5. Januar
Die zwölfte Raunacht

Happy Birthday! Pia stand im Hof und starrte auf das Loch im Teppich. Wenn es dumm gelaufen wäre, hätte sie ihn gar nicht erlebt, ihren Geburtstag. Ganz schön sarkastisch, würde Tami jetzt sagen. Doch es war die beste Art, sich die Angst vom Leib zu halten.

Dieses Loch und ein verkohlter Fleck auf dem Dielenboden waren alles, was an die Beinahekatastrophe der vergangenen Nacht erinnerte. Sie legte den Flickenteppich zusammen und stopfte ihn in den Müllcontainer vorne beim Zentrum.

Über Nacht hatte ein milder Wind den Eisregen vertrieben und machte dessen Werk zunichte. Aus den Bäumen tropfte Nässe. Wolkenschlieren zogen über den blauen Himmel. Die Luft roch nach nasser Erde und Pias Hände nach Rauch und Qualm. Auf dem Rückweg nahm sie eine Bewegung in Bettinas Haus wahr. Stefan stand am Fenster und blickte in den Hof. Die Garage stand seit gestern offen und war noch immer leer. Wohin Bettina wohl mit Lena gefahren war?

Zurück im Häuschen, inspizierte Pia die Ofentür. Der Griff wackelte ein wenig. Es lag an einer Schraube, die sich gelockert hatte. Vielleicht war sie tatsächlich von allein aufgegangen. Doch wie hatte Glut herausfallen können? Pia konnte sich einfach keinen Reim darauf machen und grübelte noch darüber nach, als sie sich einen Becher Kaffee statt des üblichen Chai-Tees machte. Extra stark, denn den Rest der Nacht hatte sie kein Auge zugetan. Sie gab reichlich heiße Milch dazu und stellte den Topf zurück auf den Herd. Dabei fiel ihr Blick auf die Hintertür. Auf dem Linoleumboden davor war etwas. Sah aus wie Halbmonde. Pia ging in die Hocke. Es war getrockneter Dreck. Die Spuren von Schuhen. Sie führten von der Hintertür ins Zimmer und wurden dabei schwächer. Jemand war durch diese Tür gegangen! Pia sprang auf und drückte die Klinke herunter. Die Tür war verschlossen. Wie all die Tage. Doch dann bemerkte sie den kleinen Spalt, der entstanden war, und zerrte mit aller Kraft an der Klinke. Knarrend gab sie nach. Die Tür war nur verklemmt gewesen und ließ sich öffnen! Schon die ganze Zeit? Oder erst seit gestern Nacht? Jedenfalls war die Glut nicht einfach so aus dem Ofen gefallen. Das war nun klar. Jemand war hier gewesen und hatte versucht, sie umzubringen!

Okay! Es war Zeit, Gas zu geben! Pia trank den Rest Kaffee und schnappte sich den Laptop. Wieder einmal öffnete sie die Webseite der Bahn. Die Reparatur der Oberleitungen dauerte noch an. Der Betrieb konnte voraussichtlich erst am späten Nachmittag wieder aufgenommen werden.

Das iPhone klingelte. Es war Paul. Ihn schickte der Himmel. »Hallo Paps.« Plötzlich schlug ihr das Herz bis zum Hals. Ob ihm auffiel, dass sie ihn nicht mit Paul begrüßt hatte?

»Alles Gute zum Geburtstag, Pia. Viel Glück fürs neue Lebensjahr und dass all deine Träume in Erfüllung gehen.«

»Besser nicht. Meine Träume sind momentan eher nicht so toll.«

»Wieso? Hast du etwa …?« Er vollendete den Satz nicht. Doch Pia wusste auch so, was er sagen wollte. Hast du etwa die Wahrheit erfahren? Kathrin hielt ihn also nicht auf dem Laufenden. Er wusste nicht, dass sie wusste, was alle dachten. »Ja, klar. Ich habe erfahren, was ihr alle glaubt. Aber ich war das nicht.« Sie erklärte ihm, woran sie sich erinnerte, und er reagierte wie alle vor ihm. Er tat ihre Erinnerungen als Wunschvorstellung ab. Schließlich fragte er noch, wann Pia aus Galsterried zurückkam. Er hatte in Berlin ein Geschenk für sie gekauft. »Ich dachte mir, du besuchst mich vielleicht am Wochenende. Simone und ich … wir dachten, wir kochen etwas für dich.«

Plötzlich klang er total verunsichert, als ob er Angst hatte, dass sie diese Einladung ablehnen würde und seine Freundin sowieso. »Am Wochenende bin ich nicht mehr in München. Da bin ich schon am Chiemsee im Internat.«

»Was? Wo bist du?«

»In Seeon. Im Internat.« Paps wusste also gar nichts davon. »Kathrin wird das alles zu viel mit mir. Ich hab zwar keine Ahnung, was das alles sein soll …« Mit einem Mal saß ihr wieder ein Pfropfen im Hals. Sie musste schlucken, um ihn loszuwerden.

»So geht das nicht. Da habe ich auch noch ein Wort mitzureden. Das ist ja das Letzte! Wenn du nicht in dieses Internat willst, musst du nicht. Wir werden eine Lösung finden. Wir besprechen das am besten in Ruhe, wenn du zurück bist. Jetzt lass dir den Tag nicht vermiesen.« Paps saß schon im Flugzeug und musste das Handy ausschalten. Es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt, ihn von seiner Vaterschaft in Kenntnis zu setzen. Sie verabschiedete sich und legte auf.

All ihre Träume sollten in Erfüllung gehen, hatte Paps ihr gewünscht. Ein schiefes Grinsen stahl sich in Pias Gesicht. Dann müsste sie jetzt Schlangen bändigen.

