* VIERZEHN

 

* I

 

»Ken, du bist ein Kumpel«, sagte Banks, »und deshalb möchte ich, bevor du irgendeiner Sache zustimmst, dass du weißt, dass man mich suspendiert hat.«

  »Verdammte Scheiße!« Blackstone verschüttete fast seinen Drink. Es war Dienstagmittag, sie saßen in der City of Mabgate, einem Pub nahe Millgarth, und hatten gerade jeder eine Schüssel Chili aufgegessen. »Was soll das denn?«, wollte Blackstone wissen, nachdem er sich wieder gefasst hatte.

  Banks erzählte es ihm.

  Blackstone schüttelte den Kopf. »Das kommt nicht durch«, sagte er. »Für mich hört sich das nach einem persönlichen Rachefeldzug an.«

  »Ist es auch. Aber unterschätze persönliche Rachefeldzüge nicht, Ken. Besonders wenn Chief Constable Jimmy Riddle derjenige ist, der sie ausführt. Und nur der Ordnung halber, es wäre mir lieb, wenn du hier niemandem erzählen würdest, wo ich am Wochenende war. Das könnte Craig McKeracher in Schwierigkeiten bringen.«

  Blackstone neigte seinen Kopf und sah Banks mit zusammengekniffenen Augen an. »Willst du andeuten, dass einer von unseren Leuten korrupt ist?«

  Banks seufzte. »Es gibt dafür keinen Beweis, aber es scheint eindeutig zu sein, dass jemand Motcombe und seiner Liga hin und wieder einen Gefallen tut, und zwar höchstwahrscheinlich jemand von West Yorkshire.«

  Blackstones Miene verhärtete sich. »Bist du sicher?«

  »Nein, sicher bin ich nicht. Es scheint nur die naheliegendste Erklärung zu sein. Soweit ich weiß, geht es bisher nur um den Zugang zu Kriminalakten. Wenn man den Polizeicomputer benutzt, muss man das nicht von West Yorkshire aus machen, zugegeben, aber hier lebt Motcombe. Eine logische Schlussfolgerung.«

  »Brillant, mein lieber Holmes«, sagte Blackstone. »Aber wir können herausfinden, wer den Computer benutzt hat und wonach gesucht wurde. Ich werde mir den Dreckskerl schnappen und mit seinen Eiern Golf spielen.«

  »Vielleicht ist es eine Sie?«

  »Vielleicht. Aber wie viele Frauen hängen schon mit diesen Nazigruppen zusammen? Nicht viele. Was mich zu der Annahme bringt, dass sie mehr Verstand haben.«

  »Tja, es gibt nicht viele Frauen, die Soldat spielen, so viel ist sicher. Andererseits weiß ich nicht, ob ich darauf wetten würde, dass wirklich keine einzige Frau den Ansichten von Motcombes Haufen zustimmt. Aber egal, kann ich dich um einen weiteren Gefallen bitten, Ken?«

  »Schieß los. Bisher schlägst du dich für einen suspendierten Bullen ganz ordentlich.«

  »Danke. Unternimm nichts, bevor ich meine Karten ausgespielt habe.«

  »Weshalb?«

  »Aus dem gleichen Grund, aus dem ich dich gebeten habe, nichts über Amsterdam zu erzählen. Es könnte Craigs Deckung als Rupert Francis gefährden. Oder sogar sein Leben. Ich halte Motcombe nicht für einen versöhnlichen Typ.«

  Blackstone kratzte unruhig seinen Nacken. »Okay. Über meine Lippen wird nichts kommen. Willst du mehr erzählen?«

  Banks erzählte ihm von Motcombes Überfallkommandos, dann von der Verbindung in die Türkei und dem möglichen Heroingeschäft mit Devon, dem Geschäft, in dem Mark Wood eine bedeutende Rolle spielen sollte. Blackstone hörte kommentarlos zu und schüttelte hin und wieder den Kopf.

  »Das ist ja eine regelrechte Verschwörung«, sagte er schließlich. »Und ich beginne mir Gedanken über die Umstände deiner Suspendierung zu machen. Glaubst du, dass mehr dahinter steckt?«

  »Was zum Beispiel?«

  Blackstone hielt einen Moment inne. »Mehr finstere Machenschaften. Weißt du noch, wie John Stalker vor ein paar Jahren von dieser Ermittlung über die Schießbefehle bei der Royal Ulster Constabulary abgezogen wurde?«

  »Ja.«

  »Ich meine mich zu erinnern, dass man damals die Geschichte in Umlauf gebracht hat, er würde mit Kriminellen verkehren, nur um ihn kaltzustellen und ihn davon abzuhalten, die Führung der nordirischen Polizeibehörde weiter in Verlegenheit zu bringen. Eine politische Entscheidung.«

  Banks schüttelte den Kopf. »Noch vor ein oder zwei Wochen wäre ich vielleicht paranoid genug gewesen, um dir zuzustimmen«, sagte er. »Die alte Verschwörungstheorie hat ihren Reiz. Besonders als Dirty Dick Burgess auf der Bühne erschien. Und es hätte mich nicht im Geringsten überrascht, wenn Jimmy Riddle zumindest in der Britischen Nationalpartei gewesen wäre. Aber nein. Jimmy Riddle gehört keiner faschistischen Vereinigung an. Er ist nur ein nerviges, engstirniges Arschloch, ein frustrierter Schulleiter mit fiesen Zügen. Aber wenn man ihn in die Straßen der Innenstadt stellen würde, wo die echten Polizisten arbeiten, würde er sich innerhalb von fünf Minuten in die Hosen machen.«

  »Vielleicht. Aber du bist dir sicher, dass nicht mehr dahinter steckt?«

  »Ziemlich. Seit er den Posten hat, hat er nach einem Grund gesucht, um mich lahmzulegen, und jetzt glaubt er, einen gefunden zu haben.«

  »Okay. Wie kann ich dir helfen?«

  »Ich werde dich um einige Gefallen mehr bitten und ich will dir die Möglichkeit geben, nein zu sagen. Ich möchte nicht, dass du für mich den Kopf riskierst. Du bist also gewarnt.«

  Blackstone hielt inne, dann sagte er: »Schieß los. Ich sage dir Bescheid, falls ich nichts mehr hören will. Oder wann.«

  »Na gut.« Banks zündete sich eine Zigarette an. »Aber so, wie ich das sehe, betrifft das meiste sowieso dein Revier, du kannst mich also als Informanten, Berater oder was du willst betrachten, soweit es die offiziellen Berichte angeht.«

  Blackstone lachte. »Clever. Du hast alles genau durchdacht, oder? Du hättest einen guten Anwalt abgegeben. In Ordnung. Ich bin interessiert. Ich hoffe nur, du erwartest kein Honorar.«

  Banks lächelte. »Das ist gratis, Ken. Zuerst möchte ich wissen, ob ein Anwalt namens Giles Varney jemals für Neville Motcombe tätig gewesen ist. Vielleicht findest du was in den Akten zu dieser Anklage wegen Hehlerei. Oder, noch besser, letzten Dienstag, dieser Aufruhr bei der Beerdigung von Jason Fox, bei dem Frank Hepplethwaite gestorben ist. Irgendjemand hat Motcombe ziemlich schnell aus dem Gefängnis von Halifax geholt.«

  Blackstone zog sein Notizbuch hervor. »Wie schreibt der sich?«

  Banks buchstabierte ihm »Varney«.

