Ich hatte bereits meinen Pyjama an und saß im Schneidersitz auf Frederiks Bett. Stolz schielte ich in seinen Kleiderschrank und fragte mich, wann ihm wohl auffallen würde, dass ich dort schon ein paar meiner Sachen deponiert und im Badezimmer einige Kosmetika verteilt hatte.
Frederik kam herein und trug nur diesen wunderbaren Bademantel, der mich einen Blick auf seine nackte Brust erhaschen ließ. Er reichte mir die Tasse und sagte: »Hier, allerdings ist das koffeinfreier Kaffee – du bist mir sonst zu aufgekratzt.«
Ich zog eine Schnute, zuckte dann aber mit den Schultern. »Also, sollen wir den Film gucken, den du unbedingt sehen wolltest?«
»Gleich. Vorher will ich mit dir reden.« Frederik sah mich über den Rand seiner Tasse an und trank einen Schluck.
Oh oh. Der Tonfall bedeutete nichts Gutes. Ob er meine Sachen entdeckt hatte und mich gleich hinauswerfen würde?
»Ich habe mit einem Anwalt gesprochen.« Frederik machte eine Pause und suchte wohl nach den richtigen Worten.
Mit einem Anwalt? Mein Blutdruck schoss in die Höhe und ich hatte nicht die geringste Ahnung, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde.
»Er ist Anwalt für Urheberrecht, Bertram hat ihn mir empfohlen. Gut, ›empfohlen‹ ist das falsche Wort. Es war eher eine beeindruckende Statistik, die mein lieber Bruder mir gemailt hat. Bertram scheint dich wirklich zu mögen, Helen.«
In meinen Ohren rauschte es dermaßen, dass ich Mühe hatte, ihm zu folgen. Bis gerade war mir nicht bewusst gewesen, wie wenig Lust ich hatte, mich überhaupt mit diesem Themenkomplex auseinander zu setzen.
»Jedenfalls geht der Anwalt davon aus, dass deine Chancen ausgezeichnet sind. Aber das wussten wir ja schon von Bertram.« Frederik legte eine Hand auf mein Knie und lächelte mich aufmunternd an. »Helen? Ist alles in Ordnung?«
Ich hob den Blick und schaute in Frederiks besorgtes Gesicht. »Hm.«
»Was ist denn los?«, wollte er wissen und legte die Hände um meinen Kopf. Dieser Mistkerl wusste ganz genau, dass ich sonst das Gesicht weggedreht hätte, doch so hinderte er mich daran. Stattdessen spürte ich ein vertrautes Brennen in den Augen. Ich wollte unter gar keinen Umständen heulen.
»Hey, nicht weinen.« Frederik zog mich an seine Brust und streichelte meinen Rücken. »Warum nimmt dich das so mit?«
»Keine Ahnung«, murmelte ich erstickt und begleitete meine Antwort mit einem Schulterzucken. »Ich schätze, ich habe es sehr erfolgreich vermieden, darüber nachzudenken.«
»Okay, dann lass es dir erst einmal in Ruhe durch den Kopf gehen. Aber Bertram hat- beim Verlag- wie soll ich sagen- nachgeschaut, was Ole bisher mit deinem Buch verdient hat und nachdem ich dem Anwalt über diese- äh- Schätzung informiert habe, hielt er 500.000 Euro für eine realistische Summe, die du einklagen könntest.«
Ich erstarrte und löste mich aus seinen Armen. »Du machst Witze!«
Frederik schüttelte nachdrücklich den Kopf.
»Das kann doch unmöglich sein!«, erwiderte ich matt. Das Chaos in meinem Kopf hatte definitiv seinen Höhepunkt erreicht und machte sich in Form von starker Migräne bemerkbar. »So viel kann er damit doch gar nicht verdient haben! Hat Bertram wirklich den Server des Verlags gehackt?«
Mein Freund zuckte zusammen, als würden wir belauscht werden und sah sich paranoid um. »So würde ich das jetzt nicht nennen.«
»Sondern?«, erkundigte ich mich interessiert und genoss, wie Frederik sich verlegen wand.
Leider fiel ihm wieder ein, worüber wir gesprochen hatten und er blickte mich aus seinen blauen Augen an. »Helen?«
»Ja?«, fragte ich.
»Überlegst du dir das mit dem Anwalt? Du solltest das wirklich nicht auf dir sitzen lassen.«
»Du willst doch nur einen Anteil von dem Geld«, sagte ich leichthin.
Plötzlich umfasste Frederik wieder mein Gesicht, seine Augen bohrten sich in meine. »Nein, will ich nicht. Das Geld ist dein Geld und du hast ein Anrecht darauf, weil du verdammt talentiert bist. Dieses Arschloch hat es bestimmt nicht verdient, sich auf deiner Leistung auszuruhen.«
Die Eindringlichkeit seiner Worte berührte mich und ich versuchte, das merkwürdige Gefühl mit einem Witz zu vertreiben. »Können wir nicht einfach ein paar Schläger engagieren, die ihn verprügeln? Wir könnten ja zusehen.«
Frederik schüttelte den Kopf. »Oh nein. Das mit dem Geld wird ihm viel mehr weh tun!«
»Judith!« Der heimatlose Hans strahlte mich an und erhob sich eilig von der Parkbank. Dabei entging mir nicht, dass seine Körperhaltung irgendwie merkwürdig war.
»Ist alles in Ordnung?«, wollte ich von ihm wissen.
