren, wie mir gesagt wurde, und ich kann mir vorstellen, dass ihre glühenden Augen selbst diese Erbsensuppe durchdringen können.«

»Möglicherweise, Herr. Aber dein Angebot ist überflüssig. Ich habe bereits alle Golempferde«, sagte Feucht.

Vetinari bedachte ihn mit einem kühlen Blick und sagte dann: »Ha! Und du hast auch noch alle deine Ohren. Über welchen Tauschwert reden wir hier?«

»Hör mal, es ist ja nicht so, dass ich der Herr der Golems sein möchte ...«, begann Feucht.

»Lass uns das unterwegs bereden. Steig in meine Kutsche«, sagte Vetinari.

»Wohin fahren wir?«

»Nicht weit. Wir werden Herrn Beuge besuchen.«

Der Clown, der die kleine Schiebetür im abweisenden Tor des Hauses der Narrengilde öffnete, blickte von Vetinari zu Feucht und zu Adora Belle und schien über keinen der drei besonders glücklich zu sein.

»Wir möchten zu Doktor Weißgesicht«, sagte Vetinari. »Und ich erwarte, dass du uns mit einem Minimum an Frohsinn einlässt.«

Die Tür glitt wieder zu. Es folgten hektisches Geflüster und ein klirrendes Geräusch, dann öffnete sich eine Hälfte der Doppeltür gerade so weit, dass Menschen einzeln hindurchtreten konnten. Feucht wollte losgehen, doch Vetinari legte ihm die Hand auf die Schulter und zeigte mit seinem Stock nach oben.

»Wir sind hier bei der Narrengilde«, sagte er. »Rechne mit... Spaß.«

Auf der Tür balancierte ein Eimer. Er seufzte und stieß mit seinem Stock dagegen. Von der anderen Seite waren ein Aufprall und ein Klatschen zu hören.

»Ich weiß nicht, warum sie so hartnäckig darauf bestehen, ich weiß es wirklich nicht«, sagte er, während er schnell eintrat. »Es ist nicht witzig, und dabei könnte jemand verletzt werden. Vorsicht vor der Sahne.« Aus der Dunkelheit hinter der Tür kam ein Stöhnen.

»Laut Doktor Weißgesicht wurde Herr Beuge als Marco Bonigno geboren«, sagte Vetinari und ging durch das Zelt, das den Innenhof des Gildenhauses einnahm. »Und zwar als Clown.«

Dutzende Clowns hielten in ihrem täglichen Training inne, um ihnen mit ihren Blicken zu folgen. Torten blieben ungeworfen, Hosen füllten sich nicht mit weißer Farbe, unsichtbare Hunde hielten beim Pinkeln inne.

»Als Clown geboren!«, sagte Feucht.

»In der Tat, Herr Lipwig. Ein großer Clown aus einer großen Clownfamilie. Du hast ihn gestern erlebt.«

»Ich dachte, er wäre nur verrückt geworden!«

»Im Gegensatz zu Herrn Weißgesicht, der glaubt, dass er wieder zur Vernunft gekommen ist. Der junge Beuge hatte eine schreckliche Kindheit, wie ich hörte. Erst mit dreizehn Jahren hat er erfahren, dass er ein Clown ist. Und seine Mutter hat ihm aus unbekannten Gründen jede Spur von Clownhaftigkeit ausgetrieben.«

»Aber irgendwann muss sie etwas für Clowns übrig gehabt haben«, sagte Adora Belle. Sie blickte sich um. Alle Clowns schauten schnell weg.

»Sie hat Clowns geliebt«, sagte Vetinari. »Oder zumindest einen Clown. Für eine Nacht.«

»Oh. Ich verstehe«, sagte Feucht. »Und dann ist der Zirkus weitergezogen?«

»Wie es ein Zirkus leider immer wieder tut. Ich vermute, anschließend hat sie sich Männer mit roten Nasen so ziemlich abgewöhnt.«

»Woher weißt du all das?«, sagte Feucht.

»Ein Teil sind begründete Mutmaßungen, aber Fräulein Gardinia hat ihm in den letzten Tagen eine Menge entlocken können. Sie ist eine Dame mit viel Einfühlungsvermögen und von großer Entschlossenheit.«

Auf der anderen Seite des Zeltes gab es einen weiteren Eingang, wo der Vorsitzende der Gilde auf sie wartete.

Er war völlig weiß - weißer Hut, weiße Schuhe, weißes Kostüm und weißes Gesicht -, und dieses Gesicht, das mit dünnen Linien aus roter Schminke nachgezeichnet war, war eine lachende Maske, die im Gegensatz zu seinem wahren Gesicht stand, das so kalt und stolz wie das eines Prinzen der Hölle war.

Dr. Weißgesicht nickte Vetinari zu. »Euer Lordschaft ...«

»Doktor Weißgesicht«, sagte der Patrizier. »Wie geht es dem Patienten?«

»Ach, wenn er doch nur in jungen Jahren zu uns gekommen wäre!«, sagte Weißgesicht. »Was für ein Clown hätte dann aus ihm werden können! Dieses Timing! Ach, übrigens, normalerweise ist Frauen der Zutritt zum Gildenhaus nicht gestattet, aber unter diesen besonderen Umständen können wir eine Ausnahme von der Regel machen.«

»Ach, da bin ich aber froh!«, sagte Adora Belle. Jede Silbe war mit Säure getränkt.

»Es ist einfach so - ganz gleich, was die Scherze-für-Frauen-Gruppe sagt -, dass Frauen nicht witzig sind.«

»Ein schreckliches Gebrechen«, stimmte Adora Belle ihm zu.

»Vielmehr eine interessante Dichotomie, denn Clowns sind es auch nicht«, sagte Vetinari.

»Das fand ich schon immer«, sagte Adora Belle.

»Sie sind tragisch, und wir lachen über ihre Tragik, genauso wie wir über unsere eigene lachen. Das aufgemalte Grinsen verspottet uns aus der Dunkelheit, macht sich über unseren verrückten Glauben an Ordnung, Logik, Status oder die Realität der Wirklichkeit lustig. Die Maske weiß, dass wir auf der Bananenschale geboren wurden, die uns direkt zum offenen Loch des Verderbens gleiten lässt, und wir können nur darauf hoffen, dass uns die Menge dafür bejubelt.«

»Und wie passen die quietschenden Ballontiere ins Bild?«, fragte Feucht.

