Wozu nützlich? Die Klitsche und das Monster

Warum soziale Verantwortung besser ist als hohe Renditen

In den Kärntner Nockbergen wächst der Speick. Der Speick ist ein Baldriangewächs, ein unscheinbares, kleinwüchsiges Kraut, das ungefähr eine Handbreit über dem Boden aufragt. Die nur zwei bis drei Millimeter großen gelblichen, manchmal rotbräunlichen Blüten stehen in den Sommermonaten in kleinen Dolden. Der Speick wächst nur in Höhenlagen oberhalb von 1800 Metern, der Boden muss kalkfrei sein, was in den Alpen nicht häufig vorkommt.

Das Besondere an der Pflanze ist sein hoher Gehalt an intensiv nach Baldrian duftendem ätherischem Öl. Seit Jahrtausenden gewinnt man das Speicköl aus der Wurzel oder der ganzen Pflanze. Bereits die Kelten kannten es und verwendeten das Öl zu medizinischen Zwecken. Der weltberühmte griechische Arzt Galen behandelte das Magenleiden des Kaisers Mark Aurel mit Speick. Der botanische Name Valeriana celtica weist auf die Bedeutung als Heilpflanze hin, das lateinische »valere« bedeutet »gesund erhalten«.

Die Pharaonen und deren Familien verwendeten es im alten Ägypten als Bade- und Massageöl, über den Handelsplatz Venedig gelangte es seit dem Mittelalter zu den Reichen in der ganzen damals bekannten Welt. Zeitweise wurde das Öl der Speicks mit Gold aufgewogen.

Die Pflanze wurde aber auch zu anderen als zu Wellness-Zwecken verwendet: Sie wurde als Räucherwerk verbrannt, zum Würzen von Wein und Salben eingesetzt sowie als Repellent gegen Motten, also als »Ungeziefervergrämungsmittel«. Seine wirtschaftliche Bedeutung war zeitweise so groß, dass es eine eigene Speicksteuer gab und die steirische Gemeinde Judenburg vom Kaiser Friedrich III., dem »Friedfertigen«, ein Handelsmonopol auf Speick verliehen bekam.

Geerntet wurde der Speick traditionell zwischen dem 15. August und dem 8. September von Hand, mithilfe des Speickkramperls, einem speziellen Grabwerkzeug, mit dem man die ährenförmigen Wurzeln schnell und schonend aus dem Boden ziehen konnte. Die Ernte war in den Alpen einem eigenen Berufszweig vorbehalten, den Speickgräbern. Sie pflegten die Speickböden, also die Alpenwiesen, auf denen die Bodenbeschaffenheit und die kleinklimatischen Verhältnisse den Wuchs der Pflanze ermöglichten. Den Beruf gab es bis ins frühe 20. Jahrhundert.

Dann kamen die Nationalsozialisten und stellten die Pflanze 1936 unter Naturschutz. Das bedeutete, sie verboten seine wirtschaftliche Nutzung. Damit endete schlagartig eine mindestens zweieinhalbtausendjährige Kultur. Der Speick verlor seine wirtschaftliche Bedeutung und geriet weitgehend in Vergessenheit. Heute weiß kaum mehr jemand, woher der 2140 Meter hohe Große Speikkogel in der Steiermark seinen Namen hat. Aber ganz vergessen wurde der Speick nicht …

Eine seltene Pflanze

Walter Rau war Unternehmersohn. Seinen Eltern gehörten die Vereinigten Stuttgarter Seifenfabriken, die auf dem Cannstatter Wasen unweit des Untertürkheimer Bahnhofs ein großes Gelände erworben hatten, um darauf ihre Seifensiederei zu betreiben. Der berühmte Industriearchitekt Philipp Jakob Manz, der noch so wunderbare Fabrikgebäude wie die der Salamanderwerke in Kornwestheim, der Stromeyer-Zeltfabrik in Konstanz und der Zeppelinwerke in Friedrichshafen gebaut hat, entwarf 1902 die Neubauten der Stuttgarter Seifenfabrik.

In diesem Umfeld aufgewachsen, wollte der junge Walter natürlich die Familientradition fortsetzen und Unternehmer werden. Aber die Zeiten waren schlecht. Die Weltwirtschaftskrise beutelte auch die Stuttgarter Seifenfabriken, die sich auf das Massenprodukt Kernseife zur Wäschereinigung fokussiert hatten. Bald verlor das Unternehmen seine Grundlage und musste seine schönen Fabrikgebäude an die frisch fusionierte Aktiengesellschaft von Gottlieb Daimler und Carl Benz verkaufen.