  Blackstone lächelte. »Okay, das müsste zu machen sein, ohne meine Karriere zu kompromittieren.«

  »Die nächste Sache könnte etwas schwieriger werden, und ich würde es verstehen, wenn du nein sagst. An dem Samstag, als Jason Fox getötet wurde, hat im Jubilee in Eastvale eine Band aus Leeds gespielt. Sie heißt Scattered Dreams. Jemand, der dort war, hat mir erzählt, dass dort ein paar Jamaikaner mit kleinen Mengen Hasch, Crack und Ecstasy gedealt haben. Anscheinend hatten sie in irgendeiner Eigenschaft mit der Band zu tun. Roadies oder so.«

  Blackstone nickte. »Jetzt, wo die Urbanen Märkte gesättigt sind, sind eine Menge kleiner Dealer mobil geworden. Und natürlich zielen sie auf Orte ab, wo es laute Musik und eine Menge Kids gibt. Ich glaube, ich habe schon vom Jubilee gehört. Haben die Anzeigen in der Evening Post?«

  »Ja. Ich nehme an, das Drogendezernat hat Unterlagen über diese Band und die mit ihnen umherziehenden Dealer, oder?«

  »Hoffe ich«, sagte Blackstone. »Obwohl man nie weiß, hinter was das DZ gerade her ist. Die machen meistens, was sie wollen.«

  »Wie auch immer«, fuhr Banks fort und zählte an seinen Fingern ab, »Mark Wood hatte im Jubilee mit einem dieser Typen einen flüchtigen Kontakt im Vorbeigehen. Mein Gedanke ist, dass sie vielleicht gemeinsam in die Sache verstrickt sind. Vor allem muss ich wissen, ob diese Band dieselbe ist, für die Mark Wood vor ein paar Jahren als Roadie gearbeitet hat, als er wegen Drogen verhaftet wurde.«

  Blackstone nickte.

  »Und dann wüsste ich gerne die Namen von diesen Jamaikanern, die an dem Abend zum Umfeld von Scattered Dreams gehörten, wenn du sie kriegen kannst. Mir ist klar, dass das ein bisschen schwieriger werden könnte.«

  »Ich kann es nur versuchen«, sagte Blackstone.

  »Aber ich kenne da einen Typen vom Drogendezernat, der sein Maul halten kann. Vor ein paar Jahren besuchten wir in Bramshill ein paar Lehrgänge zusammen. Ein Kerl namens Richie Hall. Er ist selbst Jamaikaner und hat über die Jahre schon häufiger verdeckt ermittelt. Jedenfalls weiß er über die Musik- und die Drogenszene im Norden besser Bescheid als jeder andere, den ich kenne. Wenn er nicht weiß, wer die Typen sind, dann weiß es keiner.«

  »Großartig. Es könnte sogar eine Verbindung geben, die die Sache beschleunigt. Mark Woods Frau ist Jamaikanerin. Ihr Mädchenname ist Shirelle Jade Campbell. Sie scheinen sich ungefähr zu der Zeit kennen gelernt zu haben, als Wood in den Kreis der Band geriet, und ich frage mich, ob es da vielleicht eine Familienverbindung gibt. Ein Bruder oder Cousin oder so. Auf jeden Fall hast du damit einen Namen, mit dem du anfangen kannst.«

  »Ich gebe das an Richie weiter. Wie gesagt, wenn jemand etwas weiß, dann Richie.«

  »Bist du sicher, dass das kein Problem für dich ist, Ken?«

  Blackstone schüttelte den Kopf. »Ach was. Wofür hat man Freunde. Aber ich warne dich, selbst wenn wir diese Typen aufspüren, musst du schon verdammtes Glück haben, um etwas aus ihnen herauszukriegen.«

  »Ich weiß. Aber wenn ich Recht habe, denke ich eigentlich daran, die Wahrheit über einen kleinen Umweg herauszufinden. Warten wir erst einmal ab, oder?«

  »Erwarte nur nicht zu viel. Aber wer weiß, vielleicht fällt bei dieser Sache auch etwas Ruhm für mich ab.«

  Banks lächelte. »Vielleicht. Egal, was geschieht, ich werde von Jimmy Riddle keinen Orden kriegen. Wenn aber bei der Sache etwas rausspringt, dann verspreche ich dir, dass du es bekommst. Und das Essen geht auf mich.«

  »Würdest du mir auch einen kleinen Gefallen tun, Alan?«

  »Was du willst.«

  »Sei bitte vorsichtig.«

 

* II

 

Um neun Uhr am Freitagmorgen, allein zu Hause, wurde Banks nervös und unruhig. Aber er war zufrieden mit sich, weil er am Donnerstagabend keinen Alkohol angerührt und es tatsächlich geschafft hatte, mit Beethovens späten Quartetten im Hintergrund Graham Greenes Die Kraft und die Herrlichkeit zu Ende zu lesen. Deshalb fühlte er sich voller Energie, als er am Freitag aufwachte. Ehe er nicht etwas von Ken Blackstone hörte, konnte er nichts weiter tun, als auf und ab zu laufen.

  Als sein Telefon gegen halb zehn klingelte, nahm er den Hörer nach dem ersten Klingeln ab. »Ja? Banks.«

  »Alan, hier ist Ken.«

  »Was hast du herausgefunden?«

  »Ein paar Antworten für dich. Hoffe ich jedenfalls. Um deine erste Frage zu beantworten: Ja, Giles Varney ist Neville Motcombes Anwalt und bei einer Reihe von Fällen für ihn tätig gewesen. Ihre geschäftliche Beziehung geht zurück bis in die Zeit, als Motcombe begann, in Leeds und Umgebung Grundbesitz zu erwerben, ungefähr vor fünf Jahren. Anscheinend sind die beiden seitdem Busenfreunde.«

  »Hat Varney Verbindungen zu anderen Rechten?«

  »Ja. Ich habe mich ein bisschen umgehört. In einigen der extremeren rechten Kreise ist er ziemlich gut bekannt.«

  »Großartig. Das könnte darauf schließen lassen, dass Mark Wood über Varney einen Deal mit Motcombe ausgehandelt hat. Und sonst?«

  »Jetzt wird es leider etwas komplizierter. Und du schuldest mir was. Ich war gestern Abend mit Richie Hall in einem Pub, und der Kerl säuft wie ein Loch. Ich schicke dir die Rechnung.«

  Banks lachte. »Hast du was erfahren?«

  »Ja. Die Band, für die Mark Wood zur Zeit seiner ersten Verhaftung gearbeitet hat, hieß Cloth Ears. Kurz nachdem das Drogengeschäft aufflog, haben sie sich aufgelöst. Aber diese Band namens Scattered Dreams hat sich teilweise aus ihren Überresten geformt. Wie Phönix aus der Asche könnte man sagen. Offensichtlich haben die Typen, die dich interessieren, früher bei Cloth Ears gespielt, hängen jetzt aber nur noch im Dunstkreis von Scattered Dreams herum und verkaufen Dope. Das Talent, das sie vielleicht einmal gehabt haben, ist anscheinend Opfer der Drogen geworden, und meistens sind sie zu stoned, um ein Instrument zu halten. Und du hattest Recht mit der Familienverbindung. Der mit den Dreadlocks ist Shirelle Woods Bruder, Wesley Campbell, der andere ist sein Kumpel Francis Robertson. Sie sind in der Gegend als >Wes< und >Frankie< bekannt. Beide sollen sich laut Richie vor kurzem mit Devon zusammengetan haben.«

  »Kleine Dealer?«

  »Sieht so aus.«

  »Ausgezeichnet.«

  »Und Shirelle Wood muss man zugute halten, sagt Richie, dass sie mit der ganzen Sache nichts zu tun hat. Sie hat sogar aufgehört, mit ihrem Bruder zu reden, nachdem sie entdeckte, dass er seine Hände im Spiel hatte, als Mark das erste Mal aufgeflogen ist. Sie hat seitdem nicht mehr mit ihm gesprochen und den Kontakt völlig abgebrochen.«

  Gut für sie, dachte Banks. Es gab ein paar Menschen in dieser Sache, für die er Respekt entwickelt hatte. Frank Hepplethwaite war einer davon und Shirelle Jade Wood war eine andere. Schade um ihren Ehemann. Er hätte ihrem Beispiel folgen und den Kontakt mit Wesley Campbell auch abbrechen sollen. Aber nein, Mark Wood glaubte, er könnte schnelles Geld machen. Und es war ein trauriger Gedanke, dass Shirelle und Connor diejenigen sein würden, die am meisten zu leiden hatten, wenn die Wahrheit herauskam.