»Keine Ahnung. Aber als die Männer Herrn Beuge überfielen, hat er einen von ihnen mit einem recht lebensechten lustigen rosa Elefanten aus Ballons erdrosselt.«

»Man stelle sich nur das Geräusch vor!«

»Ja! Welch ein Geniestreich! Und ganz ohne Ausbildung! Und dann die Sache mit der Leiter! Er hat es gnadenlos durchgezogen! Einfach hervorragend!«, sagte Weißgesicht. »Jetzt wissen wir alles über ihn, Havelock. Nachdem seine Mutter starb, kam sein Vater zurück, und natürlich hat er ihn in den Zirkus mitgenommen. Jeder Clown konnte sofort sehen, dass er zum Komiker geboren war. Allein schon die Füße! Sie hätten ihn zu uns schicken sollen! Ein Junge in diesem Alter, das kann ziemlich heikel sein. Aber nein, er wurde in das alte Kostüm seines Großvaters gesteckt und in irgendeiner winzigen Stadt in die Manege geschubst, und, nun ja, das war der Moment, wo den Clowns ein Prinz verloren ging.«

»Warum? Was ist passiert?«, fragte Feucht.

»Was glaubst du denn? Sie haben ihn ausgelacht.«

Es regnete, und nasse Zweige peitschten ihn, als er durch den Wald stürmte, wobei ihm immer noch weiße Farbe aus der viel zu weiten Hose tropfte. Die Hose hüpfte an den elastischen Hosenträgern auf und ab und traf ihn gelegentlich sogar am Kinn.

Aber die Schuhe waren gut. Es waren erstaunliche Schuhe. Es waren die einzigen, die ihm jemals gepasst hatten.

Aber seine Mutter hatte ihn anständig erzogen. Kleidung sollte in seriösem Grau gehalten sein, Frohsinn war unschicklich, und Make-up war eine Sünde.

Nun gut, die Strafe war auf dem Fuß gefolgt!

Am frühen Morgen fand er eine Scheune. Er kratzte sich die angetrocknete Sahne und Schminke ab und wusch sich in einem Teich. Oh, dieses Gesicht! Die dicke Nase, der riesige Mund, die aufgemalte weiße Träne - er wusste, dass er sich in seinen Albträumen immer wieder daran erinnern würde.

Wenigstens trug er noch sein eigenes Hemd und die Unterhose, die alles Wichtige bedeckte. Er wollte gerade alles andere wegwerfen, als eine innere Stimme ihn zurückhielt. Seine Mutter lebte nicht mehr, und er war nicht in der Lage gewesen, die Gerichtsvollzieher daran zu hindern, alles mitzunehmen, selbst den Messingring, den Mutter jeden Tag poliert hatte. Seinen Vater hatte er nie wiedergesehen ... er musste etwas behalten, es musste irgendetwas für ihn geben, das ihn daran erinnerte, wer er war und woher er gekommen und warum er gegangen war - ja, auch das. In der Scheune fand er einen Sack voller Löcher, der für seine Zwecke ausreichte.

Später stieß er auf ein paar Wohnwagen, die unter Bäumen Rast machten, aber es waren keine bunt bemalten Zirkuswagen. Wahrscheinlich sind die Leute religiös, dachte er, und Mutter hatte nichts gegen die gemäßigteren Religionen gehabt, vorausgesetzt, ihre Götter waren nicht ausländischer Herkunft.

Sie gaben ihm Kanincheneintopf. Und als er über die Schulter eines Mannes blickte, der ruhig an einem kleinen Klapptisch saß, sah er ein Buch voller Zahlen. Er liebte Zahlen. Sie ergaben immer Sinn - in einer Welt, die keinen Sinn ergab. Dann hatte er den Mann sehr höflich gefragt, was die Zahl ganz unten auf der Seite zu bedeuten hatte, und er hatte zur Antwort erhalten: »So etwas bezeichnet man im Allgemeinen als Summe.« Darauf hatte er erwidert: »Nein, das ist nicht die Summe, sondern dreiviertel Cent weniger als die Summe.« - »Woher willst du das wissen?« - »Ich sehe es.« - »Aber du hast doch nur einen flüchtigen Blick darauf geworfen!« - »Tja, mehr brauche ich nicht.«

Dann wurden weitere Bücher aufgeschlagen, und die Leute versammelten sich um ihn und gaben ihm Zahlen zum Addieren. Alles war so einfach ...

Das war die Art von Spaß, die ein Zirkus nicht bieten konnte, und es hatte nicht das Geringste mit Sahne zu tun.

Als er die Augen öffnete, erkannte er undeutliche Gestalten.

»Werde ich verhaftet?«

Feucht blickte zu Vetinari, der eine unbestimmte Handbewegung machte.

»Nicht zwangsläufig«, sagte Feucht vorsichtig.

»Sir Joshua sagte, er würde allen von meiner ... Familie erzählen.«

»Ja, das wissen wir.«

»Die Leute hätten über mich gelacht. Das hätte ich nicht ertragen können. Und dann denke ich, dass ... nun ja, dass ich mich selbst überzeugt habe, dass alles nur ein Traum war. Wenn ich nie danach suchen würde, würde er immer da sein.« Er hielt inne, als würden die unterschiedlichsten Gedanken Schlange stehen, um seinen Mund benutzen zu dürfen. »Doktor Weißgesicht war so freundlich, mir die Geschichte des Marco-Bonigno-Gesichts zu zeigen ...« Wieder eine Pause. »Wie ich hörte, werfe ich Sahnetorten mit bemerkenswerter Zielgenauigkeit. Vielleicht wären meine Vorfahren stolz auf mich.«

»Wie fühlst du dich jetzt?«, fragte Feucht.

»Ach, ich fühle mich ganz wohl in meiner Haut«, sagte Beuge. »Auch wenn ich nicht genau weiß, wer ich bin.«

»Gut. Dann möchte ich dich morgen Früh um halb neun an deinem Arbeitsplatz sehen, Herr Beuge.«

»Du kannst ihn nicht auffordern, schon so schnell zurückzukehren!«, protestierte Fräulein Gardinia.

Feucht wandte sich an Weißgesicht und Vetinari. »Könntet ihr uns bitte allein lassen, meine Herren?«

Der Chefclown setzte eine beleidigte Miene auf, was durch das Dauergrinsen umso schlimmer aussah, doch dann schloss sich die Tür hinter ihnen.

