Kapitel 12

Keine Hilfe von oben - Drumknott erstattet Bericht - Vielleicht ein Streich - Herr Quengler übernimmt die Bühne - Seltsame Dinge in der Luft - Die Rückkehr von Herrn Beuge - »Vorsicht, er hat ein Blümchen!« - Puccis großer Augenblick - Cosmo braucht Hilfe

Es gab frisches Stroh in Feuchts Zelle, und er war sich ziemlich sicher, dass niemand in seinen Haferschleim gespuckt hatte, der etwas enthielt, das man, wenn man es denn mit einem Namen belegen musste, nur als Fleisch bezeichnen konnte. Irgendwie hatte sich herumgesprochen, dass Feucht der Grund war, weshalb Bellister nicht mehr dem Personal angehörte. Selbst die zweitschlimmsten Mistkerle hassten den Obermistkerl so sehr, dass Feucht einen Nachschlag bekam, ohne darum bitten zu müssen. Außerdem wurden ihm die Schuhe geputzt, und am Morgen brachte man ihm ein kostenloses Exemplar der Times.

Die marschierenden Golems hatten die Probleme der Bank bis auf Seite 5 zurückgedrängt. Die Titelseite wurde völlig von den Golems eingenommen, und auf vielen Innenseiten gab es O-Töne - was bedeutete, dass Leute auf der Straße, die gar nichts wussten, anderen Leuten sagten, was sie wussten - und langatmige Artikel von Leuten, die auch nichts wussten, das aber sehr elegant in 250 Wörtern ausdrücken konnten.

Er wollte gerade mit dem Kreuzworträtsel anfangen, als jemand sehr höflich an die Zellentür klopfte. Es war der Gefängnisdirektor, der hoffte, dass Herr Lipwig seinen kurzen Aufenthalt in seinem Haus genossen hatte, und der ihn nun zu seiner Kutsche führen wollte. Außerdem freute er sich bereits darauf, ihm erneut seine Gastfreundschaft zuteil werden zu lassen, sollten weitere vorübergehende Zweifel an seiner Rechtschaffenheit bestehen. In der

Zwischenzeit wäre er sehr dankbar, wenn Herr Lipwig so freundlich sein würde, diese leichten Handfesseln anzulegen, weil es so einfach besser aussah, und wenn man sie ihm abnahm, wie es zweifellos geschehen würde, wenn sich seine Weste als tadellos sauber erwiesen hatte, ob er dann bitte den zuständigen Wachmann daran erinnern könnte, dass sie Gefängniseigentum waren, verbindlichsten Dank im Voraus.

Vor dem Gefängnis wartete eine Menschenmenge, aber sie hielt Abstand zu dem großen Golem, der, ein Knie auf dem Boden und eine Faust in die Luft gereckt, draußen vor dem Tor wartete. Er war in der vergangenen Nacht aufgetaucht, und falls Herr Lipwig eine Möglichkeit sah, ihn dazu zu bringen, sich zu entfernen, sagte der Gefängnisdirektor, wären alle ihm äußerst dankbar. Feucht bemühte sich, den Eindruck zu erwecken, als hätte er damit gerechnet. Er hatte Schwarzem Schnurrbart gesagt, er solle auf weitere Befehle warten. Aber das hatte er eindeutig nicht erwartet.

Der Golem stapfte tatsächlich den gesamten Weg bis zum Palast hinter der Kutsche her. Viele Wachleute säumten die Strecke, und auf jedem Dach schien eine in Schwarz gekleidete Gestalt zu lauern. Es sah danach aus, als wollte Vetinari nicht das geringste Risiko eingehen, dass Feucht floh. Im Hinterhof waren noch mehr Wachen - mehr, als sinnvoll gewesen wären, erkannte Feucht, denn für einen schnell denkenden Mann kann es einfacher sein, vor zwanzig Männern zu fliehen als vor fünf. Aber hier ging es ums Prinzip. Es spielte keine Rolle, worin das bestand, Hauptsache, es war beeindruckend.

Feucht wurde durch dunkle Gänge geführt, bis sie ins plötzliche Licht des Großen Saals traten, in dem es brechend voll war. Er wurde mit vereinzeltem Applaus begrüßt, ein oder zwei Jubelrufen sowie einer lauten Tirade aus Buhrufen von Pucci, die neben ihrem Bruder in der ersten Reihe saß. Feucht wurde zu einem kleinen Podium geführt, das als Anklagebank dienen sollte und von wo er sie alle sehen konnte - die Gildenvorsitzenden, die ranghöheren Zauberer, die bedeutenden Priester und alle anderen, die Rang und Namen hatten - beziehungsweise es von sich selbst dachten. Paul König war auch da und grinste ihn an, und eine Rauchwolke deutete auf die Anwesenheit von Adora Belle hin. Ach, und da war auch die neue Hohepriesterin von Anoia. Ihre Krone aus verbogenen Löffeln war auf Hochglanz poliert, in den Händen hielt sie steif die Amtskelle, und ihr Gesicht war starr vor Nervosität und Wichtigkeit. Du bist mir was schuldig, Mädchen, dachte Feucht, denn noch vor einem Jahr musstest du abends in einer Bar arbeiten, um genug Geld zu verdienen, und Anoia war nur eine von einem halben Dutzend Halbgöttinnen, die sich einen gemeinsamen Altar teilten, der - sprechen wir es aus! - dein Küchentisch mit einem Tuch drüber war. Da wäre ein kleines Wunder wirklich nicht zu viel verlangt, oder?

