Auszug aus Eve Rossers Tagebuch

 

Wenn man glaubt, dass man sterben wird – wie schreibt man dann darüber? Ich weiß es nämlich nicht. Ich weiß nicht, wie ich mich fühle oder warum ich mich so fühle. Alles, was ich weiß, ist, dass ich Angst habe, und ich möchte mich einfach nur ins Bett verkriechen und lange, lange Zeit dort bleiben. Shanes Dad – Gott, ich dachte immer, meine Eltern seien es wert, vom Zug überrollt zu werden, aber Shanes Dad sollte aus dem Universum getilgt werden. Shane sagt, er sei noch immer in Morganville, aber wenigstens sind er und seine zerstörungswütige Bande nicht mehr bei uns im Haus, und Shane sieht mehr oder weniger intakt aus. Sein Dad ist ein Idiot, habe ich das schon erwähnt? Ein Vollidiot.

Michael ist wieder da. Ich möchte nicht darüber nachdenken, ich habe nämlich gesehen, wie er gestorben ist. Ich habe gesehen, wie sie ihn hinausgeschleift haben, und auch wenn ich nicht mitgekriegt habe, was danach mit ihm geschah, weiß ich, dass sie irgendwas mit seinem Körper angestellt haben, bevor sie ihn in ein Loch im Boden warfen. Ich kann ihn nicht fragen, wie das war und woran er sich erinnert. Ich will es lieber nicht wissen.

Claire ist...nun ja, Claire. Die kleine, fragile Claire, sie ist nicht totzukriegen. Ich weiß nicht, wie sie das anstellt. Ich schreibe das, bevor ich einschlafe, und sie ist unten und kuschelt mit Shane auf der Couch. Die beiden scheinen sich wirklich gut zu verstehen. Wahrscheinlich sollte ich sie mir aber mal zur Brust nehmen und ihr in Bezug auf Shane die Fakten des Lebens erklären. Ich meine, sie ist sechzehn. Okay, sie geht auf die vierzig zu, aber... sechzehn!

Mit sechzehn hielt ich mich natürlich auch für knallhart. Oder Moment – ich war knallhart, als ich sechzehn war. Oh yeah.

Ich bin in einen toten Typen verknallt. Bin ich deshalb schräg? Ich meine, schräger als sonst? Im Ernst.

Aber laut dem großen Boyfriend-Check in der Cosmopolitan konnte Michael ziemlich hoch punkten, mit Zusatzpunkten, weil er Musiker ist, sensibel und künstlerisch, und großartige Hände hat. Außerdem rangiert er auf einer Skala von eins bis zehn ungefähr bei acht, wenn die Eins ein unheimlicher Serienmörder ist und die Zehn Johnny Depp.

Und wenn er nicht tot wäre? Volltreffer. Ist er aber. Tot, meine ich. Die Hälfte der Zeit jedenfalls und ich sehe da einige Einschränkungen. Er wird mich nie zum Abendessen ausführen. Er wird mich nie in einen Klub begleiten und all die anderen Mädels zum Sabbern bringen, was einen Teil des Spaßes ausmacht. Er wird nie...naja, es gibt eine ganze Menge Dinge, die er niemals tun wird, und dazu gehört auch, niemals zur Tür dieses Hauses hinauszugehen. Oder wenigstens tagsüber da zu sein, falls ich ihn brauche.

Egal, wie viele Vorteile er hat, das wird ihn wegen technischer Mängel reinreiten.

Natürlich erhält er Extrapunkte dafür, dass er diese total süße Joe-Boxer-Unterwäsche trägt. (Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich das weiß, weil ich ihm den Gürtel aufgemacht habe, aber nein. Wäschekorb. Seufz.)

Zusammenfassung:

Ich: total schräg, weil in einen toten Typen verliebt. Toter Typ: total heiß.

Ich bin immer noch verwirrt.

***

Als gäbe es gerade nicht genug Traumata in meinem Leben: Jetzt verfolgt mich auch noch mein kleiner Bruder Jason. Ich war mir zuerst nicht sicher...Ich dachte, ich hätte mir das vielleicht eingebildet. Wisst ihr, als würde man aus den Augenwinkeln etwas sehen, und wenn man dann direkt hinschaut – nichts. Na ja, das ist Jason. Verdünnisiert sich wie Rauch. Wie Michael bei Sonnenaufgang. Sucht euch eure Lieblingsfloskel aus.

