8
Detective Salas sah ihren Gesprächspartner aufmerksam an. Das durch das Fenster hereinfallende Licht warf sechseckige Schatten auf sein Gesicht. »Caesar«, sagte sie. »Das ist ein ungewöhnlicher Vorname. Hatten Ihre Eltern große Pläne mit Ihnen?«
Sinhurmas Assistent sah sie abweisend an. »Mr Kim, wenn ich bitten darf. Ich denke, wir sollten bei den Nachnamen bleiben.«
Horatio, der rechts von Yelina saß, lächelte Kim an. »Wie Sie wünschen, Mr Kim. Wir wissen es zu schätzen, dass Sie gekommen sind. Ihr Name ist im Zuge unserer Ermittlungen aufgetaucht, und ich dachte, Sie könnten uns vielleicht ein paar Dinge erklären.«
»Ich werde tun, was ich kann.« Kim saß kerzengerade da und sprach ohne die geringste Modulation.
»Erzählen Sie mir ein wenig von sich, Mr Kim.«
»Könnten Sie sich klarer ausdrücken?«
»Natürlich – wenn ich will.« Horatio setzte wieder sein liebenswürdigstes Lächeln auf und ließ ihn warten. Er genoss es, wenn ein Verdächtiger glaubte, er wäre ihm gewachsen. Er hatte schon mal dagesessen und einen Mann siebenunddreißig Minuten lang angestarrt, ohne auch nur ein Wort zu sagen – der Mann brach schließlich zusammen und packte aus, nachdem Horatio den Raum für zwei Minuten verlassen hatte, um zur Toilette zu gehen, und sich bei der Rückkehr wieder lächelnd vor ihm aufbaute.
Yelina saß mit versteinerter Miene da. Sie hasste die Warterei, aber wenn Horatio die Sache auf diese Weise angehen wollte, dann würde sie eben so lange wie nötig regungslos dasitzen … und ihm hinterher den Kopf waschen.
Doch Kim begriff offenbar recht schnell, dass er wohl oder übel den Mund aufmachen musste. »Was möchten Sie denn wissen?«, fragte er eisig.
»Ach, wissen Sie, das Übliche: Ihre Lieblingsfarbe, was Sie gern essen – Moment, das weiß ich ja schon – und was für Hobbys Sie haben.«
»Meine Lieblingsfarbe ist Grün. Und Hobbys habe ich keine.« Über sein Gesicht huschte ein Lächeln. »Nicht einmal Bogenschießen.«
»Oh, an Bogenschießen hatte ich nicht gedacht. Jemand, der seine Gefühle so unter Kontrolle hält wie Sie, würde sich bestimmt etwas Männlicheres aussuchen, und beim Bogenschießen gibt es zwar die Pfeile, die in irgendetwas eindringen … aber dieser Sport scheint mir für Sie nicht das Richtige zu sein. Nein, ich denke, Sie würden sich etwas Erhabeneres aussuchen. Ich sehe Sie eher …«, Horatio hielt inne und beugte sich vor, » … als einen Mann, der Raketen in den Himmel schießt.«
Kim stutzte und blinzelte langsam und ganz bewusst. »Raketen sind eine Wissenschaft, kein Hobby«, entgegnete er.
»Aha, dann interessieren Sie sich also tatsächlich dafür?«
»Ich denke schon«, entgegnete Kim.
»Hm. Das würde dann auch erklären, warum Ihr Name auf der Mitgliederliste der Florida Model Rocketry Association steht?«
»Das liegt wohl auf der Hand.«
Horatio lehnte sich zurück und nahm dabei eine Mappe vom Tisch. Er klappte sie auf und gab vor, den Inhalt zu studieren. »Hm-hm. Es liegt auf der Hand, Mr Kim. Zum Beispiel Ihr finanzielles Interesse. Sie haben eine beachtliche Summe in die Earthly-Garden-Restaurantkette investiert, nicht wahr?«
»Das heißt nichts, das ist für jeden möglich«, entgegnete Kim ruhig.
»Das ist es in der Tat. Und deshalb haben Sie auch ein persönliches Interesse daran, dass es mit der Vitality Method vorwärts geht.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Der Witz ist, dass wir auch noch auf ganz andere Angaben Zugriff haben«, erklärte Yelina. »So entnahmen wir beispielsweise der Anruferliste des Telefon-Dienstleisters, dass kurz vor Phillip Mulrooneys Tod ein Telefonat von Dr. Sinhurmas Privatanschluss mit dem Restaurant geführt wurde.«
»Darüber weiß ich nichts.«
»Natürlich nicht«, sagte Horatio. »Sie sind ja Raketenexperte, kein Telefonexperte.«
»Ich würde nicht sagen, dass ich ein Experte bin.«
»Sie sind lediglich an diesem Thema interessiert«, bemerkte Yelina.