  »Danke, Ken«, sagte Banks. »Du hast großartige Arbeit geleistet.«

  »Kein Problem.«

  »Jetzt kommt der schwierige Teil.«

  Er hörte Blackstone seufzen. »Ich hatte schon so ein Gefühl, dass das noch nicht alles war. Ich nehme an, jetzt kommt dein >raffinierter Plan<, um die Wahrheit herauszukriegen, oder?«

  Banks lachte. »Hör ihn dir an, Ken, und dann sag mir, ob du glaubst, dass wir ihn durchführen können.«

 

* III

 

Ungefähr eine Stunde später fuhr Banks allein nach Leeds. Es hatte keinen Sinn, Susan Gay oder Jim Hatchley in seinen Plan einzubeziehen. Er war riskant und konnte ins Auge gehen, und dann würde er auch noch ihre Jobs auf dem Gewissen haben. Ken Blackstone hatte kein Problem; er führte auf der Grundlage von Informationen, die er erhalten hatte, lediglich eine Ermittlung in seinem Revier durch. Die Tatsache, dass Banks ihn dabei begleitete, spielte eigentlich keine Rolle.

  Banks zündete sich eine Zigarette an und machte Bryn Terfels Rezitationen von Robert Louis Stevensons »Reiselieder« lauter. Er schaute auf die Digitaluhr. Elf. Genug Zeit, um zu tun, was er tun musste, und später um sechs Uhr Tracy vom Wohnheim abzuholen.

  Als er hinter Millgarth parkte, schaute er auf seine Uhr. Erst kurz nach zwölf. Wenn Ken Blackstone seine Arbeit erledigt hatte, müsste mittlerweile alles vorbereitet sein. Er meldete sich am Empfang und ging geradewegs hinauf in Blackstones Büro. Im Flur vor den Büros der Kriminalpolizei saß wie vereinbart Mark Wood. Er war kurz nach Banks' Telefonat mit Ken Blackstone um halb zehn mit der offiziellen Begründung hergebracht worden, ein paar weitere Fragen zu beantworten und beim reibungslosen Abschluss der Ermittlungen zu helfen.

  Anscheinend war Wood gerne bereit gewesen, seine Kooperation zu zeigen. Und obwohl er dort wahrscheinlich schon seit ein paar Stunden saß, hatte er noch nicht nach Giles Varney verlangt. Wenn er es tun würde, müssten sie lügen und ihm erzählen, dass sie ihn momentan nicht erreichen könnten. Denn mit Varney an seiner Seite würde der Plan nicht funktionieren.

  Mark Wood machte keinen besonderen Eindruck auf Banks. Er war zwar muskulös, im Grunde jedoch nur ein weiterer mürrischer, nervöser junger Kerl, der in einem Polizeirevier an seinen Fingernägeln kaute.

  Banks stellte sich vor. Sie hatten sich noch nicht kennen gelernt, und es war wichtig, dass Wood wusste, dass ein Beamter aus Eastvale in diese Angelegenheit involviert war. Wie erwartet sah Wood erstaunt und verwirrt aus. Als er Banks fragte, warum er eigens hergekommen war, entgegnete Banks, er solle sich keine Gedanken machen, er würde es in einer Weile erfahren. Er klang wie ein Arzt, der einem Patienten sagte, er sei unheilbar krank.

  Während sie Wood unter Bewachung im Flur zurückließen, gingen sie in Ken Blackstones Büro, wo Wood sie durch die Glaswand beobachten konnte, wenn er wollte, ohne jedoch zu hören, was sie sagten. Das würde ihn noch nervöser machen. Besonders wenn sie beim Sprechen ab und zu in seine Richtung schauten.

  Nachdem sie ungefähr fünfzehn Minuten hinter der Glaswand gestanden, über die miserable Saison von Leeds United geplaudert und gelegentlich Mark angeschaut hatten, führten drei kräftige unifomierte Beamte wie vereinbart Wesley Campbell und Francis Robertson durch den Flur. Als die beiden vor einer Stunde aufgegriffen worden waren, waren sie ohne Widerspruch oder Gegenwehr mitgekommen, erzählte Ken. Das war entweder ein Zeichen dafür, dass sie darauf vertrauten, in null Komma nichts wieder draußen zu sein, oder dass sie zu stoned waren, um sich aufzuregen. Bei beiden war eine geringe Menge Marihuana gefunden worden, und da sie keine Zeit gefunden hatten, es im Klo herunterzuspülen, hatten sie eine Weile in der Arrestzelle geschmachtet. Mittlerweile waren sie nicht mehr ganz so selbstgefällig.

  Als sie an Mark Wood vorbeikamen, schauten sie auf ihn hinab, und Mark sah noch verwirrter aus. In seinen erschrocken aufgerissenen Augen stand nun Angst. Campbell rangelte sogar einen Augenblick mit seinen Wachen und versuchte, näher an Wood zu kommen, als wollte er ihn warnen oder bedrohen. Doch die Wachen hielten ihn zurück. Campbell und Robertson wurden gleich um die Ecke in ein separates Verhörzimmer gebracht. Beide schienen die Polizeirichtlinien auswendig zu kennen und forderten, umgehend ihre Telefonate führen zu können.

  Gegen zwei Uhr, nachdem Banks und Blackstone gegenüber dem Revier in aller Ruhe zu Mittag gegessen hatten, war es an der Zeit, loszulegen. Sie gingen zurück in die obere Etage und führten Mark in ein Verhörzimmer. Sie waren übereingekommen, dass Banks, der vertrauter mit dem Fall war, die Befragung leitete. Blackstone würde gelegentlich einen Anstoß geben, falls Banks nicht weiterkommen sollte. Dieses Gespräch zeichneten sie nicht auf. Wenn der Plan glückte, war später, ohne Banks, noch genug Zeit für die Formalitäten. Wenn er nicht glückte, dann würde in Form von Disziplinarmaßnahmen die Hölle über sie hereinbrechen. Banks hatte Ken bereits gewarnt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, sich zurückzuziehen, doch Ken hatte darauf bestanden, dabei zu sein.