Er winkte nur ab. »Wir werden alle nicht jünger, Mädchen.«
Ich seufzte sehr lang und sehr tief. Es wurmte mich, dass ich bestimmte Dinge einfach nicht aus Hans herausbekam. »Bist du sicher, dass es dir gut geht?«
Eine geraume Weile starrten wir uns stumm an und maßen unsere Kräfte. Hans gewann, weil er nicht einmal mit der Wimper zuckte. Mit einem Schulterzucken reichte ich ihm die Einkaufstüten, die ich für ihn mitgebracht hatte. Die eine enthielt wie immer Lebensmittel, die andere ein paar warme Sachen, die er sicherlich gut gebrauchen konnte. Der Januar sollte noch verdammt kalt werden, wenn man den Meteorologen glauben schenken konnte.
»Ach, Judith. Du sollst dich doch nicht immer so in Unkosten stürzen«, sagte er zaghaft und nahm mir ehrfürchtig die Tüte ab.
Ich grinste nur schief. Wenn es nach Frederik und meinem Fast-Schwager Bertram ging, würde ich bald keine Geldsorgen mehr haben – nicht, dass ich momentan in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Trotzdem war es der Grund, weshalb ich mich für einen Besuch bei Hans entschieden hatte. Eine unabhängige Meinung war genau das, was ich gerade brauchte.
Natürlich hätte ich meine Familie fragen können, doch das hätte auch bedeutet, ihnen überhaupt von Ole erzählen zu müssen und diesen Programmpunkt wollte ich gern noch etwas vor mir herschieben.
»Warum so traurig, Mädchen?«, fragte der heimatlose Hans und begutachtete dabei eine Packung Spekulatius. Weihnachten war zwar schon vorbei, aber ich war mir sicher gewesen, dass Hans das relativ egal sein würde.
»Eigentlich bin ich eher wütend als traurig, dabei aber auch etwas unentschlossen – und ein bisschen Angst habe ich ebenfalls.« Verwirrt rieb ich mir mit der Hand über die Stirn; dazu schob ich die Wollmütze, die ich trug, etwas hoch. Wie sollte ich Hans erklären, was mein Problem war, wenn ich nur Unsinn von mir gab?
Ruhig riss Hans die Kekstüte auf und steckte die Nase tief hinein, um den Duft zu inhalieren. »Judith hat Weihnachten immer geliebt«, sagte er plötzlich und starrte versonnen in die Tüte. Überrascht wandte ich den Kopf und sah ihn an.
Doch genauso schnell, wie er gekommen war, verschwand der kurze Moment wieder und Hans schob sich mehrere Kekse auf einmal in den Mund. Während er kaute, legte er den Kopf in den Nacken und betrachtete den Himmel. Schließlich sagte er: »Das sind ganz schön viele Emotionen für deinen kleinen Kopf.«
»Ich habe keinen kleinen Kopf«, erwiderte ich empört und betastete verlegen meinen Hinterkopf. Dann holte ich den Bilderrahmen aus meiner Tasche und reichte ihn Hans. »Das Buch hier habe ich geschrieben. Es ist mir vor langer Zeit gestohlen worden, doch jetzt hat mein Freund Beweise dafür aufgetrieben, dass es mein Buch ist. Er und sein Bruder haben mir nahegelegt, den Dieb zu verklagen. Aber ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
Das war natürlich eine etwas vereinfachte Version der Geschichte, aber ich wollte nicht vier Stunden damit verbringen, Hans in alle komplizierten Einzelheiten einzuweihen. Der Kern blieb ohnehin der gleiche.
Mein obdachloser Freund betrachtete den Bilderrahmen ausführlich, allerdings die Rückseite. Dabei strich er immer wieder mit dem Daumen über den Rand. »Du bist ein nettes Mädchen und ein guter Mensch. Was dieser Dieb getan hat, ist ganz und gar nicht in Ordnung, da hat dein Mann schon recht.«
Automatisch korrigierte ich Hans: »Frederik ist nicht mein Mann. Noch nicht jedenfalls.«
Hans gackerte leise. »Lange wird das bestimmt nicht mehr dauern, so wie er sich um dich kümmert.«
Aus irgendeinem Grund lösten Hans’ Worte ein verdächtig warmes Gefühl in meinem Bauch aus, das sich in Wellen durch meinen Körper bewegte.
»Aber es kommt mir irgendwie nicht richtig vor, die Geschichte nach so langer Zeit wieder aufzuwärmen. Ich habe die ganze Zeit das Gefühl, dass ich schon früher etwas hätte unternehmen sollen und es jetzt verjährt ist.«
Hans schüttelte den Kopf. »Für feige hätte ich dich gar nicht gehalten – und wenn du das Geld nicht willst, kannst du es mir geben.« Er strahlte mich gutmütig an und schob sich dabei weitere Kekse zwischen die Lippen. Während er kaute, dachte er nach und fügte schließlich noch an: »Wobei, meine Enkelin könnte wahrscheinlich mehr damit anfangen. Um wie viel geht es denn?«
Für einen Moment dachte ich, mein Herz würde stehenbleiben. Der heimatlose Hans hatte noch nie etwas von sich preisgegeben! »Der Anwalt schätzt 500.000 Euro.«
Leise pfiff der heimatlose Hans durch die Zähne. »Und da zögerst du noch?«
Ganz beiläufig sah ich zu Hans und nickte. Ich wusste, dass dies möglicherweise meine einzige Chance war, etwas über ihn zu erfahren. »Du hast recht. Aber ich kann das Geld unmöglich komplett behalten. Ich bringe dir dann etwas davon.«
Er winkte ab. »Nah! Was soll ich mit so viel Geld? Schreib meiner Anika einen Scheck, aber sag ihr nicht, dass ich dich darum gebeten habe.«
Ich wagte es kaum, zu atmen. Sollte Hans mir gerade wirklich etwas aus seinem Privatleben erzählt haben? Dann musste diese Anika seine Enkelin sein!