»Das ist richtig.«
Horatio studierte den Mann eine Weile. Er glaubte, dass er Kim nun am Haken hatte. Je weniger Emotionen der Mann zeigte, desto wahrscheinlicher war es, dass er etwas verbarg. Und Horatio glaubte auch zu wissen, was es war.
»Sagen Sie mir bitte, Mr Kim, was ist die Maßeinheit für den Impuls von Modellraketen-Treibsätzen?«
Diesmal blinzelte Kim merklich schneller. »Ich wüsste nicht, was das zur Sache tut!«
»Seien Sie so freundlich und beantworten Sie mir meine Frage.«
Kim starrte ihn ausdruckslos an, aber sein Blick erinnerte an den einer Schildkröte, die sich unter ihren Panzer zurückziehen will.
Horatio wartete so lange, bis das Schweigen unangenehm wurde, dann sagte er: »Oder wie wäre es mit der empfohlenen Mindestabschussgeschwindigkeit, die für eine stabile Flugbahn von Modellraketen erforderlich ist?«
»Das fällt mir gerade nicht ein.«
»Nein? Dann stelle ich Ihnen eine ganz einfache Frage, die sogar ein Grundschüler nach seinem ersten Raketenstart beantworten könnte: Welches ist das stärkste Raketentriebwerk, das man ohne spezielle Genehmigung erwerben kann?«
Schweigen.
»Die Antworten lauten: Newtonsekunden, dreizehn Meter pro Sekunde und G-Klasse«, sagte Horatio schließlich. »Es ist sehr gerissen von Ihnen, so zu tun als würden Sie von diesen Dingen keine Ahnung haben. Es sei denn … aber das kann ja wohl nicht sein … oder sind Ihnen diese Fakten tatsächlich nicht bekannt?«
»Ich befürchte«, entgegnete Kim mit dem Anflug eines Lächelns im Gesicht, »ich bin ein bisschen aus der Übung. Das ist ja wohl kaum ein Verbrechen.«
»Wohl kaum«, pflichtete Horatio ihm bei. »Aber mir scheint, dass Sie nicht ganz ehrlich zu uns sind, Mr Kim. Und mir fällt außerdem auf, dass Sie ein Gespräch über Modellraketen in Zusammenhang mit den Ermittlungen in einem Mordfall offenbar überhaupt nicht ungewöhnlich finden.«
»Ich dachte, Sie wollten mit dem Gerede über Raketen auf etwas anderes hindeuten.«
»Ich ziehe es vor, die Dinge beim Namen zu nennen, Mr Kim. Und die Rakete, von der ich rede, ist – wie Sie sicherlich wissen – ein ganz reales Objekt … das sich zurzeit im Besitz des Miami-Dade-Kriminallabors befindet. Wir wissen, dass sie vom Dach des Earthly Garden abgeschossen wurde, um einen Blitz auszulösen, und wir wissen auch, dass dieser Blitz Phillip Mulrooney töten sollte.«
»Das klingt reichlich bizarr«, entgegnete Kim. »Das würde wohl auch jede Geschworenenjury so sehen.«
Horatio lächelte. »Wissen Sie, wie man aus etwas Bizarrem etwas ganz Reales macht, Mr Kim? Mithilfe von Beweisen. Man erklärt es, Schritt für Schritt. Und meiner Erfahrung nach folgen die Geschworenen früher oder später immer dieser Argumentation.«
Vor dem Eingang zum Miami-Dade-Kriminallabor gab es ein Wartezimmer, eine Art Foyer mit eigenwilliger Form. An einer schwarzen Wand stand eine lange, gepolsterte Bank, und ihr gegenüber gab es ein Fenster, das eine Neigung von fünfundvierzig Grad hatte. Horatio fand, es hatte etwas von einer pyramidenartigen Gruft an sich – von einem Wartezimmer für Tote.
Im Augenblick war er ganz allein im Raum und starrte das Fenster an, ohne es wirklich wahrzunehmen. Er hatte etwas ganz anderes vor Augen: ein Gesicht mit zwei verblüffend grünen Augen.
Ruth Carrell.
Sie war von Tampa nach Miami gekommen, hatte sie gesagt. Als eines von vielen übergewichtigen Mädchen, die sich ihren Traum erfüllen wollten, schlank, hübsch und beliebt zu werden. Akzeptiert zu werden.
Und Dr. Kirpal Sinhurma hatte ihr Potenzial erkannt und festgestellt, dass es sich lohnen würde, sie aufzunehmen. Sie hatte nicht viel Geld, aber sie war jung, unsicher und willig und damit bestens als Fußsoldat zu gebrauchen. Um sich von den ganz Großen unterstützen und mit Spenden versorgen zu lassen, musste man zunächst einmal Erfolgsgeschichten vorweisen, die nachprüfbar waren. Man musste gesunde schlanke Körper und strahlende Gesichter präsentieren, die vor Engagement und Leidenschaft brannten. Durch diese Bewunderung erschien man nur noch größer und beeindruckender.