  »Okay, Mark«, begann Banks, »ich weiß, dass wir uns bisher noch nicht kennen gelernt haben, aber seit ich vor ein paar Wochen Jason Fox' Leiche gesehen habe, hatte ich ein großes Interesse an Ihnen.«

  »Ich habe der Polizei schon alles gesagt«, gab Wood zurück. »Ich habe mich des Totschlags für schuldig bekannt. Was soll das jetzt?«

  Banks hob eine Augenbraue. »Der Fall ist noch nicht ganz erledigt«, antwortete er. »Auf jeden Fall nicht zu meiner Zufriedenheit.«

  Wood verschränkte seine Arme. »Ich habe keine Ahnung, worauf Sie hinauswollen. Erst lassen Sie mich stundenlang im Flur warten und jetzt wollen Sie mich verhören. Ich sage gar nichts. Ich will meinen Anwalt.«

  »Mr. Varney? Gut, mal sehen, was wir tun können. Doch im Moment würde ich vorschlagen, dass Sie sich beruhigen, Mark, und mir zuhören. Es hat sich eine neue Beweislage ergeben, die den Tod von Jason Fox in einem völlig anderen Licht erscheinen lässt.«

  »Ach? Welche denn?«

  Banks deutete mit dem Kopf zur Tür. »Wir hatten gerade ein langes Gespräch mit Mr. Campbell und Mr. Robertson, und die beiden haben uns einige sehr interessante Dinge erzählt.«

  »Zum Beispiel?«

  »Zum Beispiel die Wahrheit darüber, was Sie mit Jason Fox getan haben.«

  »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«

  »Ach, ich bitte Sie, Mark, das können Sie doch sicherlich besser, oder?«

  »Ich sage kein Wort.«

  »Dann hören Sie mir zu. Laut Ihres Schwagers, Mr. Campbells, eines alten Kumpels aus Cloth-Ears-Zeiten, haben Sie beide von Neville Motcombe den Auftrag erhalten, Jason Fox aus dem Weg zu räumen. Jason war zu einem erheblichen Risiko für ein Heroingeschäft geworden, das Sie geplant hatten, und eine ernsthafte Bedrohung für Motcombes Macht. Motcombe konnte keine Mitglieder seiner Gruppe damit beauftragen, weil Jason unter denen zu beliebt war. Stattdessen hat er zwei Leute genommen, die bereits in den Drogenhandel verstrickt waren - einen von jeder Seite des Geschäftes sozusagen -, zwei Leute, die außerdem sehr viel gewinnen konnten. Ich könnte mir vorstellen, dass Devon ein oder zwei seiner eigenen Leute dabei haben wollte, um sicherzustellen, dass Sie auch tun, was vereinbart war, oder? Soviel ich gehört habe, ist er kein Typ, der übermäßige Risiken eingeht. Stimmt das so weit?«

  Woods Augen wurden groß. »Sie wissen von Devon? Himmel, weiß er von diesem Gespräch? Weiß er, dass ich hier bin? Haben Wes und Frankie mit ihm gesprochen? Scheiße, wenn Devon glaubt, ich rede mit den Bullen, dann bringt er mich um.«

  Banks ging nicht darauf ein. »Als Scattered Dreams im Jubilee spielten, bot sich Ihnen die perfekte Gelegenheit. Jason wollte sowieso in Eastvale sein - er hatte am Nachmittag ein Fußballspiel -, also haben Sie ihm gesagt, dass Sie hochkommen und Sie beide sich die Band anhören könnten. Vielleicht wäre es eine Chance, Ihre Differenzen beizulegen und ein bisschen übers Geschäft zu reden. Ein Versuch, die Partnerschaft irgendwie zu retten. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie mit allem einverstanden und durchaus willens waren, Kompromisse zu machen. Sie wussten, dass Scattered Dreams nicht Jasons Ding waren, und schlugen ihm vermutlich vor, seinen Horizont etwas zu erweitern. Wer weiß, vielleicht haben Sie ihm sogar versprochen, das nächste Mal zu Celtic Warrior mitzukommen, wenn er sich Ihre Band anhört. Jason war schon häufiger im Jubilee gewesen und hatte erzählt, dass dort ziemlich regelmäßig ein paar pakistanische Jugendliche hingehen. Was das betrifft, kann ich nur spekulieren, aber ich glaube, er hatte bereits einen Stein durch das Fenster der Pakistaner geschmissen und gesagt, er würde Streit mit ihnen suchen. Perfekt für Sie, wenn so etwas in der Öffentlichkeit geschehen würde, oder? Ein zusätzlicher Vorteil. Solange es nur ein kleiner Zwischenfall war, der ein bisschen Aufmerksamkeit auf sich zog.

  Mr. Campbell zufolge haben Sie jedenfalls Jason zu der Gasse begleitet, an deren anderem Ende er und Mr. Robertson als Unterstützung warteten. Laut Aussage der beiden haben Sie Jason ein paar Mal mit der Flasche auf den Hinterkopf geschlagen, woraufhin er zu Boden gegangen ist. Danach haben Sie es geschafft, ihn ganz allein zu Tode zu treten. Die beiden mussten gar nicht einschreiten. Wir haben also zwei Augenzeugen, die gegen Sie aussagen, Mark, was bedeutet, dass wir es bei diesem Fall mit Mord zu tun haben.«

  Wood wurde blass. »Das ist nicht wahr«, protestierte er. »So ist es nicht gewesen, niemals. Die beiden lügen.«

  Banks beugte sich vor. »Wie ist es dann gewesen, Mark?«

  »Es war so, wie ich gesagt habe. Nur ich und Jason waren da. Wir gerieten aneinander. Er hat Sheri und Connor beschimpft. Ich wollte ihn nicht töten.«

  Banks schüttelte den Kopf. »Diese Geschichte kann man leider gleich im Klo runterspülen, Mark, genauso wie Ihre ganzen anderen Geschichten. Mal sehen, ob ich sie zusammenkriege.« Er begann, Woods verschiedene Aussagen an seinen Fingern abzuzählen, und schaute dabei Ken Blackstone an, der bei jeder nickte. »Erstens: Sie waren in der Nacht, in der Jason getötet wurde, nicht mal in der Nähe von Eastvale. Zweitens: Sie waren im Jubilee, aber Sie sind nie in der Nähe der Gasse gewesen. Drittens: Sie waren doch dabei und haben gesehen, dass George Mahmood und seine Freunde Jason getötet haben. Und viertens: Sie haben ihn selbst in einem gerechten Kampf getötet. Stimmt das so weit?«

  Wood leckte seine Lippen und rutschte auf seinem Stuhl umher.

  »Das Problem ist, Mark«, fuhr Banks fort, »dass Sie ein Lügner sind. Die einzige Version, zu der wir eine unabhängige Bestätigung haben, ist die, die ich Ihnen gerade dargestellt habe - diejenige, die Mr. Campbell uns erzählt hat. Es sieht also im Moment so aus, als wenn das die Version ist, die am Ende Bestand haben wird.« Er hielt einen Augenblick inne, bevor er weitersprach. »Nach diesem Gespräch werden Detective Inspector Blackstone und ich mit der Staatsanwaltschaft darüber reden, wie die Anklage von Totschlag auf Mord zu ändern ist. Das bedeutet eine wesentlich längere Haftstrafe, aber das wissen Sie ja sicherlich.«

  »Das können Sie doch nicht ernst meinen! Sie können diesen Arschlöchern doch nicht glauben.«

  »Warum nicht? Ihnen kann ich jedenfalls nicht glauben. Schauen Sie sich an, was Sie vorzuweisen haben, Mark. Nein, Sie sind leider am Ende der Fahnenstange angekommen. Sie werden nun wegen Mordes angeklagt und Sie werden für eine lange, lange Zeit nicht mehr aus dem Gefängnis kommen. Und wenn man Sie dann entlässt, wird Ihre Frau schon längst mit einem anderen Kerl davongelaufen sein, und Ihr Kind wird erwachsen sein und Sie vergessen haben. In der Zwischenzeit kämpfen Sie in Wormwood Scrubs oder Strangeways darum, nicht von hinten gefickt zu werden. Und das auch nur, wenn Sie es überhaupt lange genug machen. Ich vermute, sowohl Devon als auch Neville Motcombe haben weit reichenden Einfluss.«

  Wood schien zu schrumpfen und wie ein Häufchen Asche in sich zusammenzufallen. Banks sah, dass er in der Falle saß. Er wusste, dass keine Lüge ihn nun retten würde, aber er hatte keine Ahnung, wie er sich verhalten sollte. Jetzt konnte man es ihm sagen, jetzt konnte man ihm einen Hoffnungsschimmer geben. Nachdem man ihm den Teppich unter den Füßen weggezogen hatte, konnte man ihm jetzt eine weiche Matratze zur Landung anbieten.