»Wenn du das so möchtest, gern. Aber ich kann ja nicht in der Stadt herumlaufen und jede Frau fragen, ob sie zufällig Anika ist.«
»Eigentlich wollte Kurt sie ja Judith nennen, nach seiner Mutter. Aber meine Judith hat gesagt, dass das doch kein zeitgemäßer Name sei, dann hat sie Anika vorgeschlagen. Was für ein schöner Name für ein kleines Mädchen habe ich gesagt.« Hans starrte in die Ferne und mein Herz zog sich zusammen, als ich den Schmerz in seinen Augen sah.
»Dann ist Kurt dein Sohn?«, fragte ich sanft und hoffte, dass ich mir das richtig zusammengereimt hatte.
»Ja, das sollte reichen. Mich erwähnst du mit keinem Wort.« Hans funkelte mich sehr eindringlich an und ich nickte.
»Versprochen. Vorausgesetzt natürlich, dass ich überhaupt vor Gericht gewinne.« Ich verschränkte meine Arme und atmete die kalte Winterluft ein. Mit so vielen Informationen hatte ich gar nicht gerechnet. Die Gedanken jagten durch meinen Kopf. Allein für seinen Rat hatte Hans meiner Meinung nach eine Beteiligung an dem Geld verdient und wenn es sein Wunsch war, dass ich das Geld seiner Enkelin gab – dann sollte es so sein. Ich fragte mich nur, ob er überhaupt die Wahrheit gesagt hatte und welche Begründung ich Anika für den Geldsegen nennen sollte.
Hans klopfte sanft auf mein Knie und riss mich aus dem Grübeln. »Sag, Judith, habe ich dir schon einmal die Geschichte erzählt, wie ich die Gebrüder Grimm getroffen habe?«
Da wusste ich, dass der lichte oder offene Moment von Hans vorbei war und schüttelte den Kopf. »Nein, die kenne ich wohl noch nicht.«
Der heimatlose Hans lächelte zufrieden und holte tief Luft, um seinen Bericht zu beginnen.
Ich klopfte an Frederiks Tür und hörte nur ein Maunzen. Großartig, der Kater war da, aber der Mann nicht? Die Hand hatte ich schon an meiner Türklinke, als die andere Wohnungstür sich doch öffnete. Frederik war tropfnass und hatte ein Handtuch um die Hüfte geschlungen.
Bei diesem Anblick bekam ich sofort gute Laune und konnte mein Lächeln nicht unterdrücken. Frederik trat zur Seite und ließ mich herein. »Erinnere mich daran, dass ich dir einen Schlüssel für die Wohnung gebe«, sagte er lässig und ging wieder ins Badezimmer.
Ich streifte die Mütze und Handschuhe ab und folgte ihm. »Du willst mir einen Schlüssel geben?«
»Natürlich! Warum nicht?«, erwiderte er und verschwand in der Duschkabine. Ich setzte mich auf den Wannenrand und beobachtete ihn. Ja, warum eigentlich nicht?
»Hm«, machte ich. »Einen Schlüssel zu meiner bescheidenen Unterkunft könnte ich dir auch geben.«
»Das würdest du tun?«, fragte Frederik, streckte seinen Kopf hinter der gläsernen Wand hervor und wirkte ehrlich überrascht. »Dann könnte ich Elena ihren zurückgeben.«
»Warum denn nicht? Du hast es doch gerade vorgeschlagen«, erwiderte ich irritiert.
Er lachte leise. »Ja, aber ich bin nicht ganz so scheu und panisch wie du.«
Ich verdrehte nur die Augen und schwieg. Dann sah ich interessiert zu, wie Frederik sich einschäumte und ließ meine Gedanken dabei ein wenig schweifen.
»Erde an Helen!«, rief Frederik grinsend. Er musterte mein Gesicht. »Du kleines Luder, du hast an Sex gedacht.«
Eine zarte Röte überzog meine Wangen. »Aber nur ganz kurz. Ehrlich gesagt hat mich etwas anderes beschäftigt.«
Frederik ging ins Schlafzimmer und ich hockte mich auf die Bettkante. »Ich glaube, ich bin mit der ganzen Sache um die Urheberrechtsklage einverstanden.«
Verblüfft drehte der Mann sich um und setzte sich neben mich. »Wie kommt’s?«
Ich verschränkte meine Finger im Schoß, um meine Nervosität zu vertuschen. »Du hältst mich ja eh schon für ein bisschen verrückt, deswegen macht es eigentlich keinen Unterschied: Ich habe den heimatlosen Hans gefragt und er ist auf deiner Seite.«
Frederik zog die Nase kraus. »Ist das der Obdachlose aus dem Park?«
Eifrig nickte ich. »Er hat außerdem gesagt, dass du ein guter Mann bist, weil du dich um mich kümmerst.« Ich biss mir auf die Unterlippe, weil ich auf Frederiks Reaktion gespannt war.
Für einen Moment starrte Frederik mich an. »Zumindest versuche ich, mich um dich zu kümmern – wenn du mich mal lässt.« Dann strich er meine Haare hinter mein Ohr.
»Er hat recht«, murmelte ich. »Und du auch, genau wie Bertram. Ich habe die ganze Sache schon viel zu lange mit mir herumgeschleppt und mich davon vergiften lassen.«
Frederik nickte zufrieden und gab mir einen schnellen Kuss, bevor er aufstand, um sich weiter anzuziehen.
Ich räusperte mich verlegen und Frederiks Gesichtsausdruck war leicht angespannt, als er sich umdrehte. »Also, einen Haken hat die Sache noch. Der heimatlose Hans hat mir heute zum ersten Mal etwas über sich erzählt, weil ich ihm einen Teil des Geldes angeboten habe. Doch er will nichts davon, sondern, dass ich es seiner Enkelin gebe.«
»Okay«, erwiderte Frederik schlicht und zuckte mit den Achseln.
»Das war es? Du regst dich nicht auf?«, fragte ich und stand auf. Von hinten schlang ich die Arme um meinen wunderbaren Freund, schmiegte meine Wange an seinen warmen Rücken.