Aber heute, da dachte ich, ich hätte ihn gesehen. Ich drehte den Kopf und da war er. In voller Lebensgröße und doppelt so unheimlich. Ich meine nicht die körperliche Größe. Jason ist ein Zwerg, aber tödlich wie die Hölle und er schreckt vor nichts zurück. Die örtlichen Schlägertypen gingen einem Kampf mit ihm aus dem Weg – sogar noch bevor es für die Mädels, mit denen er zusammen war, tödlich endete. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er in den paar Jahren Gefängnis etwas gelernt hat, außer noch furchteinflößender zu sein.

Auch in einem Abstand von sechs Metern oder so ist er ziemlich unheimlich. Nicht dass er etwas Bestimmtes getan hätte, um mir Angst einzujagen; er stand einfach nur da. Lächelnd. Es war auf dem Campus der TPU, mitten am Tag, haufenweise Menschen um mich herum, aber ich fühlte mich trotzdem belästigt.

Ich fragte mich, was er vorhatte. Ich meine, es ist schon typisches Jason-Horrorshow-Verhalten, einfach dazustehen und zu lächeln und dann wegzugehen, aber er steckte die Hände in die Taschen seiner schwarzen Kapuzenjacke und kam langsam auf mich zu. Mein Bruderherz ist ein bisschen kleiner als ich und viel dünner – Heroin-Look. Er ist noch immer Goth, trägt sein braunes Haar in einer schwarz gefärbten Igelfrisur und legt mehr Eyeliner auf als ich. Er trug ausgebleichte, armselige Jeans, klobige schwarze Stiefel und ein weites schwarzes T-Shirt. Vom Aussehen her eigentlich nichts Besonderes, aber was er daraus machte, war... beunruhigend. Ich wollte nicht, dass er noch näher kommt, war aber auch nicht gewillt, mich zurückzuziehen, und ich wäre mir ziemlich bescheuert vorgekommen, wenn ich um Hilfe gerufen hätte, wo Jason doch gar nichts gemacht hat. Er hatte noch nicht mal eine Waffe, soweit ich das sehen konnte. Nicht dass er je eine gebraucht hätte.

Etwa zehn Zentimeter vor mir – viel zu nah – hielt er an.

»Na so was«, sagte Jason. »Lange nicht gesehen, Eve.«

Ich antwortete nicht. Ich beobachtete ihn nur, um zu sehen, was er tun würde. Gott weiß, er ist zu allem fähig. Echt zu allem.

»Wollte nur, dass du Bescheid weißt, dass ich wieder draußen bin«, sagte er und zuckte die Achseln. »Ich weiß, du würdest jetzt am liebsten ’ne Party schmeißen und so’n Mist, aber beherrsch dich lieber.«

»Was willst du?« Ich wollte eigentlich taff klingen. Aber wahrscheinlich klang ich einfach nur ängstlich.

»Ich war bei unseren Alten. Dachte eigentlich, dich dort anzutreffen, aber Mom sagte, du wärst ausgezogen.« Jason hat die gleichen Augen wie ich. Es war, als würde ich in den Spiegel schauen. Einen verrückten, völlig gestörten, sexuell verwirrten Spiegel.

»Umgezogen? Ich bin nicht umgezogen. Sie haben mich rausgeschmissen.«

Er schien nicht überrascht zu sein. »Wollten Brandon nicht aufgeben, nehme ich an.«

»Nein.« Ich fühlte mich elend bei diesem Gespräch. Ich hatte mir geschworen, nie wieder mit Jason zu sprechen, und trotzdem unterhielt ich mich jetzt mit ihm. Plauderte sogar. Nicht gut. »Was willst du?«

»Frieden auf Erden.« Er schenkte mir wieder dieses seltsame kleine Lächeln. »Wem hast du dich verschrieben?«

»Niemandem.«

»Mutig. Bescheuert, aber mutig.« Jason wollte einfach nicht aufhören zu lächeln. Das ging mir so was von auf die Nerven. Jede Sekunde konnte ich nun einknicken und wie ein kleines Mädchen schreiend davonlaufen. »Rate mal, wer mich abgeholt hat, als sie mich aus dem Loch unter dem Gefängnis, in das sie mich gesteckt hatten, herausließen.«

Ich wollte es gar nicht wissen. Echt nicht. Aber irgendwie hat er mich dazu gebracht, trotzdem zu fragen. »Wer?« Bitte, sag jetzt nicht Brandon.