Und wenn jemandes Loyalität auch nur für eine Sekunde abzuflauen drohte, rangierte man denjenigen aus wie eine kaputte Birne in einer Lichterkette. Denn Zweifel waren ein Luxus, den man sich nicht leisten konnte … und junge, unsichere Mädchen waren genauso billig und in großen Mengen erhältlich wie Zitrusfrüchte.
Wegen ihrer Unsicherheit hatte Sinhurma Ruth beeinflussen können. Er hatte sie dazu gebracht zu glauben, dass sie das, was er von ihr verlangte, aus eigenem Antrieb tat. Und ganz offensichtlich hatte er von ihr verlangt, dass sie jemanden ins Nest holte – jemanden, der sich von einer jungen, attraktiven Frau leicht bezirzen lassen würde. Aber wen? Und warum hatte Sinhurma denjenigen so unbedingt haben wollen?
Horatio hatte den Doktor offenbar falsch eingeschätzt. Er hatte ihn lediglich für einen Soziopathen gehalten, dem Mitgefühl und Menschlichkeit abgingen, im Grunde nicht schlimmer als viele Geschäftsleute und Politiker, mit denen er schon zu tun gehabt hatte.
Möglicherweise hatte er sich tatsächlich geirrt. Wenn Sinhurma schuldig war, dann war er nicht nur ein Soziopath, sondern vielmehr ein Psychopath, für den es ein und dasselbe war, zwei oder zwanzig Menschen zu töten.
Falls er schuldig war.
Jeder Polizist würde dazu raten, sich auf seinen Bauch zu verlassen. Jeder Wissenschaftler würde dazu raten, unvoreingenommen zu bleiben und die Beweise für sich sprechen zu lassen. Horatio war Polizist und Wissenschaftler zugleich und versuchte ständig, den goldenen Mittelweg zu finden. In diesem Moment sagte ihm sein Bauch, dass Sinhurma ungefähr so weit von einem rechtschaffenen Leben entfernt war wie ein Mönch von einer Lasterhöhle – aber es gab nur Indizienbeweise.
Aus diesem Grund saß Horatio auch ganz allein im Wartezimmer und grübelte. Leider war er nicht ganz überzeugt davon, dass Sinhurma sich des Mordes schuldig gemacht hatte. Der Manipulation ganz bestimmt, aber wenn das gesetzeswidrig wäre, säßen jede Menge Vertreter und Verkäufer hinter Gittern. Jedes Mitglied von Sinhurmas Organisation war verrückt genug, um in seinem Namen zu töten – in der Annahme, sein großes Werk zu schützen. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass man Sinhurma dafür verantwortlich machen konnte.
Aber auch die indirekte Verantwortung hatte ihren Preis. In Horarios Fall war es die quälende Erinnerung an die letzten Worte, die er zu einer jungen Frau wenige Stunden vor ihrem Tod gesagt hatte.
Dass sie sich prostituierte, hatte er zu ihr gesagt. Er hatte Ruth schockieren wollen, damit ihr klar wurde, was sie getan hatte und wie sie missbraucht wurde. Vielleicht war er zu weit gegangen. Vielleicht hatte Ruth Carrell ihn für einen abgebrühten, voreingenommenen Cop gehalten, dem ihre Gefühle ganz egal waren. Das war sehr wahrscheinlich, doch die Wahrheit würde er nie erfahren.
Manche Cops hätten einfach die Schultern gezuckt und gesagt, es spiele keine Rolle. Ruth war tot, und nun musste der Killer gefunden werden. Andere hätte diese Geschichte gequält und verfolgt bis zum Tag ihres Todes. Aber Horatio gehörte weder zu der einen, noch zu der anderen Sorte. Er lief vor Schuldgefühlen nicht davon, aber er suhlte sich auch nicht darin. Er stellte sich ihnen, analysierte sie und lernte aus ihnen. Wie ein Sportler durch körperliche Schmerzen über sich hinauswuchs, so wurde auch Horatio durch jeden Mord angetrieben.
Horatio lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Fall und die Sache mit den Drogen. Wenn jemand von der Vitality-Method-Klinik mit Drogenhandel zu tun hatte, dann waren Ruth Carrell und Phillip Mulrooney vielleicht deshalb getötet worden, weil sie etwas erfahren hatten, was sie besser nicht hätten erfahren sollen. Und auch hier war nicht klar, ob Sinhurma tatsächlich seine Finger im Spiel gehabt hatte oder nicht.
Calleigh kam um die Ecke. »Horatio? Hast du mal kurz Zeit?«
»Sicher. Was gibt’s?«
»Dasselbe könnte ich dich fragen«, entgegnete sie und zog eine Augenbraue hoch. »Willst du allein sein?«
Horatio lächelte. »Nein, ist schon gut. Ich habe nur über den Fall nachgedacht.«
Calleigh setzte sich neben ihn. »Ja, das ist alles ganz schön merkwürdig. Aber wir sind in Florida – wir hätten uns denken können, dass früher oder später irgendwer auf die Idee kommt, mithilfe einer Rakete einen Blitz auszulösen, um einen Mord zu begehen. Andererseits …«
»Von einem Pfeil getroffen zu werden, stand auf Ruth Carrells Liste möglicher Todesursachen wohl auch nicht sehr weit oben«, bemerkte Horatio.