Aber Walter ließ sich davon nicht abschrecken. Er wollte ohnehin mehr, als nur langweilige Kernseife produzieren. Er war ein Anhänger der Anthroposophen um Rudolf Steiner und pflegte somit eine Einstellung, die Spiritualität, deutschen Idealismus, die Weltanschauung Goethes, die Gnosis und fernöstliche Philosophien mit der Naturwissenschaft verband. Er dachte ganzheitlich, sein Horizont war weiter als der der meisten. Und er hatte eine Idee: eine Seife für die Körperpflege und Gesunderhaltung! Das war ein revolutionärer Gedanke, denn bis dahin diente Seife lediglich zur Reinigung, also zum Entfernen von Schmutz. Raus Vision, siebzig Jahre vor dem Wellness-Trend, war aber eine wohlriechende, sanfte, natürliche, pflegende Seife – so etwas gab es damals noch nicht.

Mitten hinein in die Krise gründete er 1928 in Stuttgart das Feinseifenwerk Walter Rau. Im Zentrum stand ein einzigartiges Produkt: die Speickseife. Denn die ätherischen Öle des Speicks wirken beruhigend und entspannend auf das zentrale Nervensystem, regen gleichzeitig das vegetative Nervensystem an und pflegen die Haut. Aber nicht nur die Produktidee entstammte seiner ganzheitlichen Weltsicht, Rau baute auch ein Unternehmen auf, das für damalige Verhältnisse ganz untypisch mitarbeiterfreundlich war. Es gab eine betriebliche Kinderbetreuung, es gab Naherholungsangebote und kostenlose Bildungsangebote für die Mitarbeiter.

Als dann die Nazis sowohl die Nutzung des Speicks als auch die Anthroposophie verboten, wurde es hart für Walter Rau und seine Firma. Aber sie hielt durch.

Rau war einfach der Meinung, dass die Menschen seine Seife dringend brauchten. Nach dem Krieg machte er weiter und sagte:

»Die Zeitschäden wachsen. Die ungesunde, nervöse Arbeitsweise, das verunreinigte Wasser, die durch Staub, Gase, Säuren verpestete Luft, ganz zu schweigen von dem Problem der Radioaktivität, das in der Zukunft vielleicht brennend wird – das alles zusammen sind Schäden äußerer Art, die mehr oder weniger auf die Haut einwirken. Dazu kommen aber noch die Nahrungsschäden, die durch Pflanzenschutzmittel, mineralogische Düngeverfahren, Konservierungsmittel usw. hervorgerufen werden.«

Heute, nach über achtzig Jahren, gibt es die Walter Rau GmbH & Co. KG noch immer. Und sie steht besser da denn je. Wikhart Teuffel, ein Enkel des Firmengründers, ist der Geschäftsführer. Irgendwie hat es seine Familie geschafft, eine exklusive Sonderlizenz für die Ernte und Verwertung des noch immer unter strengem Naturschutz stehenden Speicks zu bekommen. Und das ist eine gute Sache, denn die Firma stellt nicht nur sicher, dass der Speick als Wildpflanze überlebt, denn außerhalb seiner heimatlichen Bergwelt lässt sich das Kraut nicht kultivieren. Sie sorgt außerdem auch für die Fortführung der alten Speickgräberkultur, denn noch heute wird die Pflanze von den Nachfahren der Almbauern von Hand geerntet, die das so auch schon vor hundert Jahren taten.

Dabei ist das Unternehmen heute alles andere als ein Nostalgikerverein. Im Bewusstsein seiner reichen Tradition und mit dem Fokus auf das ursprüngliche Kernprodukt sind die Speick-Werke trotzdem mitten im 21. Jahrhundert angekommen. Es gibt eine schicke, moderne Website und eine sorgsam gemachte Facebook-Fanseite. Das ist nicht vermessen, denn das Unternehmen und seine Produkte haben treue Fans.

Die Produktpalette ist dem Wellness-Trend gemäß auf der Höhe der Zeit und wurde vorsichtig erweitert, die Marke wurde sorgsam modernisiert, ohne den Markenkern zu gefährden. Die Firma kooperiert mit der kleinen Kärntner Hotelkette Harmony’s, um Speickbäder-Wellness-Reisen anzubieten. Sie unterstützt den Nationalpark Nockberge und die Bad Kleinkirchheimer Tourismus Marketing GmbH in Kärnten, die den sanften Tourismus in den Nockbergen fördert, dort, wo der Speick wächst.