Wieder war ihr die Schlange im Traum erschienen. Was hatte sie zu bedeuten? Vertraue mir! Von wegen. Schlangen waren das Symbol für Lüge und Doppelzüngigkeit. Oder hatte sie noch eine andere Bedeutung? Sie googelte Schlange plus Symbol und stieß auf einen ausführlichen Artikel in einer Zeitschrift für Kunstgeschichte. Während sie ihren Kaffee trank, las sie den Beitrag.

Schlangen konnten sowohl Schadens- wie auch Heilsymbol sein. Ebenso galten sie als Zeichen für Weisheit und Intelligenz, für Erneuerung und Kraft, aber auch der Hinterlist, der Gefahr, des Bösen und der Lüge und als Vertreter dämonischer Mächte. Super. Das half ihr ja wirklich weiter. So wie es aussah, konnte die Schlange ein Symbol für so gut wie alles sein. Je nachdem, was man gerade brauchte.

Sie sah aus dem Fenster. Von den Feldern stieg Nebel auf. Ein weiterer grauer und trister Tag. Nicht nur ihr Geburtstag, sondern auch der Todestag ihrer Mutter. Pia entschloss sich, zum Friedhof zu gehen.

Da sie hier wirklich nicht mehr sicher war, nahm sie den Umweg in Kauf und marschierte fünf Kilometer entlang der Landstraße nach Wasserburg. Der Nebel wurde dichter. Feiner Sprühregen setzte ein. Ein Lastwagen rauschte knapp an ihr vorbei, mitten durch eine Pfütze. Eine Ladung Dreckwasser ergoss sich über ihre Stiefel und die Säume der Jeans. Idiot!

Nach über einer Stunde erreichte Pia endlich die Stadt. Der feine Regen hatte die Jacke durchnässt. Die Haare, die unter der Kapuze hervorlugten, klebten ihr im Gesicht. In einem Blumenladen kaufte sie ein Gesteck mit einer Christrose und erkundigte sich, wo der Friedhof war. Es gab zwei. Und sie hatte keine Ahnung, auf welchem sich das Grab ihrer Mutter befand. Sie schämte sich entsetzlich und wurde gleichzeitig total wütend auf alle, die ihr nie die Wahrheit gesagt hatten. Angeblich, um sie zu beschützen, doch sie fühlte sich nur betrogen. Schließlich rief sie Oma an und fragte.

»Schade, dass du nicht früher angerufen hast. Wir hätten zusammen gehen können«, sagte sie. »Ich war schon da und habe Sonja einen Strauß Amaryllis gebracht. Sie liegt auf dem Friedhof im Hag in der Altstadt.« Oma beschrieb ihr den Weg und wünschte ihr dann noch hastig alles Gute zum Geburtstag, als ihr klar geworden war, dass diese beiden Ereignisse untrennbar miteinander verbunden waren.

In den engen Gassen hing der Nebel. Die wenigen Leute, die unterwegs waren, flüchteten sich vor dem Nieselregen in den Schutz der Arkadengänge. Pia erreichte den Eingang zum Friedhof, ein aus Ziegeln gemauertes Portal. Die Gittertür quietschte in den Angeln, als sie eintrat. Nach einigen Metern war nur noch der Klang ihrer Schritte auf den gepflasterten Wegen zu hören, die sich in der Mitte kreuzten und den Friedhof so in vier große Gräberfelder unterteilten.

Weit entfernt, am Ende des Weges, erschien im grauen Dunst der Umriss einer Frau. Wehender Mantel, Baskenmütze. Sie blieb abrupt stehen und ging dann in entgegengesetzter Richtung davon. Verwundert sah Pia ihr nach. War es Bettina gewesen?

Sie sollte bis zur Kapelle gehen und sich dann links halten, hatte Oma gesagt. Pia steuerte auf die kleine Kirche zu, deren Umriss sich Schritt für Schritt aus dem Nebel löste, während plötzlich tappende Schritte hinter ihr erklangen. Sie kamen näher und näher. Ein rhythmisches Keuchen. Plötzlich raste ihr Herz. Etwas streifte ihr Bein und huschte vorüber. Ein Hund! Es war nur ein dicker Hund mit zotteligem Fell, der im Nebel ebenso schnell verschwand, wie er aufgetaucht war. Puh! Ihre Nerven waren derzeit nicht sonderlich strapazierfähig.

Sie atmete durch und hielt nach dem Grab Ausschau. Schließlich entdeckte sie es einige Meter entfernt. Es lag unter einem großen Baum, der seine kahlen Äste in das Grau streckte. Im Sommer war das bestimmt ein schöner Platz, der Sonja gefallen würde. Doch jetzt wirkte er verlassen und trostlos. Und etwas stimmte nicht damit, erkannte Pia, je näher sie kam. Der Strauß roter Amaryllis lag zertrampelt auf dem Weg zwischen Tannenzweigen und den Heidekrautpflanzen, die jemand aus der Erde gerissen hatte. Das Grab war völlig verwüstet. Wer hatte das getan? Dreizehn Jahre nach Sonjas Tod. Warum nur?

Hass. Das war die Antwort. Jemand hasste ihre Mutter noch immer und konnte sie nicht in Frieden ruhen lassen.

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Das Grab ihrer Mutter richtete sie mit bloßen Händen, so gut es eben ging, und nahm sich dann ein Taxi. Anderenfalls würde sie auf dem Heimweg zu einem Eisklumpen frieren. Mit kalten und dreckigen Fingern zog Pia einen Schein aus der Geldbörse und bezahlte den Taxifahrer, der sie bestimmt für die letzte Pennerin hielt, so nass und schmutzig, wie sie war. Er reichte ihr das Wechselgeld und brauste vom Hof.

Im Häuschen hängte sie die Jacke zum Trocknen über einen Stuhl und rückte ihn vor den Ofen. Dann ging sie online. Bevor sie duschte, sah sie nach, wie viel Zeit ihr dafür blieb. Denn sie wollte endlich hier weg und würde den ersten Zug nehmen, der fuhr. Doch es fuhr keiner. Es war nicht zu fassen! Sie lebte nicht in der sibirischen Steppe, sondern in einem hochtechnisierten Land, und die kriegten die Oberleitungen nicht geflickt! Seit gestern wollte sie fort und saß noch immer hier fest. Als ob Galsterried sie nicht gehen lassen wollte oder die Geister, die hier hausten.