Calleigh seufzte. »Pfeile, Blitze … haben diese Leute noch nie etwas von Schusswaffen gehört?«
Nun war es an Horatio, eine Augenbraue hochzuziehen.
Seine Kollegin errötete leicht. »Sorry, H.! Ich mache nur meinem Ärger Luft. Dass ich diesen Pfeil nicht eindeutig dem Bogen zuordnen kann, quält mich wirklich sehr. Da sind mir ganz normale Patronenhülsen doch viel lieber!«
»Wenn man es positiv sieht, sind dabei wenigstens keine unbeteiligten Passanten umgekommen.«
»Das stimmt. Bögen und Abschussrampen haben immerhin den entscheidenden Vorteil, dass man mit ihnen nicht sinnlos durch die Gegend ballern kann wie mit einem Maschinengewehr.«
»Vielleicht sollten wir die Leute überreden zu wechseln«, meinte Horatio.
»Nun, dann gäbe es keine Probleme mehr mit der Lizenz zum Tragen einer nicht sichtbaren Waffe. Und ein Besuch in Cape Canaveral hätte dann einen anderen Beigeschmack.« Sie schenkte ihm ihr typisches Calleigh-Duquesne-Lächeln und machte große Augen. Horatio musste grinsen.
»Natürlich würden die Leute sich weiter gegenseitig umbringen«, fuhr sie fort. »Das ist ja das Problem – es sind nicht die Waffen, die kontrolliert werden müssen.«
»Waffen töten keine Menschen?«, fragte Horatio ironisch.
»Natürlich nicht«, entgegnete Calleigh unverzüglich. »Kugeln töten Menschen. Das sollte ich wissen.«
Horatio grinste nur und schüttelte den Kopf.
»Aber mal im Ernst«, sagte Calleigh. »Wie wir beide wissen, machen Waffen Menschen nicht automatisch zu Mördern. Wenn man sie ihnen wegnimmt, finden sie andere Methoden, um sich gegenseitig umzubringen.«
»Weniger bequeme wahrscheinlich …«
»Natürlich, jemanden erschießen ist furchtbar einfach«, sagte Calleigh. »Ein Freund von mir nennt das Erschießen einer Person ›Computerstraftat‹ – zielen und klicken, fertig. Aber das ist nicht der Grund, weshalb es immer Schusswaffen geben wird.«
»Ach, was dann?«
»Die Kontrolle zu verlieren, ist für die Leute das Schlimmste, und wenn man eine Waffe besitzt, hat man die Kontrolle über Leben und Tod. Wenn jemand einmal verinnerlicht hat, dass er im Notfall jemanden töten könnte, fällt es ihm schwer, auf die Waffe zu verzichten. Jemanden von vornherein vom Waffenbesitz abzuhalten, ist viel einfacher, als ihm erst eine Waffe zu geben und dann zu versuchen, sie ihm wegzunehmen.«
Horatio nickte. »Letztlich hat das Ganze mit Macht zu tun, nicht wahr? Wenn man jemandem damit droht, ihm die Kontrolle zu entziehen, fürchtet er, seine Macht zu verlieren. Und dann verhält sich keiner mehr rational, nicht wahr?«
»Das stimmt. Ich halte ja sonst nicht viel von den Sprüchen auf Autoaufklebern, aber das ehrlichste Statement, das ich je im Hinblick auf Waffenkontrolle gelesen habe, war: ›Ihr könnt meine Waffe haben, wenn ihr sie mir aus den kalten, toten Fingern reißt!‹ Ich teile diese Ansicht natürlich nicht – besonders nachdem ich das schon so oft tun musste –, aber im Grunde kann man sämtliche Diskussionen über die Verteidigung von Haus und Hof, Sportschießen und die Ethik der Jagd auf die einfache Tatsache reduzieren, dass die Leute nicht die Macht verlieren wollen, die ihnen der Besitz einer Waffe verleiht.« Calleigh seufzte.
»Emotionales Denken, emotionale Reaktion«, bemerkte Horatio. »Und Leute, die emotional handeln, machen Fehler.«
»Du hast bei diesem Fall keine Fehler gemacht, Horatio«, entgegnete Calleigh leise. »Nicht dass ich wüsste.«
»Danke, aber eigentlich hast du mich auf die Idee gebracht, mich noch einmal intensiver mit unserem Freund Sinhurma zu befassen. Vielleicht rüttelt es ihn ja ein wenig auf, wenn er seine Macht bedroht sieht.«
»Du willst ihn zu einer emotionalen Reaktion bewegen, in der Hoffnung, dass er einen Fehler macht?«
»Genau. Die Frage ist nur, was benutze ich als Munition?«
»Ich wünschte, ich könnte dir dabei helfen«, erwiderte Calleigh und erhob sich. »Ich bin nur vorbeigekommen, um dir zu sagen, dass ich mit den Sachen von Lucent fertig bin. Keine Fingerabdrücke außer seinen eigenen. Als Nächstes befasse ich mich mit den Haushaltsgeräten und versuche herauszufinden, ob sie von demselben Händler stammen.«
»Okay.«
Während Calleigh wieder in ihr Labor zurückging, blieb Horatio nachdenklich sitzen. Nach einer Weile machte er sich auf den Weg, um Alexx einen Besuch abzustatten.