Sämtliche Inhaltsstoffe der Speickprodukte stammen aus kontrolliert biologischem Anbau oder kontrolliert biologischer Wildsammlung. Mit allem, was das Unternehmen tut, ist es ein Beispiel an Verantwortung. Verantwortung für die Kunden und deren Gesundheit. Verantwortung für die Mitarbeiter und deren sinnvolle Arbeitsplätze. »Mensch bleiben und sich weiterentwickeln können« – das ist das Credo von Geschäftsführer Wikhart Teuffel für seine Mitarbeiter. Verantwortung für die Lieferanten und deren Existenz. Verantwortung für Kultur und Tradition rund um die Nutzung des Speicks. Verantwortung für die Region rund um den Stammsitz südlich von Stuttgart, indem auf regionale Wirtschaftskreisläufe gesetzt wird, auch um lange Transportwege zu vermeiden. Verantwortung für die Region Nockberge rund um das Herkunftsgebiet des wichtigsten Grundstoffs der Produkte. Verantwortung für den Standort Deutschland, immerhin ist Speick einer der allerletzten verbliebenen Seifenhersteller Deutschlands. Verantwortung für die Natur, beispielsweise bezieht das Unternehmen ausschließlich regional produzierten Ökostrom und hilft aktiv dabei, die alpinen Naturkreisläufe im Nationalpark Nockberge zu erhalten.

Das Unternehmen verbindet auf vorbildliche Weise Tradition und Innovation. Und bei all dem kommt Speick in seiner Kommunikation überhaupt nicht daher wie ein Haufen Moralapostel, eine Rotte Gutmenschen oder eine Prozession von Ökoideologen mit dauererigiertem Zeigefinger, sondern locker, sympathisch, stolz, weltoffen und bodenständig. Und nicht zuletzt – und das macht für mich den Charme dieses Unternehmens erst so richtig komplett: Das Unternehmen ist trotzdem – nein, ganz eindeutig gerade deswegen wirtschaftlich erfolgreich. Weil es erfolgreich ist, kann es weiter unabhängig existieren. Und das erst macht die ganze Sache nachhaltig.

Wo die Musik spielt

Es gibt also genug gute und ermutigende Beispiele von Unternehmen, die die Qualität vor den Preis stellen. Es gibt sie in der Landwirtschaft, es gibt sie in der Industrie, es gibt sie im Handel. Und es gibt sie auch im Lebensmittelhandel. Und das ist in Summe schon deutlich mehr als nur Kleinzeug in der Nische. Aber machen wir uns nichts vor: Gegenüber den Monstern Edeka, Rewe, Lidl, Aldi und Co. sind alle diese Unternehmen nur kleine Klitschen.

Aber gerade die Supermarktriesen haben die Macht und vor allem die Verantwortung, besser, regionaler, fairer, sozialer, ökologischer, also auf lange Sicht sicherer und wirtschaftlicher und damit nachhaltiger zu werden. Auf die Großen kommt es an, mit ein paar hippen Labels oder Feinkostläden ist zwar etwas bewiesen, aber noch nicht viel geschafft.

Es gibt unter Marketingstrategen das geflügelte Wort: »Die Mitte ist tot.« Das glaube ich aber nicht. Ich glaube, dass nicht die Mitte, sondern vielmehr die Mittelmäßigkeit tot ist. Das ist das Problem der Opels und Karstadts dieser Welt, und es wird das Problem der Rewes und Edekas noch werden. Sie sind nämlich weder richtig billig noch richtig gut.

Die Mitte ist wichtig, die breite Mitte. Anstatt sich immer noch weiter anzupassen an den Preiswahn der Kunden und ihn auch selber noch zu befeuern, sollten Karstadt und Kaufhof, Rewe und Edeka und die anderen Großen in der Mitte endlich eine mutige und klare Ansage machen. Eine Qualitätsoffensive. Denn Änderungen in der breiten Mitte bewirken wirklich etwas, weil sie Masse bringen. In der Mitte des Marktes ist Platz für Qualität, für Innovation, für Mut, für Neues. In der Mitte des Marktes spielt die Musik!

Karstadt könnte innerhalb eines Jahres seine Haushaltswarenabteilungen umkrempeln, dass es eine wahre Freude wäre. Das ganze Zeug, das es bei Tchibo und den Discountern auch gibt, einfach auslisten. Sich zu Qualität bekennen, sich »committen«, würde man im Beratersprech sagen.

Das Hartwarensortiment im Bereich Haushalt kann man ohne große Schwierigkeiten auf europäische Produktion umstellen, den Großteil sogar auf »Made in Germany«. Keine Sorge, es reicht für alle. Die Textilabteilung: weg mit den ganzen Klamotten, die H&M sowieso hipper und billiger anbietet. Hin zu einem soliden Basis-Sortiment aus fairer, europäischer Produktion.