Mist! Wütend knallte sie den Laptop zu, zog die nasse Jeans aus und ging unter die Dusche. Das heiße Wasser tat gut. Endlich wurde ihr warm. Sie föhnte die Haare und zog trockene Sachen an. Eine weitere Nacht würde sie jedenfalls nicht bleiben. Kathrin meldete sich nicht. Paps musste inzwischen in München gelandet sein. Sie rief ihn an und fragte, ob er sie abholen konnte. »Ich sitze hier fest. Seit gestern fahren keine Züge nach München und es sieht nicht so aus, als ob die Bahn die Strecke jemals wieder befährt.«

Er lachte. »Na, ganz so schlimm wird es schon nicht werden. Aber natürlich hole ich dich ab. Vor acht kann ich allerdings nicht da sein.«

»Super. Danke. Das passt schon.« Sie verabschiedete sich und fühlte sich unsagbar erleichtert.

Im Hof tauchte Lena auf. Singend wirbelte sie ins Häuschen. »Happy Birthday to you! Happy Birthday to you. Wie alt bist du denn?«

Lena war ein wahrer Sonnenschein und ihre gute Laune war beinahe ansteckend. Wenn da nicht dieser Verdacht wäre … »Siebzehn.«

»So alt.«

»Ja, wirklich. Steinalt.«

Kurz darauf erschien Bettina und brachte einen Kuchen mit, den sie abstellte, um Pia zu umarmen. Unwillkürlich wich sie zurück.

»Ach, Pia. Ein Geburtstag ist ein Grund zu feiern. Auch wenn es der Todestag deiner Mutter ist. Also lass dir gratulieren. Ich wünsche dir, dass dein neues Lebensjahr nicht so turbulent weitergeht, wie das alte endete, und du deinen Platz im Leben findest.«

Sie klang so nett und freundlich, so normal. Nicht wie jemand, der aus Hass seine beste Freundin getötet hatte. War sie die Schlange im Traum? Ein doppelzüngiges Wesen?

»Wir haben ein Geschenk für dich.« Lena reichte ihr ein Päckchen. »Du musst es aber gleich auspacken.«

Es war ein kleiner Bilderrahmen mit einem Foto von Sonja. Sie saß unter dem blühenden Kirschbaum im Garten und hielt Pia im Arm. Die Sonne funkelte in ihrem Haar, ihre Augen strahlten. Sie sah so glücklich aus, dass es Pia, bei der Erinnerung an das nasse und verwüstete Grab, das Herz zusammenzog. Mühsam rang sie sich ein »Danke« ab.

Offenbar war Bettina entschlossen, mit Pia Geburtstag zu feiern. Ohne zu fragen, ob ihr das auch recht war, deckte sie mit Lena den Tisch, während sie erzählte, dass sie gestern ihre Mutter in Tittmoning besucht hatte. »Der Eisregen hat uns erwischt. Wir mussten dort übernachten und sind erst vor einer halben Stunde zurückgekommen.«

Wenn das stimmte, konnte sie weder versucht haben, die Villa Krachmach in Flammen aufgehen zu lassen, noch konnte sie die Frau vom Friedhof sein.

»Dabei ist noch so viel vorzubereiten, bevor wir übermorgen wieder öffnen«, fuhr Bettina fort. »Am Vormittag kommt eine Gruppe eines Versicherungskonzerns zur jährlichen Burnout-Prophylaxe.« Während Bettina das sagte, fiel ihr Blick auf den Brandfleck vor dem Ofen. Sie fragte nicht, was passiert war.

»Sag mal, Bettina, wer hat eigentlich Schlüssel für die Villa Krachmach?«

Erstaunt wandte sie sich um. »Ich dachte immer, dass es nur den einen hier gibt.« Bettina zog ihren Schlüsselbund aus der Tasche und klimperte damit. »Ich war überrascht, dass du auch einen hast.«

»Hatte ich gar nicht. Er lag seit dreizehn Jahren in der Regenrinne. Und für die Hintertür?«

»Für die Hintertür?« Fragend sah Bettina sich um. »Ach du meinst die Tür zum Garten. Dafür gibt es keinen. Jedenfalls habe ich noch nie einen gesehen.«

»Und sonst hat niemand Schlüssel?«

»Nicht, dass ich wüsste.«

»Auch der Lippert nicht?«

»Der Lippert? Weshalb sollte der einen Schlüssel haben?«

»Vielleicht hat er hier mal etwas repariert.«

»Am Häuschen wurde seit einer Ewigkeit nichts gemacht. Warum interessierst du dich für die Schlüssel?«

»Nur so. Der Kuchen sieht lecker aus.«

Bettina stellte ihn auf den Tisch und holte aus der Tasche Kerzen. Lena half ihr, sie auf den Kuchen zu stecken, während Pia ihnen zusah und ihr dabei ganz flau wurde.

»Mama, darf ich die anzünden?«, fragte Lena.

»Das ist zu gefährlich, meine Süße. Mit Feuer spielt man besser nicht.«

Übelkeit stieg in Pia auf, ihr wurde schwindlig. Ein feiner Film von kaltem Schweiß bedeckte plötzlich ihr Gesicht. Sie musste sich setzen. In einem rasenden Déjà-vu wirbelten die Bilder vorbei.

