VII Mittwoch, 23. Dezember


Am nächsten Morgen erwachte Jury in einem sehr bequemen Himmelbett und stellte fest, daß es wieder angefangen hatte zu schneien. Das Flügelfenster war das erste, was in sein Blickfeld rückte, als er sich aufstützte und nach dem Wecker tastete, um die Uhrzeit festzustellen: 8 Uhr 15. Er lehnte sich zurück, beobachtete, wie der Schnee in großen, dicken Flocken vorbeiwirbelte, und fühlte sich sehr wohl. Jeder andere, dachte er, würde lamentieren, «Wie beschissen, so seine Feiertage zu verbringen.» Aber Jury hatte nichts dagegen einzuwenden: ein Dorf wie auf einer Weihnachtspostkarte, das langsam eingeschneit wurde.

Er sprang aus dem Bett und lief zu dem Fenster hinüber; er stieß es auf und ließ sich von der Kälte munter machen. Keats fiel ihm ein, der im Gasthof von Burford Bridge geschrieben hatte. Ein Gefühl der Wehmut überkam ihn. Bevor es jedoch Besitz von ihm ergreifen konnte, zog er sich schnell an und ging zu Wiggins hinunter.

Im Gegensatz zu Jury schien Wiggins nicht sehr darauf erpicht zu sein, Regenmantel und Gummistiefel anzuziehen, um im Schnee herumzustapfen.

«Mir ist schrecklich heiß, als hätte ich Fieber, Sir. Vielleicht könnte ich noch ein bißchen liegenbleiben und später nachkommen?»

Jury seufzte. Armer Wiggins. Da er ihm aber mit seinen Tropfen und Pillen doch nur im Wege sein würde, meinte Jury bereitwillig: «Natürlich. Machen Sie das. Vielleicht hilft Ihnen ein heißer Rum wieder auf die Beine.» Wiggins, der unter dem Berg von weißen Decken und Laken wie ein Schneemann aussah, stieß rührend dankbar einen Seufzer der Erleichterung aus.

Da vielleicht eine tödliche Erkrankung der Atemwege vermieden werden konnte, wenn es gelang, Wiggins von den Flaschen auf seinem Nachttisch abzulenken und statt dessen für den Fall zu interessieren, zog Jury seinen Stuhl heran, setzte sich rittlings darauf und fragte: «Was halten Sie von der Sache, Wiggins?»

Wiggins Taschentuch war gegen seine Nase gepreßt. «Vvn wws Sah?»

«Von unserem Fall, Wiggins. Dem Zustand des Kellers.»

Wiggins starrte nachdenklich vor sich hin und fuhr ein paarmal mit dem Taschentuch unter seiner Nase hin und her. Dann faltete er es sorgfältig zusammen und hielt es so andächtig, als wäre es ein Teil vom Schweißtuch der Veronika.

«Meinen Sie dieses Schloß, das im Keller aufgebrochen wurde?»

Jury nickte und wartete geduldig. Als Wiggins sich jedoch nicht weiter dazu äußerte, sagte er: «Es ist unwahrscheinlich, daß jemand durch die Tür gekommen ist, was? Pratt sagte, daß es in der Nacht zum siebzehnten ziemlich gegossen hat.»

Wiggins wurde munterer und setzte sich etwas auf. «Und die Treppen sahen aus, als wären sie seit Jahren nicht geputzt worden. Drinnen war aber alles sauber.»

«Genau», sagte Jury lächelnd. Wiggins machte einen zufriedenen Eindruck. «Außerdem, überlegen Sie sich doch mal –» Jury zündete sich eine Zigarette an. «Warum in aller Welt sollte jemand, der sich mit Small im Keller verabredet hatte, von draußen kommen? Und dann auch noch das Schloß aufbrechen müssen? Irgendwas stimmt da nicht.»

«Aber wenn er nicht von draußen gekommen ist, muß er schon im Haus gewesen sein», er deutete auf die Decke. «Es muß also einer von den Gästen gewesen sein.»

Jury nahm seine Beine von dem Stuhl. «Sie haben’s erraten, Wiggins. Schauen Sie zu, daß Sie gesund werden. Ich brauche nämlich Ihre Hilfe.»