»Warum sollte ich mich denn aufregen?«, fragte er verwundert.
»Na, weil ich etwas von dem Geld weggeben will.«
»Ich habe dir schon einmal gesagt, dass es dein Geld ist und du kannst damit machen, was du willst, Helen.«
»Hm.« Ich schwieg und dachte darüber nach, wie gern ich das Geld – und überhaupt alles in meinem Leben – mit Frederik teilen wollte.
»Helen?«
»Hm?«, machte ich und schnupperte an ihm.
»Ich kann mich so beim besten Willen nicht weiter anziehen.«
Grinsend schnurrte ich: »Hm« und meinte eigentlich »Das ist dein Pech.«
Ungeduldig trommelte ich mit den Fingern auf meinem Oberschenkel herum. Wie lange konnte es eigentlich dauern, das richtige Paar Laufschuhe auszusuchen? Du meine Güte, wir wollten doch nur eine kurze Runde durch den Stadtpark drehen! Der Plan war gewesen, das zu tun, bevor die Sonne unterging und es wieder furchtbar kalt wurde – aber wenn ich noch länger auf Frederik warten musste, hatte sich das erledigt.
Schritte polterten die Stufen hoch und ich schickte ein Stoßgebet in Richtung Himmel, dass Frederik nicht schon wieder meinen Bruder eingeladen hatte. Die letzte Begegnung mit den beiden Spaßvögeln hatte mir gereicht.
Als jedoch Ole um die Ecke bog, wünschte ich mir an seiner Stelle prompt meinen Bruder herbei. Mein Ex-Freund sah mich und sein Gesicht verfärbte sich sofort rot.
»Da bist du ja!«, stieß er hervor und wies dabei mit dem Finger auf mich. Erbost stiefelte er auf mich zu und blieb so dicht vor mir stehen, dass ich kurz befürchtete, er könnte geplant haben, mich mit dem Finger zu erdolchen.
»Wie hast du mich gefunden?«, wollte ich von ihm wissen und ignorierte dabei die Tatsache, dass mein Puls merklich nach oben geschnellt war.
»Fangen wir lieber damit an, was du Schlampe dir dabei gedacht hast, mich ruinieren zu wollen!«, zischte er und kam näher.
Ich zuckte bei seiner Beschimpfung zusammen und konnte mir den sarkastischen Gedanken nicht verkneifen, dass die Papiere vom Anwalt wohl bei ihm eingetroffen waren. Trotzdem versuchte ich, ruhig zu bleiben. »Wieso dein Leben ruinieren? Du hast doch mich verlassen. Ist dir etwa jetzt erst aufgegangen, was du dabei aufgegeben hast?«
Wütend packte er meinen Oberarm und schüttelte mich. »Sehr witzig, du Miststück! Du weißt genau, wovon ich rede. Ich habe erst Post vom Anwalt und dann einen sehr unfreundlichen Anruf von meinem Verlag bekommen.«
Obwohl seine Finger ziemlich fest drückten, zwang ich mich, nicht noch weiter zurückzuweichen. »Was hast du erwartet? Dass du einfach damit durchkommst?«
»Ich will, dass du deinen Anwalt zurückpfeifst«, verlangte Ole und schob dabei sein Gesicht so nah an meines heran, dass ich seinen Atem spüren konnte. Angeekelt drehte ich den Kopf zur Seite und fragte mich ernsthaft, was ich jemals an ihm gefunden hatte.
Über Oles Schulter, der mich inzwischen bis an die Wand gedrängt hatte, sah ich, wie Frederiks Wohnungstür sich öffnete. Frederiks Augen weiteten sich, als er die Situation erfasste und mit zwei Schritten war er bei uns. Er legte seine Hand auf Oles Schulter und noch während er ihn von mir weg zog, fragte er: »Kann ich irgendwie behilflich sein?«
Ich nutzte die Gunst der Stunde und stellte mich sofort neben meinen Freund. Okay, vielleicht versteckte ich mich auch halb hinter seinem Rücken – aber wozu hatte ich ihn mit seinen prächtigen ein Meter neunzig denn?
Ole hatte den Nerv, die Augen zu verdrehen und dabei gequält zu stöhnen. »Der schon wieder? Wer ist das? Dein neues Schoßhündchen?«
Fassungslos schnappte ich nach Luft und sah, dass Frederik nur belustigt die Augenbraue hob. Ole schien den Ernst der Lage nicht ganz zu erfassen und streckte einfach den Arm aus, um an Frederik vorbei nach mir zu greifen. »Wir sind noch nicht fertig, Fräulein!«
Noch bevor er mich anfassen konnte, schnellte Frederiks Arm vor und er packte Oles Handgelenk, der überrascht aufjaulte. »Doch. Diese Unterhaltung ist beendet. Wenn du noch irgendetwas mitzuteilen hast – die Adresse von Helens Anwalt sollte bekannt sein.«
Mein Ex-Freund funkelte Frederik von unten an und unternahm den lächerlich Versuch, sich aus dem harten Griff zu befreien. »Halt dich da raus, du Idiot! Du bist lediglich ihr Nachbar und hast hier gar nichts zu melden.«
»Ole, halt die Luft an und hör auf, meinen Ehemann zu beleidigen! Du hast genau zwei Sekunden, um dich zu verpissen oder ich rufe die Polizei. Bitte bleib, ich sehe schon den nächsten Brief vom Anwalt vor mir – das Detail mit dem Hausfriedensbruch macht sich darin bestimmt gut.«
Dazu legte ich einen Arm um Frederik und warf Ole einen herausfordernden Blick zu. Doch wie erwartet trat er unverzüglich zurück. Er zog eine herablassende Grimasse, betrachtete Frederik noch einmal von oben bis unten und ging dann davon.