Ich will aber, Mama! Ich will. Bitteeee! Die Kerze fällt um, die Decke brennt. Opa schimpft. Sie schnappt sich das Feuerzeug. Gib das her! Neihein! Mama biegt ihr die Finger auf. Böse Mama! Ein roter flackernder Schein. Das Haus brennt. Wo ist Mama? Unter dem Baum. Mama! Sie läuft zu ihr. Doch es ist nicht Mama. Sondern ein böser Troll. Er reißt sie vom Boden, trägt sie zum Haus. Näher und näher. Sie riecht das Feuer, sie hört es prasseln, spürt die Hitze auf ihrer Haut. Sie will runter. Sie will weg. Sie strampelt und schreit und wehrt sich wie wild. Lass mich los! Lass mich! Ich will nicht! Ich will nicht! Sie will nicht ins Feuer. Es gelingt ihr, sich loszureißen. Sie rennt und rennt und rennt. Eine Schlange windet sich in ihrer Hand. Sie hält sie fest und läuft und läuft. Sie muss sich verstecken. Da! Die Höhle. Hier ist sie in Sicherheit. Sie krabbelt hinein, wird unsichtbar. Wie die Schlange, sie verkriecht sich unter einer Wurzel.

»Was ist mir dir? Du bist ja plötzlich ganz bleich?« Besorgt trat Bettina neben sie.

»Es ist nur … wegen der Kerzen.«

»Entschuldige. Das war gedankenlos von mir.« In Windeseile pflückte Bettina die Kerzen vom Kuchen.

Lena sah sich das verwundert an. »Wieso denn? Magst du keine Geburtstagskerzen auspusten?«

»Heute nicht.« Pia versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. »Weißt du, wo diese Höhle ist, in der ich gefunden wurde?«

Überrascht sah Bettina sie an. »Man hat dich im Wald gefunden, unten am Inn.«

»Nicht in einer Höhle?«

»Nein. Natürlich nicht. Es gibt keine Höhlen in der Gegend.«

Pia glaubte ihr nicht. Seit sie diese Albträume hatte, träumte sie von einer Höhle. Es musste sie geben. Bettina schnitt den Kuchen an. Sie setzten sich. Pia merkte kaum, was sie aß.

Wer auch immer unter dem Baum gewesen war, wollte sie töten. Hätte sie sich nicht losgerissen und versteckt, wäre auch sie vor dreizehn Jahren gestorben. Verbrannt. Zusammen mit ihrer Mutter.

Pia war froh, als Bettina mit Lena endlich ging. Die Tür hatte sich kaum hinter ihnen geschlossen, als sie sich den Laptop schnappte und nach Höhlen in der Gegend um Wasserburg suchte. Sie fand nichts. Das konnte nicht sein.

Sie rief Achim Stiebig an. Er war damals vor Ort gewesen. Er hatte mit allen Beteiligten gesprochen und fragte ihn, ob er ihr sagen konnte, wo genau man sie gefunden hatte.

»Im Wald, in der Nähe des Inns. Mehr weiß ich leider nicht.«

»Ich träume immer von einer Höhle, in der ich mich versteckt habe. Gibt es dort in der Nähe eine?«

»Eine Höhle? Nein.« Stiebig stieß einen leisen Pfiff aus. »Aber es würde erklären, weshalb du die Nacht überlebt hast und nicht erfroren bist. Es hatte starken Frost und man hat dich erst nach Stunden gefunden. Eigentlich kann es sich bei deiner Höhle nur um ein Erdloch handeln. In einer geschützten Mulde mit Laub und Moos bedeckt, waren deine Überlebenschancen größer als in einer eiskalten Höhle.«

Pia bedankte sich und legte auf. Ein Erdloch. Wie sollte sie das finden? Wo sollte sie nach dieser Schlange suchen? Was für eine absurde Frage. Im Winter gab es keine Schlangen. Sie hielten Winterschlaf. Jedenfalls waren sie wechselwarme Tiere und im Winter starr. Sie konnte keine richtige Schlange gesehen haben. Eher etwas, das sie an eine Schlange erinnerte und das vielleicht seit dreizehn Jahren in der Höhle unter den Wurzeln lag.

Pia trat ans Fenster und sah über den Hof und die Anhöhe. Was hatte sie gesehen, das einer Schlange ähnelte? Der Fluss schlängelte sich durchs Tal. Verwandelte er sich in ihren Träumen und Erinnerungen in die Schlange? Ihr fiel einfach nichts dazu ein. Bis ihr Blick auf das Verve-Zentrum fiel. Das Firmenlogo war dem Zeichen für Unendlichkeit nachempfunden, einer liegenden Acht. Es hatte Ähnlichkeit mit einer Schlange. Genau wie das Logo der Karl Lippert GmbH. Es bestand aus zwei Wellen. Bettina oder Karl Lippert? Wieder war sie mit ihrem Verdacht bei den beiden angelangt.

Lena kam zurückgelaufen. Als sie Pia am Fenster sah, winkte sie und stürmte herein. »Wir haben was vergessen.«

»Was denn?«

»Vorlesen natürlich. Liest du mir jetzt etwas vor?«

Noch immer war das Heft mit dem Märchen nicht wieder aufgetaucht. Für sein Verschwinden gab es ebenso wenig eine vernünftige Erklärung wie für den Beinahebrand. Es sei denn, Bettina benutzte ihren Schlüssel, um hier ein- und auszugehen. Doch warum sollte sie das Märchen vom Fuchserl stehlen oder die Fotos? Ein Schauern ergriff Pia. Unwillkürlich zog sie die Arme um sich. Natürlich weil sie nicht wollte, dass Pia sich irgendwann erinnerte, was in jener Nacht geschehen war.

»Bitte! Du hast es versprochen.«

Der Sammelband mit Omas Märchen steckte noch im Rucksack. Pia ging vor Lena in die Hocke. »Also gut. Versprochen ist schließlich versprochen.« Zehn Minuten und nicht länger, nahm sie sich vor, und dann würde sie sich auf die Suche nach dem Platz machen, an dem man sie gefunden hatte. Dort musste etwas sein, das man im weitesten Sinn als Höhle bezeichnen konnte.