Als Jury sich an der Tür noch einmal umdrehte, sah Wiggins schon bedeutend besser aus.

Nach dem Frühstück – einem sehr üppigen Frühstück mit Eiern, Würsten und Bücklingen, das ihm von Daphne Murch serviert wurde – ging Jury über den Hof zu dem Polizei wagen, den sie dort abgestellt hatten. Eine dicke Schneedecke lag auf dem Stroh, dem Pflaster und um das Vogelbad herum, in dem selbst jetzt noch die Zaunkönige ihre Spuren hinterließen. Als erstes mußte er Pluck seinen kostbaren Morris zurückbringen, dann konnte er im Schnee herumstapfen und Erkundigungen einziehen. Während er den Motor warmlaufen ließ, lehnte sich Jury gegen das Auto und fing mit dem Gesicht die nassen Schneeflocken auf; er studierte die Skizze, die Pluck für ihn gemacht hatte, einen kleinen Lageplan, auf dem die Häuser der Leute eingezeichnet waren, mit denen er sprechen wollte. Er beschloß, mit Darrington anzufangen, der am andern Ende des Dorfes wohnte. Jury leckte sich den Schnee von den Lippen und stieg in das Auto. Der Winter war seine liebste Jahreszeit, er mochte ihn sogar noch lieber als das Frühjahr. Und Regen war ihm lieber als Sonnenschein, Nebel lieber als klare Sicht. Ein verdammter Melancholiker bin ich, dachte er, als er aus dem Hof fuhr.

Um zu Oliver Darrington zu kommen, mußte man Long Piddleton in Richtung Sidbury durchqueren. Als die Dorking Dean Road zu der von regenbogenfarbenen Geschäften und Häusern gesäumten Hauptstraße von Long Piddleton wurde, entdeckte Jury zu seiner Rechten die St.-Rules-Kirche und das Pfarrhaus; er fuhr weiter auf den Platz zu und sah die Bäckerei, in der Miss Ball wohl bis zu den Ellbogen im Mehl steckte. Auf der andern Seite der Brücke erblickte er Marshall Trueblood, der hinter seinem feinen Schaufenster stand und ihm zuwinkte. Jury grüßte kurz zurück. Die Hammerschmiede war verschlossen und verriegelt und bot jenen trostlosen Anblick, den manche Lokale vor elf Uhr morgens bieten.

Jury stellte das Auto vor der Polizeiwache ab und übergab Pluck die Schlüssel, der sofort herausgelaufen kam, offensichtlich in größter Sorge um seinen Morris.

«Ich bin bei Darrington, falls Sie mich brauchen, Wachtmeister.»

«Gehen Sie zu Fuß, Sir?» fragte Pluck leicht erstaunt.

«Hmm. Ich war zu lange in der Stadt eingesperrt.»

Pluck schien es jedoch völlig gleichgültig zu sein, wie lange Jury in der Stadt eingesperrt gewesen war; seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Auto, das er eifrig nach irgendwelchen Kratzern und Schrammen untersuchte.

Jury machte sich auf den Weg und ging die Hauptstraße hinunter, beeindruckt von den farbenprächtigen Häusern, die wie bunte Steine in der Sonne glänzten. Als er sie hinter sich gelassen hatte, fing er an zu singen – ein Lied über die tapferen Männer von Coldstream –, anscheinend ziemlich laut, da in einem strohgedeckten Haus in der Nähe der Sidbury Road ein Fenster aufgestoßen wurde und ein Kopf auftauchte. Er hörte auf zu singen und beobachtete, wie der Vorhang langsam wieder zugezogen wurde. Er schaute auf seinen Plan. Es war Lady Ardrys Haus.

Darringtons Haus sah genauso aus, wie man sich das Haus eines vermögenden Schriftstellers vorstellte – abgelegen und elisabethanisch. Es war umgeben von Eschen, hohen Hecken, Weiden und Ulmen und lag ein gutes Stück von der Straße zurück.

