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Zwei Tage später

Tim Noles hatte den Oberstaatsanwalt vor etwa einer Stunde die gute Nachricht überbracht, dass er eine Zusage vom Jugendhof PARADISE in Great Falls/Montana erhalten hatte. Sie hatten dort zwei Häuser frei, in denen sie alle elf Personen aufnehmen konnten. Wie alle Jugendeinrichtungen dieser Art hatte auch Great Falls eine Reitanlage, mehrere Spielplätze, einen eigenen Sportplatz und jede Menge freies Gelände mit genügend Platz zum Spielen. Einziger Nachteil: Great Falls war 1.300 Meilen weit weg. Wobei, diese Tatsache konnte sich auch als goßer Vorteil rausstellen. Nachdem Priest Nick informiert und grünes Licht für den Umzug und die anstehende Reise gegeben hatte, bat er Ms Stark darum, die Flüge zu buchen und vor Ort Mietwagen zu reservieren. Außerdem wies er sie an, eine größere Überweisung an SECURNOW zu tätigen. Nick hatte Matt und Sid über die Neuigkeiten informiert und zum Packen aufgefordert, da es am nächsten Tag bereits losgehen sollte. Geplant war, einen Flug ab dem San Diego International Airport zu nehmen. Von dort gab es leider keinen Direktflug, sondern sie mussten in Las Vegas auf dem McCarren Airport zwischenlanden. Von dort gab es einen Anschlussflug, jedoch mit einem dreistündigen Aufenthalt. Das wäre für alle eine zusätzliche Belastung, würde aber hauptsächlich für die Kinder zur Strapaze werden. Matt hatte seinen Seesack bereits fertig gepackt und lag bäuchlings auf seinem Bett als der Anruf kam. „Matt, Tammy hier.“ Als würde er sie nicht unter Millionen von Frauen heraushören können. Sie klang sehr aufgeregt und schluckte hörbar. Sofort saß er senkrecht im Bett. „Was ist los, Süße?“ „Matt, ich kann nicht fliegen.“ Ihre Stimme klang herzzerreißend. „Ich krieg Platzangst im Flieger und … “ jammerte sie zögerlich, „ … und zwar so schlimm, dass ich eine Panikattacke kriege.” Sie stieß hörbar die Luft aus und stockte kurz, bevor sie weiter sprach. „Matt, du musst mir helfen, die anderen davon zu überzeugen, lieber mit dem Auto zu fahren.“ Matt überlegte nicht lange. Er überschlug sofort im Kopf, wie lange sie einmal quer durch die Wüste Nevada mit dem Auto brauchen würden. Sie waren zu zehnt, müssten also mit zwei Autos fahren. Sid, Nick, und er könnten sich beim Fahren abwechseln, aber trotzdem würden sie mit den Kindern nicht so schnell vorwärts kommen, da sie öfters eine Pause einlegen mussten.

Außerdem sollten sie wenigstens eine Übernachtung einplanen. Wes würde nicht gleich mitkommen können, denn er bearbeitete als US Marshall momentan mehrere Fälle parallel. „Matt, bist du noch dran?“ Ihre ängstliche Stimme fuhr ihm direkt in den Magen. „Klar doch Süße, ich hab mir nur gerade überlegt, wie wir vorgehen.“ Sie atmete hörbar erleichtert aus. „Oh Matt, ich danke dir.“ Dieses Dankeschön erwärmte ihn bis ins Mark. „Gut, ich rufŃick an und werde sehen, was ich tun kann.“ Matt seufzte. Es würde schwer werden, Priest davon zu überzeugen, aber Nick war schon immer ein guter Redner gewesen. Matt war sich bewusst, was er da von seinem Kumpel forderte, aber er war bereit die Konsequenzen auf sich zu nehmen. Ihm war klar, dass sie auf der Straße ungleich länger unterwegs sein würden. Jetzt lachte Tammy ins Telefon. „Oh Matt, wenn du jetzt hier bei mir wärst, würde ich dich ganz fest drücken.“ Dieser unschuldige Satz katapultierte seinen Puls in Schwindel erregende Höhen und seinen verdammten Schwanz gleich mit. „Hör zu, ich mach jetzt Schluss“, erwiderte er,

„Ich will Nick sofort anrufen, damit ich ihn auf Priest ansetzen kann.“ „Matt, ich…, ich … danke dir.“ Sie musste mehrmals ansetzen und er war nicht sicher, ob sie wirklich das hatte sagen wollen. „Hey, jederzeit, Süße“, er schluckte heftig, denn er meinte es auch so. Als sie aufgelegt hatten, wählte er sofort Nicks Nummer. Nick befand Matts und Tammys Idee für praktikabel, war sogar froh, nicht fliegen zu müssen, denn das tat er selbst nicht ganz so gerne. Priest war wie erwartet zunächst wenig begeistert. Schließlich mussten sie einmal quer durch Utah und Nevada fahren und das mit fünf Kindern an Bord. Schlussendlich konnte Nick ihn davon überzeugen, dass sie im Auto wesentlich sicherer und vor allem unerkannt unterwegs waren. Seufzend hatte Priest schließlich zugestimmt und Nick mit Clarice verbunden, damit sie die Reise miteinander koordinieren konnten und die Flugtickets storniert wurden. Nachmittags rief Priest noch mal bei Nick an, dieses Mal mit richtig schlechten Neuigkeiten. „Puertes ist raus.

Sein Anwalt hat die zehn Millionen gestellt.“ Er seufzte tief. „Du weißt, was das bedeutet? Wir haben momentan noch den Zeitfaktor auf unserer Seite, aber ich weiß nicht, wie lange noch.“ „Ja, das stimmt wohl. Wir müssen auf jeden Fall so schnell wie möglich von der Bildfläche verschwinden. Sobald der Anwalt Einsicht in die Prozessakten genommen hat, wird Puertes die Namen der Zeugen erfahren.

Wenn seine Bluthunde die Spur aufgenommen haben, werden Ms. Stevens und der Junge hier nicht mehr sicher sein. Es muss jetzt passieren.“ Nicks Ausführungen war nichts mehr hinzuzusetzen. „Ich werde gleich noch mal mit dem Jugendhofleiter telefonieren“, teilte Priest ihm mit. „Er soll Great Falls darüber informieren, dass ihr kommt.“ „Wie weit ist Sid mit den Papieren, Jonathan?“ „Ich hoffe mal, er hat schon alles soweit fertig. Er weiß ja um die Dringlichkeit“, beantwortete Priest Nicks Frage. „Weiß außer Tim Noles noch jemand Bescheid bei dem Jugendhof? Was tun wir, wenn Fragen auftauchen?“ Nick sprach ruhig und gelassen, war aber innerlich aufs höchste angespannt. Dieser Noles war definitiv eine große Schwachstelle. Priest seufzte tief. „Wir haben für Noles ein Schutzteam abgestellt. Aber ich hab keine Ahnung, wie lange ich das bewilligt bekomme. Tut euer Bestes, sonst haben wir noch einen Toten mehr auf der Liste.“