Calleigh verfolgte die Spur der Handrührgeräte und Mixer zurück bis zu einer Firma in Kalifornien. Florida gehörte eigentlich nicht zum Einzugsgebiet dieser Firma, aber sie hatte einmal zahlreiche Elektrogeräte an ein Restaurant in Georgia verkauft. Kurze Zeit später ging dieses Restaurant Bankrott, und ein Großteil der Geräte war durch einen Liquidator namens Charette & Sons, der Ausstattung und Inventar von solchen Betrieben aufkaufte, veräußert worden.
Das Lagerhaus von Charette & Sons befand sich in dem Industriegebiet von Opa Locka, einem Viertel, das schon bessere Zeiten erlebt hatte. Es war in den Zwanzigerjahren von dem Bauunternehmer Glenn Curtiss aufgebaut worden, der den mediterranen Stil von Coral Gables hatte übertrumpfen wollen, indem er sich etwas weiter östlich orientierte – am Nahen Osten, um genau zu sein. Das Rathaus mit seinen maurischen Kuppeln und Minaretten bot einen höchst ungewöhnlichen Anblick. Die gesamte Vorstadt war im Laufe der Jahrzehnte zu einem Ort geworden, an dem überwiegend einkommensschwache Familien lebten. Calleigh hatte es schon immer merkwürdig gefunden, in einem McDonald’s auf dem Ali Baba Way zu essen.
Der Ausstellungsraum von Charette & Sons war erheblich sauberer als der bei Leakyman Plumbing. An der einen Wand standen Herde und Spülbecken für die gewerbliche Nutzung, an einer zweiten waren vom Boden bis zur Decke Regale festgeschraubt, auf denen diverse Küchengeräte, herumlagen, und vor einer dritten sah Calleigh eine lange gläserne Vitrine, die gleichzeitig als Theke und Computerplatz genutzt wurde. In der Vitrine selbst lagen glänzende Messer, Metzgerbeile und andere Utensilien.
Ein rotgesichtiger Mann mit Hängebacken und birnenförmigem Körper eilte auf Calleigh zu. »Hallo! Kann ich Ihnen helfen?« Er sprach mit einem Südstaatenakzent, der um zwei Kentucky-Täler ausgeprägter war als ihr eigener.
»Nun, das hoffe ich sehr«, entgegnete sie und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Fast automatisch nahm ihre Aussprache eine südlichere Färbung an, denn die Leute fühlten sich stets wohler, wenn sie es mit ihresgleichen zu tun hatten oder zumindest mit jemandem, von dem sie glaubten, er gehöre zum selben Personenkreis wie sie. »Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen über einige Ihrer Kunden stellen.« Mit einem beinahe entschuldigenden Gesichtsausdruck zeigte sie ihm ihre Marke.
»Sicher, warum nicht?«, entgegnete der Mann freundlich. »Was würden Sie denn gern wissen?«
»Haben Sie Geräte an das Restaurant The Earthly Garden verkauft?«
»Da müsste ich mal nachsehen«, antwortete der Verkäufer. Er ging zu der Vitrine, drehte den Monitor zu sich um und runzelte die Stirn. Er streckte unsicher einen Finger aus, drückte eine Taste und hob gleich wieder die Hand. Sein Finger wanderte zu einer anderen Taste, aber dann hielt er wieder inne und überlegte. Seine Hand bewegte sich langsam und unentschlossen über die Tastatur wie ein Kolibri, der nicht so recht wusste, welche Blüte er sich vornehmen sollte.
»Verzeihen Sie, Mr …«
»Charlessly, Oscar Charlessly.Nennen Sie mich Oscar.« Der Mann strahlte sie an, dann schaute er wieder auf die Tastatur und blickte hilflos drein. Er wirkte einigermaßen verzweifelt. »Ach, Gottchen«, murmelte er. »Ich kenne mich mit Computern nicht so gut aus. Kari kümmert sich normalerweise um diese Dinge, aber sie ist heute krank.«
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mal einen Blick darauf werfe?«
»Machen Sie nur«, entgegnete er, trat zurück und winkte Calleigh heran. »Ich blicke da überhaupt nicht durch.«
Sie brauchte nur ein paar Sekunden, bis sie die richtigen Dateien gefunden hatte, aber als sie die Liste der Kundenkonten öffnen wollte, fragte der Computer nach dem Passwort.