Kleiderstoff raschelte, und dann saß plötzlich Lord Vetinari auf seinem Platz, mit Drumknott an seiner Seite. Die gemurmelten Gespräche verstummten, als sich der Patrizier im Saal umblickte.

»Danke, dass ihr alle gekommen seid, meine Damen und Herren«, sagte er. »Fangen wir also an. Dies ist kein offizielles Gerichtsverfahren. Es ist eine Untersuchungskommission, die ich einberufen habe, um die Umstände im Zusammenhang mit dem Verschwinden von zehn Tonnen Goldbarren aus der Königlichen Bank von Ankh-Morpork aufzuklären. Der gute Name der Bank wurde in Zweifel gezogen, sodass wir alle Fragen, die offensichtlich damit in Zusammenhang stehen ...«

»Ganz gleich, wohin sie führen?«

»In der Tat, Herr Cosmo Üppig. Ganz gleich, wohin sie führen.«

»Kannst du uns diesen Punkt zusichern?«

»Ich glaube, das habe ich bereits getan, Herr Üppig. Können wir jetzt weitermachen? Ich habe den geschätzten Herrn Schräg von Tagscheu, Schräg und Honigfleck zum Berater der Kommission ernannt. Er wird nach eigenem Gutdünken Fragen stellen. Ich glaube, allen Anwesenden ist bekannt, dass Herr Schräg in den juristischen Kreisen von Ankh-Morpork höchsten Respekt genießt.«

Herr Schräg verbeugte sich vor Vetinari und musterte mit ruhigem Blick den gesamten Raum - nur dort, wo die Üppigs saßen, verweilte er sehr viel länger.

»Zuerst die Frage nach dem Gold«, sagte Vetinari. »Ich möchte euch Drumknott vorstellen, meinen Sekretär und Hauptbuchhalter, der während der Nacht mit mehreren meiner Beamten die Bank aufgesucht und ...«

»Sitze ich deswegen hier auf der Anklagebank?«, sagte Feucht.

Vetinari warf ihm einen kurzen Blick zu und konsultierte dann seine Unterlagen. »Ich habe hier deine Unterschrift auf einer Quittung über etwa zehn Tonnen Gold«, sagte er. »Bezweifelst du die Echtheit dieser Unterschrift?«

»Nein, aber ich hatte es lediglich für eine Formalität gehalten!«

»Du meinst, zehn Tonnen Gold wären nur eine Formalität? Und bist du später in die Kammer eingebrochen oder nicht?«

»Im Prinzip ja. Ich konnte sie nicht mehr aufschließen, weil Herr Beuge drinnen in Ohnmacht gefallen war und den Schlüssel im Schloss stecken gelassen hatte.«

»Ach ja, Herr Beuge, der Hauptkassierer. Ist er hier anwesend?«

Schnell wurde klar, dass kein Beuge im Saal war.

»Wie ich hörte, befand er sich in einer etwas unglücklichen Lage, hat aber keinen ernsthaften Schaden erlitten«, sagte Lord Vetinari. »Kommandeur Mumm, bitte sei so gut und schicke ein paar Männer zu seiner Wohnung, ja? Mir wäre es lieb, wenn er bei dieser Verhandlung anwesend sein könnte.«

Dann wandte er sich wieder an Feucht. »Nein, Herr Lipwig, gegen dich wurde noch nicht Anklage erhoben. Bevor jemand angeklagt werden kann, wäre es hilfreich, einen guten Grund dafür angeben zu können. Das wird im Allgemeinen als anständiger betrachtet. Ich muss allerdings darauf hinweisen, dass du die offizielle Verantwortung für das Gold übernommen hast, von dem wir annehmen müssen, dass es wirklich Gold war und sich zu diesem Zeitpunkt wirklich im Tresor befand. Um ein besseres Verständnis für die Verhältnisse in der Bank zu diesem Zeitpunkt zu gewinnen, habe ich meinen Sekretär gebeten, die Bücher der Bank zu prüfen, was er vergangene Nacht...«

»Wenn ich eigentlich noch gar nicht als Angeklagter vor Gericht stehe, könnte man mir dann vielleicht diese Fesseln abnehmen? Ich fürchte, dass sie die allgemeine Einschätzung meiner Person in negativer Richtung beeinflussen könnten«, sagte Feucht.

»Ja, gut. Wachen, kümmert euch darum. Und nun, Herr Drumknott, wenn du bitte anfangen würdest?«

Sie werden mich ins offene Messer laufen lassen, dachte Feucht, als Drumknott mit seinen Ausführungen begann. Was bezweckte Vetinari mit diesem Spiel?