Erst jetzt bemerkte ich, wie mein Herz raste. Obwohl Frederik da war, traute ich mich erst wieder, Luft zu holen, als Ole um die Ecke verschwunden war.
Frederik drehte sich zu mir und umfasste meine Schultern. »Alles okay? Der Gute neigt ein wenig zur Selbstüberschätzung, nicht wahr?«
Stumm nickte ich und löste mich aus Frederiks Griff. Ich wollte jetzt endlich laufen gehen – mehr noch als zuvor, denn es würde sicherlich meinen Kopf klären. Meine Gedanken standen offenbar auf meiner Stirn geschrieben, denn mein Freund trat zur Seite, deutete eine Verbeugung an und sagte: »Nach Ihnen, Mylady.«
Erleichtert ging ich an ihm vorbei und schaffte es genau bis zur Treppe, bevor er mir den Todesstoß versetzte und völlig beiläufig fragte: »Möchtest du jetzt oder lieber später darüber reden, dass du mich als deinen Ehemann bezeichnet hast?«
»Scheiße. Scheiße. Scheiße!«, rief ich und stampfte dazu mit dem Fuß auf. »Ich dachte, du hättest es vielleicht nicht bemerkt.«
Statt einer Antwort bekam ich ein breites Grinsen zu sehen.
In diesem Moment schnaufte Frau Bergmann aus dem Stockwerk über uns um die Ecke und an ihrer verkniffenen Miene konnte ich erkennen, dass mein Fluch wohl deutlich zu hören gewesen war.
Ich rang mir ein höfliches Lächeln ab. »Guten Abend, Frau Bergmann.«
Ihre hochgezogene Augenbraue sagte alles und wie immer wurde sie von ihrem verzogenen weißen Pudel begleitet, der ähnlich verkniffen guckte.
»Guten Abend, Frau Bergmann«, strahlte mein Freund.
Im Gegensatz zu mir, wurde er mit einer Antwort gewürdigt. »Guten Abend, Herr Kaspers«, säuselte die Alte und strich sich dabei durch die grauen Haare.
Ich schnitt hinter ihrem Rücken eine Grimasse und Frederiks Mundwinkel zuckten.
Dann kam mir eine Idee, wie ich vielleicht doch noch das Thema wechseln konnte. »Danke, dass du mich so tapfer vor Ole beschützt hast.«
»Nimmst du mich etwa nicht ernst? Ein Kleinkind könnte diesen Pimpf verprügeln.«
Ich eilte vor ihm die Stufen hinab. »Natürlich nehme ich dich ernst. Ich meine es auch wirklich so: Dankeschön.« Dazu klimperte ich mit meinen Wimpern.
»Na ja, ich kann doch nicht zulassen, dass jemand meine Lieblingsautorin anpöbelt.«
Draußen vor der Tür blieb ich stehen. Die Sonne versank gerade hinter den Bäumen auf der anderen Straßenseite. Leise seufzte ich, durch Oles Auftauchen war unser Timing vollkommen durcheinander geraten!
Frederik wartete geduldig, bis ich meinen komplizierten Gedankengang beendet hatte und mich zu ihm umdrehte. Ich musterte sein gut geschnittenes Gesicht und die klugen Augen, die gerade wissend auf mir lagen. Erneut fragte ich mich, wie er es schaffte, so mühelos hinter mein Pokerface zu schauen.
Da ich um das Gespräch ohnehin nicht herumkommen würde, konnte ich es auch direkt hinter mich bringen. »Also das gerade mit dem Ehemann, ich weiß nicht – es ist mir so herausgerutscht.«
»Macht ja nichts«, sagte Frederik wohlwollend. »Du hast mich immerhin schon mit viel weniger schmeichelhaften Kosenamen bedacht.«
»Du findest das also schmeichelhaft?« Ich war bereit, mich an jeden Strohhalm zu klammern, den ich bekommen konnte.
Er verschränkte die Arme und sein Lächeln vertiefte sich. »Sagen wir so, ich kann damit leben.«
Toll, so viel zu meinen hilfreichen Strohhalmen. Er hatte mir so eben den Boden unter den Füßen weggezogen. Aus Nervosität begann ich, mit der Schuhspitze durch den sauber geharkten Kies der Auffahrt zu scharen. Die alte Bergmann würde einen Anfall bekommen, wenn sie das sehen könnte.
»Ich weiß nicht warum, aber in deiner Gegenwart muss ich in letzter Zeit ständig an das Wort mit H denken.«
»Höhepunkte?«, fragte der Blödmann doch tatsächlich sehr selbstgerecht.
Statt einer Antwort bedachte ich ihn mit einem abgrundtief bösen Blick. Dann warf ich genervt die Arme in die Luft. »Ich meine, ich schlafe immerhin schon jede Nacht bei dir und das obwohl Schröder praktisch permanent mein Leben bedroht. Also, was sagst du?«
»Höhenangst?«, erkundigte sich Frederik mit gespielt besorgtem Gesichtsausdruck.
Der Sonnenuntergang tauchte den Hof in goldenes Licht und ich hoffte, dass Frederik genau sah wie unglaublich unlustig ich ihn in diesem Moment fand.
Doch er wollte einfach nicht aufhören. »Hochdruckgebiet? Hochgefühl? Hochstapler? Holzplatte? Ich kann ewig so weitermachen. Hörbücher? Hohlköpfe?-«
Mit einer energischen Handbewegung schnitt ich ihm das Wort ab. Ich konnte tatsächlich die Ader auf meiner Stirn vor Wut pochen spüren. Wie konnte er es wagen, mich so hinzuhalten und es mir so schwer zu machen?