»Ui fein!« Lena hopste auf das Sofa. Pia holte das Märchenbuch und setzte sich neben sie. Sie schlug es an einer beliebigen Stelle auf und befand sich mitten in Omas Geschichte von der Wegscheider Barbara. Natürlich! Wie konnte es anders sein? Die würde sie ganz sicher nicht vorlesen. Sie blätterte weiter und fuhr regelrecht zusammen, als ihr Blick auf die Illustration am Ende des Märchens vom Fuchserl fiel. Es war die Federzeichnung einer Schlange, die sich in den Schwanz biss.

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Der Ouroboros des Fuchserls. So lautete die Bildunterschrift. Von einem Ouroboros hatte Oma gesprochen. Pia schlug das Buch zu und stand auf. »Tut mir leid, Lena. Ich muss schnell etwas nachsehen.«

»Aber dann liest du vor.«

»Vielleicht.«

»Aber du hast es versprochen.«

Der Laptop stand noch auf dem Tisch. Pia setzte sich und googelte Ouroboros, während Lena auf den Stuhl neben ihr kletterte. »Was ist das?«

Pia überflog einen Eintrag. Demnach war der Ouroboros ein Selbstverzehrer. Platon beschrieb ihn als autarkes Wesen, im alten Ägypten galt er als Symbol der kosmischen Einheit.

Ein autarkes Wesen hatte Oma die Wegscheiderin genannt. Und der Ouroboros war ihr Talisman gewesen, der zusammen mit ihr vor über zweihundert Jahren verbrannt war. Unwillkürlich stellte Pia sich einen geschnitzten Holzstab mit diesem Zeichen vor. So ähnlich wie den Äskulapstab der Apotheker.

»Jetzt liest du aber vor.«

War die Schlange in ihrem Traum ein Ouroboros? Und der Fuchs ein Fuchserl? Also Sonja? Doch der Fuchs setzte das Haus in Brand. Und das hatte Sonja sicher nicht getan. Oder hatte jemand die Hexe verbrannt? Die Gedanken purzelten in Pias Kopf durcheinander, bis sie ihnen Einhalt gebot. Jetzt mal langsam.

Lena quengelte weiter. »Du hast es doch versprochen!«

Das nervte. »Nicht jetzt. Ich muss nachdenken.«

»Wegen der Schlange?« Lena stupste mit dem Finger auf den Monitor.

»Ja, wegen der Schlange. Weißt du, was? Ich leihe dir das Buch, dann kann deine Mama dir vorlesen.« Sie drückte der Kleinen den Band in die Hand, begleitete sie zur Tür und setzte sich wieder an den Tisch, als Lena endlich gegangen war.

Also der Reihe nach. Der Talisman ihrer Ahnin war eine Schlange. Und eine Schlange erschien in ihren Träumen und sagte: Vertraue mir. Ich bin die Wahrheit! War sie die Lösung für alles?

Pia zog Jacke und Stiefel an. Aus der Schublade nahm sie die Taschenlampe, die sie an ihrem ersten Tag in Wasserburg gekauft und dabei Ansgar getroffen hatte. Ansgar … Wieder setzte sich dieses schmerzhafte Ziehen in ihre Brust. Sie schüttelte es ab. Sie musste diese Höhle mit der Schlange finden. Die Kopien der Zeitungsartikel lagen oben neben dem Bett. Pia suchte nach der Information, wo man sie gefunden hatte. Am Flussufer. Auf halber Strecke zwischen Lehen und Galsterried. Sie gab Lehen in Google Maps ein. Es lag drei Kilometer von Galsterried entfernt innabwärts. Auf halber Strecke deutete auf die weite Schleife hin, die der Inn dort machte. Sie zoomte den Kartenausschnitt heran und erkannte, dass sie ein Stück dieses Wegs schon einmal gegangen war. An dem Nachmittag, als Kathrin hier aufgekreuzt war, um sie abzuholen. Er war ihr so beunruhigend vertraut vorgekommen, und als sie versucht hatte, sich zu erinnern, war ihr Hirn plötzlich wie leer gefegt gewesen. Das musste er sein, der richtige Weg!

Sie steckte iPhone und Taschenlampe ein, sperrte die Tür hinter sich zu und stapfte los. Es wurde schon dämmrig. In einer Stunde würde es stockfinster sein. Viel Zeit blieb ihr nicht. Zu allem Überfluss stieg aus dem Inntal wieder Nebel auf. Als sie die Weggabelung erreichte, näherte sich ein Lieferwagen aus Richtung Dorf. Die Doppelwelle des Lippert-Logos prangte darauf. Es sah wirklich aus wie zwei Schlangen. Pia ging weiter und bog auf den Wanderweg ein. Der Wagen stoppte an der Kreuzung. Jemand hupte kurz. Das musste Ansgar sein. Doch sie hatte keine Zeit und auch keine Lust, ihm wieder einen Korb zu verpassen. Wobei sie genau das immer wieder tat. Wie dämlich von ihr. Unbeirrt stapfte sie weiter. Der Motor erstarb. Eine Wagentür schlug zu. Sie hörte Schritte hinter sich. Ansgar holte sie ein.

»Hallo Pia. Plötzlich taub?« Seine dunklen Locken quollen unter der Strickmütze hervor. In seinen Augen saß Ärger. Wenn er noch immer wütend auf sie war, dann wäre es besser, ihr aus dem Weg anstatt ihr nachzugehen.

»Ich habe keine Zeit. Das ist alles.«

»Wo brennt’s denn?«

Pia fand diesen Scherz ziemlich dämlich. Angesichts der Todesumstände ihrer Mutter und auch des Lochs im Teppich. Doch davon wusste Ansgar ja gar nichts. »In der Villa Krachmach. Jedenfalls beinahe. Gestern Nacht hat jemand versucht, sie abzufackeln.«

»Was!«

Pia erzählte ihm, was passiert war, während sie zügig voranschritt. Auch, dass sie mittlerweile den Verdacht hatte, Bettina stecke dahinter. »Angeblich war sie in der Nacht in Tittmoning, aber das muss ja nicht stimmen. Wenn sie die Brandstifterin ist, hat sie sicher eine Scheißangst, dass ich mich irgendwann erinnere. Und ich war ja blöd genug, allen zu erzählen, dass ich es nicht war. Also hat sie versucht zu verhindern, dass … dass ich mich jemals erinnern kann.« Pia schluckte. Jetzt, wo sie es endlich klar und deutlich ausgesprochen hatte, wurde ihr erst so richtig bewusst, was das Loch im Teppich bedeutete. Sie könnte tot sein.

