Schattenspiele
Kyra schaute instinktiv auf ihren Unterarm. Die Sieben Siegel blieben unsichtbar. Der himmlische Ursprung der Engel schien die Magie der Male irrezuführen – ob böse oder nicht, für sie blieben die Wesen in den langen Mänteln Geschöpfe Gottes. Es war das erste Mal, dass die Siegel sie im Stich ließen.
Lisa trat, das Haupt von Lachis fest in Händen, auf das Felsplateau. Aller Augen – auch die Raguels und seiner Krieger – waren auf sie und Azachiel gerichtet. Der Schatten der Kirche schien Lisas Haut und Kleidung alle Farben zu entziehen; sie wirkte jetzt fast genauso düster wie der Gefallene Engel an ihrer Seite.
Aber noch hatte sie ihm den Rucksack nicht übergeben.
Raguel glitt mit einer fließenden Bewegung, die keinerlei Ähnlichkeit mit der Plumpheit menschlicher Schritte hatte, an die Felskante.
»Komm zurück, Kind«, sagte er mit der Stimme eines listigen Versuchers. Der Wind wirbelte sein langes Haar durcheinander, nur die weiße Strähne blieb unverändert. »Gib uns das Haupt. Du und deine Freunde, ihr werdet es nicht bereuen.«
Azachiel kreuzte den Blick seines Erzfeindes.
»Oh, Raguel … das ist armselig. Wirklich erbärmlich.« Er legte einen Arm um Lisas Schulter und zog sie zwischen die Falten seines schwarzen Mantels.
Kyra lief es bei diesem Anblick kalt über den Rücken. Sie traute Azachiel nicht, aber noch viel weniger wollte sie ihr Schicksal in die Hände Raguels legen. Azachiel war undurchschaubar und voller Geheimnisse, aber Raguel war durch und durch verdorben.
»Warum gibt sie ihm das Haupt nicht endlich?«, flüsterte Nils an Kyras Seite.