  »Es gibt für Sie nur einen Ausweg, Mark«, sagte Banks.

  »Und welchen?« Marks Stimme war nicht lauter als ein Flüstern.

  »Die Wahrheit. Von vorne bis hinten.«

  »Wie soll das helfen?«

  »Ich behaupte nicht, dass ich Sie ungeschoren davonkommen lassen kann. Das ist unmöglich. Wir haben nicht die Macht, Geschäfte mit Kriminellen zu machen und ihre Strafe im Austausch für Informationen zu verringern. Das passiert nur in amerikanischen Fernsehserien. Aber ich kann garantieren, dass wir es Ihnen leichter machen werden.«

  Wood kaute ein paar Augenblicke auf seinen Knöcheln. »Ich brauche Schutz«, sagte er dann. »Sonst werden sie mich umbringen. Und meine Familie auch.«

  »Dabei können wir Ihnen helfen, Mark. Wenn Sie uns helfen.«

  Mark rieb mit dem Handrücken über seine Nase. »Ich wollte ihn nicht töten«, sagte er. »Ehrlich. Es waren die beiden.« Er war den Tränen nahe.

  »Wer?«

  »Frankie und Wes.«

  »Wie ist es geschehen, Mark? Von Anfang an.«

  Banks zog seine Zigaretten hervor und bot Mark eine an. Er nahm sie mit zitternder Hand. »In Ordnung«, sagte er. »Aber welche Garantie habe ich, dass es leichter für mich wird, wenn ich Ihnen die Wahrheit erzähle? Was bieten Sie mir an?«

  »Sie haben mein Wort«, erwiderte Banks.

  »Wofür?«

  »Dass Sie und Ihre Familie geschützt werden und dass Ihre Kooperation beim Strafmaß berücksichtigt wird.«

  »Ich will einen neuen Wohnort für mich und Sheri«, sagte er. »Und neue Identitäten. Das Zeugenschutzprogramm. Das will ich.«

  »Ich habe Ihnen schon mal gesagt, dass wir hier nicht in Amerika sind, Mark. In England gibt es so etwas nicht. Sie werden hier nicht als freier Mann herausspazieren. So oder so werden Sie eine bestimmte Zeit absitzen müssen. Ich sage nur, dass die Anklage bei Totschlag bleibt und nicht Mord wird, wenn Sie uns geben, was wir wollen.«

  »Das klingt nicht so, als wäre es ein gutes Geschäft für mich.«

  »Doch, das ist es«, schaltete sich Blackstone ein. »Es ist ein Unterschied zwischen, sagen wir, fünfundzwanzig Jahren an einem sehr üblen Ort - wo Sie jedem, den Devon oder Motcombe vorbeischicken, schutzlos ausgesetzt sind -, oder vielleicht fünf Jahren in einem Gefängnis mit gelockertem Strafvollzug: geschützte Umgebung, Fernseher und eheliche Besuche gratis.« Er sah Banks an, der nickte. »Sie haben die Wahl, Mark. So einfach ist das.«

  Wood schaute von einem zum anderen und konzentrierte sich dann wieder auf Banks. »Was ist mit Sheri und Connor?«

  »Wir kümmern uns um sie und sorgen dafür, dass sie in Sicherheit sind«, sagte Banks. »Sie haben mein Wort. Was ist nun?«

  Wood schaute wieder Blackstone an, der ihm versicherte, dass Banks Recht hatte, dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und begann zu reden. »In Ordnung. Okay. Vor einigen Wochen kam Neville Motcombe auf mich zu und sagte, er wüsste von meiner Vorstrafe wegen Drogenhandels. Zuerst hatte ich keine Ahnung, worauf er hinauswollte, doch dann wurde klar, dass er über einen Kontakt in der Türkei an eine ziemlich große Menge Heroin zum Schleuderpreis gekommen war und nicht die geringste Ahnung hatte, was er damit anstellen sollte. Drogen gehörten nicht zu seinem Programm, aber er sah darin eine Möglichkeit, eine Menge Geld zu machen und obendrein die >Nigger zu ficken<, wie er sagte. Er redet echt so. Macht einen krank. Er hatte jedenfalls irgendwie von meiner Vorstrafe wegen Drogen erfahren und beschlossen, dass ich der Vermittler sein sollte.«

  »Was sollte für Sie dabei herausspringen?«

  »Irgendwas in der Gegend von fünfzigtausend, über einen Zeitraum von ein paar Monaten, wenn alles gut lief. Vielleicht später noch mehr, wenn der Nachschub nicht austrocknete.« Er beugte sich vor und umklammerte die Armlehnen des Stuhles. »Hören Sie, Sie können mich ruhig verurteilen, aber haben Sie eine Vorstellung, was das für Sheri und mich bedeutet hätte? Damit hätten wir zum Beispiel aus diesem Scheißplattenbau rausgekonnt, und ich hätte eine reelle Chance gehabt, geschäftsmäßig zu expandieren und meine Hardware auf den neuesten Stand zu bringen. Und dafür musste ich nur den Mittelsmann für Motcombe und Devon spielen.« Er lachte. »Ich habe damit auch ein bisschen Motcombe verarscht. Er wusste nicht, dass Sheri Jamaikanerin ist und dass sein Geld im Grunde einem der Menschen helfen würde, die er fertig machen wollte.«

  »Hat Sie das nicht gestört, Mark? Dass er vorhatte, so viel Leid in die karibische Gemeinde zu bringen?«

  »Das war doch alles nur Schwachsinn, den er sich für Jason ausgedacht hatte. Er wollte Kohle machen, ganz einfach.«

  »Die Gierigen erkennen sich, oder?«

  »So ungefähr. Wenn man das Heroin erst mal unter die Leute bringt, kann man sowieso nicht mehr sagen, welche Hautfarbe die Käufer haben werden, oder? Auf H ist kein Farbcode. Selbst Jason wusste das. Wie gesagt, ich fand es komisch, dass Sheri und Connor einen Vorteil durch die Sache haben würden.«

  Banks schüttelte den Kopf. »Also haben Sie mitgemacht?«

  Wood nickte. »Nach Motcombes Anweisungen habe ich mich mit Wes getroffen, dann mit Devon. Die beiden haben Neville nie kennen gelernt, sie wussten nicht, wer er war. Ich nannte ihn Mr. H. Wir haben jedenfalls über Preise, Liefertermine, Methoden, das Zeug ins Land zu kriegen, und so weiter geredet. Daraufhin hat Devon gesagt, er lässt sich die Sache durch den Kopf gehen. Ein paar Tage später hat er sich über Wes mit mir in Verbindung gesetzt und gesagt, ich solle Mr. H ausrichten, dass sie im Geschäft wären. Ich nehme an, dass Motcombe seine Typen in der Türkei kontaktiert hat - mit dieser Seite des Unternehmens hatte ich nichts zu tun - und die dann alles in Bewegung setzten. Für jeden waren gewaltige Gewinne drin. Devon wollte es nicht bei Leeds belassen - er wollte das Zeug nach Bradford, Sheffield, Manchester, Birmingham, wohin auch immer verschieben. Auf irgendeine Weise schien das die Probleme auf beiden Seiten zu lösen. Motcombes Problem, mit Schwarzen zu handeln, und Devons Problem, mit einem Weißen wie mir zu handeln.« Mark schnaubte. »Geldgeilheit sorgt doch wunderbar für Frieden zwischen den Rassen, oder?«