»Heiraten, okay? Heiraten! Verdammte Scheiße!«, schrie ich lauthals und schlug beinahe im gleichen Moment die Hand vor den Mund. Vollkommen ertappt starrte ich auf den Boden und fragte mich, ob ich gerade tatsächlich den schlimmsten Hochzeitsantrag der Welt gemacht hatte. Ich räusperte mich, weil meine Stimme sich doch am Ende etwas überschlagen hatte. Schüchtern fügte ich hinzu: »Jedenfalls dachte ich, wir könnten das vielleicht machen.«
Frederik verbarg sein Grinsen, indem er sich hinkniete und seine Schuhe neu schnürte. »Vielleicht.«
Fast hatte ich seine Antwort nicht gehört. Das lag unter anderem daran, dass das Blut laut in meinen Ohren rauschte; mein hämmerndes Herz war dabei keine große Hilfe. Ich musste den Verstand verloren haben.
Allerdings war ich mit Frederiks Entgegnung trotzdem nicht wirklich zufrieden und wollte ihm gerade eine Antwort abnötigen, als er sich aufrichtete und über meine Schulter strahlte. »Da ist ja dein Bruder. Habe ich gesagt, dass er mit uns kommt?«
Ganz großartig. Während ich mich umdrehte und mir ein gequältes Lächeln für Daniel abrang, nahm ich mir fest vor, dieses Gespräch noch an diesem Abend zu beenden. So leicht würde mir der liebe Frederik nicht davonkommen.
»Seid ihr fertig?«, fragte Daniel, während er uns entgegen kam.
Mit einem vielsagenden Blick in Richtung Frederik verkündete ich: »Also, ich bin bereit!« Vielleicht verstand er den winzigen Wink mit dem Zaunpfahl ja…
Zwei Tage später passierte etwas Merkwürdiges: Ich konnte mein Handy-Ladegerät nicht finden. Normalerweise lud ich es immer am Computer, da dieser aufgrund der Arbeit ohnehin den ganzen Tag an war. Doch heute hatte ich es vergessen und suchte nun in der Küchenschublade nach dem Kabel, um das Handy ganz konservativ an der Steckdose zu laden.
Überhaupt schienen immer mehr Dinge spurlos zu verschwinden. Mein Parfüm hatte ich gestern Morgen schon nicht gefunden und davor waren es meine dicken Lieblingssocken gewesen.
Noch einmal wühlte ich ratlos durch die Schublade, dann warf die Erkenntnis mich fast um. Mit spitzen Fingern nahm ich den Schlüssel zu Frederiks Wohnung vom Brett und machte mich auf den Weg in die Höhle des Feinds.
Im Wohnzimmer blieb ich stehen und wartete darauf, dass Schröder sich auf mich stürzte. Stattdessen hockte er auf der Sofalehne und beobachtete mich. Aus einem Impuls heraus ging ich in die Küche und zog die oberste Schublade auf.
Ich biss mir auf die Unterlippe und starrte mein Ladegerät an. Mein Weg führte mich ins Bad, wo ich das Parfüm im Schrank fand. Ins Schlafzimmer ging ich nicht einmal mehr, denn mir war klar, dass ich die Socken dort finden würde. Benutzte Frederik etwa die gleiche Taktik wie ich?
Während ich so damit beschäftigt gewesen war, meine Sachen heimlich bei ihm unterzubringen, war mir nicht aufgefallen, dass er offenbar ebenfalls alles aus meiner Wohnung mitgehen ließ, was nicht niet- und nagelfest war. Dieses kleine, geschickte Schlitzohr.
Grinsend stand ich in seinem Wohnzimmer und dachte darüber nach, dass ich wusste, warum ich ihn so liebte. Der Gedanke schockierte mich zwar von Zeit zu Zeit immer noch, aber langsam gewöhnte ich mich daran.
Zuerst wollte ich das Ladekabel wieder mit zu mir nehmen, doch dann entschied ich mich spontan dazu, das Handy hier zu laden. Als ich vor der Steckdose stand, sprang Schröder elegant von der Sofalehne und begann damit, um meine Beine zu streichen. Ich sah nach unten und fragte mich, woher der plötzliche Anflug von Zuneigung kam. Da hörte ich den Schlüssel im Schloss.
Erstaunt sah ich zu dem Kater. »Das ist jetzt nicht wahr, oder?«
Frederik war nicht einmal sonderlich überrascht, mich in seiner Wohnung zu finden. »Hi.«
»Hi.«
Vielsagend blickte der Mann nach unten, wo sich das durchtriebene Tier an meinem Bein rieb. »Ich weiß gar nicht, was du hast. Offensichtlich mag Schröder dich doch.«
Ich war sofort bereit, zu schwören, dass der Kater mich angrinste. Schröder war unglaublich. Er musste gehört haben, dass Frederik kam. Das Ganze war einfach zu unrealistisch.
»Ja, ich glaube, du hast recht.« Damit bückte ich mich und kraulte Schröder hinter den Ohren. Ruhig fuhr ich fort: »Kannst du dir vorstellen, dass ich jetzt wohl schon vergesslich werde? Statt in meine Küchenschublade habe ich mein Handyladegerät in deine gelegt. Gerade habe ich mir gedacht: So oft wie ich hier bin, könnte ich das Handy doch hier laden.«
Langsam drehte ich mich um und Frederik grinste mich an. In diesem Moment wusste ich, dass er genau wusste, dass sein kleines Spiel aufgeflogen war – und er wusste auch, dass ich es ebenfalls wusste. Trotzdem grinste er nur. »Das ist eine gute Idee. Hast du Hunger?«
»Und wie. Lass mich nur noch schnell meine Emails checken, dann koche ich uns etwas. Pasta?«, fragte ich über die Schulter und hatte mein Handy schon in der Hand.