Der Verfasser der Kommissar-Scharf-Reihe mußte gut daran verdient haben, das sah man an diesem Haus. Den ersten Band, Scharf auf Mord, hatte Jury gelesen. Gar nicht so übel, fand er, wenn man diese coolen und knallharten Helden mag. Als Jury auf die Klingel drückte und das silberne Echo in der Eingangshalle hörte, hoffte er nur, daß der Autor sich nicht mit seinen Helden identifizierte und ihm stundenlang seine eigenen Theorien unterbreiten würde.

Die Frau, die ihm öffnete, war das, was man attraktiv nannte, auch wenn sie in dem burgunderroten Morgenmantel, der ihr beinahe von der Schulter rutschte, etwas nuttig aussah. Nur um ihre Reaktion zu sehen, fragte Jury: «Mrs. Darrington?» und beobachtete, wie ihr Gesicht in schneller Abfolge Verwirrung, Ärger und Hoffnungslosigkeit ausdrückte. Aus Erfahrung wußte er, daß die Darringtons dieser Welt selten ihre «Mannequins» aus London heirateten. Dieser hier hätte man auf der Downing Street begegnen und trotzdem denken können, man befinde sich in einer anrüchigen Umgebung.

«Ich bin Sheila Hogg. Langes O, bitte. Oliver Darringtons Sekretärin. Sie sind von der Polizei, stimmt’s? Kommen Sie herein.» Nicht sehr enthusiastisch hielt sie ihm die Tür auf. Sie machte einfach einen zu gelangweilten Eindruck, um überzeugend zu wirken. Niemand konnte unter diesen Umständen den Besuch eines Kriminalbeamten einfach so abtun.

Er folgte ihr ins Wohnzimmer und zog bereits im Gehen seinen Regenmantel aus. Durch eine mit Voluten und Spitzbögen verzierte Tür führte sie ihn in einen schönen großen Raum. Links und rechts vom Kamin stand je eine bequeme Couch, und Sheila ließ sich auch gleich in eine fallen; dann erinnerte sie sich jedoch, daß Scotland Yard wahrscheinlich auch mit Oliver sprechen wollte, entschuldigte sich, ging zur Treppe und brüllte, daß jemand von der Polizei da sei. Als sie wieder zurückkam, schob sie die Zeitungen und Magazine auf der Couch zur Seite und bot Jury einen Platz an. Auf dem Tischchen standen noch die Reste eines aus Toast und Kaffee bestehenden Mahls, und sie bot Jury lustlos eine Tasse Kaffee an. Er lehnte ab, doch bevor sie in Ermangelung eines anderen Themas übers Wetter reden konnte, begann er, ihr Fragen zu stellen.

«An dem Abend, an dem Mr. Small ermordet wurde – wann kamen Sie da in die Pandorabüchse?»

Sie hatte sich eine Zigarette aus der Packung auf dem Tisch genommen und wartete darauf, daß er ihr Feuer gab. Sie verzog das Gesicht bei seiner Frage. «Um neun oder halb zehn. Wir folgten Marshall Trueblood praktisch auf den Fersen.» Als sie sich vorbeugte, um sich von Jury die Zigarette anzünden zu lassen, klaffte ihr Bademantel etwas auseinander. Wie Jury schon vermutet hatte, trug sie nichts darunter. «Lassen Sie mich mal überlegen: Agatha und Melrose Plant waren bereits da. Aber Agatha ist überall die erste. Sie hat wohl Angst, sie könne was verpassen. Wie Melrose das aushält, ist mir ein Rätsel. Er hat eine Engelsgeduld. Ich frage mich, wie er es geschafft hat, so lange ledig zu bleiben.»

Jury stellte sich vor, daß Sheila bei den meisten Männern ans Verkuppeln dachte. Entweder sie schnappte sie sich selbst oder schob sie einer andern zu. «Sind Sie noch?»

«Noch was?»

«Unverheiratet?» Er schien ihren Beifall gefunden zu haben.