»Brandon«, sagte Jason. Er blinzelte nicht. »Er hob um der guten alten Zeiten willen Ansprüche auf meinen Arsch. Ich habe mich eigentlich niemals bei dir für alles bedankt, was du getan hast, um mir bei diesem kleinen Problem auszuhelfen, oder?«

»Jason...«Ich konnte nichts dagegen machen. Ich trat einen Schritt zurück, nur einen ganz kleinen, aber es reichte. Und er lachte. Es hörte sich nicht echt an, aber das passte ja zum gesamten Rest.

»Oh, mach dich locker. Ich werde es hier nicht tun«, sagte er und das Lachen verschwand. Übrig blieb etwas Stilles und Finsteres, was weit schlimmer war. »Ich weiß, wo du wohnst, Schwesterchen. Ich weiß, wo du arbeitest. Ich kenne deine Freunde. Und du weißt, dass Morganville nicht groß genug ist, um dich vor mir zu verstecken, nicht wahr?«

Ich sagte nichts. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Worte trotz der unsichtbaren Schlinge, die sich um meinen Hals gelegt hatte, herausbringen würde. Jason betrachtete mich aufmerksam, von oben bis unten, und dieses Lächeln kam wieder zurück. Unheimlich, sanft und irgendwie einfach falsch.

»Du siehst gut aus«, sagte er. »Hast du einen Typen, Eve? Vielleicht einer der beiden Schwachköpfe, mit denen du zusammenlebst? Du hast schon immer auf den Blonden gestanden. Ich erinnere mich. Ich habe all dein Tagebuchgekritzel gelesen, in dem du geschrieben hast, wie heiß er doch ist. Ooooooh, Michael!«

Er versuchte einfach, mich zum Ausflippen zu bringen, aber das konnte ich mir ihm gegenüber nicht leisten. Wenigstens wusste ich, dass es ihm nicht gelingen würde, Michael zu verletzen, und Shane konnte normalerweise auf sich selbst aufpassen.

Jason zog die Augenbrauen hoch, zuckte wieder mit den Achseln und zog sich die Kapuze seiner schwarzen Fleecejacke über den Kopf. Er entfernte sich einige Schritte, dann drehte er sich um und schaute zu mir zurück. »Leg bei deiner Mitbewohnerin ein gutes Wort für mich ein. Claire, stimmt’s? Süß. Genau meine Größe.«

Ich fühlte mich, als hätte mir jemand einen riesigen Eimer Schleim über den Rücken gekippt. All meine Vorsätze, Jason nicht an mich ranzulassen, gingen zum Teufel. »Sie ist noch ein Kind, Jase. Bleib weg von ihr. Ich warne dich.«

Er streckte mir die Hände entgegen und wackelte grinsend mit allen zehn Fingern. »Booga, booga. Ich fang schon an zu zittern.«

Und dann ging er einfach weg, in fünf Schritten war er hinter einer Hecke verschwunden, aber als ich ihm hinterherrannte, konnte ich ihn nirgends entdecken. Zu viele Leute liefen herum, eilten zu ihrem Unterricht, spielten Frisbee, hingen ab. Wenn man nicht ganz genau und von Nahem hinschaut, fügt sich Jason gut ein.

Ich denke, ich sollte mit Shane darüber sprechen, Claires Schutz zu verdoppeln. Er nimmt das zwar jetzt schon viel zu ernst, aber vielleicht... yeah.

Wahrscheinlich sollte ich jetzt gleich zu ihm gehen und mit ihm sprechen.

***

Sie haben Shane und ich bin schuld daran.

Ich habe es ihm erzählt. Ich erzählte ihm von mir, von Brandon und vor allem von Jason. Dann versprach er, dass er auf Claire aufpassen würde, okay? Aber er tat nicht das Vernünftige, also, tatsächlich auch bei ihr zu bleiben. Nein, er macht sich daran, Jason zu verfolgen.

Und er folgte Jason direkt zu Brandon und ich glaube, er sah, wie Brandon von seinem Vater kassiert wurde. Wenn man sich jetzt mal in Shane hineinversetzt – galoppierte er los und holte die Kavallerie? Nein. Der Junge reitet auf seinem weißen Pferd direkt ins feindliche Lager und bildet sich ein, er könne Arschlöcher davon überzeugen, keine Arschlöcher mehr zu sein. Und was das Ganze noch schlimmer macht: Er tat es für Brandon.

