Kalte Rache
»Wir haben Grund zu der Annahme, dass ein Mann Ihnen Schaden zufügen will, Sir.«
Der untersetzte, muskulöse Stephen York stand auf dem heißen Gehsteig vor seinem Bürogebäude und wippte auf seinen Bally-Schuhen vor und zurück.
Ihnen Schaden zufügen.
Was sollte das heißen, verdammt?
York stellte seine Sporttasche ab. Der einundfünfzigjährige Investmentbanker blickte von dem älteren Detective der Polizei von Scottsdale, der ihm diese Mitteilung gemacht hatte, zu dessen jüngerem Partner. Die Polizisten waren leicht auseinanderzuhalten. Der ältere, blonde Bill Lampert war blass wie Milch, als wäre er via Minnesota nach Scottsdale gekommen – ein Ortswechsel, der ziemlich häufig stattfand, wie York erfahren hatte. Der andere Beamte, Juan Alvarado, hatte seine Wurzeln ohne Zweifel in der näheren Gegend.
»Wer?«, fragte York.
»Er heißt Raymond Trotter.«
York überlegte und schüttelte dann den Kopf. »Noch nie von ihm gehört.« Er betrachtete das Bild, das ihm der Polizist entgegenstreckte. Aus dem Führerschein, wie es aussah. »Kommt mir nicht bekannt vor. Wer ist das?«
»Wohnt hier in der Stadt. Er besitzt eine Landschaftsgärtnerei.«
»Warten Sie, die kenne ich. Draußen an der Interstate?« York glaubte, dass Carole dort schon eingekauft hatte.
»Ja, die große.« Lampert wischte sich über die Stirn.
»Und er hat ein Problem mit mir? Welcher Art?« York setzte seine Armani-Sonnenbrille auf. Um fünfzehn Uhr war die Nachmittagssonne in Arizona wie ein Schweißbrenner.
»Das wissen wir nicht.«
»Was wissen Sie denn überhaupt?«
»Wir haben einen Tagelöhner wegen Drogenbesitzes verhaftet«, erklärte Alvarado. »Einen Illegalen. Hector Diaz. Er wollte einen Handel mit der Anklage eingehen und erzählte uns, er habe Informationen über ein mögliches Verbrechen. Anscheinend hat er ab und an für diesen Trotter gearbeitet. Vor ein paar Tagen kam Trotter zu ihm und bot ihm tausend Dollar, damit er bei Ihnen zu Hause vorbeischaut und nachfragt, ob Sie jemanden für Gartenarbeit brauchen. Und während er bei Ihnen wäre, sollte er Ihr Alarmsystem auskundschaften.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Doch.«
Was sollte das alles? Trotz der Temperaturen von an die vierzig Grad Celsius lief es York kalt über den Rücken. »Meine Alarmanlage? Wozu?«
»Trotter hat Diaz nur so viel erzählt, dass er Ihnen etwas heimzahlen wollte, was Sie getan haben.«
»Heimzahlen?« York schüttelte frustriert den Kopf. »Himmel, Sie kommen hier an, erzählen mir diesen Mist, jemand wolle mir, wie Sie es ausgedrückt haben, Schaden zufügen, und Sie haben keine Ahnung, worum es überhaupt geht?«
»Nein, Sir. Wir hatten gehofft, dass Sie uns das sagen können.«
»Tja, kann ich aber nicht.«
»Okay, wir überprüfen diesen Trotter. Aber wir empfehlen Ihnen, ein Auge auf alles zu haben, was Ihnen merkwürdig vorkommt.«
»Warum verhaften Sie den Mann nicht?«
»Er hat keine Straftat begangen«, sagte Lampert. »Ohne Hinweis auf eine offenkundige Handlung können wir leider nichts tun.«
Ihnen Schaden zufügen...
Hinweis auf eine offenkundige Handlung...
Vielleicht würden sie ihre Aufgabe als Polizisten besser erfüllen, wenn sie verdammt noch mal aufhörten, wie Soziologieprofessoren daherzureden. York war nahe dran, ihnen das zu sagen, aber er nahm an, sein angewiderter Gesichtsausdruck reichte als Botschaft.
 
York versuchte die Begegnung mit den Beamten aus seinem Kopf zu streichen und fuhr ins Fitnessstudio. Er brauchte jetzt unbedingt Training. Er hatte gerade eine äußerst mühsame Verhandlung mit zwei Männern hinter sich, Besitzern einer kleinen Fabrik, die er kaufen wollte. Die alten Knaben waren sehr viel gerissener gewesen, als er gedacht hatte. Sie hatten ein paar clevere Forderungen gestellt, die York richtig Geld kosten würden. Er hatte sie sehr herablassend angesehen und war dann aus dem Büro des Anwalts gestürmt. Sollten sie ruhig ein, zwei Tage schmoren. Er würde wahrscheinlich nachgeben, aber sie sollten nicht denken, dass sie ihn eingeschüchtert hätten.
Er stellte den Wagen auf dem Parkplatz des Studios ab, stieg aus und ging in der sengenden Hitze zur Eingangstür.
»Hallo, Mr. York, Sie sind früh dran heute.«
Er nickte Gavin, dem Angestellten am Empfang, zu.
»Ja, hab mich rausgeschlichen, als keiner geguckt hat.«
Er zog sich um und ging zum Aerobic-Raum, der im Augenblick leer war. Er ließ sich für seine Dehnübungen auf die Matte fallen. Nach zehn Minuten Gymnastik wechselte er zu den Geräten, er trainierte intensiv, absolvierte seine üblichen zwanzig Wiederholungen bei jeder Übung und schloss mit Sit-ups. In seinem Job als einer von drei Partnern einer großen Risikokapitalfirma in Scottsdale musste er häufig Leute zum Essen einladen und lange Stunden am Schreibtisch verbringen; zuletzt hatten seine Hosen um die Mitte herum ein wenig gespannt.
Er mochte es nicht, wenn er schwabbelig war. Und Frauen mochten es auch nicht, egal, was sie einem erzählten. Mit einer Platinkarte von American Express lässt sich zwar vieles überspielen, aber wenn es Zeit fürs Bett ist, lieben die Mädels einen Waschbrettbauch.
Nach den Sit-ups sprang er aufs Laufband.
Eine Meile, zwei, drei …
Er versuchte, dieses schwierige Geschäft aus dem Kopf zu kriegen – was war das bloß, verdammt noch mal, mit diesen klapprigen alten Furzern? Wie konnten die noch so gerissen sein? Sie gehörten längst in ein Altersheim.
Fünf Meilen …
Und wer war dieser Raymond Trotter?
Etwas heimzahlen...
Er durchforstete sein Gedächtnis erneut, aber er kam auf keinen Treffer bei dem Namen.
Er versenkte sich in den Rhythmus seiner hämmernden Füße. Bei sieben Meilen verlangsamte er zu Schritttempo, kühlte sich ab und schaltete das Laufband aus. York legte sich ein Handtuch um den Nacken, ignorierte den koketten Blick einer Frau, die hübsch, aber ein paar Jahre zu alt war, um das Risiko wert zu sein, und kehrte in den Umkleideraum zurück. Dort zog er sich aus, griff nach einem frischen Handtuch und machte sich auf den Weg zur Sauna.
York mochte diesen Teil des Clubs, weil er abseits lag und nur sehr wenige Mitglieder um diese Tageszeit hierherkamen. Im Augenblick war er völlig menschenleer. York spazierte den gefliesten Korridor entlang. Er hörte ein Geräusch aus einem Seitengang. Ein Klicken, dann etwas, das sich wie Schritte anhörte, wenngleich er sich nicht ganz sicher war. War noch jemand hier? Er kam an die Kreuzung und schaute. Nein, der Flur war leer. Aber er hielt inne. Etwas war anders. Aber was? Dann wurde ihm klar, dass es ungewöhnlich dunkel war. Er schaute zur Decke hinauf. Mehrere Lichtröhren fehlten. Für viertausend Dollar Mitgliedsbeitrag im Jahr brachten sie es nicht fertig, die Leuchtkörper auszuwechseln? Mann, dafür würde er Gavin aber zusammenstauchen. Die düstere Beleuchtung sorgte zusammen mit einem leisen, schlangenartigen Zischen für eine gespenstische Atmosphäre.
Er ging zur Tür der Sauna weiter, hängte sein Handtuch an einen Haken und drehte die Temperatur hoch. Er hatte gerade einen Schritt in die Sauna gemacht, als ihm ein scharfer Schmerz in den Fuß fuhr.
»Verdammt!«, rief er aus, sprang zurück und hob die Fußsohle, um zu sehen, was ihn gestochen hatte. Ein Holzsplitter ragte aus seinem Fußballen. Er zog ihn heraus und drückte die Hand auf die winzige blutende Wunde. Mit einem Blick auf den Boden, dort, wo er aufgetreten war, sah er mehrere andere Splitter.
Gavin würde sich heute aber ganz schön was anhören dürfen, oh ja. Yorks Zorn schwand jedoch, als er nun auf dem Boden die mutmaßliche Quelle der Splitter entdeckte: zwei Holzkeile, anscheinend von Hand geschnitzt, lagen neben der Tür. Sie sahen aus wie Türstopper, nur dass die Saunatür hier über zwei Stufen angebracht war. Sie ließ sich nicht durch Keile offen halten.
Aber man konnte die Keile sehr wohl dazu benutzen, die Tür geschlossen zu halten, wenn man sie in den Türstock klemmte. Sie würden perfekt passen. Es wäre allerdings verrückt, das zu tun. Eine in der Sauna eingeschlossene Person hätte keine Möglichkeit, die Temperatur herunterzudrehen oder um Hilfe zu rufen; es gab keine Regler in der Kabine. Und die Hitze in einer Sauna konnte tödlich sein. York und seine Frau hatten erst vor kurzem im Lokalfernsehen einen Bericht über eine Frau in Phoenix gesehen, die in ihrer Sauna ohnmächtig geworden und gestorben war.
Während York die Keile in seiner Hand betrachtete, ließ ihn ein plötzliches Klicken irgendwo in der Nähe zusammenzucken. Er drehte sich um und sah einen Schatten an der Wand, als würde ein Mensch innehalten. Dann verschwand der Schatten.
»Hallo?«, rief York.
Schweigen.
York ging in den Flur. Niemand war zu sehen. Dann fiel sein Blick auf den Notausgang, der nicht ganz geschlossen zu sein schien.
Er blickte hinaus. Die Gasse war leer. Als er sich wieder umdrehte, bemerkte er, dass der Türriegel mit Klebeband unten gehalten wurde, sodass man durch die Notausgangstür unbemerkt ins Gebäude schlüpfen konnte.
Ihnen Schaden zufügen...
Fünf Minuten später eilte York, ohne geduscht zu haben, aus dem Club; er hielt sich nicht einmal damit auf, Gavin die verdiente Standpauke zu halten. Der Geschäftsmann hatte die Keile und das Stück Klebeband, in Papierhandtücher gewickelt, mitgenommen. Er war vorsichtig. Wie jeder Mensch, der heutzutage fernsah, wusste er alles über die Kunst, Fingerabdrücke zu bewahren.
»Sie sind da drin.«
Stephen York gab dem bleichgesichtigen Detective Bill Lampert das Papierhandtuch.
»In Ihrem Fitnessstudio, sagten Sie?«, fragte der Detective und besah sich die Keile und das Klebeband.
»Genau.« York konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Namen des exklusiven Ladens anzufügen.
Lampert wirkte unbeeindruckt. Er ging zum Eingang und händigte Alvarado die Beweismittel aus. »Abdrücke, Werkzeugspuren, aber schnell.« Der junge Beamte verschwand.
Lampert wandte sich wieder an York. »Aber niemand hat tatsächlich versucht, Sie am Verlassen der Sauna zu hindern?«
Am Verlassen zu hindern?, fragte sich York. Er meint wohl: Einsperren und zu Tode schmoren. »Nein.« Er zog eine Zigarre hervor. »Darf ich?«
»Im Gebäude ist Rauchen verboten«, erwiderte Lampert.