»Würden Sie es vielleicht eingeben?«, fragte sie Oscar.
»Gern – wenn ich es wüsste«, entgegnete er gut gelaunt. »Wie ich sagte, darum kümmert sich Kari sonst immer. Ich verkaufe nur. Ich könnte Ihnen von ein paar Großaufträgen für Toastergrills erzählen, aber von der Buchhaltung verstehe ich nicht viel.«
»Was ist mit Ihrem Chef? Ist Mr Charette da?«
»Nein, der hat sich praktisch aus dem Geschäftsleben zurückgezogen. Ab und zu kommt er mal vorbei und stöbert ein bisschen herum, aber nachdem seine beiden Söhne ausgestiegen sind, hat er wohl auch das Interesse verloren. Die beiden wollten anscheinend nicht bis an ihr Lebensende benutzte Friteusen und alte Gefriertruhen verkaufen.«
»Verstehe. Und wann ist diese Kari wieder da?«
»Oh, sie klang ziemlich krank am Telefon, wahrscheinlich hat sie sich eine üble Grippe eingefangen. Vielleicht bleibt sie die ganze Woche zu Hause.« Er zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Tut mir Leid.«
»Nun, da kann man wohl nichts machen, fürchte ich. Aber vielleicht können Sie mir doch helfen – als gewiefter Verkäufer erinnern Sie sich doch bestimmt an alle Ihre Kunden, oder?«
Er lachte herzlich. »Nun, ich tue mein Bestes. Für welches Restaurant hatten Sie sich noch mal interessiert?«
»Genau gesagt geht es um drei Unternehmen: Leakyman Plumbing, The Earthly Garden und die Vitality-Method-Klinik.«
Charlessly blickte leicht verwirrt drein. »Nun, mit Ärzten und Klempnern haben wir nicht so viel zu tun, doch das Restaurant wäre im Prinzip eine Möglichkeit. Aber ich muss sagen, ich erinnere mich nicht an einen Namen mit ›Garden‹ oder so.«
»Können Sie Kari vielleicht anrufen? Sie könnte Ihnen das Passwort doch sagen?«
»Das würde ich glatt machen, aber sie hat gesagt, sie stellt das Telefon ab, nimmt ein paar Tabletten und legt sich ins Bett. Ich glaube nicht, dass wir sie wach kriegen.«
»Also gut«, sagte Calleigh seufzend. »Dann muss ich wohl noch mal wiederkommen. Danke für Ihre Hilfe, Oscar.«
»Tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht helfen konnte«, entgegnete er zerknirscht, dann grinste er. »Aber ich freue mich schon auf Ihren nächsten Besuch.«
Dr. Alexx Woods glaubte an vieles. Sie glaubte an die Familie, an Freundschaft und daran, dass jeder der Allgemeinheit dienen sollte. Sie glaubte, dass jedes Leben kostbar war und dass jeder etwas bewirken und verändern konnte. Das erlebte sie täglich bei den Menschen, mit denen sie zusammenarbeitete, und sie war stolz auf jeden Einzelnen von ihnen.
Und sie glaubte an den Tod.
Tote reden nicht?, dachte sie. Wenn das stimmen würde, gäbe es meinen Beruf nicht. Die Toten hatten sehr viel zu erzählen, man musste nur aufmerksam sein. Alexx hatte gelernt, ihnen zuzuhören – und manchmal kam es ihr sogar so vor, als wollte eine Leiche sie direkt auf etwas hinweisen.
An diesem Tag hatte ihr die Leiche von Ruth Carrell etwas Wichtiges mitgeteilt.
»Du wolltest doch ein Motiv?«, sagte sie zu Horatio und überreichte ihm ein Dokument. »Da hast du es. Das toxikologische Gutachten für Ruth Carrell ist gerade eben reingekommen.«
Horatio überflog das Blatt – und pfiff überrascht. »Alexx, ist das wahr? Das liest sich ja wie die Bestellliste einer Apotheke!«
»Allerdings. Antidepressiva, Schlaf- und Aufputschmittel – das ist der verrückteste Medikamentencocktail, den ich je gesehen habe. Kein Wunder, dass Sinhurmas Patienten so ekstatisch sind: Mit den Spritzen, die er ihnen gibt, hält er sie permanent in einem Zustand chemischer Verzückung.«
»Und er verkauft es ihnen als Nahrungsergänzung. Die Patienten sind durch Schlafmangel und Fasten so aufgekratzt, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, sich zu fragen, warum sie so euphorisch sind. Phil Mulrooney musste getötet werden, weil er sich gegen die Spritzen zur Wehr gesetzt hatte und allmählich einen klaren Kopf bekam. Nachdem er begriffen hatte, was in der Klinik ablief, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er den ganzen Betrug hätte auffliegen lassen.«
»Das zu beweisen ist allerdings nicht so einfach«, wandte Alexx ein. »Das Verabreichen dieser Medikamente ist an sich nicht strafbar – Sinhurma ist Mediziner. Dass er seine Patienten belügt, kann ihn die Approbation kosten, aber unsere einzigen Zeugen sind Leute, die alles tun, was er ihnen sagt – zugegebenermaßen nach einer Gehirnwäsche. Wir können nicht mal beweisen, dass Sinhurma Ruth Carrell die Spritzen persönlich verabreicht hat.«
»Beweise haben wir keine, Alexx, aber das Gutachten ist auch für etwas anderes zu gebrauchen«, entgegnete Horatio.