»Hör mir zu, Herr Beuge«, sagte Feucht eindringlich. »Wir stehen vor dem totalen Chaos ...«

»Ich habe an das Gold geglaubt, weißt du«, sagte Beuge. »Ich wusste nicht, wo es war, aber ich habe daran geglaubt.«

»Gut. Und wahrscheinlich existiert es noch in Puccis Schmuckkästchen«, sagte Feucht. »Aber ich möchte die Bank morgen wieder öffnen, und Vetinaris Leute haben sich dort jedes Stück Papier von allen Seiten angesehen. Also kannst du dir vorstellen, was für ein Durcheinander sie hinterlassen haben. Und ich möchte morgen die Geldscheine ausgeben. Du erinnerst dich? Das Geld, das kein Gold braucht. Und die Bank braucht das Gold auch nicht. Das wissen wir. Sie hat jahrelang mit einem Tresor voller Altmetall funktioniert! Aber die Bank braucht dich, Herr Beuge. Die Üppigs stecken in großen Schwierigkeiten, Cosmo ist irgendwo eingesperrt, das Personal ist sonst wo. Also musst du da sein, wenn die Bank öffnet, Herr Beuge. Bitte! Ach, übrigens, der Direktor hat großzügig seine Zustimmung dazu gebellt, dass du von nun an fünfundsechzig Dollar Monatsgehalt beziehst. Ich weiß, dass du dich nicht durch Geld in deinen Entscheidungen beeinflussen lässt, aber die Erhöhung könnte jemandem Zusagen, der vielleicht über eine, äh, Veränderung seiner Wohnverhältnisse nachdenkt.«

Mit diesem Vorstoß hatte er nicht im Dunkeln getappt, sondern im hellen Licht. Fräulein Gardinia war eindeutig eine Frau, die einen Plan hatte, und es musste ein besserer Plan sein, als den Rest seines Lebens in einem engen Zimmer in der Ulmenstraße zu verbringen.

»Natürlich ist es allein deine Entscheidung«, sagte er und stand auf. »Wird Herr Beuge hier gut behandelt, Fräulein Gardinia?«

»Nur weil ich dabei bin«, sagte sie keck. »Heute Früh kamen drei Clowns mit einem dicken Seil und einem kleinen Elefanten herein und wollten ihm einen Zahn ziehen! Ich hatte es gerade geschafft, sie hinauszubefördern, als die nächsten zwei hereinkamen und anfingen, das Zimmer zu tünchen, aber auf sehr ineffiziente Weise, wie ich fand! Auch sie habe ich in kürzester Zeit hinausgeworfen, das kann ich dir sagen!«

»Gut gemacht, Fräulein Gardinia!«

Vetinari wartete draußen vor dem Haus mit offener Kutschentür.

»Steig ein«, sagte er.

»Eigentlich ist es zu Fuß gar nicht so ...«

»Steig ein, Herr Lipwig! Wir wollen es doch bequem haben.«

»Ich glaube, du hältst unsere Beziehung für ein Spiel«, sagte Vetinari, als die Kutsche losfuhr. »Du glaubst, dass alle Sünden vergeben werden. Also möchte ich dir das hier geben.«

Er zog einen schwarzen Gehstock mit einem silbernen Schädel als Griff hervor und zog ihn auseinander.

»Dieses seltsame Stück befand sich im Besitz von Cosmo Üppig«, sagte er, als die Klinge aus der Scheide glitt.

»Ich weiß. Es ist eine exakte Kopie deines Stocks, nicht wahr?«

»Meinst du wirklich?«, sagte Vetinari. »Bin ich die Art von Herrscher, der mit einem »Schwert aus dem Blut von tausend Männern« regiert? Als Nächstes wird es eine Krone aus lauter Schädeln sein, könnte ich mir vorstellen. Ich glaube, Cosmo hat sie bereits anfertigen lassen.«

»Also ist es nur die Kopie eines Gerüchts?« Außerhalb der Kutsche schwang ein Tor auf.

»In der Tat«, sagte Vetinari. »Die Nachbildung von etwas, das gar nicht existiert. Man kann nur hoffen, dass das Stück nicht in jeder Hinsicht authentisch ist.«

Die Kutschentür wurde geöffnet, und Feucht trat in den Palastgarten hinaus. Hier sah es aus, wie es meistens an solchen Orten aussah - ordentlich, sauber, viel Kies, spitze Bäume und kein Gemüse.

»Weshalb sind wir hier?«, fragte Adora Belle. »Es geht um die Golems, nicht wahr?«

»Fräulein Liebherz, was denken unsere einheimischen Golems über diese neue Armee?«

»Sie mögen sie nicht. Sie glauben, dass die anderen großen Ärger machen werden. Sie haben keine Chem, die sich ändern ließe. Sie sind schlimmer als Untote.«

»Vielen Dank. Eine weitere Frage: Werden sie töten?«

»Im Lauf der Geschichte haben die Golemschöpfer gelernt, keine Golems zu schaffen, die töten ...«

»Ist das ein Nein?«

»Ich weiß es nicht.«

»Wir machen Fortschritte. Ist es möglich, ihnen einen Befehl zu geben, der nicht von einer anderen Person widerrufen werden kann?«

»Hmm ... Ja. Wenn sonst niemand das Geheimnis kennt.«

»Und welches wäre das?« Vetinari wandte sich wieder Feucht zu und zog das Schwert.

»Es geht nur so, dass ich die Befehle gebe, Herr«, sagte Feucht und betrachtete zum zweiten Mal blinzelnd die Schneide. Sie schimmerte wirklich.

Er war auf das vorbereitet, was als Nächstes geschah, nur dass es genau verkehrt herum geschah.

Vetinari reichte ihm das Schwert und sagte: »Fräulein Liebherz, es wäre mir wirklich sehr lieb, wenn du die Stadt nicht mehr über längere Zeiträume verlassen würdest. Das führt nämlich dazu, dass dieser Mann die Gefahr sucht. Verrate uns das Geheimnis, Herr Lipwig.«

»Ich glaube, dass das zu gefährlich wäre, Herr.«

»Herr Lipwig, muss ich ein Abzeichen tragen, auf dem »Tyrann« steht?«

»Können wir einen Handel abschließen?«

»Natürlich. Ich bin ein vernünftiger Mann.«

»Wirst du dich daran halten?«

»Nein. Aber ich werde dir einen anderen Handel vorschlagen. Das Postamt kann sechs Golempferde übernehmen. Die anderen Golemkrieger werden als Mündel der Golem-Stiftung betrachtet, aber wenn vierhundert von ihnen benutzt werden, um die Funktion der Klackertürme zu verbessern, dürfte das auf internationale Zustimmung stoßen, da bin ich mir sicher. Als Grundlage unserer Währung werden wir Gold durch Golems ersetzen, wie du so wortgewandt eingefordert hast. Ihr beiden habt dafür gesorgt, dass die Weltlage sehr ... interessant geworden ist...«

»Entschuldigung, aber warum halte ich dieses Schwert in der Hand?«, fragte Feucht.