»Ja, gut, theoretisch vielleicht, aber...«
»Im Gebäude ist Rauchen verboten.«
York steckte die Zigarre weg. »Ich deute es so, dass Trotter meinen Tagesablauf ausgekundschaftet hat. Er verschaffte sich Zugang zum Club und manipulierte die Hintertür, sodass er hineinkonnte, ohne dass er in der Eingangshalle gesehen wurde.«
»Wie hat er das angestellt? Ist er Mitglied?«
»Das weiß ich nicht.«
Lampert streckte den Finger in die Höhe. Er rief den Fitnessclub an und führte ein kurzes Gespräch. »Er ist nicht als Mitglied eingetragen und war im letzten Monat auch nicht als Gast dort.«
»Dann hat er sich mit einem gefälschten Ausweis oder so als Gast angemeldet.«
»Gefälschter Ausweis? Das ist... ein bisschen kompliziert, finden Sie nicht?«
»Irgendwie ist das Arschloch jedenfalls hineingekommen. Er wollte mich in der Sauna einsperren, aber ich habe ihn vermutlich überrascht, er hat die Keile fallen gelassen und ist abgehauen.«
Alvarado kam ins Büro seines Chefs. »Keine Fingerabdrücke. Die Werkzeugspuren sind nicht besonders ausgeprägt, aber falls wir eine Feile oder einen Meißel finden würden, könnten wir einen Abgleich machen.«
York lachte. »Keine Fingerabdrücke? Das beweist doch, dass da irgendwas faul ist, oder?«
Lampert ignorierte ihn. Er nahm ein Blatt Papier von seinem Schreibtisch und überflog es. »Wir haben uns diesen Trotter mal angesehen. Wirkt völlig normal. Keine polizeilichen Einträge bis auf ein paar Strafzettel. Es gibt aber doch etwas. Ich habe mit der Veteranenbehörde in Phoenix gesprochen, und es stellte sich heraus, dass sie eine Akte über ihn haben. Er war im ersten Golfkrieg in Kuwait. Seine Einheit hat es übel erwischt. Die Hälfte seiner Männer fiel, und er selbst wurde schwer verwundet. Nach seiner Entlassung zog er hierher und war ein Jahr lang in psychiatrischer Behandlung. Die Akte enthält die Aufzeichnungen seines Psychiaters. Es ist alles unter Verschluss – ärztliche Schweigepflicht -, und wir dürfen es nicht einsehen, aber ich habe einen Kumpel in der Veteranenverwaltung, der mir sagte, worum es im Wesentlichen ging. Nach seiner Dienstzeit geriet Trotter anscheinend hier und in Albuquerque in üble Gesellschaft. Leute, die sich als Schläger anheuern ließen. Es ist eine Weile her, und er wurde nie verhaftet, aber trotzdem...«
»Großer Gott... Dann könnte es also sein, dass ihn jemand angeheuert hat?«
»Wen haben Sie derart wütend gemacht, dass er zu solchen Mitteln greift, um es Ihnen heimzuzahlen?«
»Ich weiß nicht. Darüber müsste ich nachdenken.«
»Kennen Sie den Ausdruck«, fragte Alvarado, »›Rache ist ein Gericht, das man am besten kalt serviert‹?«
»Ja, ich glaube, ich hab es schon mal gehört.«
»Es könnte jemand aus Ihrer fernen Vergangenheit sein. Denken Sie weit zurück.«
»Okay. Aber was machen wir in der Zwischenzeit?«, fragte York und wischte sich die schwitzenden Handflächen an der Hose ab.
»Fahren wir zu ihm, und reden wir mit ihm. Mal sehen, was er zu sagen hat.« Der Detective griff zum Telefon und machte einen Anruf.
»Mr. Trotter, bitte... Verstehe. Könnten Sie mir sagen, wann?... Danke. Nein, keine Nachricht.« Er legte auf. »Er ist gerade nach Tucson aufgebrochen. Er wird morgen Vormittag zurück sein.«
»Wollen Sie ihn nicht aufhalten?«
»Warum?«
»Vielleicht versucht er nach Mexiko zu fliehen.«
Lampert zuckte die Achseln und öffnete die Akte eines anderen Falls. »Dann wären Sie das Problem ja wohl los.«
 
York hielt vor seiner Fünf-Millionen-Dollar-Villa am Rand der Wüste und stieg aus seinem Mercedes. Er schloss die Türen und blickte sich um, ob ihm auch niemand gefolgt war. Keine Spur von irgendwem. Dennoch schob er den Türriegel vor, nachdem er das Haus betreten hatte.
»Hallo, Schatz.« Carole begrüßte ihn in der Eingangshalle in ihrem Fitnesstrikot. Seine dritte Frau war mattblond und sehr schön. (»Ihr beide seid ein prächtiger Anblick«, hatte ein Geschäftspartner einmal gesagt). Sie waren seit drei Jahren zusammen. Als frühere Sekretärin, die sich zur Privattrainerin gewandelt hatte, verfügte Carole genau im richtigen Maß über das, was York »am Ball sein, aber ihn nicht kriegen« nannte. Sollte heißen, sie konnte Konversation machen, ohne peinlich zu sein, wusste jedoch zu schweigen, wenn man es von ihr erwartete – und stellte nicht zu viele Fragen, wo er gewesen war, wenn er spät nach Hause kam oder kurzfristig geschäftlich verreisen musste.
Sie sah zur Tür. »Was soll das?« Sie verriegelten die Tür sonst nie.
York musste vorsichtig sein. Man musste Carole immer alles in einfachen Worten erklären, und wenn sie nicht verstand, was er ihr sagte, rastete sie aus. Und ihre Art von Hysterie konnte sehr hässlich sein. Das war etwas, was er bei dummen Menschen häufig feststellte, sie drehten durch, wenn man sie mit etwas konfrontierte, das sie nicht verstanden.
Also log er. »Gestern ist bei Nachbarn eingebrochen worden.«
»Davon hab ich nichts gehört.«
»War aber so.«
»Bei wem?«
»Das weiß ich nicht mehr.«
Ein leises Kichern – eine Angewohnheit von ihr, die er je nach Laune ärgerlich oder sexy fand. »Du weißt nicht, bei wem? Das ist aber komisch.«
Heute war es ein ärgerliches Kichern.
»Irgendwer hat es mir erzählt, aber ich hab’s vergessen. Ich hatte viel um die Ohren.«
»Gehen wir zum Essen in den Club?«
»Ich bin fix und fertig, Baby. Ich mach uns was auf dem Grill, was hältst du davon?«
»Natürlich, ist okay.«
Er merkte ihr an, dass sie enttäuscht war, aber York wusste, wie er ein sinkendes Schiff retten konnte; er mixte rasch Cocktails – doppelte – und bugsierte sie zum Pool, wo er eine Yanni-CD auflegte. Nach zwanzig Minuten hatten der Alkohol und die Musik ihre Enttäuschung gemildert, und sie plapperte davon, dass sie in ein paar Wochen ihre Familie in Los Angeles besuchen wolle und ob er etwas dagegen habe, eine Weile Strohwitwer zu sein.
»Wie du willst.« Er ließ sich eine Minute Zeit, dann sagte er betont beiläufig: »Ich überlege mir, ein paar Pflanzen fürs Büro anzuschaffen.«
»Soll ich dir helfen?«
»Nein, Marge kümmert sich darum. Hast du schon mal bei der großen Gärtnerei draußen am Highway gekauft? Trotter?«
»Ich weiß nicht. Ich glaub schon. Ist eine Weile her.«
»Haben sie mal etwas hierher geliefert?«
»Nein, ich habe nur ein paar Pflanzen fürs Haus gekauft und selbst mitgenommen. Wieso?«
»Ich wollte nur wissen, ob ihr Service gut ist.«
»Jetzt fängst du an, Räume zu dekorieren. Krass.« Ein weiteres Kichern.
Er brummte etwas, ging in die Küche und zog den Kühlschrank auf.
Während York eine Macanudo rauchte und seinen Wodka Tonic trank, grillte er Steaks und machte Salat, dann aßen sie schweigend. Nachdem Carole das Geschirr abgeräumt hatte, zogen sie ins Wohnzimmer um und sahen fern. Carole wurde verschmust. Normalerweise hieß das, es wurde Zeit für die heiße Wanne oder das Bett – manchmal auch der Boden -, aber heute sagte er: »Geh schon mal nach oben, Süße. Ich muss mir noch ein paar Zahlen ansehen.«
»Oh.« Sie zog eine Schnute.
»Ich komme gleich nach.«
»Ja, okay.« Sie seufzte, griff nach einem Buch und stieg die Treppe hinauf.
Als er die Tür zufallen hörte, ging er in sein Arbeitszimmer, ließ das Licht aus und spähte hinaus in die mondbeschienene Wüste hinter dem Haus. Schatten, Felsen, Kakteen, Sterne... es war eine Ansicht, die er liebte. Sie veränderte sich unablässig. Er blieb fünf Minuten hier, dann goss er sich einen großen Scotch ein, schleuderte die Schuhe von den Füßen und streckte sich auf der Couch aus.
Ein Schluck von dem rauchigen Schnaps. Und noch einer.
Vergeltung...
Und Stephen York trat eine Reise durch seine Vergangenheit an und suchte nach einem Grund, warum Trotter oder irgendwer sonst seinen Tod wünschen könnte.
Da ihm die überspannte Carole noch im Kopf herumspukte, dachte er zuerst an die Frauen in seinem Leben. Er ging seine Ex-Frauen durch. York war derjenige gewesen, der die Ehe jeweils beendet hatte. Seine erste Frau, Vicky, war wie von Sinnen gewesen, als er ihr sagte, dass er sie verlassen würde. Sie hatte geweint und ihn angefleht zu bleiben, obwohl sie um die Affäre mit seiner Sekretärin wusste. Aber er war unnachgiebig geblieben, was die Scheidung anging, und hatte bald jeden Kontakt mit ihr abgebrochen, außer was die finanziellen Angelegenheiten wegen ihres Sohns Randy betraf.
Aber würde sie tatsächlich einen Killer anheuern, um es ihm heimzuzahlen?
Ausgeschlossen, entschied er. Vickys Reaktion auf die Trennung bestand darin, das Opfer zu spielen, nicht die rachsüchtige Ex-Frau. Außerdem hatte York sie fair behandelt. Er hatte sofort Alimente und Unterhalt bezahlt und ein paar Jahre später den Sorgerechtsentscheid nicht angefochten, der ihm das Besuchsrecht für ihren Sohn entzog.
York und seine zweite Frau waren nur zwei Jahre zusammen gewesen. Sie hatte sich als zu widerborstig für ihn herausgestellt, zu liberal. Diese Trennung war allerdings Holyfield gegen Tyson gewesen, purer Kampf. Susan, eine energiegeladene Wirtschaftsanwältin, ging mit einem Haufen Geld aus der Geschichte heraus, mehr als genug, um ihren angeknacksten Stolz zu heilen. (York verließ sie für eine Frau, die sechzehn Jahre jünger und zwanzig Pfund schlanker war.) Sie nahm außerdem ihre Karriere zu ernst, um sie für illegale Aktionen gegen ihn aufs Spiel zu setzen. Sie hatte wieder geheiratet – einen Militärberater und früheren Colonel der Armee, den sie kennengelernt hatte, als sie für ihren Klienten einen Vertrag mit der Regierung aushandelte -, und York war überzeugt, er selbst kam auf ihrem Radarschirm nicht mehr vor.