Ansgar schüttelte den Kopf. »Sie hat die Villa Krachmach angezündet?«, fragte er ungläubig.

Pia erzählte ihm, wie sie von Qualm und Rauch aufgewacht war und das glühende Stück Brikett auf dem Teppich gefunden hatte. Okay, die Ofentür schloss nicht richtig. Das musste sie auf Ansgars Nachfragen einräumen und alle Türen und Fenster waren geschlossen gewesen. Bis auf die Hintertür. Die war wohl noch nie abgesperrt gewesen. Kurz überlegte sie, Ansgar auch von dem verwüsteten Grab zu erzählen, beschränkte sich dann aber auf den Streit zwischen Sonja und Bettina. »Meine Mutter wollte das Zentrum so belassen, wie es war. Bettina wollte es in eine Wellnessoase umbauen. Es gab Zoff deswegen und an meinem Geburtstag hat Sonja sich entschlossen, Bettina auszuzahlen. Das weiß ich von Oma.«

»Dann steht mein Vater wohl nicht länger auf der Liste der Verdächtigen?« Es klang halb verärgert, halb belustigt. Pia wurde es ganz heiß. »Tut mir leid, dass ich das gesagt habe.«

»Muss es nicht. Ich hatte ja denselben Gedanken. Deswegen war ich so wütend. Auf ihn, auf dich und vor allem auf mich. Theoretisch wäre es ja eine Möglichkeit gewesen. Doch es passt nicht zu ihm. Er ist einer, der immer hilft und sich engagiert. Er ist bei der Feuerwehr und rettet Leben. Er zündet kein Haus an.«

Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, vielleicht schon, dachte Pia. Doch sie hielt ihren Mund. »Okay. Ich habe mich doch schon entschuldigt.«

»Wohin willst du eigentlich so eilig?«

»Die Höhle suchen, in der ich mich damals versteckt habe.«

Ansgar schüttelte den Kopf. »Du spinnst echt. Oder du bist sagenhaft mutig.« Er wies zum Himmel. »Es wird bald dunkel und da willst du allein im Wald herumlaufen. Schon vergessen, was in der Silvesternacht passiert ist? Und letzte Nacht. Ich komme mit. Aber vorher hole ich meine Taschenlampe aus dem Wagen. Du wartest hier.«

Ohne ihre Antwort abzuwarten, lief er zurück zum Auto. Pia blieb gehorsam stehen, obwohl sie diesen Befehlston total daneben fand. Doch die Erinnerungen an den Überfall, den sie bereits erfolgreich verdrängt hatte, waren wieder da. Es war wirklich besser, wenn sie nicht allein in den Wald ging.

Ansgar kehrte mit einer Monstertaschenlampe zurück, die man vermutlich notfalls auch als Suchscheinwerfer einsetzen konnte. Irgendwie beruhigend. Gemeinsam stapften sie los. »Warum willst du eigentlich diese Höhle suchen? Mal abgesehen davon, dass ich noch nie gehört habe, dass es hier Höhlen gibt.«

»Heute Nachmittag konnte ich mich plötzlich erinnern …« Pia schluckte. »Ich bin in der Unglücksnacht aus dem Haus gelaufen und dachte, der Schatten unter dem Baum wäre Mama. Aber das war nicht meine Mutter. Großer Fehler. Er …« Sie stockte. So ganz schloss sie Ansgars Vater noch immer nicht aus. »Oder sie hat mich hochgehoben und wollte mich ins Haus tragen.«

»Ins Feuer?«

Pia nickte. »Wer das Haus angezündet hat, wollte auch mich umbringen. Ich konnte mich losreißen und bin weggerannt. Diese Schlange, von der ich dir erzählt habe, taucht nicht nur in meinen Träumen auf, sondern auch in meiner Erinnerung. Kann schon sein, dass sich das vermischt. Aber ich glaube, die gab es wirklich. Wobei es natürlich keine richtige Schlange sein kann, sondern etwas, das einer Schlange ähnelt. Jedenfalls habe ich sie in der Höhle unter den Wurzeln versteckt. Ich muss sie finden.« Sie kam sich vor wie eine Idiotin. Es klang total durchgeknallt. »Hört sich ziemlich verrückt an. Ich weiß.« Entschuldigend zuckte sie die Schultern.

»Auch nicht verrückter, als meinen Vater zu verdächtigen.« Ansgar sah grinsend zu ihr hinüber. »Dann gehen wir jetzt zu dieser Höhle und sehen nach, was da liegt. Wenn es überhaupt noch dort ist. Nach so vielen Jahren. Weißt du, wo sie ist?«

Pia schüttelte den Kopf. »Nicht genau. Auf halber Strecke zwischen hier und Lehen, und zwar am Innufer.«

»Das haben wir gleich. Ich rufe meinen Vater an. Er war schließlich dabei, als man dich fand.« Ansgar zog sein Handy hervor.

»Hallo Pa. Störe ich? … Nur eine Frage, kannst du mir die Lage der Höhle beschreiben, in der Pia damals gefunden wurde?« Ansgar lauschte. »Weil sie sich das ansehen will. Weißt du noch, wo das war?« Er schwieg und sagte ab und zu aha, ja, in Ordnung. »Danke. Ich denke, wir werden es finden.« Er hielt das Handy weiter ans Ohr gepresst. »Nein. Jetzt gleich. So viel Geduld hat Pia nicht. Die Briketts liefere ich später aus.« Mit einem Stirnrunzeln schob er das Handy in die Hosentasche.

