12

 

»Glaubst du das, Reed? Nein, gieß mir keinen Kaffee ein, ich könnte ihn sowieso nicht herunterbekommen.« Reed goß ihr trotzdem eine Tasse ein und stellte sie vor sie.

»Ich hatte gesagt, meine Neuigkeit wäre erschreckend, aber du mußt nicht gleich entsetzt und aus der Fassung sein. Und wenn du mich noch einmal fragst, ob ich das Ganze glaube, dann fängst du eine. Ganz abgesehen von allen anderen Überlegungen, meinst du denn, ich würde jemandem helfen, einen Mord zu vertuschen, selbst wenn ich für denjenigen Dankbarkeit und Zuneigung empfinde? Es stimmt, ich kenne dich und Emanuel nicht, und verstehe deswegen ein bißchen besser, was für ein Gefühl es ist, helfen zu wollen. Das ist doch was, oder? So, jetzt trink bitte deinen Kaffee. Kate, Kate, bitte, nein. Ich werde es dir binnen einer Minute klargemacht haben: Das ist wirklich das Beste, was dir in deinem Kreuzzug für Emanuel passieren konnte. Du hast doch wohl nicht erwartet, daß du gegen Drachen kämpfst und noch nicht einmal einen Kratzer am Finger abbekommst, oder? Da, bitte, nimm meines. Ich habe nie verstanden, warum keine Frau je ein Taschentuch bei sich hat, außer dem in ihrer Handtasche, aber die liegt immer in einem anderen Zimmer. Und ich habe dir noch immer nicht meine faszinierende Neuigkeit berichtet.«

»Einen Augenblick noch, gleich bin ich wieder in Ordnung. Und dabei ist das Mädchen noch nicht einmal in meiner Nähe gefunden worden… Wie muß sich Emanuel da erst fühlen! Wie absolut hintergangen von den Umständen! Weißt du, was mir als erstes gerade durch den Kopf ging – mein erster schrecklicher, wehleidiger, kleinmütiger Gedanke? Was wird das für mich an der Universität wohl für Folgen haben? Können die sich wirklich eine Professorin leisten, die unter Mordverdacht steht? Dabei trifft mich das viel weniger direkt als Emanuel. Reed, was meinst du, wer kann den Brief geschickt haben?«

»Aha, die kleinen grauen Zellen fangen wieder an zu arbeiten, Gott sei Dank. Das ist nämlich der springende Punkt. Du hast jemandem offenbar einen Schrecken eingejagt, einen gehörigen Schrecken, meine Liebe. Natürlich mag es voreilig sein, wenn wir vermuten, daß du jemandem Angst eingejagt hättest, nur, weil der anonyme Brief dich betrifft. Vielleicht bist du auch bloß das einzig verfügbare Opfer, die einzige, auf die alle Umstände so zutreffen, daß der Brief einleuchtet, zumindest für den Augenblick. Aber der oder die Briefschreiber oder Briefschreiberin – bedauerlich, daß man so etwas nicht im Neutrum ausdrücken kann – fürchtet, daß einige der Fäden, die in unseren Händen so nett verheddert sind, plötzlich zu einem Strick werden könnten, der sich um seinen oder ihren Hals legt. Also heißt jetzt erst einmal die Frage: Welche Fäden halten wir in der Hand, und wie haben wir sie zu entwirren, bevor wir auch nur so etwas wie einen Bindfaden bekommen?«

»Reed, du bist wirklich sehr nett, weißt du, sehr nett, wenn ich das vielleicht auch noch nicht erwähnt habe. Ich glaube, es gibt da etwas, das ich dir erzählen sollte.«

»Das klingt ja bedrohlich. Nachdem du mir erzählt hast, was für ein netter Mensch ich bin, rückst du jetzt sicher mit einer unglaublichen Torheit heraus, die du begangen hast. Also, was war es?«

»Gut, es muß heraus: Ich habe Jerry angeheuert.«

»Jerry! Du willst damit doch nicht sagen, Kate, daß du einen Privatdetektiv eingeschaltet hast? Das würde uns die Sache ziemlich vermasseln.«

»Nein, Jerry ist noch ein bißchen privater. Mein Sherlock Holmes sozusagen, und außerdem mein Neffe.«

»Das soll doch nicht etwa heißen, daß du einen kleinen Jungen engagiert hast! Wirklich, Kate…«