Ex-Freundinnen? Die üblichen Verdächtigen … Aber wo sollte man da anfangen? Es waren fast mehr, als er zählen konnte. Es hatte ein paar üble Trennungen gegeben, er hatte manche von ihnen benutzt, manche belogen. Natürlich war er seinerseits ebenfalls von Frauen benutzt und belogen worden. Im Großen und Ganzen glich es sich vermutlich aus. So lief das Spiel eben. Niemand, der bei Verstand war, würde einen Killer engagieren, nur weil einen ein Liebhaber verlassen hatte.
Wer kam noch in Frage?
Am wahrscheinlichsten, befand er, war jemand, mit dem er geschäftlich zu tun gehabt hatte.
Doch auch davon gab es mehr als genug. Dutzende fielen ihm ein. In seiner Zeit als Handelsvertreter einer Pharmafirma hatte er einen seiner Kollegen angeschwärzt, weil er bei der Spesenabrechnung betrogen hatte. (York hatte ihn nicht aus Loyalität zum Unternehmen hingehängt, sondern um den Bezirk des Typen zu erbeuten.) Der Mann wurde entlassen und schwor Rache.
Er war außerdem an der Akquisition Dutzender von Firmen in den letzten zehn Jahren beteiligt gewesen; Hunderte von Angestellten hatten als Folge davon ihren Arbeitsplatz verloren. An einen erinnerte er sich besonders – ein Vertreter, der nach seiner Entlassung in Tränen aufgelöst zu ihm gekommen war und um eine zweite Chance gebeten hatte. York war jedoch bei seiner Entscheidung geblieben – hauptsächlich, weil ihm das Geheul des Mannes missfiel. Eine Woche später brachte sich der Vertreter um; in seinem Abschiedsbrief hieß es, er habe als Mann versagt, weil er nicht mehr für seine Frau und seine Kinder sorgen könne. Zwar war York wohl kaum für so ein verrücktes Verhalten verantwortlich zu machen, aber möglicherweise sahen die Hinterbliebenen des Mannes das anders. Vielleicht war Trotter der Bruder oder beste Freund des Mannes oder war von ihnen engagiert worden.
Er rief sich einen weiteren Zwischenfall ins Gedächtnis: Bei dieser Gelegenheit hatte er einen konkurrierenden Risikokapitalgeber von einem Privatdetektiv ausspionieren lassen und herausgefunden, dass er schwul war. Der Klient, den sie beide umwarben, war ein Schwulenhasser. Während eines Abendessens ließ York unauffällig sein Insiderwissen über den Rivalen fallen, und am nächsten Tag bekam Yorks Unternehmen den Auftrag. Hatte er es herausgefunden und Trotter angeheuert?
Noch andere Sünden?
Na und ob, dachte York angewidert.
Erinnerte sich an einen Vorfall im College, einen aus dem Ruder gelaufenen Studentenstreich, der damit geendet hatte, dass ein Junge betrunken auf einen Polizisten einstach. Er war des Colleges verwiesen worden und bald darauf verschwunden. York erinnerte sich nicht mehr an seinen Namen. Es hätte Trotter sein können.
Ein Dutzend anderer Vorfälle drängten in seine Gedanken, zwei Dutzend, drei – Leute, die er missachtet und beleidigt hatte, Lügen, die er erzählt, und Geschäftspartner, die er betrogen hatte... Sein Gedächtnis spuckte nicht nur die ernsten Vergehen aus, sondern auch die Kleinigkeiten: Unhöflichkeit zu Bedienungen, eine ältere Dame, die er bei einem Autokauf übervorteilt hatte, Lachen, als das Toupet eines Mannes bei starkem Wind davonflog …
Es war ermüdend, sie alle noch einmal zu durchleben.
Noch ein Schluck Scotch... und noch einer.
Das Nächste, woran er sich erinnerte, war, dass die Sonne durch das Fenster hineinschien. Er kniff vor Kopfweh die Augen zusammen und schaute benommen auf die Uhr. Oh, verdammt, es war schon neun... Warum hatte ihn Carole nicht geweckt? Sie wusste, dass er heute Vormittag zwei Geschäftsverhandlungen hatte. Manchmal dachte die Frau aber auch wirklich nicht mit.
York taumelte in die Küche, und Carole blickte vom Telefon auf. Sie lächelte. »Frühstück ist fertig.«
»Du hast mich schlafen lassen.«
Sie sagte zu ihrer Freundin, sie würde wieder anrufen, und legte auf. »Ich dachte, du bist müde. Und du hast einfach zu süß ausgesehen, so in die Couch gekuschelt.«
Süß. Gott im Himmel... Er zuckte vor Schmerz zusammen. Sein Hals war steif, weil er in einer verdrehten Stellung geschlafen hatte.
»Ich habe keine Zeit für Frühstück«, brummte er.
»Meine Mutter hat immer gesagt, das Frühstück...«
»... ist die wichtigste Mahlzeit des Tages. Das hast du mir schon erzählt. Ungefähr hundertmal.«
Sie verstummte. Dann stand sie auf und ging mit ihrem Kaffee und dem Telefon ins Wohnzimmer.
»Baby, ich wollte nicht...«
York seufzte. Manchmal musste man wie auf Eierschalen gehen... Er zog sich ins Schlafzimmer zurück. Als er gerade im Arzneischränkchen nach Aspirin kramte, läutete das Telefon.
»Für dich«, verkündete seine Frau kühl.
Es war Detective Bill Lampert. »Trotter ist wieder in der Stadt. Fahren wir ihm guten Tag sagen. Wir holen Sie in zwanzig Minuten ab.«
 
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Raymond Trotter?«
»Richtig.«
Bill Lampert und Juan Alvarado standen vor Trotters Gartenbau und Baumschule, einem ausufernden Komplex aus flachen Gebäuden, Gewächshäusern und Pflanzschuppen, und musterten den Mann mittleren Alters. Lampert bemerkte, dass er in sehr guter Verfassung war: schlank, mit breiten Schultern. Das braune, grau durchsetzte Haar war kurz geschnitten, das kantige Gesicht perfekt rasiert, kein Stäubchen auf dem blauen Jogginganzug. Selbstbewusster Blick. Der Detective überlegte, ob sich Überraschung in seinen Augen spiegelte, als er ihre Dienstmarken sah, und vielleicht noch mehr Überraschung beim Anblick von Stephen York, der hinter ihnen stand. Trotter stellte den großen Kaktus ab, den er in Händen hielt.
»Sir, unseres Wissens haben Sie private Informationen über Mr. York hier eingeholt.«
»Über wen?«
Gute Antwort, dachte Lampert. Er wies mit einem Kopfnicken hinter sich. »Über den Gentleman hier.«
Trotter runzelte die Stirn. »Ich fürchte, Sie irren sich. Ich kenne den Herrn nicht.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja.«
»Kennen Sie einen Mann namens Hector Diaz? Mexikaner, fünfunddreißig, untersetzt. Er hat als Tagelöhner für Sie gearbeitet.«
»Ich habe schon Hunderte von Tagelöhnern angeheuert. Von den meisten weiß ich nicht einmal, wie sie heißen. Geht es hier um illegale Immigranten? Ich habe meine Leute angewiesen, sich die Papiere zeigen zu lassen.«
»Nein, darum geht es nicht. Dieser Diaz behauptet, Sie hätten ihn über die Sicherheitsmaßnahmen von Mr. York befragt.«
»Was?« Dann kniff Trotter wissend die Augen zusammen. »Wie ist es zu der Sache gekommen? Kann es sein, dass dieser Diaz wegen etwas verhaftet wurde?«
»Das stimmt.«
»Also hat er eine Geschichte über einen früheren Arbeitgeber erfunden, um sich ein milderes Urteil zu erkaufen. Kommt das nicht vor?«
Lampert und sein Partner wechselten einen Blick. Was immer dieser Trotter sonst war, dumm war er nicht. »Gelegentlich, sicher.«
»Nun, ich habe nichts von dem getan, was der Mann behauptet.« Die durchdringenden Augen wanderten zu York.
Alvarado übernahm das Sprechen. »Waren Sie gestern im Scottsdale Health and Racquet Club?«
»Wo?... Ach, dieser Nobelschuppen! Nein, für so etwas gebe ich mein Geld nicht aus. Außerdem war ich in Tucson.«
»Bevor Sie nach Tucson gefahren sind.«
»Nein. Ich habe keine Ahnung, worauf Sie hinauswollen, aber ich kenne diesen York nicht. Und ich interessiere mich nicht für seine Alarmanlage.«
Lampert spürte, wie Alvarado ihn an der Schulter berührte. Der junge Detective deutete auf einen Stapel Holzbretter, etwa so breit und dick wie die Keile.
»Was dagegen, wenn wir ein paar von denen mitnehmen?«
»Nur zu... sofern Sie einen Durchsuchungsbefehl vorweisen können.«
»Wir würden Ihre Kooperation begrüßen.«
»Und ich würde einen Durchsuchungsbefehl begrüßen.«
»Machen Sie sich Sorgen darüber, was wir finden könnten?«, warf Alvarado ein.
»Ich mache mir überhaupt keine Sorgen. Es ist nur so, dass wir in Amerika diese Sache namens Verfassung haben.« Er grinste. »Die hat unser Land groß gemacht. Ich halte mich an die Regeln, und ich denke, das sollten Sie auch tun.«
York seufzte hörbar. Trotter musterte ihn kühl.
»Wenn Sie nichts zu verbergen haben, gibt es auch kein Problem«, sagte Alvarado.
»Wenn Sie einen hinreichenden Grund haben, sollten Sie auch problemlos einen Durchsuchungsbefehl bekommen.«
»Sie sagen also, Sie haben nicht die Absicht, Mr. York in irgendeiner Weise zu gefährden?«
Trotter lachte. »Das ist lächerlich.« Dann wurde seine Miene eisig. »Was Sie da andeuten, sind ziemlich schwerwiegende Dinge. Wenn Sie anfangen, solche Gerüchte zu verbreiten, könnte es peinlich werden. Für mich... und für Sie. Ich hoffe, das ist Ihnen klar.«
»Einbruch und tätlicher Angriff sind schwerwiegende Verbrechen«, sagte Alvarado.
Trotter hob die Pflanze auf. Sie war eindrucksvoll, mit gefährlich aussehenden Stacheln. »Wenn Sie sonst nichts mehr haben...«
»Nein, das war alles. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.« Lampert nickte seinem Partner zu, dann gingen sie zusammen mit York zurück zum Wagen.
Auf dem Parkplatz angekommen, sagte Lampert: »Er führt etwas im Schilde.«
York nickte. »Ich weiß, was Sie meinen – wie er mich angesehen hat. Es war, als wollte er sagen: Ich krieg dich.«
»Wie? Nein, das meine ich nicht. Haben Sie nicht zugehört? Er sagte, er sei nicht an Ihrer Alarmanlage interessiert. Wir haben ihm gar nicht verraten, dass Diaz von seiner Alarmanlage gesprochen hatte. Ich sagte nur: Sicherheitsmaßnahmen. Das hätte alles bedeuten können. Könnte sein, dass Diaz die Wahrheit gesagt hat.«
York war beeindruckt. »Ist mir gar nicht aufgefallen. Gut aufgepasst. Was machen wir jetzt?«
»Haben Sie diese Liste, um die ich Sie gebeten habe? Von allen Leuten, die einen Groll auf Sie haben könnten?«
Er gab ihm ein Blatt Papier. »Sollte ich sonst noch etwas tun?«
Nach einem Blick auf die Liste sagte Lampert: »Eine Sache. Sie sollten vielleicht über einen Leibwächter nachdenken.«
 
Stan Eberhart sah ein bisschen wie Lampert aus – kräftig gebaut, volles Haar, humorlos, zielgerichtet wie ein Terrier -, nur mit Sonnenbräune. Der große Mann stand vor Yorks Haustür. Der Geschäftsmann führte ihn hinein.