Er musterte die Menge, während Drumknott langatmig die Einzelheiten der Buchführung vortrug. Ganz vorn drängte sich die Familie Üppig zu einer schwarzen Masse zusammen. Von seiner Position aus sahen sie wie Geier aus. Nach Drumknotts ernster, monotoner Tonlage zu urteilen, würde es noch lange Zeit so weitergehen. Man wollte ihm etwas in die Schuhe schieben, und Vetinari würde ... Ja, klar, anschließend würde es in einem stillen Zimmer heißen: »Herr Lipwig, wenn du dich vielleicht dazu durchringen könntest, mir zu sagen, wie du diese Golems unter deinen Befehl gebracht hast...«

Eine Unruhe an der Tür sorgte für willkommene Abwechslung, und nun trat Feldwebel Fred Colon ein, gefolgt von seinem Kollegen Nobby Nobbs, der nie von seiner Seite wich. Sie schwammen geradezu durch die Menge. Mumm kämpfte sich ihnen entgegen, und Sacharissa ließ sich von seinem Kielwasser mitziehen. Es folgte ein schnelles Gespräch, und eine Welle aufgeregten Entsetzens ging durch die Menge.

Feucht schnappte das Wort »Ermordet!« auf.

Vetinari stand auf und schlug mit seinem Stock auf den Tisch. Damit brachte er den Lärm zum Verstummen, als hätten die Götter einen Punkt gesetzt. »Was ist geschehen, Kommandeur?«, fragte er.

»Leichen, Herr. In der Unterkunft von Herrn Beuge!«

»Er wurde ermordet?«

»Neinherr.« Mumm beriet sich kurz und eindringlich mit seinem Feldwebel. »Ein Toter wurde vorläufig als Professor Kronsbeere identifiziert, Herr, der jedoch kein echter Professor war, sondern ein gemeiner Auftragsmörder. Wir dachten, er hätte die Stadt verlassen. Wie es scheint, ist der andere Rippenbruch-Jack, der zu Tode getrampelt wurde ...« Es folgte eine weitere geflüsterte Rückfrage, aber Kommandeur Mumm neigte dazu, laut zu sprechen, wenn er zornig war. »Durch was? Im zweiten Stock? So ein Blödsinn! Und was hat Kronsbeere erwischt? Hä? Hast du wirklich gemeint, was du gerade gesagt hast?«

Er richtete sich auf. »Entschuldigung, Herr, ich muss gehen und mir die Sache selber ansehen. Ich glaube, hier hat sich jemand einen bösen Scherz erlaubt.«

»Und der arme Beuge?«, fragte Vetinari.

»Keine Spur von ihm, Herr.«

»Vielen Dank, Kommandeur.« Vetinari wedelte mit einer Hand. »Komm möglichst schnell zurück, sobald du mehr weißt. Wir werden keine Scherze dulden. Vielen Dank, Drumknott. Ich habe dich so verstanden, dass du nichts Ungehöriges entdeckt hast, abgesehen vom Fehlen des Goldes. Ich bin mir sicher, dass wir alle darüber sehr erleichtert sind. Die Bühne gehört dir, Herr Schräg.«

Der Anwalt erhob sich, von Würde und dem Geruch nach Mottenkugeln umweht. »Sag mir bitte, Herr Lipwig, welcher Tätigkeit du nachgegangen bist, bevor du nach Ankh-Morpork kamst«, forderte er ihn auf.

Also ... gut, dachte Feucht und sah Vetinari an, ich habe es mir gründlich überlegt. Wenn ich brav bin und das Richtige sage, könnte ich überleben. Aber das hätte seinen Preis. Nein, danke. Ich wollte doch nur ein bisschen Geld machen.

»Deine Tätigkeit, Herr Lipwig«, wiederholte Herr Schräg.

Feucht blickte auf die Reihen der Zuschauer und sah das Gesicht von Krippling. Der Mann zwinkerte.

»Hmm?«, sagte er.

»Ich habe dich danach gefragt, was du gemacht hast, bevor du in dieser Stadt eingetroffen bist!«

Im diesem Moment bemerkte Feucht ein leider nur allzu vertrautes Surren, und von seiner erhöhten Position aus konnte er als Erster sehen, wie der Direktor der Königlichen Bank durch die Vorhänge am anderen Ende des Saals kam, sein wunderbares neues Spielzeug fest zwischen die Zähne geklemmt. Irgendein Bewegungsimpuls des Mechanismus führte dazu, dass Herr Quengler rückwärts über den glänzenden Marmor getrieben wurde.

Die Leute im Publikum reckten die Hälse, als der kleine Hund mit wedelndem Schwanz an Vetinaris Stuhl vorbeisauste und hinter dem Vorhang auf der anderen Seite verschwand.

Ich lebe in einer Welt, in der so etwas tatsächlich geschieht, dachte Feucht. Im Grunde also alles egal. Dieser Gedanke hatte etwas unglaublich Befreiendes.

»Herr Lipwig, ich hatte dir eine Frage gestellt!«, grollte Schräg.

»Oh, Entschuldigung. Ich war ein Gauner!«,... und schon war er wieder obenauf! Das war es! Das war besser als an irgendeinem alten Gemäuer zu hängen! Cosmos Gesichtsausdruck! Und der von Krippling! Sie alle hatten es ganz genau geplant, und nun war ihnen die Sache aus den Händen gerissen worden! Jetzt hatte er sie alle in der Hand, und er war wieder obenauf!

Schräg zögerte. »Mit Gauner meinst du ...?«

»Ein Trickbetrüger. Und gelegentlicher Fälscher. Aber ich habe mich eher für einen Strolch gehalten, um ehrlich zu sein.«

Feucht sah die Blicke, die zwischen Cosmo und Krippling hin und her gingen, und frohlockte insgeheim. Nein, so sollte das nicht laufen, nicht wahr? Und jetzt müsst ihr euch anstrengen, wenn ihr mithalten wollt...