Ich glaube, sie zwangen ihn sogar zuzuschauen. Oh Gott.

Und alles ist meine Schuld.

Deshalb haben die Vamps Shane jetzt auf dem Founder’s Square in einen Käfig gesperrt und werden ihn umbringen. Und Michael, der Mistkerl, hat mich in mein Zimmer eingeschlossen, als ich losziehen wollte, um ihn zu retten. Als wäre ich so ein Kind wie Claire! Als wäre ich ein Volltrottel! Aber hat er Claire vielleicht eingeschlossen? Natürlich nicht! Er schickt Claire auf die eine oder andere Mission und sorgt wahrscheinlich dafür, dass sie auch noch umgebracht wird. Gott, ich hasse ihn! Ich werde ihn später so was von umbringen. Kann ich ja ruhig, er kommt ja sowieso wieder zurück. Aber er wird es schon spüren, wenn ich ihn töte. Ich habe Pfähle und alles Mögliche.

Okay, vielleicht habe ich ein bisschen überreagiert, als ich den Cowboy spielen und da draußen Vampire killen wollte, aber trotzdem – mich in mein Zimmer einsperren? Was glaubt er eigentlich, wer er ist? Ich werde überhaupt gar nie mit ihm schlafen, niemals. Es ist mir so was von egal, wie heiß er ist.

Wir müssen etwas unternehmen, wegen Shane. Sein Dad tut so gut wie nix und sonst wird auch niemand was tun. Es liegt jetzt nur an uns. Mit »uns« meine ich Claire und mich, weil Michael ja wohl kaum von Nutzen ist.

Habe ich schon erwähnt, dass ich ihn umbringen werde?

***

Oh Gott, das war meine Schuld. Schon wieder. Ich hätte beinahe zugelassen, dass Claire vergewaltigt wird, und weshalb? Ich hätte sie nicht zum Dead Girls’ Dance mitschleppen dürfen. Ich wusste doch, dass das nicht sicher ist. Ich war nur ein zu mickriges Weichei, um allein hinzugehen, ohne jemanden, der mir den Rücken stärkt. Claire hatte keine Ahnung, wie viele Vamps dort im Verbindungshaus waren, ich schon – es waren Dutzende! Sie mögen solche Veranstaltungen auf dem Campus. Vielleicht haben sie ja Sinn für Humor, wer weiß, aber ich war nicht überrascht, als ich erfuhr, dass Sam dort sein würde.

Ich dachte, wir gehen rein und dann gleich wieder raus, krallen uns Sam, bringen ihn dazu, uns zu helfen...

Ich habe nicht mit dieser Menge gerechnet oder mit der Tatsache, dass Claire von jemand anderem als von nächtlichen, vampirzahnigen Stalkern bedroht werden könnte. Als sie dann verschwand, habe ich an den falschen Stellen gesucht, habe die Vamps gefragt...und es war einfach nur pures Glück, dass ich trotz der Musik hörte, wie sie meinen Namen schrie, als ich an diese Tür hämmerte.

Ohne Sams Hilfe wäre alles noch viel übler ausgegangen. Viel, viel übler. Ich kann nicht glauben, dass ich zugelassen habe, dass ihr so etwas zustößt.

Irgendetwas war da im Busch bei dieser Vamp-Versammlung im Verbindungshaus – keine Ahnung, was, aber was immer es war, für Shanes Dad wurde es dadurch einfacher, seinen Sonderkommando-Vergeltungsplan durchzuziehen. Dabei kamen ein paar Kids um, aber so spielt eben das Leben, wenn es nach Mr Collins geht. Gott, ich hasse diesen Mann. Ich kann nicht glauben, dass er die Hälfte zu Shanes DNA beigetragen hat.

Ich hoffe, Claire ist okay. Wir haben sie nach oben gebracht und ins Bett gesteckt; sie redete wirres Zeug und war inzwischen völlig weggetreten. Ich weiß, sie wird sich darüber aufregen, dass wir sie nicht aufgeweckt haben, aber sie muss das jetzt ausschlafen.

Ich mache auch ein Nickerchen. War ein langer Tag und wir müssen noch immer Shane retten.

***

Shane ist okay.

Michael nicht.