»Guten Morgen, Sir.« Er sprach leicht gedehnt und war die Ruhe in Person. Eberhart leitete die Sicherheitsabteilung von Yorks Unternehmen – York-McMillan-Winston Investments. Nach seinem Treffen mit den Polizisten und Trotter hatte York den Mann in sein Büro gerufen und ihm die Lage erklärt. Eberhart sagte zu, einen »umfassenden SP auszuarbeiten, der alle Eventualitäten berücksichtigt.« Hörte sich genauso an wie die Polizeibeamten (was keine Überraschung war: Eberhart war früher Detective in Phoenix gewesen).
Ein SP war ein Sicherheitsplan, wie sich herausstellte, und York nahm an, es würde ein guter sein. Eberhart war ein Schwergewicht in Sachen Unternehmensschutz. Außer beim Morddezernat in Phoenix war er auch als Drogenagent für das FBI und als Privatdetektiv tätig gewesen. Er hatte einen schwarzen, roten oder anderen tollen Karategürtel, konnte einen Hubschrauber fliegen und besaß hundert Waffen. In der Sicherheitsbranche machten sie alle außerdem irgendwelchen Survival-Kram, wie York erfuhr. Harte Burschen. York verstand es nicht. Wenn es nicht um Geldverdienen, Golf, Martinis und Frauen ging, was sollte das Ganze dann?
Die Männer waren allein im Haus, da Carole zu ihrer Tennisstunde gegangen war. Als sie das weitläufige Sonnenzimmer betraten, setzte der Sicherheitsmensch eine sorgenvolle Miene auf.
Wieso? Fand er es zu ungeschützt, wegen des Glases? Machte er sich Sorgen wegen Scharfschützen? York lachte für sich.
Eberhart schlug vor, dass sie in die Küche gingen, weg von den Glasfenstern.
York zuckte mit den Achseln und spielte mit. Sie setzten sich an die Kücheninsel. Der Mann knöpfte sein Jackett auf – er trug bei jeder Temperatur Anzug und Krawatte. »Lassen Sie mich zuerst erzählen, was ich über Trotter herausgefunden habe. Er wurde in New Hampshire geboren und hat einen Abschluss als Ingenieur in Boston gemacht. Er hat geheiratet und ging zur Armee. Nach seiner Entlassung kam er hierher. Was immer danach passiert ist – dieses Zeug in der Akte der Veteranenverwaltung -, er schien seinem Leben eine Wendung gegeben zu haben und fing diese Gartenbaufirma an. Dann starb seine Frau.«
»Sie starb? Vielleicht geht es darum – dass er mir die Schuld daran gibt. Was ist passiert?«
Eberhart schüttelte den Kopf. »Sie hatte Krebs. Und von Ihnen, Ihrer Gesellschaft oder Ihren Kunden gibt es keine Verbindung zu den behandelnden Ärzten oder dem Krankenhaus.«
»Das haben Sie überprüft?«
»Ein SP ist nur so gut wie die Aufklärung dahinter«, erklärte der Mann. »Jetzt zu seiner Familie: Er hat drei Kinder. Phillip, Celeste und Cindy, Alter vierzehn, siebzehn und achtzehn. Alle in öffentlichen Schulen in der Stadt. Brave Kinder, kein Ärger mit dem Gesetz.« Er zeigte Bilder, die aussahen, als stammten sie aus Schuljahrbüchern: ein dürrer, hübscher Junge und zwei Töchter, eine rundlich und hübsch, die andere schlank und sportlich.
»Hatten Sie mal was mit den Mädchen?«
»Großer Gott, nein.« York war beleidigt. Ein paar Grundsätze hatte er denn doch.
Eberhart fragte nicht, ob sich sein Chef jemals an den Jungen herangemacht hatte. York hätte ihn auf der Stelle gefeuert, wenn er es getan hätte.
»Trotter blieb eine Weile Single, ehe er letztes Jahr dann wieder geheiratet hat. Nancy Stockard, Immobilienmaklerin, neununddreißig. Sie wurde vor fünf Jahren geschieden, hat einen zehn Jahre alten Sohn.« Ein neues Bild tauchte auf. »Kennen Sie die Frau?«
York sah sich das Bild an. Na, an die würde er sich schon eher heranmachen. Hübsch, der Typ Mädchen von nebenan. Wäre toll für eine Nacht. Oder zwei.
Aber dieses Glück war ihm bisher nicht beschieden gewesen. Er hätte sich an sie erinnert.
»Trotter scheint nach außen ein anständiger Kerl zu sein«, fuhr Eberhart fort. »Liebt seine Kinder, fährt sie zum Fußball und Schwimmen und zu ihren Taschengeldjobs. Modellvater, Mustergatte und guter Geschäftsmann. Hat letztes Jahr einen Haufen Geld verdient. Zahlt seine Steuern, geht sogar gelegentlich zur Kirche. So, und jetzt will ich Ihnen zeigen, was wir uns für den SP ausgedacht haben.«
Der Plan sah zwei Teams von Sicherheitsspezialisten vor, eines, das Trotter überwachte, und das andere, das als Leibwache fungierte. Es würde teuer werden; Polizisten zu mieten war nicht billig.
»Aber ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass es allzu lange dauern wird«, meinte Eberhart. Er erklärte, dass alle sieben Leute, die er für die Schutztruppe vorgesehen hatte, ehemalige Polizisten waren, die sich mit Spurensicherung und Zeugenbefragung auskannten. »Alle miteinander werden wir genügend solide Beweise zusammentragen, um ihn für lange Zeit aus dem Verkehr zu ziehen. Wir haben mehr Leute und Mittel für den Fall zur Verfügung als das Morddezernat von Scottsdale.«
Himmel, und das Honorar würde wahrscheinlich so hoch sein wie dessen Jahresetat.
York schilderte dem Mann seinen und Caroles ungefähren Tagesablauf, nannte Läden, wo sie einkauften, Restaurants und Bars, die sie regelmäßig besuchten. Er fügte hinzu, die Bewacher sollten auf Distanz bleiben, da er Carole noch nichts von der Sache gesagt habe.
»Ihre Frau weiß nichts?«
»Nein. Sie würde es wahrscheinlich nicht allzu gut auffassen. Sie wissen ja, wie Frauen sind.«
Eberhart schien nicht so genau zu wissen, was sein Boss meinte, sagte jedoch: »Wir werden tun, was wir können, Sir.«
York führte den Sicherheitsberater zur Tür und dankte ihm. Der Mann wies auf das erste Team, das in einem braunen Ford zwei Türen weiter parkte. York hatte sie nicht einmal bemerkt, als er vorhin aufmachte. Was hieß, sie verstanden ihr Handwerk.
Als Eberhart weggefahren war, ging Yorks Blick wieder zum Garten mit dem Wüstenhorizont. Er dachte daran, dass er zuvor über die Idee von Scharfschützen gelacht hatte.
Jetzt fand er es nicht mehr lustig. Er ging zurück ins Haus und schloss die Vorhänge aller Fenster, die auf den wunderbaren Wüstenblick hinausgingen.
 
Die Tage vergingen, und da es zu keinen weiteren Zwischenfällen kam, begann sich York zu entspannen. Die Wachmannschaften, die ihn und Carole beobachteten, blieben größtenteils unsichtbar, und Carole hatte keine Ahnung, dass sie beschützt wurde auf ihren wichtigen täglichen Gängen – zur Maniküre, zum Friseur, in den Club, ins Einkaufszentrum.
Das Überwachungsteam behielt Trotter unauffällig im Auge, der nichts von der Beschattung zu merken schien. Er ging seinen täglichen Geschäften nach. Ein paar Mal verschwand er vom Radar der Überwacher, aber immer nur kurz, und es hatte nicht den Anschein, als habe er sie absichtlich abgehängt. Wenn er verschwand, erhöhten die Teams für York und Carole ihre Wachsamkeit, und es kam zu keinen Zwischenfällen.
Inzwischen überprüften Lampert und Alvarado weiter die Leute auf Yorks Liste, die etwas gegen ihn haben könnten. Bei manchen wirkte es wahrscheinlich, bei anderen weniger, aber in keinem Fall führte die Spur zu einem Ergebnis.
York entschloss sich, für ein langes Wochenende nach Santa Fe zum Golfen und Shoppen zu fahren. Die Leibwachen sollten zurückbleiben, da es zu schwierig gewesen wäre, sie vor Carole zu verstecken. Eberhart war einverstanden; sie würden Trotter genau im Auge behalten, und falls er Scottsdale verließ, würde ein Team sofort nach Santa Fe fliegen, um York zu beschützen.
Das Paar brach früh auf. Der Sicherheitsberater wies York an, auf einer komplizierten Route aus der Stadt zu fahren und dann an einem bestimmten Aussichtspunkt im Osten von Scottsdale zu halten, um sich zu vergewissern, dass ihnen niemand folgte. York hielt sich strikt an die Anweisungen. Niemand folgte ihnen.
Sobald sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, richtete York den Wagen in die Morgensonne aus und lümmelte sich in den Ledersitz des Mercedes Cabrio, während der Fahrtwind ihnen das Haar zerzauste.
»Leg Musik auf, Baby«, rief er.
»Okay. Was?«
»Etwas Lautes.«
Einen Moment später dröhnten Led Zeppelin aus den Lautsprechern. York schaltete den Tempomaten aus und trat aufs Gaspedal.
 
In seinem weißen Überwachungs-Van nahe Ray Trotters rosafarbenem Lehmziegelhaus hörte Stan Eberhart sein Handy zirpen. »Ja?«
Julio, einer der Sicherheitsleute, war am Apparat. »Stan, wir haben ein Problem.«
»Schieß los.«
»Ist er schon weggefahren?«
»York? Ja, vor einer Stunde.«
»Hm.«
»Was ist los?«
»Ich bin gerade bei einem Autozubehörhändler nicht weit von Trotters Gärtnerei.«
Eberhart hatte Leute zu Läden in Trotters Umgebung geschickt. Mit Bildern bewaffnet, befragten sie das Personal nach Einkäufen, die der Mann in letzter Zeit eventuell gemacht hatte. Eberharts Leute waren natürlich nicht mehr bei der Polizei, aber ihr Boss hatte gelernt, dass Zwanzigdollarscheine ebenso viele Türen öffneten, wie es Dienstmarken taten. Wahrscheinlich mehr.
»Und?«
»Vor zwei Tagen hat ein Mann, der wie Trotter aussah, ein technisches Handbuch für Mercedes Sportwagen bestellt. Es kam gestern, und er hat es abgeholt. Gleichzeitig kaufte er einen Satz Schraubenschlüssel und Batteriesäure. Stan, das war ein Handbuch über Bremsen. Und es war etwa um die Zeit, als wir Trotter für ein paar Stunden verloren hatten.«
»Du meinst, er könnte sich an Yorks Mercedes zu schaffen gemacht haben?«
»Nicht wahrscheinlich, aber möglich. Ich denke, wir müssen davon ausgehen, dass er es getan hat.«
»Ich melde mich wieder.« Eberhart legte auf und rief umgehend York an.
»Hallo«, meldete sich eine zerstreute Stimme.
»Mr. York, es...«
»Ich bin im Augenblick nicht erreichbar. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht, ich rufe so schnell wie möglich zurück.«
Eberhart unterbrach den Anruf und versuchte es noch einmal. Bei jedem seiner fünf Versuche meldete sich nur die geistesabwesende Stimme auf der Mailbox.
York beschleunigte den Mercedes auf hundertsechzig.
»Ist das nicht affengeil?«, rief er. »Ja, ja, ja!«
»Was?«, rief Carole zurück. Das Donnern des Fahrtwinds und Robert Plants hohe Stimme ließen sie kein Wort verstehen.
»Es ist phantastisch!«
Aber sie antwortete nicht. Sie blickte mit gefurchter Stirn geradeaus. »Ich glaub, da vorn kommt eine Kurve.« Sie fügte noch etwas hinzu, das er nicht verstand.