Herr Schräg hatte in dieser Hinsicht offensichtlich Schwierigkeiten. »Darf ich es frei heraus sagen? Du hast das Gesetz gebrochen, um dich über Wasser zu halten?«

»Die meiste Zeit habe ich nur die Habgier anderer Leute ausgenutzt, Herr Schräg. Ich glaube, damit hatten meine Taten auch einen erzieherischen Aspekt.«

Herr Schräg schüttelte erstaunt den Kopf, wobei ihm - genau im richtigen Moment - eine Ohrenperücke herausfiel.

»Erzieherisch?«, sagte er.

»Ja. Viele Leute haben durch mich gelernt, dass niemand einen echten Diamantring zu einem Zehntel des angeblichen Werts verkaufen würde.«

»Und dann hast du eins der höchsten öffentlichen Ämter in dieser Stadt angenommen«, sagte Herr Schräg, während das Gelächter verhallte. Die Leute empfanden es als Erleichterung. Sie hatten viel zu lange den Atem angehalten.

»Ich musste es tun. Entweder das, oder ich wäre gehängt worden«, sagte Feucht. Dann fügte er hinzu: »Wieder.«

Herr Schräg schien völlig durcheinander zu sein und wandte sich Vetinari zu.

»Bist du dir sicher, dass ich forfahren soll, Euer Lordschaft?«

»Aber ja«, sagte Vetinari. »Bis zum bitteren Ende, Herr Schräg.«

»Äh ... wurdest du schon einmal gehängt?«, wollte Schräg von Feucht wissen.

»Oh ja. Aber ich wollte es nicht zur Gewohnheit werden lassen.«

Das brachte ihm einen weiteren Lacher ein.

Herr Schräg wandte sich erneut an Vetinari, der still lächelte. »Ist das wahr, Euer Lordschaft?«

»In der Tat«, sagte Vetinari ruhig. »Herr Lipwig wurde zuletzt unter dem Namen Albert Spangler gehängt, aber als man ihn in den Sarg legte, stellte sich heraus, dass er einen sehr kräftigen Hals hat. Ist dir das uralte Rechtsprinzip Quia ego sic dico bekannt, Herr Schräg? Ein Mann, der den Galgen überlebt, könnte von den Göttern für eine andere, noch unerfüllte Bestimmung auserwählt sein. Und da das Schicksal es offenkundig gut mit ihm meinte, entschied ich, ihn auf Bewährung freizulassen und ihm den Wiederaufbau des Postamts zu überantworten, eine Aufgabe, die mich bereits das Leben von vieren meiner Beamten gekostet hat. Sollte er erfolgreich sein, schön und gut. Sollte er versagen, wären der Stadt die Kosten für eine weitere Hinrichtung erspart geblieben. Es war ein grausamer Scherz, der schließlich, wie ich zu meiner Zufriedenheit sagen muss, das Gemeinwohl befördert hat. Ich glaube, niemand hier würde abstreiten, dass das Postamt inzwischen wieder zu einer Zierde dieser Stadt geworden ist. Offenbar kann die Katze das Mausen lassen!«

Herr Schräg nickte automatisch, riss sich zusammen, setzte sich und kramte in seinen Unterlagen. Er wusste nicht mehr weiter. »Und nun kommen wir zur, äh, Angelegenheit mit der Bank ...«

»Frau Üppig, eine Dame, die viele von uns kennen lernen und schätzen durften, vertraute mir kürzlich an, dass sie bald sterben würde«, sagte Lord Vetinari. »Sie bat mich um Rat, was die Zukunft der Bank betrifft, angesichts der Tatsache, dass ihre Erben, ich zitiere, >ein widerlicher Haufen von Geiern sind, denen man lieber nicht begegnen möchte< ...«

Alle einunddreißig Anwälte der Üppigs standen auf und begannen gleichzeitig zu sprechen, was ihren Klienten Gesamtkosten in Höhe von $119,28 verursachte.

Herr Schräg starrte sie finster an.

Dieser Mann genoss keineswegs, wie zuvor behauptet, den Respekt der Juristen von Ankh-Morpork. Er ließ seine Kollegen vor Furcht zittern. Der Tod hatte sein enzyklopädisches Wissen nicht beeinträchtigt, genauso wenig wie seine Arglist, seine Begabung für verwickelte Argumentationen und das Gift, das seine Blicke versprühten. Kommt mir heute nicht in die Quere, lautete der Rat, den er den Anwälten damit vermittelte. Hört damit auf, sonst ziehe ich euch das Fleisch von den Knochen und sauge das Mark heraus. Ihr kennt die in Leder gebundenen Wälzer, die hinter eurem Schreibtisch an der Wand stehen, um eure Klienten zu beeindrucken? Ich habe sie alle gelesen und die Hälfte davon selbst geschrieben. Fordert mich nicht heraus. Ich bin heute nicht in guter Stimmung.