»Und zwar?«
»Für Munition.«
»Doktor«, sagte Horatio freundlich, »nett von Ihnen, dass Sie mich empfangen.«
Dr. Sinhurma saß im Schneidersitz auf einem kleinen Podest inmitten eines japanischen Gartens, den dicke Bambusbüschel vom Rest der Anlage trennten und vor Einblicken schützten. Eine Wasserfontäne plätscherte leise in einen kleinen Teich. Die Sonnenstrahlen, die von der Wasseroberfläche reflektiert wurden, bildeten einen Lichtkranz um seinen Kopf, und das wiederum hatte zur Folge, dass sein Gesicht nicht sehr gut zu erkennen war. »Immer gern, Horatio«, entgegnete Sinhurma gelassen.
Horatio setzte seine Sonnenbrille auf und sah dem Doktor in die Augen. »Lieutenant Caine«, sagte er.
»Sie wirken sehr beunruhigt, Lieutenant. Ist irgendetwas vorgefallen?«
»Allerdings, Doktor. Vielleicht können Sie mir mit einem kleinen spirituellen Ratschlag weiterhelfen.« Horatio stand auf einem gepflasterten Weg, der sich durch den Garten schlängelte. Links und rechts davon befanden sich Flächen mit weißem Kies, durch den sich wellenförmige, symmetrische Linien zogen. »Wissen Sie, ich kenne da jemanden, der in große Schwierigkeiten zu geraten droht. Und unglücklicherweise scheint er gar nicht zu merken, wie schlimm die Sache für ihn steht.«
»In diesem Fall muss man ihn warnen, meinen Sie nicht?«, entgegnete Sinhurma sanft.
»Nun, das ist mein Problem. Sehen Sie, er scheint keinen rechten Bezug zur Realität zu haben. Er ist der Illusion erlegen, er könne schalten und walten, wie er will, was jede vernünftige Diskussion sinnlos macht.«
»Vielleicht ist es die Vernunft, die sinnlos ist?«
»Wenn man ihn in die Enge treibt, gibt er Plattitüden von sich wie ein Erstsemester der Philosophie. Ich muss ihn wohl oder übel mit den nackten Tatsachen konfrontieren. Ich überlege nur, wie ich anfangen soll.«
Sinhurmas Blick blieb gelassen. »Vielleicht begreift Ihr Freund ja mehr als sie glauben.«
Horatio reagierte mit einem kalten Lächeln. »Ich habe nicht gesagt, dass er mein Freund ist.«
»Dann geht Sie sein Schicksal wohl kaum etwas an.«
»Vielleicht sollte ich mich an die Regeln der Physik halten. Jede Aktion hat eine ihr entsprechende Reaktion zur Folge. Wenn man beispielsweise in Florida jemanden tötet, zieht das die Todesstrafe nach sich.«
»Ich glaube, Sie verwechseln die Gesetze der Menschen mit denen der Natur.«
»Die angemessenere Methode wäre der elektrische Stuhl, aber auch mit der Todesspritze werden solche Dinge erledigt.«
Wenige Zentimeter vor Horatios rechtem Fuß lag ein kleiner grauer Stein, den er lässig von dem Weg in den weißen Kies kickte. »Perfektion ist schwer zu erreichen, nicht wahr? Ganz egal, wie sehr man sich bemüht.«
Auf Sinhurmas Gesicht lag ein Lächeln, aber Horatio hörte eine gewisse Anspannung aus seinen Worten heraus, als er sagte: »Ich glaube nicht, dass Sie das Wesen der Perfektion wirklich verstehen.«
»Oder wie wäre es mit chemischen Verbindungen? Vielleicht könnte ich diese Person damit überzeugen.« Horatio schüttelte den Kopf und hob entschuldigend die Hand. »Nein, Sie haben Recht, das wäre zu weit hergeholt. Wenn ich es schon mit Chemie versuche, sollte ich direkter sein. Ich sollte einfach sagen, was wir in Ruth Carrells Blut gefunden haben.«
Sinhurma stutzte. »Ruth hatte …«
»Probleme, ich weiß«, fuhr Horatio fort. »Diese Floskel wird gern benutzt, um anzudeuten, dass jemand verrückt oder drogenabhängig ist.«
»Wenn Ruth Drogen genommen hat, dann weiß ich nichts davon.«
»Hm-hm. Ruth zu töten war ein Fehler, Doktor. Wir wissen genau, welche Medikamente Sie ihr ohne ihr Wissen und ohne ihre Zustimmung gespritzt haben, und wenn wir es Ihnen nachweisen, können Sie sich von Ihrer Approbation und Ihrer Klinik verabschieden. Und wir werden es Ihnen nachweisen, Sie tun es immer noch.«