»Nun rede keinen Unsinn. Wieso sollte mein Neffe ein kleiner Junge sein?«

»Wer weiß? Vielleicht will deine Schwester den Jungen gerade adoptieren.«

»Reed, hör doch zu. Natürlich ist er kein kleiner Junge, und eine Schwester habe ich auch nicht. Aber ich habe eine Nichte, und die ist mit Jerry verlobt, und der hat gerade frei, bevor er dann an die Law School geht. Er kann losgehen und mit Leuten reden, wo ich es nicht kann.«

»Du bist doch noch gar nicht so alt, als daß du eine Nichte im heiratsfähigen Alter haben kannst, oder verloben die sich heutzutage schon mit vierzehn? Und wenn du jemanden gebraucht hast, warum nicht mich? Qualifiziert einen der Umstand, mit deiner Nichte verlobt zu sein, eher zu diesem Job?«

»Reed, versuch doch, mich zu verstehen. Du hast deinen Beruf, wie ich auch, und kannst nicht einfach den ganzen Tag herumziehen, selbst wenn du wolltest; und mit deinem Job schon gar nicht. Außerdem würdest du nicht meinen Anordnungen folgen, sondern nur herumsitzen und Streitgespräche mit mir führen.«

»Das hoffe ich doch sehr. Kate, du schaffst das nicht allein.«

»Langsam fange ich an, dir zu glauben. Trotzdem, wenn es dir gelingt, so lange still zu sein, wie du für noch eine Tasse Kaffee brauchst, dann erzähle ich dir, wie weit Jerry und ich bisher gekommen sind. Das heißt, ich erzähle dir alles, was ich weiß. Was Jerry heute im Laufe des Tages unternommen hat, erfahre ich erst morgen früh. Wenn ich fertig bin und du Bescheid weißt, dann kannst du mir deine faszinierende Neuigkeit erzählen.« Sie erzählte Reed von Jerry und der Hausmeisteruniform, das wiederum erinnerte sie an die Unterhaltung mit Jackie Miller, also berichtete sie ihm auch davon und von dem, was sie in den Universitäten gefunden hatte, schließlich noch von Sparks und Jerrys Plan, die Bekanntschaft von Horan und der Sprechstundenhilfe zu machen.

Reed trug das Ganze, alles in allem, recht tapfer. Er überdachte die Fakten – wenn es Fakten waren, wie er beharrlich betonte. »Dir ist klar«, sagte er, »daß diese unmögliche Jackie Miller den Schlüssel zu der ganzen Angelegenheit in Händen haben könnte, jedenfalls wenn wir annehmen, daß Janet Harrison mit einem Mann gesehen wurde und daß dieser Mann in irgendeinem Zusammenhang mit dem Fall steht. Aber das ist alles doch sehr hypothetisch. Inzwischen addieren wir mal meine Neuigkeit, und reg dich nicht gleich wieder so auf, wenn du sie hörst. Sie klingt wunderbar, aber je länger man darüber nachdenkt, desto weniger Sinn ergibt sie. Tatsächlich kommt mir die ganze Geschichte immer unzusammenhängender vor. Und, meine liebe, junge Frau, wir müssen ohne Frage über Jerry reden. Wie du auch nur einen Augenblick lang daran denken konntest, ihn anzuheuern – ich nehme an, das bedeutet, du bezahlst ihn dafür, daß er sich selbst in Schwierigkeiten bringt und Staub aufwirbelt. Wie du nur an so etwas denken konntest…«

»Wie ist nun deine faszinierende Neuigkeit, Reed? Laß hören, und dann denken wir gemeinsam darüber nach, und wenn wir entdecken, daß tatsächlich alles unsinnig ist, dann können wir uns beim Frühstück immer noch über Jerry streiten – ich glaube, bis dahin ist Frühstückszeit.«

»In Ordnung. Ich habe dir von Daniel Messenger erzählt.«

»Ich weiß. Er beschäftigt sich mit irgendwelchen jüdischen Erbfaktoren.«

»Jetzt reicht es, Kate. Ich gehe. Du brauchst erst einmal eine Nacht lang Schlaf, und morgen, wenn du ausgeruht bist…«