Erwartungsvoll sah Pia Ansgar an.

»Ungefähr am Scheitelpunkt der Flussbiegung. Dort gibt es eine Gruppe von fünf Buchen, die dicht am Ufer stehen. Keine Höhle weit und breit. Du wurdest am Ufer gefunden.«

»Ich war aber in einer Höhle. Oder einem Erdloch.«

Sie erreichten den Wald und bogen vom Wanderweg auf den Pfad ein, der flussabwärts führte. Währenddessen erzählte Pia von Achim Stiebigs Interpretation einer Höhle. Doch sie war sich sicher, dass es kein Erdloch gewesen war. »Eine Mulde ist nur eine Vertiefung und oben offen. In meinen Träumen hängen aber Eiszapfen von der Höhlendecke.«

»Vielleicht hast du dich in einem alten Fuchs- oder Dachsbau versteckt.« Ansgar blieb stehen. »Klar! Als ich ein Kind war, gab es dort in der Gegend einen riesigen Fuchsbau. Mein Onkel hat ihn mir gezeigt. Die Eiszapfen aus deinen Träumen könnten Wurzeln sein.«

Das war eine Möglichkeit! Wurzeln, die von der Höhlendecke baumelten. Plötzlich war Pia aufgeregt. »Findest du ihn wieder?«

»Ich hoffe. Aber nicht bei Dunkelheit. Wir sollten das auf morgen verschieben.«

»Es ist doch noch gar nicht dunkel. Und wir haben Taschenlampen dabei. Ich muss diese Höhle finden. Verstehst du? Ich muss! Außerdem bin ich morgen gar nicht mehr hier. Mein Vater holt mich heute Abend ab.«

Ein Schatten zog kurz über Ansgars Augen, die Kiefermuskulatur verspannte sich für einen Moment. »Okay. Also gut. Du bist wirklich ein Sturschädel. Gehen wir.«

Er stapfte auf dem schmalen Weg voran. Vom Fluss zogen Nebelschleier in den Wald, die langsam dichter wurden. Zweige knackten unter ihren Stiefeln. Feuchtigkeit tropfte aus den Bäumen. Sie zog den Buff über den Kopf. Es roch nach feuchtem Moos und Harz. Schritt für Schritt kamen sie voran, während der Fluss lautlos jenseits des Pfades, vom Nebel verborgen, dahinzog. Nur ab und an drang ein leises Plätschern zu ihnen. Das Tageslicht schwand stetig. Nach zehn Minuten schweigenden Marschs schaltete Ansgar seine Taschenlampe ein. Der Lichtkegel tanzte über den Weg. Hinter Pia knackte etwas. Sie fuhr herum. War da jemand? Mittlerweile hing der Nebel wie ein dichtes Gespinst zwischen allem und verbarg, was sie umgab.

»Was ist?« Ansgar war ebenfalls stehen geblieben.

»Nichts. Ich dachte nur, da wäre jemand.« Beide horchten in die Stille. Der Nebel dämpfte jedes Geräusch. Ansgar leuchtete mit der Taschenlampe auf den Pfad, der hinter ihnen lag, und schüttelte den Kopf. »Vielleicht ein Reh oder ein Fuchs. Wir sind gleich da.«

Während sie weitergingen, streifte Pia den Buff wieder ab und lauschte angestrengt auf die Geräusche des Waldes. War da jemand? Oder spielten ihre Nerven langsam verrückt?

Ihre Füße fanden den Weg beinahe von selbst, zogen sie voran. Sie hätte ihn auch blind oder mit verbundenen Augen gefunden. Etwas in ihr kannte ihn. Hier war sie richtig, das spürte sie, und gleichzeitig spürte sie etwas anderes: die Anwesenheit des Bösen, wie in ihren Träumen. Es war hier und versuchte, mit kalter Hand nach ihr zu greifen. Pia schüttelte den Kopf. Quatsch! Nichts war hier. Niemand außer Ansgar und ihr.

Der Pfad gabelte sich. Unschlüssig blieb Ansgar einen Moment stehen. »Rechts.« Sie wusste es einfach. Der Wald wurde dichter, der Pfad noch schmaler. Die Bäume schienen zusammenzurücken, sie nicht durchlassen zu wollen. Sie stolperten über Wurzeln, bis Ansgar schließlich stehen blieb und den Strahl seiner Taschenlampe auf eine Baumgruppe richtete. Die fünf Buchen. »Wir sind da.« Doch in Pia rührte sich nichts. Das war nicht der richtige Ort. »Meinst du, du findest den Fuchsbau?«

»Ich denke schon. Bei Tageslicht wäre es allerdings einfacher.« Er ließ den Strahl der Taschenlampe über den Pfad und das Unterholz wandern. »Wir müssen noch ein Stück weiter.«

Pia roch das Wasser des Inns. Er musste ganz nahe sein. Ein leises Plätschern und Glucksen. Ein sachter Wind griff plötzlich nach ihrem Haar. Eher ein Hauch, der mit den feuchten Strähnen spielte und wie nebenbei die Nebelschleier aufriss. Der Schemen eines mächtigen Baumes zeigte sich. Dieser Baum … Sie kannte ihn. Es war der Baum aus ihren Träumen. Er zog sie an. Sie musste nur zu ihm gelangen und alles würde gut. Ihre Füße trugen sie über einen unsichtbaren Pfad. Sie stolperte über Wurzeln und Zweige, ihre Haare verfingen sich in verdorrten Brombeerranken, sie riss sie los. Der Baum wurde größer und mächtiger, je näher sie kam. Sein Umriss klarer und deutlicher. Der Wind verbündete sich mit ihr, blies den Nebel fort. Hör, was er dir zu sagen hat. Sonjas Stimme, wie aus weiter Ferne, ein Nachhall in ihren Erinnerungen. Die alte Eiche. Sie stand vor der alten Eiche, zu der Sonja sie mitgenommen hatte.