Ich wollte nicht, dass es so kommt. Nicht auf diese Art und Weise. Vielleicht habe ich ihn ja dazu gedrängt; vielleicht... vielleicht habe ich aber auch gar nichts damit zu tun. Aber ich war ein totales Miststück, als es ihm am miesesten ging, oder? Ich hätte nicht gedacht, dass er das tun würde.

Ich glaube, es ist eine gute Sache... vielleicht. Vorher war Michael eingesperrt, jetzt nicht mehr. Nun kann er aus dem Haus gehen und tun, was er will. Gehen, wohin immer er möchte. Und nicht nur das: Als Vamp gehört er jetzt zur herrschenden Klasse. Macht ihn das jetzt noch toter? Weniger tot? Lieber Cosmopolitan Boyfriend-Check: Wie viele Punkte bekommt mein Freund, wenn er bei Tageslicht ankokelt, nach Blut lechzt und nicht braun wird? Nicht dass er nicht immer noch brandheiß wäre und auch wenn ich den Unterschied in seinen Augen sehen kann, weiß ich, dass er es versucht. Dass er versucht, der Michael zu sein, der er war.

Er versucht, mit mir zusammen zu sein.

Ich hasse Vampire. Ich hasse sie!

Wie kann ich bloß in einen verliebt sein? Ist das überhaupt richtig?

Ich versuche, mir nicht anmerken zu lassen, wie viel mir das ausmacht.

***

Es gibt da diese Zeitung, Die Eckzahn-Rundschau, sie wird von einem Typen herausgegeben, der sich selbst Captain Durchblick nennt. Es ist billig, klugscheißerisch und bringt mich zum Lachen, bis ich mir in die Hose mache. Aber die heutige Ausgabe: Nicht so witzig.

Sie enthält nämlich ein Bild von Michael und outet ihn als den jüngsten Vampir in der Stadt. Vielleicht ist Shanes Dad ja gar nicht mehr in der Gegend, aber wenn er doch noch da ist oder wenn er irgendwelche Möchtegern-Vampir-Schlächter in Morganville aufhetzt, ist Michael jetzt ein leichtes Ziel. Und weil er einer von uns war, einer der ganz normalen Leute, wird man ihn hassen. Besonders Möchtegern-Draculas wie Monica und ihre Truppe, die glauben, dass laut der Warteliste für die Unsterblichkeit sie als Nächstes dran gewesen wären.

Oh, und die Neuigkeiten werden noch besser. Unten auf der zweiten Seite stand noch etwas, das noch schlimmer war: Sie haben noch eine Leiche in der Stadt gefunden. Wieder ein Mädchen in meinem Alter – ich kannte sie flüchtig von der Schule.

Sie war nicht Opfer eines Vampirs geworden, niemand hatte ihr das Blut ausgesaugt. Vergewaltigt, erdrosselt und erstochen. Die Zweite innerhalb weniger Tage.

Passenderweise rief dann auch noch Jason am Nachmittag an. Michael ging ans Telefon und gab es an mich weiter – er hatte Jasons Stimme nicht erkannt und offensichtlich wollte sich Jason nicht selbst belasten. Ich erkannte ihn in dem Moment, als er meinen Namen sagte. Ich gab ihm keine Antwort. Michael hatte sich nicht weit entfernt und ich glaube, er hat etwas geahnt oder meine Körpersprache hat mich verraten. Er kam nämlich zu mir und legte mir die Hände auf die Schultern. Ich lehnte mich an ihn, holte schnell Luft und sagte zu Jason: »Was willst du?«

»Das fragst du mich immer.« Jason klang amüsiert und bekifft. »Ich suche nur Familienanschluss. Das ist kein Verbrechen, oder? Hast du gut geschlafen, Schwesterherz? Keine bösen Träume oder so?«

»Lass mich in Ruhe, Jason.« Ich legte auf. Ich knallte den Hörer nicht auf, sondern legte ihn einfach zurück, dann drehte ich mich um und da war Michael.

»Es wird nichts passieren«, sagte er und küsste mich auf die Stirn. »Alles wird gut.«

Ich bin verliebt und glücklich, aber ein Teil von mir fragt sich gerade, ob Michael überhaupt weiß, was er da redet.

Wir sind in Morganville und gut kommt in unserem Wortschatz eigentlich nicht vor.

 

 

Ende - Haus der Vampire 02 - Der letzte Kuss