»Tut mir leid. Du hast mir von Daniel Messenger erzählt, und…«

»Ich habe dir gesagt – auch wenn du, wie ich mich erinnere, nicht bereit warst, das zu akzeptieren –, daß Dr. Messenger unserem Mann auf dem Foto überhaupt nicht ähnlich sieht. Wir haben einen jungen Kriminalbeamten zu dem guten Doktor geschickt, und danach sah es so aus, als hätten wir die Zeit des Beamten und wertvolle Steuergelder verschwendet. Messenger hatte noch nie von Janet Harrison gehört und von Emanuel Bauer genauso wenig; er hat nicht viel Ahnung von Psychiatrie und hatte mit Sicherheit Chicago in den Wochen des Mordes nicht verlassen. Mehr noch, er konnte sich überhaupt keinen Reim darauf machen, warum Janet Harrison ihm ihr Geld hinterlassen sollte; ihm kam nur der Gedanke, es könnte vielleicht ein anderer Daniel Messenger gemeint sein. Das war natürlich Unsinn. Sie wußte viel zu genau über ihn Bescheid, zum Beispiel, wo er wohnte und seit wann, woran er arbeitete und so weiter. Der Anwalt hatte ihr geraten, die Adresse des Mannes, sein Alter et cetera mit anzugeben, was sie auch getan hatte. Es gibt nicht den leisesten Zweifel, daß er der Mann ist.«

»Wie du siehst«, fuhr er fort, »haben wir da ein ganz nettes Problem, Kate, aber durchaus typisch für diesen ganzen vertrackten Fall. Und jetzt kommt es: Unser junger Kriminalbeamter wollte gerade Feierabend machen und gehen, als ihm etwas einfiel, das so auf der Hand liegt, daß er sich wahrscheinlich als Genie entpuppen und es in der Welt noch weit bringen wird – alle genialen Ideen erscheinen, wenn das Genie sie erst einmal gedacht hat, als ›auf der Hand liegend‹. Selbstverständlich hatte der Beamte einen Abzug von dem Foto aus Janet Harrisons Handtasche bei sich, um sicher zu gehen, daß Daniel Messenger bei noch soviel Phantasie keine Ähnlichkeit damit hatte. Kurz bevor er gehen wollte, zeigte er Messenger das Foto. Es geschah aus einem Impuls heraus, denn keiner hatte daran gedacht, ihn dazu anzuhalten. Er zeigte es ihm ganz beiläufig und erwartete sich auch nichts davon. ›Den Mann kennen Sie nicht zufällig, oder?‹ fragte er ihn oder so ähnlich.«

Reed holte tief Luft. »Anscheinend hat Messenger sich das Bild ziemlich lange angeschaut, so daß der Kriminalbeamte schon glaubte, er sei mit seinen Gedanken ganz woanders – du weißt ja, wie lang einem ein paar Sekunden vorkommen können, wenn man auf eine Antwort wartet –, und schließlich sah Messenger den Beamten an und sagte: ›Das ist Mike.‹«.

»Mike?« fragte Kate.

»Genau das sagte der Kriminalbeamte auch: ›Mike? Was für ein Mike?‹ Und was, glaubst du, sagte der Doktor?«

»Ach du lieber Schreck. Ein Ratespiel. Ich liebe Ratespiele. Wieviele Antworten habe ich frei, Daddy? In Teufels Namen, was hat er gesagt?«

»›Was für ein Mike?‹ hat er geantwortet. ›Mike Barrister: Wir hatten mal eine gemeinsame Bude, vor Urzeiten‹.«

»Mike Barrister!« sagte Kate. »Dr. Michael Barrister. Reed! Da ist die Verbindung, auf die wir gewartet haben. Ich habe es gewußt. Früher oder später mußten ein paar von unseren verstreuten Fakten zusammenpassen. Janet Harrison hinterläßt ihr Geld Messenger, Messenger kannte Barrister, und Michael Barrister hat seine Praxis gegenüber der von Emanuel. Reed, es ist wunderbar.«

»Ich weiß, daß es wunderbar ist. Für einen kurzen, strahlenden, runden Augenblick ist alles wunderbar. Aber wenn es aufhört, dir in den Ohren zu klingen, und du anfängst, ein bißchen darüber nachzudenken, dann ist es zwar noch immer wunderbar, aber es hat verdammt wenig zu bedeuten.«