Einer nach dem anderen nahmen die Anwälte wieder Platz.12 

»Weiterhin ist mir bekannt, dass Frau Üppig daraufhin ein Gespräch mit Herrn Lipwig führte und zu der Ansicht gelangte, dass er ein hervorragender Geschäftsführer nach den allerbesten Traditionen der Familie Üppig sei und zudem der ideale Aufpasser für den Hund Herr Quengler, der nach dem Brauch der Bank ihr Direktor ist.«

Cosmo erhob sich langsam und trat vor. »Ich erhebe entschiedenen Einspruch dagegen, dass dieser Schurke in den besten Traditionen meiner ...«

Herr Schräg war aufgesprungen, als hätte man plötzlich eine Feder gelöst. Trotzdem war Feucht noch schneller.

»Einspruch!«, rief er.

»Wie kannst du es wagen, Einspruch zu erheben!«, zeterte Cosmo, »nachdem du zugegeben hast, dass du ein gemeiner und arroganter Verbrecher bist?«

»Ich verwahre mich gegen Lord Vetinaris Behauptung, dass ich irgendetwas mit den guten Traditionen der Bank zu tun habe«, sagte Feucht und blickte in Augen, aus denen nun grüne Tränen zu rinnen schienen. »Zum Beispiel war ich nie Pirat oder Sklavenhändler ...«

Die Anwälte erhoben sich wieder.

Herr Schräg blickte sie wütend an. Und sie setzten sich wieder.

»Sie geben es offen zu«, sagte Feucht. »Es ist ein Teil der offiziellen Geschichte der Bank!«

»Das ist korrekt, Herr Schräg«, sagte Vetinari. »Ich habe sie gelesen. Volenti non fit injuria trifft hier eindeutig zu.«

Erneut war das Surren zu hören. Herr Quengler kam aus der anderen Richtung zurück. Feucht zwang sich, nicht hinzusehen.

»Das ist in der Tat niederträchtig!«, knurrte Cosmo. »Wessen Geschichte könnte solcher Boshaftigkeit standhalten?«

Feucht hob eine Hand. »Oh nein«, sagte er. »Meine kann es durchaus! Die schlimmste Tat, die ich jemals begangen habe, bestand darin, Leute auszurauben, die glaubten, dass sie mich ausrauben würden. Aber ich habe niemals Gewalt angewendet, und ich habe alles zurückgegeben. Nun gut, ich habe auch ein paar Banken ausgeraubt oder eher betrogen, aber nur, weil sie es mir sehr einfach gemacht haben ...«

»Zurückgegeben?«, sagte Schräg und wartete auf irgendeine Reaktion von Vetinari. Doch der Patrizier blickte über die Köpfe der Menge hinweg, die fast ausnahmslos den Weg von Herrn Quengler verfolgte, und hob lediglich einen Finger, um entweder seine Zustimmung oder eine Verneinung zum Ausdruck zu bringen.

»Ja, ihr erinnert euch vielleicht, dass ich letztes Jahr wieder auf den rechten Weg geführt wurde, als die Götter ...«, begann Feucht.

»Ein paar Banken ausgeraubt?«, sagte Cosmo. »Vetinari, sollen wir wirklich glauben, dass du wissentlich einem bekannten Bankräuber die Verantwortung für die bedeutendste Bank der Stadt übergeben hast?«

Die Reihen der Üppigs erhoben sich entschlossen, um vereint ihr Geld zu verteidigen. Vetinari starrte immer noch an die Decke.

Feucht blickte auf. Etwas Weißes, Scheibenförmiges flog knapp unter der Decke durch die Luft. Es kreiste und sank tiefer, bis es Cosmo zwischen die Augen traf. Eine zweite Scheibe rauschte über Feuchts Kopf hinweg und landete inmitten der Üppigs.

»Hätte er die Bank lieber einem unbekannten Bankräuber überantworten sollen?«, rief eine Stimme, während Sahne auf all die schicken schwarzen Anzüge spritzte. »Wie gehabt?«

Eine zweite Tortensalve war bereits in der Luft und beschrieb kreisende Flugbahnen, die schließlich zwischen den sich verzweifelt wehrenden Üppigs endeten. Und dann kämpfte sich eine Gestalt durch die Menge und trat heraus, begleitet von den Protestlauten jener, die ihr vorübergehend im Weg gestanden hatten. Das lag daran, dass die, die dem Schicksal entronnen waren, von den großen Schuhen des Neuankömmlings auf die Füße getreten zu werden, rechtzeitig zurückgesprungen waren, um von der Leiter niedergemäht zu werden, die die Gestalt mit sich trug. Der Mann drehte sich mit Unschuldsmiene um und sah nach, welches Chaos er angerichtet hatte, worauf die Bewegung der Leiter jeden fällte, der sich nicht schnell genug in Sicherheit gebracht hatte. Allerdings hatte das Ganze Methode, denn als der Clown von der Leiter zurücktrat, hatte er vier Personen so zwischen den Sprossen eingekeilt, dass jeder Befreiungsversuch den anderen dreien große Schmerzen bereitet - und im Fall eines Wachmanns vermutlich zu einer ernsthaften Gefährdung seiner Chancen auf dem Heiratsmarkt geführt hätte.

Mit roter Nase und zerbeultem Hut hüpfte er mit weiten Sprüngen in die Arena, wobei seine riesigen Schuhe mit jedem Schritt, der etwas Vertrautes hatte, auf den Boden klatschten.

»Herr Beuge?«, sagte Feucht. »Bist du das?«

»Mein famoser Kumpel Herr Lipwig!«, rief der Clown. »Du glaubst also, dass der Zirkusdirektor in der Manege das Sagen hat? Nur, wenn die Clowns ihn lassen, Herr Lipwig! Nur, wenn die Clowns ihn lassen!«

Beuge holte aus und warf eine Torte auf Lord Vetinari.