»Was?«
»Ähm, vielleicht solltest du lieber bremsen.«
»Das Baby hier schafft jede Kurve. Kein Problem.«
»Schatz, bitte! Fahr langsamer!«
»Ich weiß selbst, wie ich fahren muss.«
Sie waren auf einer langen Geraden, kurz bevor diese steil abwärtsführte. Am Fuß der Gefällestrecke machte die Straße eine enge Kurve, um auf eine Brücke über ein tiefes Tal mit einem ausgetrockneten Flussbett einzufädeln.
»Fahr langsamer, Schatz, bitte! Schau dir diese Kurve an!«
Himmel, manchmal lohnte es sich einfach nicht, zu streiten. »Okay.«
Er nahm den Fuß vom Gas.
Und dann passierte es.
Er hatte keine Ahnung, was eigentlich los war. Plötzlich befand er sich in einem riesigen Sandwirbel, als wäre der Wagen ins Zentrum eines Tornados geraten. Der Himmel war nicht mehr zu sehen. Carole schrie und griff ans Armaturenbrett. York hielt das Lenkrad mit aller Kraft umklammert und versuchte verzweifelt, die Straße auszumachen. Alles, was er sah, war Sand, der ihm schmerzhaft ins Gesicht peitschte.
»Wir werden sterben, wir werden sterben«, heulte Carole.
Dann ertönte von irgendwo über ihnen eine blecherne Stimme. »York, stoppen Sie sofort den Wagen! Stoppen Sie den Wagen!«
Er blickte nach oben und sah den Polizeihubschrauber zehn Meter über seinem Kopf. Der Abwind seiner Rotorblätter war der Grund für den Sandsturm.
»Wer ist das?«, schrie Carole. »Wer ist das?«
»Ihre Bremsen werden versagen!«, fuhr die Stimme fort. »Fahren Sie nicht diesen Abhang hinunter!«
»Der Hurensohn!«, schrie er. »Er hat sich an den Bremsen zu schaffen gemacht.«
»Wer, Stephen? Was ist hier los?«
Der Helikopter sauste voran zur Brücke und landete – vermutlich, damit die Bergungskräfte versuchen konnten, sie zu retten, falls der Wagen verunglückte oder über die Steilwand stürzte.
Zu retten oder die Leichen zu bergen.
Er hatte noch hundertvierzig Sachen drauf, als sie die Kuppe erreichten. Die Nase des Mercedes senkte sich, und er begann schneller zu werden.
Er drückte aufs Bremspedal. Die Bremse schien zu greifen.
Aber wenn er weiterfuhr und sie versagte, konnte er nirgendwohin ausweichen außer in die Felswand oder über die Klippe. Und die Kurve schaffte er höchstens mit sechzig. Da, wo sie jetzt waren, gab es wenigstens Sand bis über das Bankett hinaus.
Stephen York umklammerte das Lenkrad fest und holte tief Luft.
»Halt dich fest!«
»Was hast du...?«
Er steuerte von der Straße.
Koffer, Wasser- und Bierdosen flogen vom Rücksitz, Carole schrie, und York bemühte sich mit aller Kraft, den Wagen auf Kurs zu halten, aber es war sinnlos. Die Reifen stellten sich quer, und der Wagen schlingerte führungslos durch den Sand. Sie verpassten knapp einen großen Felsblock und pflügten in die Wüste hinaus.
Steine und Kiesel spritzten auf die Karosserie, zogen ein Netz feiner Risse über die Windschutzscheibe und prasselten auf Stoßstange und Motorhaube wie Schrotkugeln. Gestrüpp schlug den beiden Fahrzeuginsassen ins Gesicht. Der Wagen hüpfte, schaukelte und kippte. Zweimal hätten sie sich fast überschlagen.
Sie wurden langsamer, aber immer noch sausten sie mit fast siebzig Stundenkilometern auf einen großen Felsblock zu. Inzwischen war der Sand allerdings so tief, dass überhaupt nicht mehr an ein Steuern zu denken war.
»Mein Gott, mein Gott...«, schluchzte Carole und vergrub das Gesicht in den Händen.
York trat mit dem linken Fuß voll auf die Bremse, legte den Automatikhebel auf Rückwärtsgang um und gab mit dem rechten Fuß Vollgas. Der Motor heulte auf, Sand schoss wie eine Fontäne in die Luft.
Der Wagen kam zwei Meter vor dem Felsen zum Stehen.
York legte den Kopf aufs Lenkrad. Sein Herz hämmerte wie wild, er war schweißgebadet. Und er war wütend. Warum hatten sie ihn nicht angerufen? Was sollte diese Black-Hawk-Down-Nummer?
Dann fiel sein Blick auf das Telefon. Der Schirm zeigte sieben Anrufe in Abwesenheit und fünf als dringend gekennzeichnete Nachrichten an.
Er hatte es nicht läuten hören. Der Wind, der Motor … und die verdammte Musik.
Weinend und sich den Sand vom weißen Hosenanzug bürstend, fuhr Carole ihn an: »Was ist los? Ich will es wissen, auf der Stelle.«
Und während Eberhart und Lampert sich vom Hubschrauber her näherten, erzählte er ihr die ganze Geschichte.
 
Kein Wochenendurlaub, verkündete Carole.
»Du hättest von Anfang an etwas sagen sollen.«
Sie zeigte zur Abwechslung Rückgrat.
»Ich wollte dich nicht beunruhigen.«
»Du meinst, du wolltest nicht, dass ich frage, was du getan hast und wofür sich jetzt jemand rächen will.«
»Ich...«
»Bring mich nach Hause. Sofort.«
Sie kehrten schweigend in einem Mietwagen nach Scottsdale zurück; der Mercedes war von der Polizei abgeschleppt worden. Sie wollten nach Beweisen suchen, dass sich jemand an ihm zu schaffen gemacht hatte, und er musste außerdem in Reparatur. Eine Stunde nachdem sie zur Haustür hineingegangen war, spazierte Carole mit einem Koffer in der Hand wieder hinaus, um vorzeitig zu ihrem Familienurlaub in Los Angeles aufzubrechen.
York war insgeheim erleichtert, dass sie ging. Er konnte sich nicht gleichzeitig mit Trotter und den Launen seiner Frau herumschlagen. Er kehrte ins Haus zurück, überprüfte die Schlösser an sämtlichen Türen und Fenstern und verbrachte den Abend mit einer Flasche Johnnie Walker und HBO.
 
Zwei Tage später trainierte York gegen siebzehn Uhr gerade in dem Fitnessstudio, das er sich in einem Schlafzimmer eingerichtet hatte – er mied den Club und seine tödliche Sauna -, als es an der Tür läutete. Er griff nach der Pistole, die er nun immer im Eingangsbereich aufbewahrte, und spähte hinaus. Es war Eberhart. Drei Schlösser und einen Türriegel später winkte er den Sicherheitsberater herein.
»Es gibt etwas, das Sie wissen sollten. Ich hatte gestern zwei Teams an Trotter dran. Er ist am Mittag zu einer Matinee in ein Multiplexkino gegangen.«
»Und?«
»Es gibt eine Regel: Wenn eine Person, die überwacht wird, allein ins Kino geht... das ist verdächtig. Also verglichen die Teams ihre Aufzeichnungen. Fünfzehn Minuten, nachdem Trotter hineingegangen war, kam anscheinend dieser Typ in einem Overall mit ein paar Abfalleimern heraus. Etwas mehr als eine Stunde später dann tauchte ein Lieferant in einer Uniform mit einer großen Kiste am Kino auf. Mein Mann hat aber mit dem Chef des Ladens gesprochen. Normalerweise bringen seine Arbeiter den Müll zum ersten Mal gegen fünf oder sechs raus. Und es gab keine Lieferungen an diesem Tag.«
York verzog das Gesicht. »Dann ist er Ihnen also für eine Stunde entwischt. In dieser Zeit hätte er alles Mögliche machen können.«
»Er hat sein Auto nicht benutzt. Wir hatten es bewacht. Und wir haben bei den Taxiunternehmen nachgefragt. Niemand hat für diese Zeit eins in die Gegend bestellt.«
»Dann ist er also zu Fuß irgendwohin gegangen?«
»Ja, und wir sind uns ziemlich sicher, wohin. Southern States Chemical liegt zehn Gehminuten von dem Multiplex entfernt. Und wissen Sie, was interessant ist?« Er schaute in seine Notizen. »Sie stellen Akrylonitril, Methyl, Methakrylat und Adiponitril her.«
»Was ist das denn für Zeug?«
»Industriechemikalien. Für sich genommen sind sie nichts Besonderes. Worauf es ankommt, ist, dass man Wasserstoffzyanid aus ihnen machen kann.«
»Großer Gott. Wie das Gift?«
»Wie das Gift. Und einer meiner Leute hat sich Southern States angesehen. Es gibt keine Sicherheitsmaßnahmen. Dosen von den Chemikalien standen draußen im Freien herum, direkt an der Laderampe. Trotter hätte reinmarschieren und genug für eine Portion Gift nehmen können, mit der man ein Dutzend Leute umbringen kann, und niemand hätte ihn gesehen. Und raten Sie, wer die Außenanlagen der Firma gärtnerisch gestaltet hat?«
»Trotter.«
»Er wusste also über die Chemikalien Bescheid und wo sie aufbewahrt werden.«
»Könnte das jeder machen? Das Zyanid?«
»Anscheinend ist es nicht so schwer. Und Trotter als Gärtner sollte sich mit Chemikalien und Kunstdünger auskennen. Und vergessen Sie nicht, er war auch in der Armee, im ersten Golfkrieg. Viele von den Jungs dort haben Erfahrungen mit chemischen Waffen gesammelt.«
Der Geschäftsmann schlug mit der Hand auf die Küchentheke. »Verdammt noch mal. Er hat also dieses Gift, und ich werde nie wissen, ob er es irgendwie in mein Essen geschmuggelt hat. Himmel.«
»Nun, das stimmt nicht ganz«, sagte Eberhart in vernünftigem Ton. »Ihr Haus ist sicher. Wenn Sie abgepacktes Essen kaufen und in Restaurants vorsichtig sind, können Sie das Risiko beherrschen.«
Das Risiko beherrschen...
Angewidert kehrte York in die Eingangshalle zurück, schnappte sich das FedEx-Päckchen mit einer Lieferung seiner Zigarren, das am Morgen eingetroffen war, und riss es auf. Er marschierte in die Küche und wickelte die Zigarren aus. »Ich kann nicht einmal mehr aus dem Haus gehen, um meine Zigarren zu kaufen. Ich bin ein Gefangener, so sieht es aus.« Dann wühlte er in einer Schublade nach einem Zigarrenschneider, fand einen und knipste das Ende der Macanudo ab. Er steckte sie wütend in den Mund, entzündete ein Feuerzeug und führte es an das Zigarrenende.
»Nein!«, schrie eine Stimme im selben Moment.
Erschrocken griff York nach seiner Pistole. Doch ehe er sie erreicht hatte, wurde er von hinten angefallen und zu Boden gerissen, dass ihm die Luft wegblieb.
Keuchend und unter Schmerzen rappelte er sich halb auf, blickte sich voller Angst um – und sah keine Bedrohung. »Was machen Sie da?«, schrie er den Sicherheitsmann an.