»Unsinn, sie wurde wegen ihres Geldes ermordet.«

»Selbst wenn wir annehmen, sie hatte genug Geld, um dafür umgebracht zu werden – was ich für alles andere als ausgemacht halte –, wer hat sie ermordet? Messenger war es nicht; er hat Chicago nicht verlassen. Und selbst wenn wir bereit sind, uns noch einmal auf die Idee vom gekauften Mörder einzulassen – du gibst selbst zu, daß sie lächerlich ist –, dann ergibt trotzdem jede nur mögliche Untersuchung, daß Messenger der letzte Mensch auf der Welt ist, der in Frage kommt. Dringend Geld brauchte er nicht, das wissen wir jedenfalls durch Nachfrage bei seiner Bank. Seine Frau arbeitet als Sekretärin, und wenn sie auch nicht reich sind, in einer verzweifelten Lage befinden sie sich nicht. Offenbar sogar weit entfernt davon, denn sie haben schon unauffällig das Geld für die College-Erziehung ihrer Töchter zurückgelegt. Sie haben keinen ausgefallenen Geschmack – ihr Traumurlaub heißt Camping im nördlichen Michigan. Sie haben keine Schulden, es sei denn, du nennst eine Hypothek auf ihrem Haus Schulden; in dem Fall gäbe es ein paar Millionen potentielle Mörder in den Vereinigten Staaten.«

Reed sah Kate an. »Ich weiß, Kate, deine Gedanken kreisen nur noch um deinen Hauptverdächtigen, Dr. Michael Barrister. Wir wissen sogar, daß er einmal wegen eines Kunstfehlers angeklagt war, obwohl ich inzwischen erfahren habe, daß die meisten Anzeigen dieser Art ziemlich ungerechtfertigt sind und praktisch jeder Arzt mal mit einem Verrückten zu tun hat, der sich ärgert, weil er keine Wunderkur verpaßt bekommt oder aufgeschnappt hat, daß diese Behandlung der durchgeführten vorzuziehen sei. Aber selbst wenn die Anzeige gerechtfertigt sein sollte, so macht sie den Betroffenen nicht zum Mörder.

Und selbst wenn, warum sollte Dr. Barrister ein Mädchen ermorden und damit einem Mann, den er seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hat, eine nicht besonders große Summe zukommen lassen?«

»Vielleicht wollte Barrister nur Emanuel in Schwierigkeiten bringen; vielleicht haßt er Emanuel aus irgendeinem verrückten Grund.«

»Mag sein, daß er das tut, obwohl ich mir kaum vorstellen kann, warum. Das einzige, was wir wissen, ist, daß Emanuel ihn nicht besonders mochte. Aber was hat Messenger damit zu tun? Wieso sollte die Tatsache, die uns so aufregt – daß Messenger und Barrister sich früher gekannt haben –, irgend etwas mit Barristers Gefühlen Emanuel gegenüber zu tun haben? Emanuel und Messenger kennen sich nicht, und abgesehen von der zufälligen gemeinsamen Adresse, gilt das auch für Barrister und Emanuel. Es ist eine hübsche Tatsache, Kate, aber sie führt uns kein Stück weiter. Keinen Zentimeter.«

»Augenblick, Reed, du machst mich konfus. Ich gebe zu, Messenger ist zwar hilfsbereit, aber nicht sonderlich erhellend. Aber wir wissen jetzt immerhin, wer der junge Mann auf dem Foto ist. Warum haben wir ihn übrigens nicht erkannt?«

»Ich habe ihn nicht erkannt, weil ich ihn nie gesehen habe. Und du hast ihn ja erkannt, teilweise. Du sagtest, das Foto erinnere dich an jemanden, weißt du noch? Ein Mann verändert sich sehr in den Jahren zwischen noch-nicht-dreißig und jenseits-der-vierzig. Und vergiß nicht, Messenger hatte Barrister seitdem nicht mehr gesehen, zumindest nehmen wir das an. Er sah auf dem Bild den jungen Mann, mit dem er einmal das Zimmer geteilt hat. Wenn ich dir ein Bild von einem Mädchen zeigte, mit dem du zur High School gegangen bist, würdest du wahrscheinlich sagen: Ach, ja, das ist Sally Jones. Sie hatte immer enge Pullover an und lispelte. Aber wenn ich dir ein Foto von Sally Jones zeigte, wie sie heute aussieht, dann könnte es gut sein, daß du nicht wüßtest, wer das ist.«