  »Und wo kommt Jason ins Spiel?«

  »Da hat Motcombe einen großen Fehler gemacht. Ich hätte es ihm sagen können, aber er hat mich nicht gefragt. Er schien zu glauben, dass Jason die Idee einfach klasse finden würde. Ich meine, ich vermute, sie haben vorher nie über Drogen oder andere Dinge als die Angelegenheiten ihrer Liga gesprochen. Aber Jason war ein Idealist. Trotz Motcombes Rechtfertigung wollte er mit der Sache nichts zu tun haben. Motcombe begann sich Sorgen zu machen, dass Jason seinen Kollegen in der Bewegung davon erzählt und sie ihn rausschmeißen und stattdessen Jason zum Verantwortlichen machen. Ich nehme an, Ihnen ist bekannt, dass Neonazis normalerweise nicht auf Drogen stehen.«

  Banks nickte.

  »Und dann ging es um das Geld, das mit dem Geschäft zu machen war. Motcombe wurde paranoid, besonders weil sich Jason in der Bewegung eine Menge Respekt verschafft hatte und die Leute bei ihm Rat und Führung suchten. Jason wurde schnell zu einer tickenden Zeitbombe. Deshalb meinte Motcombe, alles würde besser laufen, wenn Jason aus dem Weg wäre. Er wusste, dass ich dringend Geld brauchte, und er wusste auch, dass ich und Jason nicht gut miteinander klarkamen, und so fragte er mich, ob ich es arrangieren könnte, dass die Jamaikaner ihn aus dem Wege räumen. Wenn sie geschnappt werden sollten, sagte er, hätte man auf diese Weise nur zwei >Nigger< weniger, um die man sich kümmern müsste. Man muss dem Typ immerhin zugute halten, dass er konsequent ist. Ich wollte das nicht machen. Ich bin kein Mörder. Jason und ich hatten zwar unsere Probleme, aber ich wollte ihn nicht tot sehen. Das müssen Sie mir glauben. Ich hatte keine Wahl.«

  »Was geschah?«, fragte Banks.

  Mark fuhr mit einer Hand über seinen Kopf. »So, wie Motcombe es wollte, sprach ich mit Wes und sagte ihm, dass Jason mit der türkischen Seite des Geschäftes zu tun hätte und dass er planen würde, Devon auszunehmen. Ich erzählte ihm außerdem, er hätte sich als rassistisches Arschloch erwiesen und wäre Mitglied irgendeiner bescheuerten Randgruppe. Ich konnte ihm ja nicht die Wahrheit sagen, oder? Ich musste mir schnell etwas ausdenken, und das musste mit all dem zusammenpassen, was herauskommen würde, wenn die Polizei entdeckte, wer Jason war. Wes ging zu Devon zurück, der den Befehl zur Ausführung gab. Einfach so. Ohne Fragen. Und er setzte zudem fest, dass ich dabei sein musste. Eine Art Vertrauenstest, nehme ich an. Ich wollte es nicht tun. Aber ich hatte einfach keine andere Wahl, verdammte Scheiße.«

  »Es gibt immer eine Wahl, Mark.«

  »Klar. Sicher. Sie haben leicht reden. Aber ich stand vor der Frage, ob ich dran bin oder Jason. Sheri und Connor oder Jason. Was hätten Sie getan? Wie gesagt, Jason und ich waren nicht eng befreundet, und der Scheißkerl ging mir mit diesem Nazischeiß auf die Nerven.«

  »Wer hat den Plan entwickelt?«

  »Das hat man mir überlassen. Den Rest kennen Sie. Motcombe wollte, dass es weiter weg passiert. Ich meine, ihm war klar, dass Sie am Ende herausfinden würden, wer das Opfer war und zu welcher Organisation es gehörte; aber er brauchte Zeit, um seine Akten aus Jasons Wohnung zu holen. Er hat dafür zwei Typen losgeschickt. Jedenfalls spielten Scattered Dreams in Eastvale, und Jason hat gemeint, dass er mit Sicherheit Ärger mit ein paar Pakistanern kriegen würde, die immer in den Laden gingen. Er hat mir erzählt, dass er schon einmal einen Stein durch ein Fenster geschmissen hat. Es hätte nicht besser laufen können.«

  »Und der Mord? Wie ist es geschehen?«

  Wood schluckte. »Frankie und Wes warteten wie verabredet am anderen Ende der Gasse, und als ich Jason mit der Flasche schlug, kamen sie hervor und begannen ihn mit ihren Stiefeln zu bearbeiten. Ich habe ihn ein paar Mal getreten, damit die beiden nicht denken, ich halte mich raus oder so. Aber nur ein paar Mal. Und nicht besonders stark. Er ...« Wood hielt einen Moment inne und legte seinen Kopf in die Hände. »Gott, er hat uns angefleht aufzuhören. Ich habe nur an Connor gedacht und an die feuchten Wände und die Schläger, die Sheri jedes Mal, wenn sie einkaufen geht, anpöbeln und sie schwarze Nutte nennen und ihr androhen, sie gemeinsam durchzuficken. Mir wurde erst wieder bewusst, dass Jason da liegt, als es zu spät war. Sie müssen mir glauben, ich wollte ihn nicht umbringen. Es waren Wes und Frankie. Die sind völlig durchgeknallt, die beiden. Sie hatten die ganze Zeit draußen im Van gesessen und Crack geraucht.«

  »In Ordnung, Mark«, sagte Banks. »Beruhigen Sie sich. Sagen Sie mir, was geschah, als Sie das erste Mal verhaftet wurden. Warum haben Sie Ihre Geschichte geändert?«

  Mark rutschte auf seinem Stuhl umher. »Also, wegen des Beweises. Die Schlinge zog sich zu. Ich saß bis zum Hals in der Scheiße. Und als Varney mich zur Seite nahm, rief ich Motcombe an und erklärte ihm kurz die Situation.«

  »Was hat er gesagt?«

  »Ich sollte Ihnen erzählen, dass es nur ein Streit zwischen mir und Jason war. Ich sollte ihn heraushalten. Er würde mir dann den besten Rechtsbeistand besorgen. Er wollte sich außerdem finanziell um Sheri und Connor kümmern, solange ich im Knast wäre, wenn es so weit käme. Was für ein Witz - Motcombe kümmert sich um eine schwarze Frau und ein gemischtrassiges Kind.«

  »Aber das wusste er nicht.«

  »Nein. Und ich habe es ihm nicht gesagt.«

  »Haben Sie vom Gefängnis aus mit ihm gesprochen?«

  »Ein paar Mal. Aber da schien er immer noch nervös zu sein.«

  »Worüber haben Sie gesprochen?«

  »Dass meine Geschichte stimmig sein muss, wenn es vor Gericht geht.«

  »Haben Sie mit Devon gesprochen?«

  »Nein. Er hält sich im Hintergrund. Ich habe aber meinen Schwager, Wes, angerufen.«

  »Über was haben Sie mit ihm gesprochen?«

  »Ich habe ihm erzählt, wer Mr. H ist und wo er wohnt. Nur für den Fall, dass etwas schief läuft und Motcombe seinen Teil des Geschäftes nicht einhält. Wenn er zum Beispiel tatsächlich herausfindet, dass Sheri schwarz ist und so weiter und dann nicht mehr helfen würde. Ich brauchte eine Art Absicherung.«