»... und du verrätst uns das Geheimnis, und das Beste von allem ist, dass du am Leben bleibst«, fuhr Vetinari fort. »Wer könnte dir ein besseres Angebot machen?«

»Oh, na gut«, sagte Feucht. »Ich wusste, dass es so kommen würde. Die Golems gehorchen mir, weil ...«

»Weil du einen goldenen Anzug trägst und deshalb in ihren Augen ein ähmianischer Priester sein musst«, sagte Vetinari. »Wenn ein Befehl in vollem Umfang verstanden werden soll, muss die richtige Person die richtigen Worte zum richtigen Befehlsempfänger sagen. Ich war früher einmal ein ganz leidlicher Gelehrter. Man muss nur logisch denken, um auf das Geheimnis zu kommen. Und du kannst den Mund jetzt wieder zumachen.«

»Du hast es längst gewusst?«

»Es war nicht gerade ein Drachenzauber.«

»Und warum hast du mir dann dieses entsetzliche Schwert gegeben?«

»Es ist in der Tat geschmacklos, nicht wahr?«, sagte Vetinari und nahm es ihm wieder ab. »Man stellt sich unwillkürlich vor, dass es jemandem mit einem Namen wie Krax der Mächtige gehört haben muss. Es hat mich nur interessiert zu beobachten, dass du noch größere Angst hast, wenn du es in der Hand hältst. Lass mich mal kurz überlegen ... was wollte ich dir noch sagen? Ach ja, bedauerlicherweise muss ich dir mitteilen, dass ein Mann namens Eulrich Janken nicht mehr unter den Lebenden weilt.«

Es klang irgendwie seltsam, wie er es sagte ...

»Wurde er von einem Engel gerufen?«

»Das ist sehr wahrscheinlich, Herr Lipwig. Aber solltest du weitere Entwürfe benötigen, bin ich mir sicher, dass wir im Palast jemanden finden werden, der dir assistieren kann.«

»Vermutlich war es ihm so bestimmt«, sagte Feucht. »Ich bin froh, dass er jetzt an einem besseren Ort weilt.«

»Auf jeden Fall ist es dort nicht so feucht. Geh jetzt. Meine Kutsche steht dir zur Verfügung. Du musst eine Bank wiedereröffnen! Die Welt dreht sich weiter, und heute Vormittag dreht sie sich auf meinem Schreibtisch. Komm, Herr Quengler.«

»Dürfte ich einen Vorschlag machen?«, sagte Feucht, als Vetinari sich bereits abgewandt hatte.

»Welchen?«

»Warum verrätst du das goldene Geheimnis nicht allen Staatsregierungen auf der Ebene? Das würde bedeuten, dass niemand die Golems als Soldaten benutzen könnte. Das würde die Lage erheblich entspannen.«

»Hmm, interessant. Würdest du dem zustimmen, Fräulein Liebherz?«

»Ja! Wir wollen keine Golem-Armeen! Das ist eine sehr gute Idee!«

Vetinari bückte sich und gab Herrn Quengler einen Hundekuchen. Als er sich wieder aufrichtete, hatte sich in seiner Miene kaum merklich etwas verändert.

»Du hast es bereits getan, nicht wahr?«, sagte Feucht.

»Um zehn Uhr gestern Nacht wurde das goldene Geheimnis von einer oder mehreren unbekannten Personen über die Ebene geschickt, bis zum Diamantkönig der Trolle«, sagte Vetinari. »Ich hoffe doch, dass nicht du dafür verantwortlich warst, oder? Wie ich hörte, wurden Verschlüsselungen benutzt, die nur den betreffenden Konsulaten bekannt sind. Deswegen herrscht nun überall große Verlegenheit. Es wäre sehr angenehm und äußerst vernünftig, wenn du über diese Sachen Stillschweigen bewahren würdest.«

Feucht und Adora Belle sahen sich an. Ihre Blicke signalisierten übereinstimmend, dass er es gewesen war. Natürlich war er es gewesen. Witwenmacher und seinesgleichen würden wissen, dass er es gewesen war. Selbst die Kreaturen, die an feuchten Wänden leben, würden wissen, dass er es gewesen war. Und niemand würde es jemals beweisen können.

»Du kannst uns vertrauen«, sagte Feucht.

»Ja, ich weiß«, sagte Vetinari. »Komm, Herr Quengler. Hier gibt es bestimmt irgendwo Kuchen.«

Feucht hatte keine Lust auf eine weitere Fahrt mit der Kutsche. Kutschen hatten im Moment zu viele unangenehme Assoziationen für ihn.

»Er hat gewonnen, nicht wahr?«, sagte Adora Belle, während sie vom Nebel umwogt wurden.

»Nun ja, er hat den Direktor dazu gebracht, ihm aus der Hand zu fressen.«

»Darf er so etwas tun?«

»Ich glaube, das fällt unter die Regel Quia ego sic dico.«

»Und was bedeutet das?«

»>Weil ich es so sage<, würde ich meinen.«

»Das klingt nicht gerade nach einer Regel.«

»Aber im Grunde ist es die einzige, die er braucht. Eigentlich könnte er ...«

»Du bist mir fünf Riesen schuldig, Herr Schpangler!«

Mit einer einzigen Bewegung war die Gestalt aus dem Zwielicht und hinter Adora Belle getreten.

»Keine Tricksch, Fräulein, weil ich hier ein Mescher habe«, sagte Krippling, und Feucht hörte, wie Adora Belle scharf die Luft einsog. »Dein Kumpel hat es mir verschprochen, Wenn ich dich verpfeife, und da du dich selbst verpfiffen und ihn ins Irrenhaus geschickt hast, finde ich, dass jetzt du mir die Kohle schuldig bischt.«

Feuchts Hand tastete sich langsam in seine Hosentasche, aber dort war nichts mehr, was ihm hätte weiterhelfen können. Im Kittchen wurde es nicht gern gesehen, wenn man Totschläger und Dietriche mitbrachte, und man erwartete, dass man solche Dinge - genauso wie alles andere - von den Wärtern kaufte.

»Tu das Messer weg, dann können wir reden«, sagte er.

»Ja, klar, reden! Du redescht verdammt gern, nicht wahr? Du hast eine magische Tschunge, das hast du! Ich hab dich geschehen! Du wedelst ständig damit rum, und du bischt der goldene Junge! Du sagst ihnen, dass du sie ausrauben willst, und sie lachen darüber! Wie bist du damit nur durchgekommen?«

Krippling malmte und spuckte vor Wut. Zornige Menschen machen Fehler, aber das ist kein großer Trost, wenn sie ein Messer haben und nicht weit von den Nieren der Freundin entfernt damit herumfuchteln. Sie war blass geworden, und Feucht konnte nur hoffen, dass sie von selbst darauf kam, dass jetzt nicht der beste Zeitpunkt war, um mit dem Fuß aufzustampfen. Außerdem musste er aufhören, über Kripplings Schulter zu starren, weil sich am Rand seines Gesichtsfeldes offensichtlich etwas anschlich.