Eberhart erhob sich schwer atmend und zog seinen Boss auf die Beine. »Tut mir leid... Ich musste Sie aufhalten... die Zigarre.«
»Die...?«
»Zigarre. Rühren Sie sie nicht an.«
Der Leibwächter griff sich mehrere Plastiktüten. In eine legte er die Zigarre. In die andere den FedEx-Umschlag. »Als ich Sie für den Sicherheitsplan nach Läden fragte, die Sie regelmäßig besuchen, sagten Sie, dass Sie Ihre Zigarren in Phoenix kaufen, richtig?«
»Ja. Und?«
Eberhart hielt ihm den FedEx-Aufkleber hin. »Die hier wurden von einem Postal Plus im Einkaufszentrum von Sonora Hill geschickt.«
York überlegte. »Das ist in der Nähe...«
»Es ist drei Gehminuten von Trotters Firma entfernt. Er hätte den Laden anrufen und herausfinden können, wann Sie welche bestellt haben. Dann kaufte er selbst welche und behandelte sie. Ich komme später mit einem mobilen Testlabor, dann werden wir sehen.«
»Muss ich nicht... Ich meine, muss man Zyanid nicht essen, damit es einen umbringt?«
»Oh, oh.« Der Sicherheitsexperte schnupperte sorgfältig an der Tüte. »Zyanid riecht nach Mandeln.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht sagen. Vielleicht überdeckt der Tabak den Geruch.«
»Mandeln«, flüsterte York. »Mandeln...« Er roch an seinen Fingern und begann sich hektisch die Hände zu waschen.
Ein längeres Schweigen trat ein.
York rieb sich die Haut mit Papiertaschentüchern und sah Eberhart an.
»Was ist?«, fragte er barsch.
»Ich glaube, es ist Zeit, den Plan zu ändern.«
 
Am folgenden Tag parkte York seinen gemieteten Mercedes auf dem heißen, staubigen Parkplatz der Polizeizentrale von Scottsdale. Er sah sich nervös nach Trotters Wagen um – einem dunkelblauen Lexus, wie er in Erfahrung gebracht hatte. Er sah ihn nicht.
York stieg aus; er hatte Plastiktüten mit dem Umschlag von FedEx, den Zigarren und Lebensmitteln aus seiner Küche dabei. Er trug sie in das Polizeigebäude, wo es wegen einer übereifrigen Klimaanlage kalt war.
In einem Besprechungsraum im Erdgeschoss traf er vier Männer an, die Partner Lampert und Alvarado sowie Stan Eberhart und einen Mann, der exakt dieselbe Kleidung wie York trug und die gleiche Statur besaß. Der Mann stellte sich als Peter Billings vor, ein verdeckt arbeitender Polizist.
»Was dagegen, Mr. York, wenn ich Ihren Pool und die heiße Wanne benutze, solange ich Ihre Rolle spiele?«
»Meine...«
»War nur Spaß«, sagte Billings.
»Ach so«, erwiderte York humorlos und wandte sich an Lampert. »Hier sind Sie.«
Der Detective nahm die Tüten und warf sie achtlos auf einen Stuhl. Einem Test zufolge, den Eberhart bei York durchgeführt hatte, enthielten weder die Zigarren noch irgendwelche Lebensmittel Gift. Dass er sie – mutmaßlich unter den Augen des rachsüchtigen Mr. Trotter – hierher brachte, war jedoch ein wichtiger Bestandteil ihres Plans. Trotter musste für rund eine Stunde glauben, sie seien überzeugt, dass er York vergiften wolle.
Nachdem die Tests negativ gewesen waren, hatte Eberhart gefolgert, dass Trotter die ganze Zyanid-Geschichte inszenierte; die Polizei sollte nur glauben, dass er vorhatte, York zu vergiften. Warum? Ein Ablenkungsmanöver natürlich. Wenn sich die Polizei sicher war, die beabsichtigte Methode des Anschlags zu kennen, würde sie sich darauf vorbereiten statt auf die tatsächlich geplante.
Wie aber sah die aus? Wie wollte Trotter in Wirklichkeit York angreifen?
Eberhart hatte einen extremen Schritt unternommen, um das herauszufinden: Er war in Trotters Haus eingebrochen. Während der Gärtnereibesitzer, seine Frau und die Kinder unterwegs waren, hatte Eberhart Alarmanlage und Überwachungskamera funktionsuntüchtig gemacht und das Büro des Mannes sorgfältig durchsucht. Im Schreibtisch versteckt fand er Bücher über Sabotage und Überwachung. Zwei Seiten waren mit Post-its markiert, bei Kapiteln, wie man Propangastanks in Bomben verwandelte und Fernzünder herstellte. Er fand außerdem einen anderen Hinweis: einen Zettel, auf dem »Rodriguez Gartenbedarf« stand.
Genau dorthin fuhr Stephen York jeden Samstagnachmittag, um die Propangasflaschen seines Grills auszutauschen. Eberhart war überzeugt, dass Trotters Plan darin bestand, die Polizei mit einem Giftanschlag rechnen zu lassen, während er tatsächlich eine »versehentliche« Explosion herbeiführen wollte, nachdem York die neuen Propangasbehälter abgeholt hatte. Der Sicherheitsberater konnte mit dieser Information jedoch nicht zur Polizei gehen – sonst hätte er zugeben müssen, dass er unberechtigt bei Trotter eingedrungen war -, deshalb erzählte er Lampert nur, er habe von einer Quelle erfahren, Trotter erkundige sich nach Propangasflaschen und danach, wo York sie kaufe. Es gab keine Hinweise, die einen Durchsuchungsbefehl gerechtfertigt hätten, aber der Detective willigte widerstrebend in Eberharts Plan ein, Trotter auf frischer Tat zu ertappen. Zunächst würden sie es so aussehen lassen, als glaubten sie an die Zyanid-Bedrohung. Da Trotter wahrscheinlich wusste, dass York jeden Samstag um die Mittagszeit zu Rodriguez fuhr, sollte der Geschäftsmann die Zigarren und Lebensmittel um diese Zeit zur Polizei bringen, offenkundig, um sie testen zu lassen, womit sie mehrere Stunden beschäftigt wären. Trotter würde ihm folgen. York würde inzwischen weiterfahren und einige Erledigungen machen, unter anderem eben einen neuen Propangasbehälter holen. Nur dass nicht Stephen York in dem Wagen sitzen würde, sondern Peter Billings, sein Double. Billings würde eine neue Propangasflasche von Rodriguez holen – eine leere allerdings, aus Sicherheitsgründen – und in seinem Wagen verstauen. Dann würde er wieder zurück in den Laden gehen, um herumzustöbern, während Lampert und sein Team darauf warteten, dass Trotter etwas unternahm.
»So, wo bleibt unser Knabe?«, fragte Lampert seinen Partner.
Alvarado erklärte, dass Trotter etwa um dieselbe Zeit von zu Hause aufgebrochen war wie York und in dieselbe Richtung fuhr. Sie hatten ihn vorübergehend im Verkehr verloren, ihn dann aber auf dem Parkplatz eines Lebensmittelsupermarkts namens »Whole Food« wiedergefunden, von dem aus Rodriguez zu Fuß erreichbar war. Ein Beamter hatte ihn in dem Supermarkt gesehen.
Lampert rief die anderen Akteure in ihrem abgekarteten Spiel an. »Es geht los«, verkündete er.
Billings stieg als Verkörperung von York in den Wagen und fädelte sich in den Verkehr ein. Eberhart und York setzten sich in eines der Verfolgungsfahrzeuge und fuhren ihm nach, allerdings mit weitem Abstand, sodass Trotter sie nicht bemerken würde, falls er Billings tatsächlich folgte.
Zwanzig Minuten später hielt der Undercoverpolizist vor Rodriguez’ Gartenbedarf, und Eberhart und York parkten auf dem Parkplatz einer Mini-Mall, eine Straße entfernt. Lampert und die Teams bezogen nicht weit entfernt Stellung. »Okay«, funkte Billings mit Hilfe seines versteckten Mikros, »ich gehe rein und hol die Flasche.«
York und Eberhart beugten sich vor, um zu sehen, was passierte. York konnte seinen Mercedes so eben noch erkennen.
»Irgendwas von Trotter zu sehen?«, rief Lampert über Funk.
»Ist noch nicht wieder aus dem Whole Food gekommen«, tönte es aus dem Lautsprecher des eingebauten Funkgeräts.
Einen Augenblick später meldete sich Billings. »An alle Einheiten. Habe die falsche Gasflasche in den Wagen geladen. Auf den Rücksitz. Ich geh jetzt wieder rein.«
Eine Viertelstunde später hörte York die drängende Stimme eines Polizisten. »Ich hab was... Typ mit Hut und Sonnenbrille, könnte Trotter sein, nähert sich dem Mercedes von Osten. Er hat eine Einkaufstüte in einer Hand und einen Gegenstand in der anderen. Sieht aus wie ein kleiner Computer. Vielleicht ein Zünder. Oder die Sprengladung selbst.«
Der Sicherheitsspezialist nickte York auf dem Sitz neben ihm zu und sagte: »Da haben wir’s.«
»Ich sehe ihn«, meldete ein anderer Polizist.
Der Überwachungsbeamte fuhr fort: »Er sieht sich um … Moment... Okay, der Verdächtige ist gerade an Yorks Wagen vorbeigegangen. Ich konnte es nicht genau sehen, aber er hat innegehalten. Er könnte etwas unter den Wagen geworfen haben. Jetzt überquert er die Straße... Er geht ins Miguel’s.«
»Von dort wird er die Sprengladung zünden«, funkte Lampert. »Okay, Leute, wir sperren die Straße. Ein Undercoveragent soll zu Miguel’s hineingehen und ihn überwachen.«
Eberhart sah York mit hochgezogener Augenbraue an und lächelte. »Jetzt haben wir ihn.«
»Hoffentlich«, kam die nervöse Antwort.
Langsam rückten nun andere Beamte vor, sie hielten sich dicht an die Gebäude links und rechts von Miguel’s Bar and Grill, wo Trotter darauf warten würde, dass »York« zum Wagen zurückkehrte, um die Sprengladung zu zünden und ihn verbrennen zu lassen.
Eine neue Stimme kam aus dem Funkgerät. »Ich bin im Miguel’s«, flüsterte der zweite verdeckte Beamte. »Ich sehe das Subjekt auf einem Hocker am Fenster, er schaut hinaus. Keine Waffen in Sicht. Er hat das Ding, das er vorhin getragen hat, aufgeklappt – ein kleiner Laptop oder so etwas, mit einer Antenne dran. Eben hat er etwas getippt. Ich vermute, die Sprengvorrichtung ist scharf.«
»Roger«, funkte Lampert. »Wir sind in Position. Drei Mann hinter Miguel’s, zwei davor. Die Straße ist gesperrt und Rodriguez geräumt; wir haben alle Leute zum Hinterausgang hinausgeschafft. Wir sind bereit für den Zugriff.«
In Eberharts Wagen trommelte der Sicherheitsmann unablässig mit den Fingerkuppen auf das Lenkrad.
York versuchte, das nervtötende Geräusch auszublenden. Würde Trotter Widerstand leisten?, fragte er sich. Vielleicht würde er von Panik erfasst und -
Er fuhr zusammen, als sich Eberharts Hand um seinen Arm krallte. Der Leibwächter blickte stirnrunzelnd in den Rückspiegel. »Was ist das?«
York drehte sich um. Auf dem Kofferraum stand eine kleine Einkaufstasche. Jemand hatte sie dort hingestellt, während sie auf den Mercedes gestarrt hatten.
»Hier ist Eberhart. Alle Einheiten in Wartestellung.«
»Was ist los, Stan?«, fragte Lampert.
»Er hat uns reingelegt!«, sagte Eberhart atemlos. »Er hat nichts unter dem Mercedes deponiert. Oder wenn, dann gibt es eine zweite Sprengvorrichtung auf unserem Wagen. Sie ist in einer Tasche von Whole Food, einer kleinen. Wir steigen aus!«
»Negativ! Negativ!«, rief eine andere Stimme aus dem Funkgerät. »Hier ist Grimes von der Bombeneinheit. Die Vorrichtung könnte einen Druck- oder Schaukelschalter haben. Die kleinste Bewegung könnte sie auslösen. Rühren Sie sich nicht vom Fleck, wir schicken einen Mann rüber.«
»Es war eine doppelte Finte«, murmelte Eberhart. »Erst hat er uns mit dem Gift in die Irre geführt und dann mit einer falschen Bombe am Mercedes. Er hat uns die ganze Zeit beobachtet und uns absichtlich in diese Situation manövriert … Großer Gott.«
»Alle Einheiten«, rief Lampert, »Wir gehen zu Miguel’s rein. Lasst ihn den Zünder nicht betätigen.«
Eberhart bedeckte das Gesicht mit seinem Sakko.