Und so weiter: Das geht mit Uhren und Schmuck, das geht mit Taschen und Koffern, das geht mit Spielwaren, Geschenken und Accessoires, das geht mit Heimtextilien, das geht auch mit Parfümerie und Pflege. Und es geht natürlich auch bei Lebensmitteln!

Lebensmittel sind unser größter Einzelhandelsbereich und in Sachen Nachhaltigkeit sicher der wichtigste. Was dort wirklich etwas ändern würde, wäre, wenn einer der ganz großen Lebensmittelhändler sich exponieren würde: Wir verkaufen in allen Rewe-Filialen ab sofort kein Mehl mehr auf Discountpreisniveau! Wir verkaufen in allen Edeka-Filialen ab sofort nur noch Äpfel aus der jeweils nächstliegenden Region und nur noch dann, wenn es welche gibt. Wir verkaufen ab sofort in allen Tengelmann-Filialen nur noch Milch zu einem fairen Preis, der die Erzeuger leben lässt, und vor allem nur noch Fleisch, das aus tiergerechter Haltung und anständiger Produktion stammt.

So eine flächendeckende Ansage eines der Handelsriesen bei Grundnahrungsmitteln ist einer meiner größten Wünsche, denn das würde ein Beben im Handel auslösen. Das wäre die Initialzündung für weitreichende Veränderungen. Und ich meine damit nicht nur einen Testballon wie zum Beispiel »Temma«, das Tante-Emma-Konzept von Rewe, oder die zehn oder zwanzig regionalen Produkte, die Edeka versucht, jeweils im Sortiment unterzubringen. Es ist wirklich gut, dass es solche Ansätze gibt, aber dahinter steht in Wahrheit nicht Mut und Überzeugung, sondern eher der Bedarf nach einem Feigenblättchen, das man schön vor die anderen 99 Prozent des Geschäftsmodells hängen kann.

So ein echtes, mutiges Bekenntnis zu mehr Nachhaltigkeit, zu Regionalität, zu gentechnikfreien Produkten, zu fairen Erzeugerpreisen ist von den Handelselefanten ganz sicher nicht zu erwarten. Denn so ein Bekenntnis ist nur dann glaubhaft und wirkungsvoll, wenn es mit einem Verzicht einhergeht: einem Verzicht auf den idiotischen Preiswahnsinn der Discounter. Genau diesen aber machen sie alle mit, schlimmer noch, sie sind es selbst: Penny gehört Rewe, Netto, Diska & Co. gehören Edeka, Kik gehört Tengelmann, Lidl gehört zu Kaufland. Jeder der Großen hat seinen eigenen Discounter.

Auf der einen Seite faire Milchpreise im Rewe-Markt auf den Sockel zu stellen und gleichzeitig auf der anderen Seite bei Penny die Milch zu Bauern-Vernichtungspreisen zu verschleudern – das wäre unglaubwürdig. Solange die großen Handelsgruppen das unanständige Discounterspiel mitspielen, können sie in ihren Warenhäusern und Supermärkten nichts verändern. Man kann eben nicht gleichzeitig eine Kirche und einen Puff betreiben.

Wendezeit

Ich will nicht der Rufer in der Wüste sein. Ich predige keine radikale Umkehr. Ich bin kein Prinzipienreiter. Ich trete nicht für eine Revolution mit wehenden Fahnen ein, sondern für eine smarte Kurskorrektur aus Einsicht. Für eine nachhaltigere Wirtschaft. Nachhaltigkeit in Reinkultur gibt es ohnehin nicht. Solange jede Logistik, jeder einzelne Transport von billigem Öl abhängig ist, gibt es keine echte Nachhaltigkeit, auch nicht bei Manufactum oder Alnatura.

Ich plädiere auch nicht gegen den Kapitalismus. Zwar bin ich Mitglied bei den Globalisierungskritikern von Attac, weil sie das globale Casino der Börsenzocker dichtmachen wollen. Aber ich bin gleichzeitig Mitglied im Wirtschaftsrat der CDU, weil ich im Grunde meines Herzens ein sehr bodenständiger, bürgerlicher und verwurzelter Mensch bin, ein Wirtschaftsmann aus Überzeugung. Ich glaube, dass die soziale Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards die beste Gesellschaftsform für uns ist.

Ideologische Grabenkämpfe liegen mir fern. Ich sehe nur, dass der Handel, wie wir ihn jetzt haben, nicht mehr in unsere Zeit passt. Er zerstört unsere Gesellschaft. Er übernimmt keine Verantwortung, und deshalb haben wir alle die Verantwortung, ihn zu verändern.