»Gerne. Hast du schon wegen dem Manuskript von deiner Agentin gehört? Wie heißt sie noch? Becky?«
»Becca, kurz für Rebecca. Nein, habe ich nicht. Deswegen gucke ich ja gerade.«
»Okay.« Frederiks Stimme klang gedämpft, weil er gerade hinter der Schlafzimmertür verschwunden war, um sich umzuziehen. Dabei bewunderte ich ihn so gerne im Anzug. Als er wieder aus dem Schlafzimmer kam – in T-Shirt, einen Pullover in der Hand – nahm ich natürlich auch mit diesem Anblick vorlieb.
»Ha«, machte ich und starrte auf das Display.
»Was heißt ›Ha‹? ›Ha‹ klingt eher nicht so gut.« Frederik kam näher.
»Hat dein Bruder eigentlich eine Vorliebe für Pizza?«, erkundigte ich mich.
»Wieso?« Mein Freund klang sofort alarmiert.
»Weil ich glaube, dass der Newsletter von der Pizzavereinigung eine Email von deinem Bruder sein könnte.«
Mit einem Stöhnen nahm Frederik mir das Handy aus der Hand und öffnete die Email. Doch der Inhalt bestand nur aus Hieroglyphen und war beim besten Willen nicht zu lesen. »Bingo, die Email ist von Bertram.«
»Aha, kannst du sie lesen? Ich erkenne da nichts«, verkündete ich.
»Dafür werden wir wieder den kleinen USB-Stick und deinen Computer brauchen «, klärte der Mann mich auf.
»Okay, ich gehe ihn anmachen und setze Wasser für die Nudeln auf.« Damit marschierte ich zur Tür.
»Warte mit dem Wasser noch. Wer weiß, was mein Bruder will.«
»Ein guter Punkt, mein Lieber.«
Ich schaltete den Computer an und wartete auf Frederik. Er zog sich im Gehen den Pullover über den Kopf und stieß die Tür hinter sich mit dem Fuß zu. Dann stöpselte er den USB-Stick in meinen Computer und öffnete das Emailprogramm.
Stumm saß ich in meinem Schreibtischstuhl und beobachtete das Schauspiel gebannt. Kaum hatte Frederik die Email angeklickt, zog sich ein Regenbogen über meinen Bildschirm, der sofort wieder verschwand.
»Also Humor hat dein Bruder ja irgendwie«, kicherte ich vergnügt. Frederik bedachte mich nur mit einer hochgezogenen Augenbraue. Der unverständliche Kauderwelsch aus der Email verwandelte sich vor unseren Augen in lesbaren Text und ich klatschte begeistert in die Hände. »Wow, das ist ja wie im Film.«
»Schön, dass du dich darüber so freuen kannst. Ich finde das eher zum Heulen«, maulte Frederik und überflog die Email.
»Ich weiß nicht, irgendwie finde ich Bertram sehr inspirierend. Als Romanfigur wäre er großartig.«
Frederik schüttelte den Kopf. »Schlag ihm das bloß nicht vor.«
Schnell las ich die Email, dabei klappte mein Mund diverse Male auf. Bertram hatte wieder einmal völlig hemmungslos in der internen Kommunikation des Verlags geschnüffelt und dabei einige Emails abgefangen, die recht interessant waren. Um einen Gerichtsprozess zu vermeiden, würden sie mir demnächst einen Vergleich vorschlagen und hofften inständig, dass ich darauf einging, denn der Verlag war sich sicher, dass ich vor Gericht gewinnen würde. Außerdem fürchteten sie natürlich die negativen Schlagzeilen.
Ganz am Ende hatte Bertram noch angefügt, dass er dem Vergleich an meiner Stelle zustimmen würde. Der Verlag würde sich ohnehin bald von Ole trennen und dann würde Bertram den Rest übernehmen.
Ich wandte mich zu Frederik. »Was meint Bertram damit, dass er sich um den Rest kümmern wird?«
Mein Freund zuckte mit den Achseln. »Das musst du ihn schon selbst fragen.«
»Sehr witzig. Soll ich ihn vielleicht auf einen Kaffee einladen? Warte, ich rufe ihn kurz an. Ach nein, da war ja was!« Vorwurfsvoll starrte ich Frederik an.
Er lachte nur. »Mein Bruder weiß mit Sicherheit schon, dass du die Email gelesen hast. Du brauchst vermutlich nur die Kamera anzuschalten.« Er deutete auf meinen Bildschirm und die kleine Webcam, die oben in der Mitte eingebaut war.
Zwar runzelte ich die Stirn, war aber nicht abgeneigt, es auszuprobieren. Kaum hatte ich das Programm für die Kamera geöffnet, tanzte wieder ein kleiner Regenbogen über den Screen.
Zwei Sekunden später blickte ich geradewegs in Bertrams Gesicht. Sofort nutzte ich die Gelegenheit und studierte seine Umgebung – bevor er noch in meinem Schlafzimmer saß. Allerdings schien er sich in einem schicken Appartement zu befinden.
»Helen?«, fragte er und klang reichlich pikiert. »Du wolltest mich sprechen?«
»Ja. Also irgendwie. Danke«, brachte ich hervor und versuchte, mich wieder auf Bertram zu konzentrieren, aber der Hintergrund lenkte mich zu sehr ab. War das etwa-?
Bertram verschränkte seine Arme, seufzte schwer und legte den Kopf schräg. »Frederik?«
»Bruderherz, Helen möchte sich für deine informative Email bedanken und fragt sich, was du damit meinst, dass du dich um Ole kümmerst.«
Mit einem leichten Schulterzucken antwortete Bertram: »Das Übliche: Konto sperren, Anrufe umleiten, die Emailadresse an möglichst viele Unternehmen für Spam-Mails verteilen.«
Frederik nickte, als hätte er nichts anderes erwartet.