»Jetzt ist nicht der Moment für überstürzte Handlungen«, sagte er laut, worauf der Schatten im Nebel innezuhalten schien.

»Krippling, das ist der Grund, warum nie etwas aus dir geworden ist«, fuhr Feucht fort. »Ich meine, erwartest du wirklich, dass ich so viel Geld bei mir habe?«

»Hier gibt es viele gemütliche Plätschchen zum Warten, während du es holst.«

Das war dumm, dachte Feucht. Dumm, aber gefährlich. Und etwas in ihm sagte: Hier steht Gehirn gegen Gehirn. Und eine Waffe, mit der sich der andere nicht auskennt, ist deine Waffe. Nutz das aus.

»Tritt einfach zurück, und dann vergessen wir, dass wir dich gesehen haben«, sagte er. »Das ist das beste Angebot, das du von uns bekommen wirst.«

»Du willst dich schon wieder aus der Sache rausquatschen, du mieser Mistkerl? Ich werde ...«

Es gab ein lautes Knacken, und Krippling stieß einen Laut aus. Es klang, als ob er zu schreien versuchte, dieser Schrei ihm aber viel zu große Schmerzen bereitete. Feucht griff nach Adora Belle, als der Mann zusammenklappte und sich den Mund hielt. Dann machte es Ping!, und Blut trat durch Kripplings Wange aus. Er winselte und rollte sich zusammen. Selbst dann noch waren weitere Knack- und Plinggeräusche zu hören, als der Zahnersatz eines Toten, der jahrelang misshandelt worden war, endlich den Geist aufgab, der den verzweifelten Versuch unternahm, den verhassten Krippling mit sich zu nehmen. Später sagte der Arzt, dass eine Sprungfeder bis in seine Nasennebenhöhlen vorgedrungen war.

Hauptmann Karotte und Nobby Nobbs kamen aus dem Nebel gelaufen und starrten auf den Mann, der zuckend am Boden lag, hin und wieder begleitet von einem weiteren Ping!

»Entschuldigung, Herr, wir haben dich in der Erbsensuppe verloren«, sagte Karotte. »Was ist mit ihm passiert?«

Feucht hielt Adora Belle fest in den Armen. »Seine falschen Zähne sind explodiert«, sagte er.

»Wie konnte das geschehen?«

»Ich habe keine Ahnung, Hauptmann. Warum tut ihr nicht eine gute Tat und bringt ihn ins Krankenhaus?«

»Möchtest du Anklage gegen ihn erheben, Herr Lipwig?«, fragte Karotte und hob den wimmernden Krippling vorsichtig hoch.

»Ich würde lieber einen Brandy heben«, sagte Feucht. Er überlegte, dass Anoia vielleicht nur auf den richtigen Moment wartete. Ich sollte lieber zu ihrem Tempel gehen und dort eine ganz große Schöpfkelle aufhängen. Es könnte eine gute Idee sein, etwas Dankbarkeit zu zeigen ...

Sekretär Drumknott schlich sich auf Zehenspitzen und in Samtschuhen in Lord Vetinaris Büro.

»Guten Morgen«, sagte Seine Lordschaft und wandte sich vom Fenster ab. »Der Nebel hat heute Morgen einen sehr netten Stich ins Gelbliche. Irgendetwas Neues über Vorhinein?«

»Die Wache in Quirm sucht nach ihm, Herr«, sagte Drumknott und legte ihm die Stadtausgabe der Times hin.

»Warum?«

»Weil er einen Fahrschein nach Quirm gekauft hat.«

»Aber er dürfte einen zweiten für die Kutsche nach Gennua gekauft haben. Er wird so weit wie möglich weglaufen. Sei so gut, und schick eine Kurzklackernachricht an unseren Mann dort.«

»Ich hoffe, du hast Recht, Herr.«

»Tust du das? Ich hoffe, ich täusche mich. Es wäre gut für mich. Ah. Ahaha.«

»Herr?«

»Wie ich sehe, hat die Times wieder Farbe auf der Titelseite. Die Vorder- und Rückseite der Ein-Dollar-Note.«

»Ja, Herr. Sehr hübsch.«

»Sogar in Originalgröße«, sagte Vetinari, immer noch lächelnd. »Ich verstehe, dass die Leser mit dem Aussehen des Scheins vertraut gemacht werden sollen. Aber in diesem Moment, Drumknott, das kann ich dir versichern, schneiden ehrbare Bürger der Stadt sorgfältig beide Seiten aus, um sie zusammenzukleben.«

»Sollten wir ein ernstes Wörtchen mit dem Herausgeber reden, Herr?«

»Nein. Es ist viel unterhaltsamer, wenn wir beobachten, wie sich diese Sache entwickelt.«

Vetinari lehnte sich auf seinem Sessel zurück und schloss mit einem Seufzer die Augen. »Also gut, Drumknott, ich fühle mich jetzt stark genug, um mir anzuhören, wie die heutige politische Karikatur aussieht.«

Papier raschelte, bis Drumknott die richtige Seite gefunden hatte.

»Nun ja, Herr Quengler ist sehr gut getroffen.« Unter Vetinaris Sessel öffnete der Hund die Augen, als er seinen Namen hörte. Dasselbe tat sein neues Herrchen, wenn auch weniger gelassen.

»Er hat doch hoffentlich nichts im Maul, oder?«

»Nein, Herr«, sagte Drumknott ruhig. »Wir haben es hier mit der Times von Ankh-Morpork zu tun, Herr!«

Vetinari entspannte sich wieder. »Fahr fort.«

»Er ist angeleint, Herr, und macht einen ungewohnt aggressiven Eindruck. Die Leine wird von dir gehalten, Herr. Vor ihm befindet sich eine Gruppe von sehr dicken Katzen, die sich nervös in einer Ecke drängen. Sie tragen Zylinder, Herr.«

»Wie es Katzen sehr gerne tun.«

»Und darauf steht »die Banken«, Herr«, fügte Drumknott hinzu.

»In der Tat sehr subtil.«

»Während du, Herr, ein Bündel Papiergeld in der Hand hältst. Und in der Sprechblase steht...«

»Lass mich raten. >DAS schmeckt NICHT nach Ananas<?«

»Sehr gut, Herr. Übrigens warten unten zufällig die Direktoren der übrigen städtischen Banken und ersuchen um ein Gespräch mit dir, sobald es dir genehm ist.«

»Gut. Dann heute Nachmittag.«

Vetinari stand auf und ging zum Fenster hinüber. Der Nebel wurde dünner, aber die treibenden Dunstschwaden verwehrten weiterhin den Blick auf die Stadt.