Die Stimme hinter ihm enthob ihn einer Antwort. «Sheila, was fällt dir ein! Es geht dich doch überhaupt nichts an, ob der Inspektor verheiratet ist oder nicht. Oliver Darrington, Inspektor.» Er streckte ihm eine tiefgebräunte, sehr gepflegte Hand entgegen, und Jury erhob sich, um sie zu schütteln. Darrington wandte sich noch einmal Sheila zu – ihre bloße Gegenwart schien ihm peinlich zu sein – und sagte: «Scotland Yard empfängt man nicht im Negligé, Sheila.»

Sheila, die sich unbekümmert auf der Couch fläzte, zeigte sehr viel Bein. Sie drückte ihre Zigarette aus und nahm die Beine von der Couch. «Um Himmels willen, Oliver, er ist doch von der Polizei. Die kann doch nichts erschüttern, sie sind wie Ärzte. Stimmt doch, nicht?» Das Lächeln, mit dem sie Jury bedachte, war sehr einschmeichelnd und gewinnend.

Jury lächelte einfach nur zurück. Sie war vielleicht eine Schlampe, aber Darrington war ein Schnösel, und Jury zog Schlampen eindeutig vor. Er empfand gegen Darrington dieselbe Abneigung wie gegen Isabel Rivington.

Darrington trug ein rehbraunes Jackett, genau in der Farbe seiner Haare, und ein teures, am Hals offenes Seidenhemd, in dem ein ebenso teures Ascot-Tuch steckte. Jury wurde sich seiner eigenen blauen, etwas schiefhängenden Krawatte bewußt. Der Mann sah gut aus, aber sein Profil war etwas zu griechisch und seine Züge etwas zu regelmäßig; er wirkte wie eine Statue, starr und kalt.

Darrington schenkte sich Kaffee ein und erzählte Jury dieselbe Geschichte, die ihm auch schon die andern erzählt hatten – oder vielmehr nicht erzählt hatten, da sie alle zu benebelt gewesen waren, um die Ereignisse klar zu beobachten. Als einziges fügte er noch hinzu, daß Matchett den Champagner spendiert hatte. «Die Feiertage und das ganze Drum und Dran. Manchmal kann er sehr großzügig sein.» Er gab damit zu verstehen, daß Matchett auch alles andere als großzügig sein konnte.

«Sprichst du gerade über Simon?» fragte Sheila, die wieder zurückgekommen war; ihr Erscheinungsbild hatte sich jedoch nicht verändert. Sie hatte nur ihren offenherzigen Bademantel durch einen genauso offenherzigen Einteiler ersetzt, eine Art Pyjama aus grünem Samt, dessen Reißverschluß auf der Höhe ihres Busens endete. Das vielsagende Lächeln, das sie aufgesetzt hatte, ließ Jury vermuten, daß Matchett sich auch schon in anderer Hinsicht sehr großzügig gezeigt hatte. Das änderte jedoch nichts an Jurys erstem Eindruck, daß Sheila nur eine Sache in ihrem Leben verfolgte – Oliver Darrington.

Oliver sagte, er habe nicht mit Small gesprochen und auch niemanden die Kellertreppe hinuntergehen sehen, außer einmal den alten Kellner.

«Wir waren beide stockbesoffen», warf Sheila ein und zwinkerte Jury durch eine Wolke von Zigarettenrauch zu. Er bemerkte, daß die Finger, die die Zigarette hielten, sehr lange Nägel aufwiesen. Etwas ungewöhnlich für eine Sekretärin.

«Später im Speiseraum hat also keiner von Ihnen diesen William Small gesehen?» Sie schüttelten die Köpfe.

«Ich kann mich nicht erinnern, ihn vor oder während dem Essen gesehen zu haben», sagte Darrington.

«Und Ainsley  –?» Sie schüttelten wieder die Köpfe. «Aber Sie waren an dem Abend, an dem Ainsley ermordet wurde, in der Hammerschmiede?»

«Ja. Sheila ist etwas vor mir nach Hause gegangen. Wir hatten … eine kleine Auseinandersetzung, ein Mißverständnis. Der Anlaß war ein Drink, zu dem ich Vivian Rivington eingeladen hatte.» Ein Lächeln machte sich auf Darringtons Gesicht breit, als wären Mißverständnisse dieser Art eine ständige Quelle der Erheiterung für ihn.

