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Dezember 2005, 78 km westlich von Kabul, Afghanistan Gequält stöhnte Matt auf. Er wollte dass alles nicht, denn seine Schuldgefühle Joe gegenüber übertrafen alle seine Seelenqualen, die ihm die Sehnsucht nach Tammy bereitete. Es war falsch, so richtig schlecht, sich nach der Frau seines besten Freundes zu sehnen. Aber wenn er sich die beiden miteinander vorstellte, wurde ihm das Herz schwer, was auch mehr schlecht als recht zu ertragen war. So eine verflucht verfickte Situation. Am meisten belastete ihn, dass es ihm nicht möglich war, sich für seinen Freund offen und ehrlich zu freuen, einfach glücklich darüber zu sein, dass Joe sein Herzblatt gefunden hatte und ihm mit Tammy soviel Glück beschert war. Nein. Im Gegenteil. Er beneidete ihn und war schrecklich eifersüchtig über Kleinigkeiten, die Joe erzählte, was Matt wiederum vor Scham fast umbrachte. Und bei Gott, er hatte versucht, sich für Joe zu freuen und er versuchte alles, diese völlig falschen Gefühle vor seinem Kumpel zu verstecken, was einer schauspielerischen Glanzleistung entsprach. Joe hielt Matts Verhalten, seine neuerliche Aggressionen, für sexuelle Frustration, womit er ja auch zu 100% richtig lag. Es war eine solche Ironie, wie richtig Joe mit seinen Vermutungen lag, dass es Matt fast körperlich schmerzte. Deshalb hatte er sich bis auf die gemeinsamen Einsätze die letzten Monate in ihrer Freizeit so rar wie möglich gemacht, nachdem er mit seiner Ich lass mir nix anmerken Taktik kläglich versagt hatte. Denn das hatte dazu geführt, dass ihm Tammy mit jedem Treffen und bei jeder Begegnung nur noch mehr ans Herz gewachsen war – er war rettungslos in diese Frau verliebt. Seine Tammy, seine Tammy, seine Tammy. Fast glaubte er selbst an dieses Mantra. Nein, so ging das nicht. Also verfuhr er nach Ich geh ihr aus dem Weg. Wann immer es ihm unauffällig möglich war, blockte er Besuche und Treffen mit Tammy und Joe ab. Dies war sehr viel schmerzfreier und leichter. Wenigstens sah er Tammy kaum noch, wenn er auch von Joe immer mit den Neuigkeiten versorgt wurde. Ja, sein Freund hielt ihn wirklich gut auf dem Laufenden.

„Du liebst Tammy!“ Joe fragte nicht, sondern stellte fest. Und erschütterte Matt damit bis ins Mark. Ihm blieb buchstäblich die Luft weg. Matt riss die Augen auf, warf sich herum und blickte direkt in die dunkelbraunen Augen seines Freundes. Wortlos. Atemlos. Er konnte nicht anders als zu nicken. „Ja, verdammt!“, krächzte er. Mehr brachte er nicht heraus. Er konnte es nicht leugnen! Er konnte Joe nicht anlügen. Joe und Tammy waren seit über vier Jahre verheiratet und Joe vergötterte seine Frau. Während eines Einsatzes konnte er gar nicht abwarten, wieder nach Hause zu kommen und mit Joes Gejammere darüber, sie während eines Einsatzes so lange verlassen zu müssen, nervte die ganze Truppe, auch wenn sie es alle gut verstehen konnten. Das Schweigen zwischen Joe und ihm dehnte sich fast schmerzhaft aus. „Ich vermute es schon lange, Mann. Ich habe es an der Art bemerkt, wie du versucht hast, sie nicht anzusehen. Das ist auch der Grund, weswegen du dich die letzten Monate so rar machst, hab ich recht?“ Matt sah Joe an und wusste nicht, wie er in Worte fassen sollte, was nicht zu erklären war. Er konnte Joe nicht sagen, dass er jede andere Frau mit Tammy verglich und keinen Orgasmus mehr hatte, ohne dabei an ihren sexy Mund und an ihre Kurven zu denken. Keinen Sex mehr, ohne an sie zu denken, seit dem Augenblick, als er zum ersten Mal in ihre Augen geschaut hatte. Seine Scham war riesengroß, mindestens genauso groß, wie der Selbstbetrug, den er seit Jahren betrieb.

Matts letzter Versuch mit einer Frau Sex zu haben, lag drei Monate zurück und hatte in einem Desaster geendet. Cloe, so hieß seine damalige Flamme, war völlig empört abgerauscht, nachdem seine Erektion wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen war. Der Schütze hatte seinen Dienst quittiert und das mitten im Gefecht. Cloe und er waren nach einem romantischen Essen spät am Abend in seinem Bett gelandet. Dort begannen sie sofort ein heißes Tänzchen. Sie hatte wirklich viel Feuer und zeigte ihm mit aller Deutlichkeit, was sie von ihm wollte und war sehr tatkräftig bei der Sache. Aber ihre großen, kunstvoll gemachten Brüste wollten ihn jedoch genauso wenig auf Touren bringen, wie ihre langen, schlanken Beine. Er konnte nicht abschalten, sich nicht entspannen.

Pahh, als ob er das überhaupt brauchte. Er stand doch immer stramm. Eigentlich.

Und als Cloes Küsse sich seinen harten Bauch hinunter zu seinem besten Stück vorarbeiteten, schoben sich eine freche Stupsnase voller Sommersprossen und wunderschöne, grüne Augen in Matts Gedanken. Sein Soldat stand stramm, noch bevor Cloe ihr Leckermäulchen einsetzte. Dumm nur, dass er fast gleichzeitig auch an Joe dachte. Joe, der seine Frau heiß küsste und auf dessen Schoss sie sich rieb. Das wars. Ende Gelände. Cloe hatte erst sehr verständnisvoll reagiert, aber als Matt dicht machte und gar nicht mehr antwortete, wurde sie stinkewütend auf ihn. „Dann eben nicht!“, hatte sie ihn angefaucht, sich ihre Klamotten übergeworfen und war wutentbrannt abgerauscht. Matt lag danach völlig frustriert, leer und ausgelaugt noch Stunden später regungslos auf seinem Bett.

Die Tränen, die ihm über die Schläfen aufs Kopfkissen rannen, wischte er sich irgendwann wütend ab. Ja, das hatte er wohl verdient. Er war am Arsch. Nein, er war ein Arsch. Tiefe Verzweiflung machte sich in ihm breit. Irgendwann, später in dieser Nacht, fiel er dann doch noch in gnadenvollen, traumlosen Schlaf.