»Also gut, spiel du nur weiter den advocatus diaboli. Es bleibt das Faktum, daß Dr. Michael Barrister seine Praxis gleich gegenüber hatte, daß er es war, der das Mädchen für tot erklärt hat – zumindest gegenüber Nicola –, und daß sein Foto die ganze Zeit in der Brieftasche des ermordeten Mädchens steckte.«

»Wo der Mörder es auch gelassen hat.«

»Weil er es übersehen hat – es steckte schließlich in ihrem zusammengefalteten Führerschein.«

»Oder weil er es mit Absicht dort gelassen hat, damit wir genau das denken, was du jetzt denkst.«

»Verdammt, verdammt, verdammt noch mal.«

»Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen. Aber eines fällt mir dabei auf. Sparks sagte, das Gesicht käme ihm bekannt vor, falls ich dich richtig verstanden habe. Könnte Sparks gewußt haben, wen das Foto darstellte, und es deswegen dort gelassen haben? Er hört sich an wie ein Mann, der sehr umsichtig zu handeln weiß.«

»Vielleicht sollten wir Messenger ein Foto von Sparks zeigen. Dann stellt sich womöglich heraus, daß die beiden in frohen Kinderzeiten miteinander Baseball gespielt haben. Ich habe nicht daran gedacht, Sparks zu fragen, woher er kommt. Sie könnten schließlich mal im selben Pfadfinder-Lager gewesen sein, als Sparks zu Besuch bei seiner unverheirateten Tante in Messengers Heimatstadt war.«

»Ich kann mir zwar nicht vorstellen, wieso Messenger jeden kennen sollte, der in den Fall verwickelt ist, aber es wäre keine schlechte Idee, ihm Fotos von allen Beteiligten zu zeigen, vorausgesetzt, wir können welche auftreiben.«

»Zumindest entfernen wir uns damit von Emanuel, Reed. Obwohl wir uns«, fügte sie hinzu, als sie an Reeds erste Neuigkeit dachte, »statt dessen entweder auf mich zubewegen oder auf das totale Chaos. Immerhin, wir bewegen uns. Was unternehmen wir als nächstes? Natürlich, wir haben Horan vergessen; vielleicht war der Mord an dem Mädchen Teil einer Werbekampagne. Und die Verbindung zwischen Barrister und Messenger ist purer Zufall. Schließlich ist das Leben voller Zufälle, wie wir von Hardy wissen, auch wenn das niemand zugeben will. Ach, Lieber, ich drehe mich im Kreis. Reed, eine Frage, bevor ich schwindelig werde und einschlafe: Wo war Barrister an dem Morgen, als der Mord geschah? Hat die Polizei das jemals genau festgestellt?«

»Er war in seiner Praxis, und die war voller Patientinnen, einige im Wartezimmer, andere in den Untersuchungsräumen. Seine Sprechstundenhilfe war natürlich auch da. Ich nehme an, wir müssen dem jetzt ein wenig intensiver nachgehen, auch wenn die Polizei gar nicht daran gedacht hat, ihn nach einem Alibi zu fragen. Das bedeutet, daß er wirklich keine Minute lang woanders gewesen ist. Mir wird langsam selber ein bißchen schwindelig.«

»Gut, morgen früh berichtet mir Jerry von Horan. Und von der Sprechstundenhilfe. Vielleicht hat Jerry…«

»Oh, ja, wir müssen noch über Jerry reden. Kate, ich möchte, daß du mir versprichst…«

»Das nützt nichts, Reed, ich würde mich morgen nicht mehr erinnern, was ich heute versprochen habe. Und morgen ist ›Daniel Deronda‹ dran. Gar nicht zu reden von meinen anderen Seminaren. Ich hoffe, dieser Brief geht nicht an die Zeitungen.«

»Ich glaube, das kann ich dir versprechen.«

»Was meinst du, wer hat ihn geschickt?« Aber Reed war schon an der Tür. Sie winkte ihm schläfrig nach, schenkte den Überresten ihrer Kaffeerunde keine Beachtung mehr und ließ ihre Kleider fallen, wo sie gerade stand. Sie wußte ganz genau, sie würde nicht schlafen können, solange ihr dieser Messenger und Barrister, Emanuel, Sparks und Horan derart im Kopf herumwirbelten und war immer noch überzeugt davon, als Jerry (sie hatte vergessen, den Wecker zu stellen) sie am Morgen weckte.