Stephen York hatte seine Zweifel, dass man sich auf diese Weise wirkungsvoll vor einer explodierenden Gasflasche schützen konnte. Aber er tat genau das Gleiche.
»Fertig?«, flüsterte Lampert Alvarado und den anderen zu, die vor der Hintertür von Miguel’s kauerten.
Nicken ringsum.
»Dann los.«
Sie stürmten mit erhobenen Pistolen und Maschinenpistolen durch die Tür, während andere Beamte zum Vordereingang in das Lokal eindrangen. Sobald Lampert in der Bar war, nahm er Trotters Kopf ins Visier, bereit, abzudrücken, falls der Mann eine Bewegung zum Detonator machte.
Doch wie die übrigen Gäste drehte sich der Verdächtige beim Lärm der Beamten lediglich beunruhigt um und runzelte neugierig die Stirn.
»Hände hoch! Sie, Trotter, keine Bewegung, keine Bewegung!«
Der Gartenbauunternehmer taumelte mit entsetzt aufgerissenen Augen von seinem Hocker und hob die Hände.
Ein Beamter der Sprengstoffeinheit trat zwischen Trotter und den Zünder und betrachtete das Gerät sorgfältig, während die Männer des Einsatzkommandos den Verdächtigen auf den Boden warfen und ihm Handschellen anlegten.
Der Detective rief in sein Mikrofon: »Wir haben ihn! Sprengstoffeinheiten eins und zwei – fahren Sie mit der Sicherungsoperation fort!«
 
Im Wagen herrschte absolute Stille. Eberhart und York bemühten sich, reglos zu verharren, aber York erschien es, als müsse das Hämmern seines Herzens ausreichen, um die Bombe hochgehen zu lassen.
Sie hatten erfahren, dass Trotter festgenommen worden war und die Bombe nicht mehr zünden konnte. Aber immer noch konnte die Sprengvorrichtung mit einem Erschütterungsauslöser versehen sein. Eberhart hatte York die letzten fünf Minuten darüber belehrt, wie empfindlich manche Zünder einer Bombe sein konnten – bis York ihm befohlen hatte, verdammt noch mal den Mund zu halten.
Der Geschäftsmann lugte unter seinem Sakko hervor und beobachtete im Seitenspiegel, wie sich ein Polizist im grünen Bombenanzug langsam dem Wagen näherte. Durch die blechernen Lautsprecher des Funkgeräts hörten sie: »Eberhart, York, halten Sie sich absolut still.«
»Klar«, flüsterte Eberhart heiser und fast ohne die Lippen zu bewegen.
York sah den Bombenexperten an den Wagen treten und in die Tüte blicken. Er holte eine Taschenlampe hervor, richtete sie nach unten und untersuchte mit einer Art hölzernem Essstäbchen vorsichtig den Inhalt der Tüte.
Durch den Lautsprecher erklang etwas wie ein entsetztes Luftanhalten.
York krümmte sich innerlich.
Aber das Geräusch war kein entsetztes Luftanhalten.
Es war ein Lachen. Dann sagte der Mann: »Abfall.«
»Es ist was?«
Der Beamte nahm seinen Helm ab und ging zur Vordertür des Wagens. York ließ mit zitternden Fingern das Fenster hinunter.
»Abfall«, wiederholte der Mann. »Die Reste eines Mittagessens. Es gab Sushi, Kartoffelchips und einen Schokodrink. Keine Mahlzeit, die mir schmecken würde.«
»Abfall?«, kam Lamperts Stimme barsch durch das Funkgerät.
»Definitiv.«
Sprengstoffeinheit eins rief durch; eine Suche rund um Yorks Mercedes hatte nichts außer einem zerknüllten Pappbecher zutage gefördert, den Trotter möglicherweise dorthin geworfen hatte oder aber jemand anderes.
York wischte sich über das Gesicht und stieg aus dem Wagen. »Verdammt noch mal«, sagte er und stützte sich am Rahmen ab, »er hat uns vorgeführt. Reden wir mal ein Wörtchen mit dem Schweinehund.«
 
Lampert blickte auf und sah Eberhart und York wütend in das Restaurant marschieren. Die Gäste widmeten sich inzwischen wieder ihren Mahlzeiten und fanden sichtlich Gefallen an dem fernsehreifen Auftritt der Gesetzeshüter.
Der uniformierte Beamte, der Trotter gerade durchsucht hatte, meldete Lampert: »Brieftasche, Schlüssel, Geld. Sonst nichts.«
Ein weiterer Beamter des Sprengstofftrupps hatte vorsichtig den »Zünder« untersucht und berichtet, sie hätten sich geirrt; es war nur ein kleiner Laptop. Während York die Information noch verdaute, erschien ein Beamter in Zivil in der Tür. »Wir haben Trotters Wagen durchsucht«, sagte er. »Kein Sprengstoff.«
»Sprengstoff?«, fragte Trotter und furchte die Stirn.
»Werden Sie jetzt mal nicht komisch«, sagte Lampert.
»Aber eine leere Propangasflasche lag im Wagen«, fügte der Beamte an. »Von Rodriguez.«
»Sie muss aufgefüllt werden«, merkte Trotter an. »Ich fahre dafür immer zu Rodriguez, ich wollte es gleich nach dem Essen erledigen.« Er nickte in Richtung Speisekarte. »Haben Sie die Tamales hier schon einmal probiert? Es sind die besten der Stadt.«
»Sie haben uns an der Nase herumgeführt«, murmelte York. »Sie haben uns glauben lassen, Ihr Abfall sei eine Bombe.«
Ein kaltes Lächeln huschte über das Gesicht des Unternehmers. »Wieso dachten Sie eigentlich, dass ich eine Bombe habe?«
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann wandte sich Lampert an Eberhart, der den Blicken der Anwesenden auswich.
Trotter wies mit einem Kopfnicken auf den Computer. »Drücken Sie die Enter-Taste.«
»Was?«, fragte Lampert.
»Die Enter-Taste.«
Lampert zögerte und betrachtete den Laptop.
»Es ist keine Bombe. Und selbst, wenn es eine wäre, glauben Sie, ich würde mich mit in die Luft sprengen?« Der Detective drückte die Taste.
»O mein Gott«, murmelte Eberhart, als ein Video auf dem kleinen Schirm erschien.
Es zeigte den Sicherheitsexperten beim Durchstöbern eines Büros.
»Sind Sie das, Stan?«, fragte Lampert.
»Ich...«
»Er ist es«, sagte Trotter. »Bei mir zu Hause, in meinem Büro.«
»Sie sagten doch, Sie hätten von einer Ihrer Quellen erfahren, dass sich Trotter nach Yorks Einkaufsgewohnheiten und nach Propangasflaschen erkundigt habe.«
Eberhart sagte nichts.
»Ich wollte nach dem Essen beim Polizeirevier vorbeifahren und die CD abliefern«, erklärte Trotter. »Aber da Sie schon mal hier sind... Sie gehört Ihnen.«
Die Beamten beobachteten, wie Eberhart Trotters Schreibtisch durchwühlte.
»Das nennt man dann wohl Einbruch, nicht wahr«, sagte Trotter. »Und unbefugte Störung meiner Privatsphäre dazu. Und für den Fall, dass Sie gerade fragen wollten: Jawohl, ich werde Anzeige erstatten. In jedem Umfang, den das Gesetz zulässt.«
»Aber ich habe...«, stammelte der Sicherheitsexperte.
»Sie haben was?«, sprang Trotter ein. »Den Strom abgeschaltet? Und die Ersatzbatterie dazu? Tja, aber dank Mr. York fühlte ich mich in letzter Zeit ein bisschen unsicher. Ich habe zwei Batterien für den Notfall.«
»Sie sind in sein Haus eingebrochen?«, fragte Stephen York Eberhart und sah schockiert aus. »Davon haben Sie mir nichts gesagt.«
»Sie gottverdammter Judas!«, brach es aus Eberhart heraus. »Sie wussten genau, was ich tat. Sie waren einverstanden. Sie wollten, dass ich es tue!«
»Ich schwöre«, sagte York, »das ist das Erste, was ich darüber höre.«
Lampert schüttelte den Kopf. »Warum haben Sie das bloß getan, Stan? Ich hätte ja über einiges hinwegsehen können, aber Einbruch? Wirklich dumm.«
»Ich weiß, ich weiß«, antwortete Eberhart und blickte zu Boden. »Aber wir wollten den Kerl unbedingt kriegen. Er ist gefährlich. Er hat Bücher über Sabotage und Überwachung besorgt … Bitte, Bill, können Sie nicht ein Auge zudrücken?«
»Tut mir leid, Stan.« Er nickte einem uniformierten Beamten zu, der dem Sicherheitsberater Handschellen anlegte. »Bringen Sie ihn ins Untersuchungsgefängnis.«
»Falls es Sie interessiert«, rief ihm Trotter hinterher, »diese Bücher über Bomben und alles – die brauche ich zur Recherche. Ich versuche mich nämlich gerade an einem Krimi. Das scheint heutzutage ja jeder zu tun. Ein paar Kapitel finden sich in diesem Computer hier, Sie können nachsehen, wenn Sie mir nicht glauben.«
»Sie lügen!«, sagte York und wandte sich dann an Lampert. »Sie wissen, warum er das getan hat, oder? Es gehört alles zu seinem Plan.«
»Mr. York, Sie...«
»Nein, nein, denken Sie darüber nach. Erst legt er meinen Sicherheitsexperten rein, um ihn loszuwerden, sodass ich ungeschützt bin. Dann inszeniert er die ganze Geschichte hier mit der falschen Bombe, um Ihre Vorgehensweise kennenzulernen – das Sprengstoffkommando, wie viele Beamte Sie haben, wer Ihre Undercoverleute sind.«
»Haben Sie eine Tüte von Whole Food auf dem Kofferraum von Mr. Eberharts Wagen abgestellt, Mr. Trotter?«, fragte Alvarado.
»Nein. Wenn Sie glauben, ich hätte es getan, warum prüfen Sie die Tüte nicht auf Fingerabdrücke?«
York deutete auf Trotters Tasche. »Handschuhe, schauen Sie! Es wird keine Fingerabdrücke geben. Wieso trägt er bei dieser Hitze Handschuhe?«
»Ich bin Gärtner. Ich trage für gewöhnlich Handschuhe bei der Arbeit, wie die meisten meiner Kollegen... Ich muss sagen, ich habe diese ganze Sache langsam ziemlich satt. Nur weil ein Tagelöhner irgendetwas erzählt hat, bilden Sie sich ein, dass ich ein Killer oder so bin. Ich habe es satt, dass in mein Haus eingebrochen wird und dass man mich die ganze Zeit beobachtet. Ich denke, es ist Zeit, meinen Anwalt anzurufen.«
York trat wütend vor. »Sie lügen! Sagen Sie mir, warum Sie das tun! Sagen Sie es mir, verdammt noch mal! Ich habe an alles zurückgedacht, was ich in meinem Leben je an Schlechtem getan habe. Und ich meine wirklich alles. An den Obdachlosen, dem ich riet, sich einen Job zu suchen, als er mich um einen Vierteldollar fragte, das Mädchen hinter der Theke, das ich ein fettes Schwein nannte, weil es mir das falsche Essen gegeben hatte, den Hotelboy, dem ich kein Trinkgeld gab, weil er kein Englisch konnte... Jede gottverdammte Kleinigkeit! Ich habe mein ganzes Leben unter ein Mikroskop gelegt. Aber ich weiß nicht, was ich Ihnen getan habe. Sagen Sie es mir. Sagen Sie es!« Er war rot im Gesicht, die Adern traten hervor, und er ballte die Fäuste neben dem Körper.