Eine Kohle fiel auf den Rost und verglühte langsam. Seine Bemerkung hatte keine Wirkung auf Sheila. «Ach, das ist doch lächerlich», lautete ihre matte Antwort.

Jury dachte an die – bestimmt nicht sehr zuverlässige – Beschreibung, die Lady Ardry von den Beziehungen zwischen diesen Leuten gegeben hatte. «Ich habe gehört, Mr. Matchett ist mit Miss Rivington, Vivian, verlobt.» Er hörte gleichzeitig ein ärgerliches Nein von Darrington und ein Ja von Sheila.

Oliver protestierte. «Es wird zwar allerhand geredet, aber Vivian würde sich nie an jemanden wie Matchett wegwerfen.»

«An wen würde sie sich denn wegwerfen, Liebling?» Von jedem Wort hing ein Eiszapfen.

Sheila tat Jury beinahe leid. Sie war vielleicht oberflächlich, aber keineswegs dumm. Darrington hingegen schien sowohl das eine wie das andere zu sein. Jury sah darin einen Widerspruch zu dem glasklaren Stil der Scharf-Romane und sagte: «Ich habe etwas von Ihnen gelesen, Mr. Darrington. Aber nur Ihr erstes Buch, ehrlich gesagt.»

«Scharf auf Mord?»fragte Oliver beifallheischend. «Ja, das war wahrscheinlich auch das beste.»

Sheila wandte den Blick ab und schien sich irgendwie unbehaglich zu fühlen. Jury fragte sich, was sie an dieser Bemerkung stören konnte. Es würde sich auf jeden Fall lohnen, dieser Sache nachzugehen, dachte Jury, der häufig seine Kollegen irritierte, weil er sich nicht an die Fakten hielt. Aber was waren das schon für Fakten, die durch das Sieb individueller Wahrnehmung gegangen waren, selbst wenn man davon ausging, daß das betreffende Individuum die Wahrheit sagen wollte. Und das war schon etwas, was die wenigsten wollten, da die wenigsten ein reines Gewissen hatten. Er war beinahe froh, daß diese hier betrunken gewesen waren – oder zumindest dafür gehalten wurden –, da es ihnen vor Augen führte, wie verschwommen ihre Wahrnehmung war. Jury bemerkte sofort, wenn sich die Aufmerksamkeit verschob, und Sheilas Aufmerksamkeit hatte sich offensichtlich verschoben. Mit der Erwähnung von Vivian Rivington konnte es nicht zusammenhängen, das war ein klarer Fall von Eifersucht gewesen. Aber diese Sache hier – was immer es auch war, ein klarer Fall war es nicht. Sie starrte über seinen Kopf hinweg ins Leere.

«Hätten Sie denn vielleicht ein Exemplar von Ihrem zweiten Buch zur Hand?»

Darringtons Blick wanderte zu dem Bücherregal neben der Tür und wandte sich dann rasch wieder ab. Sheila, die es geflissentlich vermied, Jury in die Augen zu schauen, erhob sich von der Couch und ging zum Kamin hinüber. Sie warf ihre Kippe ins Feuer und fing tatsächlich an, die Hände wie beim Waschen zu bewegen. Das klassische Lady-Macbeth-Syndrom. Jury hatte es oft genug gesehen.

«Das zweite kam nicht besonders gut an», sagte Darrington, machte aber keine Anstalten, zu dem Bücherregal hinüberzugehen.

Jury tat es an seiner Stelle. Und in dem Regal standen sie auch alle in einer Reihe, die Scharf-Krimis mit ihren bunten Schutzumschlägen. «Das ist es doch?» Jury nahm den Band aus dem Regal und sah, wie Darrington Sheila einen kurzen Blick zuwarf. «Dürfte ich es mir wohl ausleihen? Und auch den dritten Band? Vielleicht inspiriert mich Ihr Kommissar Scharf.»

Darrington hatte sich wieder gefaßt und sagte: «Wenn Sie sich langweilen wollen, bitte.» Sein Lachen klang nicht sehr überzeugend.

Beide wirkten sehr erleichtert, als sie Jury zur Tür begleiteten.