Feucht befand sich bereits im Sprung, bevor die Torte ihre Reise begann. Sein Gehirn hechelte weit abgeschlagen hinterher und lieferte alle Gedanken in einem Schwung ab. Es sagte ihm, worauf seine Beine offensichtlich längst von selbst gekommen waren: dass die Würde eines großen Mannes mit einer Torte im Gesicht beträchtlichen Schaden nehmen würde, dass das Bild eines mit Sahne bespritzten Patriziers auf der Titelseite der Times die politischen Machtverhältnisse in der Stadt bis in die Grundfesten erschüttern würde. Und vor allem würde Feucht in einer Welt nach Vetinari wohl kaum den morgigen Tag erleben, was für ihn schon immer von alles überragender Wichtigkeit gewesen war.

Wie in einem lautlosen Traum flog er auf das nahende Unheil zu und streckte im Schneckentempo die Finger danach aus, während die Torte ihrem historischen Augenblick entgegenwirbelte.

Sie traf ihn ins Gesicht.

Vetinari hatte sich nicht gerührt. Sahne spritzte in alle Richtungen davon, und vierhundert Augen sahen gebannt zu, wie ein Klumpen genau zu Vetinari weiterflog, der sich duckte und ihn mit einer Hand auffing. Das leise Klatschen, mit dem die Sahne in seiner Hand landete, war das einzige Geräusch im Saal.

Vetinari richtete sich auf und musterte die aufgefangene Sahne. Er stippte einen Finger hinein und kostete davon. Dann wandte er nachdenklich den Blick nach oben, während das Publikum kollektiv den Atem anhielt, bis er schließlich sagte: »Ich glaube, das schmeckt nach Ananas.«

Tosender Applaus brandete auf. Es ging nicht anders, selbst wer Vetinari hasste, musste sein perfektes Timing bewundern.

Doch es wurde schnell wieder still, denn nun stieg er vom Podium herunter und näherte sich dem vor Angst erstarrten Clown.

»Mein Zirkus wird nicht von den Clowns geführt, Herr!«, sagte er, packte die große rote Nase des Mannes und zog sie ihm bis zur Belastungsgrenze des Gummibandes lang. »Hast du das verstanden?«

Der Clown holte eine klobige Hupe hervor und entlockte ihr ein trauriges Tröten.

»Gut. Es freut mich, dass du mir zustimmst. Und nun möchte ich bitte mit Herrn Beuge sprechen.«

Daraufhin trötete die Hupe zweimal.

»Oh doch, er ist da«, sagte Vetinari. »Wollen wir ihn für die Jungs und Mädchen herauslocken? Wie viel sind 15,3 Prozent von 39,66?«

»Lass ihn in Ruhe! Bitte lass ihn einfach in Ruhe!«

Die erschütterte Menge teilte sich erneut, diesmal für ein völlig aufgelöstes Fräulein Gardinia. Sie war wütend und entrüstet wie eine Henne und drückte etwas Schweres an ihren spärlichen Busen. Feucht erkannte, dass es ein Stapel Rechnungsbücher war.

»Dies ist es, worum es eigentlich geht!«, verkündete sie triumphierend und breitete die Arme aus. »Es ist nicht seine Schuld! Man hat ihn ausgenutzt!«

Sie zeigte anklagend mit einem Finger auf die sahneverschmierte Schar der Üppigs. Wenn es einer Kriegsgöttin erlaubt wäre, eine züchtige Bluse und einen Dutt zu tragen, aus dem sich mit zunehmender Geschwindigkeit die Haare lösen, hätte Fräulein Gardinia in den Götterstand erhoben werden können. »Sie waren es! Sie haben das Gold schon vor Jahren verkauft!« Das führte zu einem allgemeinen und enthusiastischen Tumult in allen Bereichen des Publikums, wo sich keine Üppigs aufhielten.

»Ruhe!«, rief Vetinari.

Die Anwälte erhoben sich. Herr Schräg blickte finster. Die Anwälte setzten sich wieder.

Und Feucht wischte sich gerade noch rechtzeitig die Ananassahne aus den Augen.

»Vorsicht, er hat ein Blümchen!«, rief er, und dann dachte er: Ich habe gerade »Vorsicht, er hat ein Blümchen!« gerufen, und ich glaube, ich werde mich auf ewig daran erinnern, wie peinlich das alles war.

Lord Vetinari blickte auf die unnatürlich große Blume, die der Clown im Knopfloch trug. Ein winziger Tropfen Wasser funkelte in der nahezu perfekt getarnten Düse.

»Ja«, sagte er. »Ich weiß. Aber ich glaube, dass du wirklich Herr Beuge bist. Ich habe nämlich deinen Gang wiedererkannt. Wenn du es nicht bist, musst du nur den Blasebalg drücken. Dann gebe ich es auf. Aber ich wiederhole: Ich würde gern mit Herrn Beuge sprechen.«

Manchmal haben die Götter einfach keinen Sinn für Dramatik, dachte Feucht. Es hätte donnern müssen, eine Art Tusch, irgendein himmlischen Zeichen, dass dies der Moment der Wahr...«

»9,12798«, sagte der Clown.