  »Okay, Mark. Ich muss nur noch eine Sache wissen, bevor wir eine neue Aussage aufnehmen und alles offiziell machen.«

  »Ja?«

  »Werden Sie vor Gericht bezeugen, dass Neville Motcombe der Anstifter des Mordes an Jason Fox war?«

  Woods Lippen kräuselten sich. »Motcombe? Und wie ich das tun werde. Das Arschloch soll auf keinen Fall davonkommen.«

  »Und Devon?«

  Mark schaute weg. »Keine Ahnung. Das ist etwas anderes. Ich brauche eine Art ...«

  »Wir sorgen für den Schutz Ihrer Familie und für Ihren eigenen Schutz, Mark, genau wie ich es Ihnen vorhin gesagt habe.«

  »Ich denke darüber nach. Okay?«

  »Okay.« Banks lächelte. »Ich glaube, das wäre im Moment alles. Danke, Mark, Sie waren eine große Hilfe.«

  »Was geschieht jetzt mit mir?«

  »Sie machen Ihre offizielle Aussage, dann werden Sie zurück nach Armley gebracht. Schließlich werden Sie dem Gericht überstellt und es wird ein Verfahren geben, aber das lassen wir alles auf uns zukommen. In der Zwischenzeit sorgen wir dafür, dass Sie geschützt werden.« Banks schaute auf seine Uhr. Erst kurz nach halb vier. Dann wandte er sich an Ken Blackstone. »Jetzt sollten wir aber erst mal Mr. Motcombe einen weiteren Besuch abstatten, denke ich.«

 

* IV

 

Während sie es einem von Blackstones getreuesten Constables überließen, Mark Woods offizielle Aussage aufzunehmen, fuhren Banks und Blackstone in Banks' Cavalier zu Motcombes Haus. Fast die ganze Fahrt über sprachen sie darüber, wie sie genug Beweise für die Staatsanwaltschaft zusammenbekommen konnten, um Motcombe belangen zu können.

  »Ich bin mir nicht sicher, wie wir vorgehen sollen«, sagte Banks, während er durch Pudsey fuhr. »Irgendwie habe ich das Gefühl, ich bin zu voreilig. Wie viele Jahre wird Motcombe für eine Anstiftung zum Mord schon kriegen? Vorausgesetzt, wir können es beweisen. Giles Varney wird die Anklage auf Anstiftung zur Körperverletzung runterschrauben, wenn er ein bisschen Grips hat. Möglicherweise fahren wir besser, wenn wir ihn dem Drogendezernat überlassen. Für den Handel mit Heroin würde er länger kriegen. Außerdem habe ich Craig McKeracher versprochen, erst loszuschlagen, wenn ich etwas Stichhaltiges in der Hand habe.«

  Ken Blackstone schüttelte den Kopf. »Ich glaube, wir haben jetzt keine andere Wahl mehr. Wir haben Beweise, die uns zum Handeln zwingen. Mark Wood hat Motcombe eindeutig als einen der Leute benannt, die den Mord an Jason Fox angestiftet haben. Jetzt, wo Wood mit allem herausgeplatzt ist, müssen wir losschlagen. Ich glaube nicht, dass er eine so milde Strafe bekommen wird. Und auf diese Weise kriegen wir auch Wes und Frankie dran und vielleicht sogar Devon. Das ist der entscheidende Vorteil.«

  »Vielleicht«, erwiderte Banks. »Hoffentlich hast du Recht.«

  »Zudem finde ich«, fuhr Blackstone fort, »dass wir Motcombe so schnell wie möglich aus dem Verkehr ziehen sollten. Und keiner unserer Schritte lässt Craig McKerachers Deckung auffliegen. Alles, was wir wissen, haben wir von Mark Wood.«

  Banks fuhr den Hügel hinab zu Motcombes Haus; dann stiegen sie aus dem Wagen. Der Himmel war klar und die Landschaft erstrahlte grün und golden und silbern. Ein kühler Wind aus dem Tal pfiff um ihre Ohren, als sie vor der Tür standen und anklopften.

  Keine Reaktion.

  »Was ist das für ein Geräusch?«, fragte Blackstone.

  Angestrengt lauschend nahm Banks über dem Pfeifen des Windes ein schwaches Heulen wahr. »Hört sich an wie eine Bohrmaschine. Er muss unten in der Werkstatt sein. Deswegen kann er uns auch nicht hören.«

  »Versuchen wir es hinten.«

  Sie gingen um das Haus herum zur Rückseite, von wo aus man das Tal und die Parkanlagen überblickte. Der Klang der Bohrmaschine war jetzt lauter.

  Banks hämmerte an die Hintertür. Immer noch nichts. Auf-gut Glück drückte er die Klinke. Die Tür ging auf.

  »Mr. Motcombe!«, rief er, als die beiden die Treppe zur Werkstatt hinabstiegen. »Wir kommen herein.« Er begann sich etwas beklommen zu fühlen. Im Keller war es finster, vielleicht liefen sie in eine Falle. Wer weiß, möglicherweise hatte Motcombe eine Kalaschnikow oder eine Uzi bei sich. Er könnte sich in einer dunklen Ecke versteckt halten, bereit, sie jederzeit niederzuschießen.

  Trotzdem gingen sie langsam weiter in die Richtung, , aus der der Lärm kam. Dann fiel Banks etwas Merkwürdiges auf. Das schrille Heulen, das die Bohrmaschine erzeugte, hatte sich während der ganzen Zeit, die sie dort waren, nicht verändert. Falls Motcombe mit einer Arbeit beschäftigt war und sie wirklich nicht hören konnte, dann würde doch die Tonhöhe des Bohrers variieren. Wenn es in ein Stück Holz eindrang, zum Beispiel. Und falls er beim Arbeiten so viel Lärm machte, würde er doch kaum die Hintertür unverschlossen lassen, so dass jeder hereinspazieren konnte, oder? Banks' Nacken begann zu kribbeln.

  Schließlich erreichten sie die Werkstatt und schoben langsam die Tür in den hell erleuchteten Raum.

  Motcombe war tatsächlich dort.

  Sein Körper war unnatürlich verrenkt, der Oberkörper war nackt, sein Polohemd hing in Fetzen um seine Hüften, als wäre es zerrissen oder zerschnitten worden. Sein linkes Handgelenk war in einen Schraubstock eingeklemmt, der so fest zugeschraubt worden war, bis die Knochen gebrochen und durch das Fleisch gestoßen waren. Blut überzog das geölte Metall. Der Geruch von Blut und Schweiß vermischte sich mit dem von Eisen-und Holzspänen und Leinöl. Und Schießpulver. In dem Raum fühlte man sich eingeengt und bekam fast Platzangst, obwohl sie nur zu zweit waren. Oder zu dritt, wenn man den Toten mitzählte.

  Die Bohrmaschine lag auf der Werkbank. Banks wollte sie nicht berühren, aber er wollte, dass der Lärm aufhörte. Er ging hinüber an die Wand und zog unter Zuhilfenahme eines Taschentuchs vorsichtig den Stecker heraus, wobei er hoffte, keine wertvollen Abdrücke zu verwischen. Eine alte Angewohnheit. Doch irgendwie bezweifelte er, dass es welche geben würde. Menschen, die so etwas taten, hinterließen keine Fingerabdrücke.