Horatio machte einen Schritt auf ihn zu. »Mittlerweile haben Sie keine andere Wahl mehr. Sie müssen Ihre Patienten weiter benebeln, denn sonst bricht hier alles zusammen. Im Grunde sind Sie derjenige, der süchtig ist. Und ich bin derjenige, der dafür sorgen wird, dass Sie keinen Nachschub mehr bekommen. Ich glaube nicht, dass Sie im Gefängnis viele Gefolgsleute finden werden, Doktor.«
Sinhurma lachte leise. »Ich denke, Sie sind hier derjenige, der sich Illusionen hingibt, Lieutenant Caine. Ich gehe nicht ins Gefängnis. Falls ich irgendwo hingehe, dann an einen besseren Ort, nicht an einen schlechteren. Ich bin ein erfolgreicher geachteter Mann mit vielen Freunden. Mein Leben ist ausgefüllt, und so wird es auch bleiben. Was mit Ruth passiert ist, war eine Tragödie, aber in Miami geht es nun mal brutal zu. Das Karma bestimmt unser Ende ebenso wie unseren Anfang.«
Horatio schenkte ihm ein Lächeln, das die meisten Menschen als bedrohlich empfunden hätten. »Ich werde mich nicht auf eine Diskussion über Ihre New-Age-Glückskeks-Ideologie einlassen, Doktor. Ich bin gekommen, um Sie zu warnen. Genießen Sie Ihr kleines verbarrikadiertes Paradies so lange, wie Sie können – denn wenn wir uns das nächste Mal sprechen, werde ich Ihnen Ihre Rechte vorlesen.«
Damit drehte Horatio sich um und ging.
Maxine Valera stand wie gewohnt über ein Mikroskop gebeugt, als Calleigh hereinkam. Sie richtete sich auf und sagte: »Lass mich raten! Ich soll eine DNS-Probe aus den Federn eines Pfeils entnehmen.«
Calleigh lächelte entschuldigend. »Besteht denn die Möglichkeit, dass du das könntest?«
»Nun, mit der üblichen Vorgehensweise kaum. Aber Forscher haben kürzlich eine Methode entwickelt, mit der man DNS-Material von alten Haarproben gewinnen kann. Es sieht so aus, als bliebe in der Keratinhülle genug Zellmaterial für einen Test erhalten – aber bei Federn hat man das bisher noch nicht ausprobiert.«
»Und du willst die Erste sein, nicht wahr?«
»Ich bin noch nicht fertig«, entgegnete Valera lächelnd. »Wenn man den unteren Teil eines Federkiels hat …«
»…den ich nicht habe …«
»… funktioniert diese Methode nicht. Deshalb habe ich bereits über eine LCN-Analyse nachgedacht.«
»Das Problem dabei ist die Verunreinigung«, seufzte Calleigh. »Diese Federn sind zwar nicht aus der Steinzeit, aber doch ziemlich alt. Falls wir mit dieser Methode Ergebnisse erhielten, wären sie höchst zweifelhaft und als Beweis kaum zu gebrauchen.«
»Richtig. Offenbar hast du dir auch schon Gedanken darüber gemacht.«
»Das habe ich. Und da mir das, was dabei herauskam, nicht so gefallen hat, habe ich gedacht, ich probiere noch etwas anderes aus.« Calleigh hielt den großen braunen Umschlag hoch, den sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, und schüttete mehrere kleine durchsichtige Tütchen auf den Tisch.
Maxine nahm eine und betrachtete skeptisch die grünen Krümel. »Auch wenn du mich mit Drogen bestichst, ändert das nichts an den Tatsachen«, bemerkte sie trocken.
»Wirklich? Nicht mal bei so einer Auswahl?« Calleigh nahm ein Blatt Papier aus dem Umschlag und hielt es Maxine hin. »Das sind Proben von allen größeren Drogenrazzien, die innerhalb der letzten sechs Monate in Miami durchgeführt wurden. Ich möchte Hinweisen auf Drogengeschäfte nachgehen, die im Zusammenhang mit dem Mulrooney-Fall aufgetaucht sind, und ich hoffe, dass uns das hier weiterhilft. Die Probe, die du in der Hand hast, stammt von einem Verdächtigen, bei dem wir eine regelrechte Haschisch-Fabrik entdeckt haben. Ich hoffe, du findest mithilfe einer DNS-Analyse eine Verbindung zu einem Stoff, der bei einer anderen Razzia aufgetaucht ist. Dann wüssten wir nämlich, woher er das Gras hatte.«
»Nun, damit könnten wir tatsächlich Erfolg haben«, entgegnete Maxine. »Jedenfalls sicherer als mit dem Pfeil.«