Es ist Zeit, dass etwas Neues entsteht. Es kann nicht alles noch billiger werden, die Kosten können nicht noch weiter gedrückt werden, die falsche Kundenorientierung kann nicht noch mehr schlappen Mainstream hervorwürgen, die großen zentralisierten Handelskonzerne können unseren Zukunftsaufgaben einfach nicht mehr gerecht werden.

Wir müssen dafür eintreten, das Gute unserer Wirtschaft zu erhalten, während wir Neues aufbauen. Das Gute sind beispielsweise die heimischen Produktionsstrukturen. Wir kommen ja nur deshalb noch einigermaßen glimpflich durch die jüngsten Krisenserien der Weltwirtschaft, weil wir überhaupt noch industrielle Strukturen im Land haben.

Unsere Industriekultur war einmal und ist mancherorts immer noch Weltklasse, wir müssen sie unbedingt erhalten. Wir müssen auch die Urproduktion erhalten, unsere regionale, kleinteilige Landwirtschaft ist unverzichtbar, denn wir brauchen in möglichst kurzer Entfernung die Produktion guter Lebensmittel zu fairen Preisen für die komplette Bevölkerung, damit der immer weiter steigende Ölpreis uns nicht auf den Magen schlägt.

Auch im europäischen Rahmen brauchen wir eine konservative Haltung dem Bewährten gegenüber. Beispielsweise haben wir in Europa noch ein wenig Textilproduktion, in Italien, in der Türkei, in Portugal – und sogar auf der Schwäbischen Alb, nämlich bei Wolfgang Grupp von Trigema! Wir fertigen sogar wieder Lauf- und Sportschuhe in Deutschland, nämlich bei den Lunge-Brüdern in einem ehemaligen Kuhstall im mecklenburgischen Düssin. Wir sollten stolz darauf sein und diesen Wirtschaftszweigen Wertschätzung geben: Schaut mal, ist das nicht großartig? Das ist in Europa hergestellt worden, dafür zahlen wir gerne 10 Euro mehr, weil wir das gut finden! Wir müssen lernen, den Nutzen der erhaltenswerten Wirtschaftsstrukturen zu erkennen. Und wir brauchen Führungsleute in Wirtschaft und Gesellschaft, die für diese Strukturen geradestehen, anstatt sie im Namen der Rendite immer weiter zu schleifen.

Was mich zuversichtlich stimmt: Wenn da gar nichts wäre, wenn der Druck auf die Manager nicht zunehmen würde, warum kauft dann die Rewe Ökostrom in großem Maßstab? Warum lässt dann die Metro in ihrem Magazin Zum Handeln geschaffen18 durchaus kritische Artikel zum Thema Nachhaltigkeit schreiben? – Natürlich, das ist alles nur für die PR, reine Lippenbekenntnisse, während beim eigentlichen Geschäft genau das Gegenteil von Nachhaltigkeit betrieben wird. Von Greenwashing lassen wir uns nicht blenden.

Aber es beweist doch: Da ist etwas. Die Großen können es nicht mehr ignorieren. Es wird darüber geredet, sie müssen sich damit beschäftigen. Es tut sich was!

Ich glaube, die großen Unternehmen in unserem Land, die bislang von der Billigkultur profitiert haben, bereiten sich allesamt darauf vor, dass diese Strategie an ihrem Endpunkt ankommt. Möglicherweise sind sie kurz davor, aber sie warten, bis sie wirklich müssen.

In der Automobilindustrie geht es rasend schnell. In kürzester Zeit hat sich allgemein herumgesprochen, dass das Konzept des Verbrennungsmotors ein Auslaufmodell ist. Jeder Hersteller war quasi über Nacht dazu gezwungen, sich mit der Elektromobilität auseinanderzusetzen. In der Energiewirtschaft erleben wir gerade ähnlich schlagartige Veränderungen, weil die Atomenergie in der Gesellschaft keine Akzeptanz mehr hat. Und genau dasselbe wird auch in anderen Wirtschaftszweigen passieren. Entweder, die Unternehmen stellen um auf immer mehr echte Nachhaltigkeit, auf immer mehr gesellschaftliche Verantwortung – oder sie sind über kurz oder lang weg vom Fenster.

Denn wir Deutsche haben eine Kaufkraft von 1600 Milliarden Euro im Jahr. Mindestens 400 Milliarden davon alleine für Konsumgüter. Und über deren Verwendung bestimmt jeder Einzelne von uns. Nichts ist mächtiger als die Wirtschaft. Und die Wirtschaft, das sind wir.

Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip
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