  Der Anblick war schaurig, was noch durch die unnatürlich hellen Lampen verstärkt wurde, die Motcombe an der Decke installiert hatte, um beim Arbeiten gute Sicht zu haben. Die Löcher in Motcombes Brust und Bauch, die Banks auf den ersten Blick für Einschusslöcher gehalten hatte, entpuppten sich bei näherer Betrachtung als Stellen, in die die Bohrmaschine eingeführt worden war. Nachdem der Bohrer aufhörte, sich zu drehen, konnte er sehen, dass er mit Blut und Gewebe verklebt war.

  Motcombes rechter Arm war völlig zerfetzt und durchzogen von Fleischwunden, Hautfetzen hingen herab, als wäre er ausgepeitscht worden. Offensichtlich war das Fleisch mit einer Säge bearbeitet worden, die bis'auf die Muskeln und Knochen vorgedrungen war. Auf dem Schneideblatt einer Handkreissäge, die auf dem Boden neben der Leiche lag, erkannte Banks Blut und Knochensplitter.

  Der Gnadenstoß waren anscheinend zwei Schüsse gewesen, einer durch das linke Auge und der andere in die Schläfe, beide hatten große Austrittswunden erzeugt.

  »Tja, Ken«, sagte Banks schließlich, während er ein paar Schritte zurücktrat. »Ich beneide dich wirklich nicht darum, dieses kleine Problem zu lösen.«

  »Nein«, stimmte Blackstone zu, der sichtlich blass geworden war. »Gehen wir raus. Ich halte es hier drinnen nicht länger aus.«

  Sie standen draußen vor der Hintertür und schauten über das Tal und zum friedlichen Dorf Tong in der Ferne. Drei große Krähen zogen hoch am blauen Himmel ihre Kreise. Banks zündete sich eine Zigarette an, um den Geschmack und den Geruch der Werkstatt aus dem Mund zu bekommen. »Willst du Meldung machen?«

  »Ja. Aber gib mir einen Moment Zeit.«

  »Was denkst du?«

  Blackstone holte tief Luft, bevor er antwortete. »Du weißt es wahrscheinlich so gut wie ich, Alan«, sagte er. »Entweder Wes Campbell oder Frankie Robertson haben Devon angerufen, kaum dass sie im Revier Mark Wood gesehen haben. Wann war das? Vor über vier Stunden mittlerweile. Das hat Devon so in Rage gebracht, dass er sofort ein paar seiner Leute hergeschickt hat, die für ihn seine Wut abreagieren sollten. Man bringt es in Devons Branche nicht weit, wenn man nicht dafür bekannt ist zu handeln. Schnell zu handeln. Er verlässt sich vor allem auf die Angst seiner Kontrahenten. Wer weiß, vielleicht hatte er Motcombe sogar eine Anzahlung gegeben und wollte sein Geld zurück. Also haben sie ihn entweder gefoltert, um herauszufinden, wo das Geld ist, oder sie haben es einfach nur getan, um ihm eine Lektion zu erteilen. Dann haben sie ihn exekutiert. Bang, bang.«

  Banks nickte. »Entweder so oder sie kamen darauf, dass ihnen Mr. Hs politische Ansichten nicht gefallen, nachdem Mark ihnen erzählt hat, wer er wirklich war.«

  »Das ist typisch Devon, Alan«, fuhr Blackstone fort. »Zwei Kopfschüsse mit einer Achtunddreißiger, so wie es aussieht. Erinnerst du dich an die Morde in New York, Toronto und Chapeltown, von denen ich dir erzählt habe?«

  »Ja.«

  »Gleiche Methode. Folter und zwei Kopfschüsse. Aber dadurch können wir trotzdem nichts beweisen. Ich nehme nicht an, dass man Devon mit dem Tatort in Verbindung bringen kann. Er wird ein wasserdichtes Alibi haben und es wird nie eine Spur der Mordwaffe geben.«

  »Wir haben noch Mark Wood, der gegen ihn aussagen kann.«

  »Wenn er nicht plötzlich sein Gedächtnis verliert, sobald er hört, was mit Motcombe geschehen ist. Ich würde mich an seiner Stelle wahrscheinlich an nichts mehr erinnern.«

  »Und vergiss Campbell und Robertson nicht. Die beiden hast du auch. Vielleicht sind sie nicht mehr ganz so hart, wenn du sie unter Druck setzt. Besonders wenn ihnen ihre narkotischen Substanzen fehlen. Und ich wette, du bekommst bestimmt eine genaue Übersicht über jedes Telefonat, das von deinem Revier aus geführt wird.«

  Blackstone nickte und schaute sich um, dann seufzte er. »Gut, wir setzen besser alles in Bewegung. Kann ich dein Handy benutzen?«

  »Kein Problem.«

  Sie gingen um das Haus herum nach vorne zum Wagen, wo Banks ihm sein Telefon reichte. Blackstone tippte die Nummer ein, gab die Einzelheiten weiter und bat- um mehr Polizei, den Gerichtsmediziner und die Spurensicherung.

  »Ich sag dir was«, meinte er, als er fertig war. »Deinem Chief Constable wird das nicht gefallen. Erinnerst du dich an das Theater, das er in den Zeitungen gemacht hat? Der Mord ist aufgeklärt, kein Wort von Rassenproblemen und so weiter.«

  »Scheiß auf Jimmy Riddle«, erwiderte Banks. »Hier geht es nicht um Rassenprobleme, hier geht es um Drogen und Habgier. Aber es sind ja West Yorkshires Jamaikaner, nicht unsere. Und ich war gar nicht hier.«

  »Was denkst du jetzt?«, fragte Blackstone und gab Banks das Telefon zurück. »Willst du immer noch herkommen und für West Yorkshire arbeiten?«

  Banks drückte seine Zigarette an der Mauer aus und steckte die Kippe in seine Tasche, damit er keine falschen Spuren am Tatort hinterließ. »Keine Ahnung, Ken. Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht habe ich keine andere Wahl. Im Moment verschwinde ich jedenfalls lieber, bevor die Truppen ankommen und die Hölle losgeht. Kommst du klar?«

  »Ich komme klar. Ich lasse mich von einem unserer Streifenwagen ins Revier mitnehmen. Geh nur.«

  Banks schüttelte Blackstone die Hand. »Danke, Ken. Mich würde brennend interessieren, wie du erklären willst, warum du hier bist und wie du hergekommen bist, aber ich kann wirklich nicht bleiben.«

  »Ich sage, ich habe den Bus genommen«, meinte Blackstone. »Und jetzt sei ein guter Junge, Alan, und hau ab nach Eastvale. Ich glaube, ich kann schon die Sirenen hören.«

  Banks stieg in seinen Wagen. Er konnte keine Sirenen hören, in seinen Ohren heulte noch Neville Motcombes Bohrmaschine.

  Ungefähr eine Meile die Straße hinab kamen ihm die ersten Streifenwagen mit Blaulicht und Sirene entgegen. Kein Grund zur Eile, dachte Banks. Es gab überhaupt keinen Grund zur Eile. Er zündete sich eine Zigarette an und schaltete den Kassettenrecorder ein. Robert Louis Stevenson, gesungen von Bert Terfel:

 

Wenn sich nun die Sonne über die Kuppe des Moores hebt,

Steht das Haus verwaist, kein Rauch aus dem Schornstein schwebt.

Verwaist wird es bleiben, die Freunde sind alle fort,

Die guten Seelen, die treuen, die so liebten den vertrauten Ort.

 

Banks schaute auf seine Uhr. Kurz nach halb fünf. Schwer zu glauben, aber sie waren kaum eine halbe Stunde bei Motcombes Haus gewesen. Er hatte selbst bei dem Berufsverkehr noch eine Menge Zeit, um Tracy für das Wochenende abzuholen. Eine Menge Zeit.