»Herr Lipwig ist ein sehr ... populärer junger Mann, nicht wahr, Drumknott?«, sagte Vetinari und starrte ins Zwielicht.

»Aber ja, Herr«, sagte der Sekretär und legte die Zeitung wieder zusammen. »In hohem Maße.«

»Und äußerst selbstbewusst, würde ich meinen.«

»Dem würde ich zustimmen.«

»Und loyal?«

»Er hat sich bei der Tortenschlacht für dich geopfert.«

»Also ist er ein schneller taktischer Denker.«

»Oh ja.«

»Und ihm war sicherlich bewusst, dass seine eigene Zukunft mit dieser Torte durch den Saal flog.« »Er hat zweifellos ein gutes Gespür für politische Strömungen, das steht fest«, sagte Drumknott und hob einen Aktenstapel auf.

»Und er ist, wie du sagst, sehr populär«, fügte Vetinari hinzu, der immer noch als hagerer Umriss vor dem Nebel stand.

Drumknott wartete. Feucht war nicht der Einzige mit Gespür für politische Strömungen.

»In der Tat ein Gewinn für die Stadt«, sagte Vetinari nach einer Weile. »Und wir sollten seine Talente nicht vergeuden. Allerdings sollte er wohl lange genug in der Königlichen Bank bleiben, um sie zu seiner Zufriedenheit umzugestalten«, sinnierte er. Drumknott sagte nichts, sortierte aber einige Akten in eine etwas angenehmere Reihenfolge. Als sein Blick auf einen Namen fiel, legte er diese Akte ganz nach oben.

»Natürlich wird er danach wieder Unruhe verspüren und zu einer Gefahr für andere wie auch für sich selbst werden ...«

Drumknott blickte lächelnd auf seine Akten. Seine Hand verharrte ...

»Ganz nebenbei gefragt: Wie alt ist eigentlich Herr Knitter?«

»Der Steuerminister? In den Siebzigern, Herr«, sagte Drumknott und öffnete die Akte, auf die er soeben aufmerksam geworden war. »Ja, hier steht vierundsiebzig.«

»Wir haben uns erst vor kurzem Gedanken über seine Methoden gemacht, nicht wahr?«

»Das haben wir in der Tat, Herr. Erst letzte Woche.«

»Kein Mann mit flexibler Denkweise, würde ich meinen. In der modernen Welt ein wenig verloren. Jemanden über einen Eimer zu halten und ihn kopfüber auszuschütteln ist kein sehr fortschrittlicher Weg. Ich würde es ihm nicht übelnehmen, wenn er sich entscheiden sollte, in den ehrenhaften und wohlverdienten Ruhestand zu gehen.«

»Ja, Herr. Wann möchtest du, dass er sich dazu entscheidet, Herr?«, fragte Drumknott.

»Keine Eile«, sagte Vetinari. »Es hat keine Eile.«

»Hast du schon über einen möglichen Nachfolger nachgedacht? Auf diesem Posten macht man sich nicht gerade Freunde«, sagte Drumknott. »Dazu wäre eine Persönlichkeit mit ganz bestimmten Voraussetzungen nötig.«

»Ich werde darüber nachdenken«, sagte Vetinari. »Es wird sich zweifellos ein Kandidat finden.«

Das Bankpersonal kam früh zur Arbeit und schob sich durch die Menge, die sich auf den Straßen versammelt hatte, weil dies a) ein weiterer Akt im spannenden Straßentheater von Ankh-Morpork war und weil es b) großen Ärger geben würde, wenn ihr Geld vermisst werden sollte. Allerdings war noch nichts von Herrn Beuge oder Fräulein Gardinia zu sehen.

Feucht war im Münzamt. Die Männer von Herrn Spule hatten ... nun, sie hatten sich alle Mühe gegeben. Diese Redensart ist normalerweise entschuldigend gemeint, wenn das Ergebnis bestenfalls mittelmäßig ausfällt, aber wenn sich diese Männer alle Mühe gaben, war es sogar noch einen Tick besser als hervorragend.

»Ich bin mir sicher, dass wir sie noch verbessern können«, sagte Herr Spule, während Feucht sich an dem Anblick weidete.

»Sie sind vollkommen, Herr Spule!«

»Alles andere als das. Aber es ist nett, dass du das sagst. Bisher haben wir siebzigtausend gemacht.«

»Nicht annähernd genug!«

»Bei allem Respekt, wir drucken hier keine Zeitung. Aber wir ... werden besser. Du hattest bereits über andere Nennwerte gesprochen ...?«

»Oh ja. Zwei, fünf und zehn Dollar für den Anfang. Und die Fünfer und Zehner werden sprechen.«

Nicht annähernd genug, dachte er, als die Farben des Geldes durch seine Finger flössen. Die Leute würden danach Schlange stehen. Sie würden keine schmutzigen, schweren Münzen mehr wollen, wenn sie das hier sahen! Von Golems gestützt! Was ist eine Münze im Vergleich zu der Hand, die sie hält? Das ist wahrer Wert! Hm, ja, das würde auch auf dem Zwei-Dollar-Schein gut aussehen! Das würde er sich merken.

»Es ... wird sprechen?«, wiederholte Herr Spule vorsichtig.

»Imps«, sagte Feucht. »Imps sind so etwas wie intelligente Zaubersprüche. Sie müssen nicht einmal eine bestimmte Form haben. Wir werden sie auf die höheren Nennwerte drucken.«

»Meinst du, dass die Universität damit einverstanden sein wird?«, fragte Spule.

»Ja, weil ich Ridcullys Kopf auf dem Fünf-Dollar-Schein drucken will. Ich werde mit Ponder Stibbons reden. Das scheint mir tatsächlich mal ein Fall für unratsam angewandte Magie zu sein.«

»Und was würde das Geld sagen?«

»Alles, was wir möchten. Vielleicht >Ist dieser Kauf wirklich nötig< oder >Spar mich lieber für einen Regentag auf<. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten!«

»Zu mir sagt es immer nur >Auf Nimmerwiedersehen<«, sagte ein Drucker zur allgemeinen Belustigung.