Endlich konnte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Bertram richten. »Ich bin mir noch nicht sicher, was ich davon halten soll. Aber es ist wirklich nett, dass du dich um all das gekümmert hast. Möchtest du einen Anteil vom Geld?«
Bertrams Augen wurden groß und er blickte schockiert zu Frederik, dabei bewegte er sich ein Stück. »Ist sie betrunken?«
Ich starrte auf den neugewonnenen Bildausschnitt und zupfte Frederik am Ärmel, während ich dezent auf den Bildschirm deutete. Das war wirklich-!
»Nein ist sie nicht, sie hat nur immer noch nicht das gesamte Ausmaß deines Jobs begriffen, schätze ich.« Das Wort »Job« betonte Frederik mit Anführungszeichen in der Luft.
»Ist sie vielleicht doch verrückt?«, erkundigte Bertram sich mit einem letzten kritischen Blick auf mich.
»Gut möglich. Aber ich denke, ich werde sie trotzdem heiraten.« Frederik klang furchtbar trocken.
Doch er hatte mit einem Mal meine ganze ungeteilte Aufmerksamkeit. Ich drehte meinen Kopf so schnell zu ihm, dass mein Genick knackte. »Was?«
Bertram klatschte in die Hände. »Wunderbar, dann abonniere ich einen Feed vom Standesamt und lasse euch zum gegebenen Zeitpunkt ein Geschenk zukommen. Ich hoffe, du weißt, worauf du dich einlässt.«
Der Bildschirm wurde schwarz und ich wusste nicht einmal, für wen von uns beiden der letzte Kommentar gedacht gewesen war.
Ich zeigte noch immer verwirrt auf den Computer. »Hast du das gesehen? Was hast du gesagt? Warum ist dein Bruder so ein Freak? War das wirklich die Schauspielerin?«
Abwehrend hob Frederik die Hände. »Langsam.«
»Du hast recht«, sagte ich triumphierend und zog meine Schreibtischschublade auf. Ich schnitt einen schmalen Streifen Papier zurecht und klebte ihn über die Kameralinse. Zufrieden betrachtete ich mein Werk. »Schon besser. So kann er wenigstens nichts mehr sehen. Bei dir weiß man ja nie.«
Frederiks Hände legten sich um meine Schultern und er fragte dicht neben meinem Ohr: »Was weiß man bei mir nicht?« Dabei löste sein warmer Atem eine Gänsehaut an meinem Hals aus.
»Wann du das nächste Mal an meinem Schreibtisch über mich herfällst«, raunte ich leise.
»Ah, darauf spielst du an. Das hat dir gefallen, nicht wahr?« Seine Hände wanderten nach vorne, umfassten meine Brüste. Ich stöhnte auf.
»Ich schätze schon«, entgegnete ich und erhob mich aus dem Stuhl, den Frederik sofort achtlos zur Seite schob. Ich stand noch immer mit dem Rücken zu ihm und begann damit, meinen Hintern an ihm zu reiben – nur für den Fall, dass er noch nicht verstanden hatte, dass ich jetzt gern Sex wollte.
Er zerrte mein Shirt nach oben und ich half ihm erfreut dabei, mich auszuziehen. Mein Puls schnellte sofort in die Höhe, als Frederik meine nackte Haut streichelte. Der raue Stoff seiner Jeans rieb über die Rückseite meiner Oberschenkel, dann spürte ich seine Hand zwischen meinen Schulterblättern. Unmissverständlich drückte er meinen Oberkörper auf die Schreibtischplatte, bis ich auf ihr lag und das kühle Holz unter meiner Wange fühlte.
Er presste einen Kuss auf meinen Rücken und glitt gleichzeitig mit den Fingern zwischen meine Schenkel und stieß in meine Pussy; prüfte, ob ich bereit war.
Und ich war bereit. Mein ganzer Körper schien in Flammen zu stehen und meine Hüften zuckten tatsächlich, als er mich berührte. Ich wartete darauf, dass er seine Finger mit seinem Schwanz ersetzte, doch das tat er nicht.
Frederik ließ sich Zeit; erforschte mich, mein Inneres und genoss meine Lust. Mit dem Fuß schob er meine Beine weiter auseinander und die Feuchtigkeit, die aus mir perlte, breitete sich auf meiner Klit aus, als Frederik sie mit dem Daumen streichelte.
Wimmernd holte ich Luft und wackelte aufreizend mit dem Hintern. Ich wollte, dass er mich nahm, seinen Schwanz in mir versenkte und mich ausfüllte.
Stattdessen ging er hinter mir in die Knie und ich schloss die Augen, als ich seinen warmen Atem verdächtig nah an meiner verräterischen Feuchtigkeit spürte. Du meine Güte! Er würde doch nicht etwa-
Einen Herzschlag später spürte ich seinen Mund auf mir, seine Lippen legten sich um meine Perle und er begann, sie mit der Zunge zu reizen. Mein ganzer Unterleib pulsierte und ich schien überhaupt nicht genug Luft holen zu können.
Frederik saugte stärker an meiner Klit, seine Finger stießen immer wieder in mich hinein und er trieb mich rasend schnell auf den Höhepunkt zu. Funken stoben vor meinen Augen auseinander und ich schrie laut auf, erkannte meine Stimme dabei fast nicht wieder.
Dieses Mal wartete Frederik nicht, bis das unkontrollierte Zittern geendet hatte, stattdessen richtete er sich auf und drang mit einem harten Stoß in mich ein. Seine Hand lag wieder auf meinem Rücken, die Finger gespreizt.
Meine inneren Muskeln hörten einfach nicht auf, sich immer wieder zu verkrampfen und zu entspannen, der Höhepunkt schien kein Ende zu nehmen. Frederiks intensive Stöße verlängerten meine Lust nur noch und mein ganzer Körper zuckte unter ihm.
So lange, bis ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte und nur noch seinen Namen flüsterte. Zwei, drei schnelle Bewegungen später erschauerte Frederik und kam mit einem sehr befriedigten Stöhnen tief in mir.