Vetinari lächelte und klopfte ihm auf die Schulter. »Willkommen zurück«, sagte er und blickte sich um, bis er Dr. Weißgesicht von der Narrengilde entdeckte.

»Doktor, würdest du dich bitte um Herrn Beuge kümmern? Ich glaube, er möchte jetzt gerne unter seinesgleichen sein.«

»Es wäre mir eine große Ehre, Euer Lordschaft. Sieben Torten gleichzeitig im Flug und vier Männer mit der Leiter erwischt? Vorbildlich! Wer auch immer du bist, Bruder, ich entbiete dir den Scherz-Willkommensgruß ...«

»Ohne mich geht er nirgendwohin«, sagte Fräulein Gardinia entschlossen, als der weißgesichtige Clown vortrat.

»In der Tat, das wäre kaum vorstellbar«, sagte Vetinari. »Bitte erweitere die freundliche Aufnahme durch deine Gilde auf die junge Dame in Herrn Beuges Begleitung, Doktor«, fügte er hinzu, zur Überraschung und zum Entzücken von Fräulein Gardinia, die sich täglich an die »Dame« klammerte, sich aber schon vor Jahren widerstrebend von dem Attribut »jung« verabschiedet hatte.

»Und würde jemand bitte diese Leute von der Leiter befreien? Ich glaube, dazu wird eine Säge nötig sein«, fuhr Vetinari fort. »Drumknott, nimm bitte diese interessanten neuen Rechnungsbücher an dich, die Herr Beuge uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Und ich glaube, dass sich dringend ein Arzt um Herrn Üppig kümmern sollte ...«

»Ich... brauche keinen... Arzt!« Cosmo, von dem immer noch Sahne tropfte, bemühte sich, auf den Beinen zu bleiben. Es schmerzte, ihn so zu sehen. Er schaffte es, einen wütenden, aber zitternden Finger auf die zu Boden gefallenen Bücher zu richten. »Diese Unterlagen«, verkündete er, »sind Eigentum der Bank!«

»Herr Üppig, für keinen von uns ist zu übersehen, dass du sehr krank ...«, begann Vetinari.

»Ja, das würdest du gerne allen hier einreden, nicht wahr, du ... Hochstapler!«, erwiderte Cosmo sichtlich schwankend.

»Die Königliche Bank von Ankh-Morpork«, sagte Vetinari, ohne Cosmo aus den Augen zu lassen, »rühmt sich ihrer in rotes Leder gebundenen Rechnungsbücher, die ausnahmslos mit dem Siegel der Stadt in Blattgold versehen sind. Drumknott?«

»Das hier sind billige Pappeinbände, Herr. Man kann sie überall kaufen. Doch die gestochen saubere Handschrift darin ist unverkennbar die von Herrn Beuge.«

»Bist du dir ganz sicher?«

»Oh ja. Seine wunderbare Kursivschrift habe ich schon immer bewundert!«

»Eine Fälschung«, sagte Cosmo, als wäre seine Zunge drei Zentimeter dick. »Alles Fälschung. Gestohlen!«

Feucht beobachtete die Zuschauer und sah auf allen Gesichtern den gleichen Ausdruck. Ganz gleich, was man von ihm hielt, es war nicht angenehm, wenn man mit ansehen musste, wie ein Mann Stück für Stück auseinanderbrach. Ein paar Wachleute rückten behutsam näher an ihn heran.

»Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie etwas gestohlen!«, sagte Fräulein Gardinia voller Entrüstung. »Sie waren in seinem Schrank ...« Sie zögerte und entschied dann, dass sie lieber eine rote statt einer grauen Gesichtsfarbe annehmen wollte. »Es ist mir egal, was Lady Deirdre Wagen davon hält! Und ich habe auch einen Blick hineingeworfen! Du hast das Gold genommen und es verkauft und ihn gezwungen, die Sache in seinen Abrechnungen zu kaschieren! Und das ist noch längst nicht alles!«

»... wunneschöner Schmetteling«, lallte Cosmo und sah Vetinari blinzelnd an. »Du bissnichmehr ich. Binne Meile in deinn Schtiefln gelaufn!«

Feucht bewegte sich ebenfalls in seine Richtung. Cosmo sah nun aus, als würde er jeden Augenblick explodieren - oder zusammenbrechen oder einfach Feucht um den Hals fallen und Sachen murmeln wie: »Du biss mein bester Kumpel, joh, wir geng den Ress der Welt, Kumpl!«

Grünlicher Schweiß lief dem Mann übers Gesicht.

»Ich glaube, du solltest dich eine Weile hinlegen, Herr Üppig«, sagte Feucht fröhlich. Cosmo bemühte sich, den Blick auf ihn zu konzentrieren.

»Issn guter Schmerz«, bekannte der triefende Mann. »Habne kleine Mütze, ds Schwert von tausen Männern ...« Und dann, mit dem Flüstern von Stahl, zeigte plötzlich eine graue Klinge mit einem bösen rötlichen Schimmer genau zwischen Feuchts Augen. Sie zitterte nicht. Dahinter stand Cosmo wankend und zuckend, aber die Schwertspitze war völlig ruhig.

Die näher rückenden Wachen wurden etwas langsamer.

»Würde jetzt bitte niemand auch nur die leiseste Bewegung machen? Ich glaube, ich krieg das in den Griff«, sagte Feucht und schielte die Schwertschneide entlang. Jetzt war der Moment für Feingefühl ...