»Vielleicht kann es dem Besitzer auch einen Kuss zuhauchen«, sagte Feucht. Er drehte sich zu den Männern aus den Verschlägen um, die im Bewusstsein ihrer neu gewonnenen Bedeutung strahlten. »Wenn mir jetzt bitte ein paar von euch helfen würden, das alles hier in die Bank zu tragen ...«

Die Zeiger der Uhr jagten sich gegenseitig zur vollen Stunde, als Feucht eintraf, und immer noch war nichts von Herrn Beuge zu sehen.

»Geht die Uhr richtig?«, fragte Feucht, als die Zeiger mit dem entspannten Abstieg zur halben Stunde begannen.

»Aber ja, Herr«, sagte ein Schalterangestellter. »Herr Beuge stellt sie zweimal am Tag.«

»Das mag sein, aber er war schon seit einiger Zeit nicht mehr hier ...«

Die Türen schwangen auf, und da war er. Irgendwie hatte Feucht mit einem Clownkostüm gerechnet, aber Beuge kam glatt, geschniegelt und gebügelt in der schmucken Jacke und der Nadelstreifenhose und ... ... mit roter Nase. Und Arm in Arm mit Fräulein Gardinia.

Das Personal starrte die beiden an, viel zu schockiert, um irgendwie reagieren zu können.

»Meine Damen und Herren«, sagte Beuge, dessen Stimme in der plötzlichen Stille ungewohnt laut hallte, »ich muss mich vielmals bei euch allen entschuldigen. Ich habe sehr viele Fehler begangen. Genau genommen ist sogar mein ganzes Leben ein Fehler. Ich habe daran geglaubt, dass wahre Werte in Metallklumpen stecken. Vieles von dem, woran ich geglaubt habe, ist in Wirklichkeit wertlos, aber Herr Lipwig hat an mich geglaubt, und deshalb bin ich heute wieder hier. Jetzt wollen wir Geld machen, nicht auf Grundlage einer geologischen Laune, sondern durch die Fähigkeiten von Hirn und Hand. Und nun ...« Er hielt inne, weil Fräulein Gardinia seinen Arm gedrückt hatte.

»Ach ja, wie konnte ich das nur vergessen!«, fuhr Beuge fort. »Woran ich jetzt mit ganzem Herzen glaube, ist die Tatsache, dass Fräulein Gardinia mich am Samstag in der Spaßkapelle im Haus der Narrengilde heiraten wird. Die Trauung wird Hochwürden >Knalltüte< Knopfler vornehmen. Natürlich seid ihr alle eingeladen ...«

»... aber überlegt euch gut, was ihr anzieht, denn es wird eine Tünche-Trauung«, sagte Fräulein Gardinia kokett - zumindest schien sie es für kokett zu halten.

»Und damit bleibt mir nur noch übrig ...«, versuchte Beuge fortzufahren, aber nun hatten die Mitarbeiter verstanden, was ihre Ohren aufgenommen hatten, und umringten das Paar. Die Frauen wurden durch die legendäre gewaltige Schwerkraft des Verlobungrings zum Bald-nicht-mehr-Fräulein Gardinia gezogen, während die Männer zunächst Herrn Beuge auf den Rücken klopften und schon bald das Undenkbare taten, nämlich ihn hochhoben und auf den Schultern durch den Raum trugen.

Schließlich war es Feucht, der die Hände an den Mund legte und rief: »Vergesst nicht die Zeit, meine Damen und Herren! Unsere Kunden warten bereits! Wir sollten das Geldmachen nicht länger hinauszögern! Wir dürfen kein Staudamm im wirtschaftlichen Fluss sein!«

... und dann fragte er sich, was Hubert in diesem Moment tat ...

Die Zunge konzentriert herausgestreckt, entfernte Igor eine dünne Röhre aus den gurgelnden Eingeweiden des Bluppers.

Ein paar Blasen stiegen schlingernd in der zentralen Hydroeinheit auf und zerplatzten mit einem Blupp an der Oberfläche.

Hubert stieß einen erleichterten Seufzer aus.

»Gut gemacht, Igor. Jetzt nur noch eine ... Igor?«

»Ich bin hier, Herr«, sagte Igor und trat hinter ihm hervor.

»Es sieht aus, als funktionierte es, Igor. Das gute alte gekoppelte Silizium! Aber bist du dir sicher, dass er auch hinterher noch als Wirtschaftsmodell arbeitet?«

»Ja, Herr. Ich bin von der neuen Anordnung der Ventile überpfeugt. Die Ftadt wird den Blupper beinfluffen, wenn du ef wünft, aber nicht anderfherum.«

»Trotzdem wäre es schlimm, wenn er in die falschen Hände geraten würde, Igor. Ich überlege, ob wir den Blupper der Regierung übergeben sollten. Was meinst du?«

Darüber musste Igor einen Moment lang nachdenken. Nach seiner Erfahrung konnte man »die falschen Hände« in den meisten Fällen mit »die Regierung« gleichsetzen.

»Ich glaube, du follteft die Gelegenheit nupfen, ein bifchen unter Leute pfu gehen, Herr«, sagte er liebenswürdig.

»Ja, es könnte sein, dass ich etwas zu viel gearbeitet habe«, sagte Hubert. »Ahm ... was Herrn Lipwig betrifft...«

»Ja?«

Hubert wirkte wie jemand, der mit seinem Gewissen gerungen und dabei ein Knie ins Auge bekommen hatte. »Ich möchte das Gold in den Tresor zurücktun. Damit würden all diese Schwierigkeiten aufhören.«

»Aber ef wurde fon vor vielen Jahren geftohlen, Herr«, erklärte Igor geduldig. »Ef war nicht deine Fuld.«

»Nein, aber sie haben Herrn Lipwig die Schuld daran gegeben, und er war immer sehr freundlich zu uns.«

»Ich glaube, auf der Fache ift er raufgekommen, Herr.«

»Aber wir könnten es zurücktun«, erklärte Hubert. »Es würde von dort zurückkommen, wohin es gebracht wurde, nicht wahr?«

Igor kratzte sich am Kopf, was leicht metallisch klang. Er hatte die Ereignisse mit etwas mehr Aufmerksamkeit verfolgt, als Hubert aufzubringen imstande war, und nach seinem Wissensstand war das vermisste Gold schon vor Jahren von den Üppigs ausgegeben worden. Herr Lipwig hatte in Schwierigkeiten gesteckt, aber Igor kam es vor, als würde Herr Lipwig von Schwierigkeiten genauso sehr beeinträchtigt wie eine Schar Enten von einer großen Welle. Anschließend war die Welle vorbei, aber es waren immer noch sehr viele Enten da.

»Vielleicht«, räumte er ein.