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Trotter hob die Hände, die noch immer in Handschellen steckten.
Der Detective traf eine Entscheidung. »Nehmt sie ihm ab.« Ein Streifenbeamter sperrte die Fesseln auf.
York war nass geschwitzt. »Nein!«, sagte er zu Lampert. »Das gehört alles zu seinem Plan!«
»Ich neige dazu, ihm zu glauben. Ich denke, Diaz hat die ganze Sache erfunden.«
»Aber die Sauna...«, begann York.
»Denken Sie doch darüber nach. Nichts ist passiert. Und mit den Bremsen an Ihrem Mercedes war alles in Ordnung. Wir haben den Bericht gerade bekommen.«
»Aber das Reparaturhandbuch. Er hat eins gekauft!«
»Bremsen?«, fragte Trotter.
»Sie haben ein Buch über Mercedesbremsen gekauft«, sagte York. »Leugnen Sie es nicht.«
»Warum sollte ich es leugnen? Rufen Sie die Zulassungsstelle an. Ich habe vor einer Woche eine alte Mercedeslimousine erstanden. Sie braucht neue Bremsen, und das erledige ich selbst. Tut mir leid, Mr. York, aber ich glaube, Sie brauchen professionelle Hilfe.«
»Nein, er hat das Auto nur als Tarnung gekauft«, tobte York. »Sehen Sie ihn an! Schauen Sie in seine Augen! Er wartet nur auf eine Gelegenheit, mich zu töten.«
»Ein Auto als Tarnung gekauft?«, sagte Alvarado und sah seinen Chef an.
Lampert seufzte. »Mr. York, wenn Sie so überzeugt sind, in Gefahr zu sein, dann schlage ich vor, Sie engagieren sich einen neuen Babysitter. Ich habe offen gestanden keine Zeit mehr für diese Spiele.« Er wandte sich an sein Team. »Okay, Leute, packen wir zusammen. Wir haben noch ein paar echte Fälle zu erledigen.«
Der Detective sah den Barkeeper mit Trotters Tamales in der Nähe warten. Er nickte, und der Mann brachte sie dem Gartenbauunternehmer, der eine Serviette auf seinem Schoß ausbreitete.
»Gut?«, fragte er.
»Die besten«, antwortete Trotter.
Lampert nickte. »Tut mir leid wegen der ganzen Sache.«
Trotter zuckte mit den Achseln. Seine Stimmung schien plötzlich umzuschlagen. Er wandte sich lächelnd an York, der eben zur Tür hinausging, und rief: »Hey.«
Der Geschäftsmann blieb stehen und drehte sich um.
»Viel Glück«, sagte Trotter. Dann begann er zu essen.
 
Um zehn Uhr abends drehte Ray Trotter zu Hause seine Runde, um wie immer seinen Kindern und dem Stiefsohn gute Nacht zu sagen. (Seine jüngere Tochter bezeichnete ihn scherzhaft als »Serien-Gute-Nacht-Täter«.)
Dann duschte er und ging zu Bett, wo er auf Nancy wartete, die noch den Abwasch fertig machte. Kurz darauf gingen die Lichter in der Küche aus, und seine Frau kam an der Tür vorbei. Sie lächelte ihm zu und ging weiter ins Bad.
Einen Augenblick später hörte er die Dusche. Er mochte das Rauschen des Wassers. Sicher, er war jetzt ein Wüstenbewohner, aber er hatte noch immer eine Vorliebe für die Geräusche des feuchten Nordostens.
In ein halbes Dutzend dicker Kissen gestützt, dachte er über die Ereignisse des Tages nach, vor allem über den Zwischenfall bei Miguel.
An Stephen York, mit seinem geröteten Gesicht und der Furcht im Blick. Er hatte völlig die Beherrschung verloren. Er hatte getobt wie ein Verrückter.
Und er hatte außerdem natürlich hundertprozentig Recht gehabt. Ray Trotter hatte tatsächlich all das getan, was ihm York vorwarf – angefangen damit, dass er Diaz wegen der Alarmanlage angesprochen hatte, bis zu der Tatsache, dass er den Abfall auf den Kofferraum von Eberharts Wagen gestellt hatte.
Klar hatte er das alles getan.
Aber er hatte nie die Absicht gehabt, York auch nur ein Haar auf dem gestylten Kopf zu krümmen.
Er hatte Diaz nach Yorks Alarmanlage befragt, aber am nächsten Tag hatte er den Arbeiter anonym wegen Drogen angezeigt (Ray hatte gesehen, wie er anderen Angestellten seiner Firma Pot verkaufte), in der Hoffnung, er würde der Polizei von Rays Erkundigungen erzählen. Er hatte die Bücher über Sabotage gekauft, ebenso wie das über Mercedesbremsen, aber er dachte keine Sekunde daran, eine Bombe zu bauen oder sich am Wagen des Investmentbankers zu schaffen zu machen. Die Keile in der Sauna wollte er nie benutzen. Und er beabsichtigte nicht, aus den Chemikalien von Southern States Zyanid herzustellen. Er hatte eine Ladung Zigarren geschickt – sehr gute, übrigens, und absolut giftfrei. Selbst die Berichte des Psychologen in seiner Akte bei der Veteranenverwaltung waren Rays eigene Schöpfung. Er war zu der Behörde gegangen, hatte um Einsicht in seine Akte gebeten und mehrere Blätter mit Aufzeichnungen hineingeschmuggelt, die scheinbar ein Therapeut vor Jahren bei Sitzungen mit ihm gemacht hatte und die seine »schwierigen Jahre« nach der Militärzeit dokumentierten. Der ganze Bericht war frei erfunden.
O ja, sein Herz brannte auf Rache an Stephen York. Aber er zahlte es ihm nicht heim, indem er körperlich Vergeltung übte; er tat es einfach, indem er den Mann glauben machte, dass Trotter ihn töten wolle – und so gewährleistete, dass York lange, lange Zeit in Elend und Verfolgungswahn verbrachte und darauf wartete, dass es endlich passierte: Dass sein Wagen explodierte, seine Benzinleitung leckte oder ein Schuss die Fenster seines Schlafzimmers zerspringen ließ.
War das nur ein Magenkrampf – oder das erste Symptom einer Arsenvergiftung?
Und welche Kränkung hatte Ray nun in einen Racheengel verwandelt?
Ich weiß nicht, was ich Ihnen getan habe. Sagen Sie es mir, sagen Sie es...
Zu Rays Erstaunen und Erheiterung hatte York tatsächlich am Nachmittag bei Miguel’s genau die betreffende Verfehlung erwähnt.
Ray dachte nun an jenen Herbsttag vor zwei Jahren zurück. Seine Tochter Celeste war mit bekümmerter Miene von ihrem Nachmittagsjob zurückgekehrt.
»Was ist los?«, hatte er gefragt.
Die Sechzehnjährige hatte nicht geantwortet, sondern war sofort auf ihr Zimmer gegangen und hatte die Tür abgeschlossen. Es war die Zeit kurz nach dem Tod ihrer Mutter gewesen; gelegentliche Launenhaftigkeit war nichts Ungewöhnliches. Ray hatte jedoch hartnäckig nachgebohrt, und sie hatte ihm erzählt, warum sie so aus dem Häuschen war: Es war ein Zwischenfall während ihrer Schicht bei McDonald’s gewesen.
Celeste gestand, dass sie versehentlich zwei Bestellungen durcheinander gebracht und einem Mann statt eines Big Macs ein Chicken Sandwich gegeben hatte. Er war gegangen, ohne den Irrtum zu bemerken, aber nach fünf Minuten wiedergekommen und an die Theke marschiert. Er hatte das schwergewichtige Mädchen von Kopf bis Fuß gemustert und es angefahren: »Du bist also nicht nur ein fettes Schwein, sondern auch noch dumm. Ich will den Manager sprechen. Sofort!«
Celeste hatte sich bemüht, gelassen zu bleiben, aber als sie die Geschichte ihrem Vater erzählte, war ihr eine einzelne Träne über die Wange gelaufen. Ray hatte der Anblick das Herz gebrochen. Am nächsten Tag hatte er von dem Manager die Identität des Mannes erfahren und sich den Namen Stephen York fest eingeprägt.
Eine einzelne Träne …
Manche Leute hätten vielleicht keinen weiteren Gedanken daran verschwendet, aber da es die Träne seiner Tochter gewesen war, beschloss Ray Trotter, es sei Zeit für Vergeltung.
Er hörte nun, wie das Wasser zu laufen aufhörte, und nahm einen Duft von Parfum aus dem Badezimmer wahr. Nancy kam ins Bett und legte den Kopf an seine Brust.
»Du wirkst glücklich heute Abend«, sagte sie.
»Ja?«
»Ja. Als ich vorhin vorbeigegangen bin, hast du an die Decke gesehen und... wie soll ich sagen... zufrieden ausgesehen.«
Er überlegte. »Ja, das trifft es.« Ray löschte das Licht, legte den Arm um seine Frau und zog sie näher zu sich.
»Ich bin froh, dass du in meinem Leben bist«, flüsterte sie.
»Ich auch«, erwiderte er.
Dann streckte sich Ron aus und dachte über seine nächsten Schritte nach.
Er würde York wahrscheinlich ein, zwei Monate in Ruhe lassen. Dann, wenn sich der Geschäftsmann allmählich wohler fühlte, würde er wieder loslegen.
Was sollte er als Nächstes tun? Vielleicht ein leeres Arzneifläschchen neben Yorks Wagen und dazu ein bisschen harmloses Botox an den Türgriff. Ja, das hatte was. Er würde überprüfen müssen, ob eine Spur des Kosmetikmittels einen positiven Befund auf Botulismusbakterien ergäbe.
Nun, da er die Polizei davon überzeugt hatte, dass er unschuldig und York paranoid war, konnte der Geschäftsmann so oft Feurio schreien, wie er wollte, die Detectives würden ihm nicht mehr zuhören.
Das ganze Spielfeld lag offen vor ihm …
Vielleicht konnte er Yorks Frau mit einbeziehen. Sie wäre sicherlich eine bereitwillige Bundesgenossin. Bei seiner Überwachung hatte Ray gesehen, wie schlecht der Mann sie behandelte. Er hatte einmal mit angehört, wie York einen Wutanfall bekam, als sie ihm zusetzte, er solle ihr erlauben, sich am College der Stadt einzuschreiben, wo sie ihren Abschluss nachholen wollte. Er hatte sie angebrüllt, als wäre sie eine Teenagerin. Carole war gerade verreist – vermutlich mit diesem Englischprofessor, den sie an der Arizona State University kennengelernt hatte. Dort hatte sie heimlich Vorlesungen besucht, anstatt Tennisstunden zu nehmen. Der Mann hatte zur Universität von Los Angeles gewechselt, aber sie sah ihn immer noch; sie trafen sich entweder in L. A. oder in Palm Springs. Ray war ihr außerdem ein paar Mal zu einer Anwaltskanzlei in Scottsdale gefolgt und nahm an, dass sie sich auf die Scheidung von York vorbereitete.
Wenn alles vorbei war, würde sie ihm vielleicht gern ein paar Insiderinformationen geben, die er verwenden konnte.
Dann kam ihm noch eine Idee. Er könnte York einen anonymen Brief schicken, vielleicht mit einer kryptischen Botschaft. Die Worte wären nicht wichtig. Der entscheidende Punkt würde der Geruch sein; er würde das Papier mit Mandelextrakt beträufeln, das verräterische Aroma von Zyanid. Immerhin wusste ja niemand, dass er keine Ladung Gift angemischt hatte.
Ach, es gab unendlich viele Möglichkeiten …
Er drehte sich auf die Seite, flüsterte seiner Frau zu, dass er sie liebe, und war binnen einer Minute fest eingeschlafen.