»Das ist doch alles Unsinn!« sagte Pucci und stolzierte mit klackernden Absätzen nach vorn. »Es gibt nichts, wofür wir uns schämen müssten. Es ist doch unser Gold! Wen interessiert es, was er in seine Bücher geschrieben hat?«

Die Phalanx der Üppig-Anwälte erhob sich sehr vorsichtig von den Sitzen, während die zwei, die in Puccis Diensten standen, eindringlich auf sie einflüsterten. Aber sie hörte nicht auf sie. Jeder starrte jetzt sie an, nicht mehr ihren Bruder. Alle Aufmerksamkeit war nun auf sie gerichtet.

»Könntest du bitte still sein, Fräulein Üppig?«, sagte Feucht. Es beunruhigte ihn, dass die Klinge so ruhig war. Irgendein Teil von Cosmo funktionierte immer noch bestens.

»Oh ja, ich habe damit gerechnet, dass du mir gerne das Wort verbieten würdest, aber ich werde es mir nicht verbieten lassen!«, sagte Pucci hämisch. Genauso wie Feucht angesichts eines aufgeschlagenen Notizbuches nicht mehr zu bremsen war, polterte sie triumphierend weiter: »Wir können nichts stehlen, was uns bereits gehört, nicht wahr? Warum hätte Vater das verdammte Geld nicht einem besseren Zweck zuführen sollen? Es lag doch nur nutzlos herum! Also wirklich, warum seid ihr alle nur so dumm? Jeder macht es. Es ist kein Diebstahl. Ich meine, das Gold existiert doch immer noch! In Ringen und anderen Dingen. Es ist ja nicht so, dass es irgendjemand wegwerfen würde. Wen interessiert es, wo das Gold ist?«

Feucht widerstand dem Drang, sich zu den anderen Bankiers im Saal umzublicken. Jeder machte es, wie? Pucci würde dieses Jahr nicht allzu viele Silvesterkarten bekommen. Und ihr Bruder starrte sie voller Entsetzen an. Der Rest der Familiensippe, der nicht damit beschäftigt war, sich die Sahne abzuwischen, bemühte sich, den Eindruck zu erwecken, dass niemand auch nur den leisesten Schimmer hatte, wer diese Pucci eigentlich war. Diese Verrückte habe ich noch nie gesehen, sagten ihre Gesichter. Wer hat sie hereingelassen? Wovon redet sie überhaupt?

»Ich glaube, dein Bruder ist sehr krank, Fräulein Üppig«, sagte Feucht.

Pucci schüttelte verächtlich ihre zugegebenermaßen hübschen Locken. »Mach dir seinetwegen keine Sorgen, er ist nur ein wenig durchgeknallt«, sagte sie. »Er macht das nur, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Alberne Jungenträume, so wie Vetinari sein zu wollen, als ob irgendjemand, der noch bei Verstand ist, wirklich ...«

»Er schwitzt grün«, sagte Feucht, aber er kam nicht gegen das Sperrfeuer des Geschreis an. Er blickte in Cosmos gezeichnetes Gesicht, und plötzlich ergab alles Sinn. Bart. Hut. Gehstock, ja, sogar mit einem Schwert, das der vagen Vorstellung von einer Klinge entsprach, die aus dem Eisen im Blut von tausend Männern gemacht worden war. Und was war mit dem Mord an dem Mann, der Ringe herstellte? Und unter diesem stinkenden Handschuh ...

Das ist meine Welt. Ich weiß genau, was zu tun ist.

»Entschuldige bitte. Du bist doch Lord Vetinari, nicht wahr?«, sagte er.

Für einen Moment warf Cosmo sich in die Brust, und ein Funke von Autorität schimmerte durch. »In der Tat! Ja, in der Tat«, sagte er und zog eine Augenbraue hoch. Dann fiel sie wieder herunter, und gleichzeitig fiel sein aufgedunsenes Gesicht in sich zusammen.

»Hab den Ring. Vetin’ris Ring«, murmelte er. »Iss meiner. Guter Schmerz ...«

Auch das Schwert senkte sich zu Boden.

Feucht packte die linke Hand des Mannes und riss den Handschuh herunter. Er löste sich mit einem schmatzenden Geräusch, und ein Geruch, der unvorstellbar übel war, erfüllte die Luft. Der am nächsten stehende Wachmann übergab sich. Wie viele Farben das sind, dachte Feucht. Und wie viele ... zappelnde und sich windende Dinger ...

Und mitten in der eiternden Masse war immer noch das unverkennbare düstere Schimmern des Stygiums zu erkennen.

Feucht packte Cosmos andere Hand.

»Ich denke, du solltest mit mir nach draußen treten, Euer Lordschaft, nachdem du jetzt der Patrizier bist«, sagte er laut. »Du musst dich deinem Volk vorstellen ...«

Wieder konnte sich etwas tief in Cosmo kurz zusammenreißen, sodass der triefende Mund ein paar Worte hervorbrachte: »Ja, das ist sehr wichtig ...« Doch dann murmelte er plötzlich: »Fühl mich krank. Finger sieht komisch aus ...«

»Der Sonnenschein wird dir guttun«, sagte Feucht und führte ihn behutsam zum Ausgang. »Vertrau mir.«