»Also wäre das doch eine gute Sache, oder?«, sagte Hubert. »Und er war sehr nett zu uns. Diesen kleinen Gefallen sind wir ihm schuldig.«

»Ich glaube nicht, dass ...«

»Das ist ein Befehl, Igor!«

Igor strahlte. Endlich! Diese ganze Höflichkeit war ihm ziemlich auf die Nerven gegangen. Ein Igor erwartete irrsinnige Befehle. Das war es, wozu ein Igor geboren (und in einem gewissen Ausmaß gemacht) war. Ein gebrüllter Befehl, etwas zu tun, dessen moralische Beurteilung zweifelhaft und dessen Ausgang nicht vorherzusagen war? Köftlich!

Natürlich wären Blitz und Donner angemessener gewesen. Statt-dessen war nicht mehr zu hören als das Blubbern des Bluppers und leise klirrende Geräusche, die auf Igor immer den Eindruck machten, er würde sich in einer Fabrik für Windspiele befinden. Aber manchmal musste man eben improvisieren.

Er füllte die kleine Goldreservenflasche bis zur Zehn-Tonnen-Markierung auf, hantierte eine Weile an den Ventilen herum und trat dann zurück.

»Wenn ich diefef Rad drehe, Meifter, wird der Blupper die entfrpechende Menge Gold im Trefor deponieren und dann die Verbindung fliefen.«

»Sehr gut, Igor.«

»Äh, du möchteft nicht pfufällig etwaf brüllen?«, fragte er hoffnungsvoll.

»Zum Beispiel was?«

»Oh, ich weif nicht... vielleicht: >Sie haben sich ... entschuldigt, haben fich ... entfuldigt... ich war verrückt, aber jepft werde ich ef ihnen pfeigen!«

»Das ist eigentlich nicht meine Art.«

»Nein?«, sagte Igor. »Oder würdeft du lieber lachen?«

»Würde dir das helfen?«

»Ja, fehr, Herr«, sagte Igor. »Daf wäre eine grofe Unterftüpfung.«

»Na gut, wenn du meinst«, sagte Hubert. Er nahm einen Schluck aus dem Krug, den Igor kurz zuvor benutzt hatte, und räusperte sich.

»Hah«, sagte er. »Äh, hahahh hah HA HA HA HA HA HA ...«

Welche Verschwendung einer wunderbaren Gabe, dachte Igor und drehte am Rad.

Blupp!

Selbst hier unten in der Krypta konnte man hören, wie geschäftig es in der Schalterhalle zuging.

Feucht krümmte sich unter der schweren Last einer Kiste mit Banknoten, was Adora Belle verärgerte.

»Warum tust du sie nicht in einen Tresor?«

»Weil die voller Münzen sind. Wir müssen sie vorläufig hier aufbewahren, bis sich alles andere geklärt hat.«

»Eigentlich geht es dir um den Triumph, nicht wahr? Den Triumph über das Gold.«

»Ein bisschen schon, ja.«

»Du bist mal wieder ungestraft davongekommen.«

»So würde ich es vielleicht nicht ausdrücken. Gladys hat sich als meine Sekretärin beworben.«

»Kleiner Tipp: Lass sie nicht auf deinem Schoß sitzen.«

»Ich meine es völlig ernst! Sie ist sehr wütend! Wahrscheinlich will sie jetzt meinen Job! Sie glaubt alles, was sie liest!«

»Damit hast du auch schon die Antwort. Große Güte, sie ist das geringste von deinen Problemen.« »Jedes Problem ist auch eine Gelegenheit«, sagte Feucht verschnupft.

»Wenn du Vetinari noch einmal erzürnst, wirst du die wunderbare Gelegenheit erhalten, nie wieder einen Hut kaufen zu müssen.«

»Nein, ich glaube, er mag ein wenig Opposition.«

»Und du meinst, du könntest gut beurteilen, wie viel er verträgt?«

»Nein. Das macht den besonderen Reiz aus. Man hat eine wunderbare Aussicht vom Punkt ohne Wiederkehr.«

Feucht öffnete den Tresorraum und stellte die Kiste auf ein Regal. Sie sah etwas allein und verloren aus, aber er konnte die Vibration der Druckerpresse im Münzamt erahnen, wo Herrn Spules Männer hart daran arbeiteten, dass sie bald Gesellschaft bekam.

Adora Belle lehnte sich gegen den Türrahmen und beobachtete ihn aufmerksam.

»Man sagt mir, du hättest dich allen möglichen Gefahren ausgesetzt, während ich weg war. Stimmt das?«

»Ich flirte gerne mit der Gefahr. Das war schon immer ein Teil meines Lebens.«

»Aber du machst so etwas nicht, wenn ich in der Nähe bin«, sagte Adora Belle. »Also bin ich für dich wohl aufregend genug, oder?«

Sie kam auf ihn zu. Natürlich lag es auch an den hohen Absätzen, aber Spike konnte sich wie eine Schlange bewegen, und das strenge, enge und vorgeblich schlichte Kleid ließ der Phantasie jede Menge Spielraum, was erheblich aufregender war als jede Eindeutigkeit. Spekulationen waren immer viel interessanter als Tatsachen.

»Woran denkst du gerade?«, fragte sie, ließ den Zigarettenstummel fallen und drückte ihn mit ihrem Absatz aus.

»Sparbüchsen«, sagte Feucht ohne Zögern.

»Sparbüchsen?«

»Ja, in Form der Bank und des Münzamts. Um den Kindern Sparsamkeit beizubringen. Man könnte das Geld durch einen Schlitz hineinwerfen, in dem normalerweise der Unglückscent steckt ...« »Denkst du wirklich gerade an Sparbüchsen?«

»Äh, nein. Ich flirte mal wieder mit der Gefahr.«

»Schon besser.«

»Obwohl du zugeben musst, dass es eine ziemlich schlaue ...«

Adora Belle packte Feucht an den Schultern. »Feucht von Lipwig, wenn du mir nicht auf der Stelle einen dicken, feuchten Kuss ... Aua! Gibt es hier unten Flöhe?«

Es fühlte sich wie ein Hagelschauer an. Die Luft in der Gruft hatte sich in goldenen Nebel verwandelt. Es wäre hübsch gewesen, wenn es nicht so schwer gewesen wäre. Jedes Tröpfchen schmerzte.

Feucht nahm ihre Hand und zerrte sie hinaus, als aus dem Gewimmel ein reißender Strom wurde. Draußen nahm er den Hut ab, der bereits so schwer geworden war, dass er seine Ohren gefährdete, und ließ dabei ein kleines Vermögen in Gold zu Boden rieseln. Die Kammer war bereits zur Hälfte gefüllt.

»Oh nein«, stöhnte er. »Ausgerechnet jetzt, wo alles so gut lief!