Tränen liefen Pia über das Gesicht. Sie vermisste sie so! Mit jeder Faser ihres Herzens sehnte sie sich nach ihrer Mutter. Wer hatte sie ihr genommen? Warum? Warum nur?

Sie wischte sich die Tränen vom Gesicht und wandte sich nach Ansgar um. »Wir sind da.«

Doch ihre Worte erreichten ihn nicht. Sie war allein.

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»Ansgar?«

Ihre Frage verhallte ungehört in der Stille.

»Ansgar?« Wo war er?

Der letzte Rest von Tageslicht wich dem Anthrazitgrau der einbrechenden Nacht, verwandelte Bäume und Sträucher in unscharfe Schattenrisse und tauchte den Wald in Düsternis. Pia schaltete ihre Taschenlampe an. Der schmale Lichtkegel drang nur ein paar Meter weit. Er glitt über vertrocknete Gräser, dornige Ranken, flechtenbewachsene Stämme, streifte dichtes Unterholz und erreichte den kaum sichtbaren Pfad, der zur alten Eiche führte. Keine Spur von Ansgar. Kein Geräusch, das einen Hinweis darauf gab, wo er war. Sicher suchte er den Fuchsbau. Sollte sie umkehren?

Das Licht erfasste den Baum. Sein Stamm war so dick, dass vier Männer ihn nicht hätten umfassen können. Ein sehnsuchtsvolles Ziehen setzte sich hinter Pias Brustbein. Sie kam sich so lächerlich vor: Aber sie wollte diesen Baum umarmen, wie eine gute Freundin, wie eine Mutter. Mutter Natur. Sonja hatte ihn so genannt. Hör, was sie zu sagen hat.

Pia ging die letzten Meter und lehnte sich an ihn. Die Rinde war rau. Ihre Hände glitten über tiefe Furchen. Jahrhunderte musste er schon hier stehen, hatte alles überdauert. Kriege und Pest, Unwetter und Überschwemmungen. Generationen von Menschen. Eine tiefe Ruhe erfüllte sie plötzlich.

Alles wird gut.

Wurzeln, so kräftig und dick wie die Hände eines Riesen, krallten sich in den Boden, hielten den Baum fest in der Erde. Das Licht der Taschenlampe tanzte darüber, erfasste zwischen zwei dieser Riesenfinger ein dunkles Loch, einen Schlund.

Pias Herz schlug plötzlich, als ob es bersten wollte. Sie ging auf die Knie. Eine Vertiefung tat sich vor ihr auf. Der Baum war hohl. Sie hatte die Höhle gefunden! Ihre Träume hatten sie nicht getäuscht.

Doch die Höhle war viel zu klein. Kein Mensch passte dorthinein. Kein Erwachsener. Ein vierjähriges Kind schon.

Pia kniete sich davor und leuchtete ins Innere. Trockenes Laub und Tannennadeln. Rissiges Holz. Sie legte die Taschenlampe zur Seite und schob den Arm so weit hinein, wie sie konnte. Tastend ließ sie ihre Finger über den Boden wandern, suchte nach Vertiefungen und Wurzeln. Wenn da wirklich eine Schlange war? Vor Schreck zog sie die Hand zurück und schalt sich sofort eine Idiotin. Selbst wenn dort eine richtige Schlange lag, war sie jetzt starr wie ein dürrer Ast und konnte ihr nichts tun. Sie ließ die Finger weiterwandern, bekam einen trockenen Zweig zu fassen und harte kleine Klumpen. Besser, sie stellte sich jetzt nicht vor, was das gewesen war. Systematisch suchte sie den Boden ab, presste ihren Körper an das jahrhundertealte Holz, schob den Arm weiter voran, bis auch die Schulter in der Öffnung verschwand und ihre Finger an der Rückwand der Höhle entlangtasteten. Plötzlich blieben sie an etwas hängen. Es fühlte sich an wie ein kleiner Korb aus feinen, gebogenen Stäben. Pia zog es heraus, griff nach der Taschenlampe und leuchtete auf das Gebilde in ihrer Hand. Zarte weiße Knochen. Ein filigraner Brustkorb. Ein papierdünner Schädel, ein gebogener Schnabel. Das Skelett eines Vogels. Vielmehr das, was davon übrig war. Sie bettete es ins Moos und wischte sich die Finger ab. Ein Knacken ließ sie zusammenfahren. Angst setzte sich in ihre Kehle. Es war ganz nah gewesen. »Ansgar?«

Er antwortete nicht. War da jemand? Pia ließ den Lichtkegel durch den Wald tanzen und über das Ufer gleiten, das nur ein paar Meter entfernt war. Da war niemand. Der rasende Schlag ihres Herzens beruhigte sich. Die Anwesenheit des Bösen würde sie doch spüren, so wie in ihrem Traum?

Die Härchen an ihren Armen richteten sich auf. Ein kalter Schauer erfasste sie. Doch. Es war hier. Sie fühlte seine Nähe. Panik wollte sie überrollen. »Quatsch.« Sie flüsterte, doch in der unnatürlichen Stille des Waldes klang es überlaut. Quatsch. Niemand lauerte ihr auf. Denn niemand wusste, dass sie hier war. Niemand. Außer Ansgar. Doch! Natürlich. Noch jemand wusste es. Sein Vater!

Sie rang den Fluchtimpuls nieder, der sie davonjagen wollte. Erst musste sie finden, was sie hier versteckt hatte. Dann nichts wie weg! Hastig schob sie den Arm zurück in die Höhle, trieb ihre Finger über Laub, staubtrockene Erde, dürre Nadeln und wer wusste, was sonst noch, bis sie endlich auf eine Wurzel stießen. Wie in ihrem Traum.

Hier musste es sein. Adrenalin flutete ihren Körper, ihr Herz raste. Sie schlug ihre Fingerkuppen in die Erde, kratzte sie beiseite und stieß beinahe sofort auf etwas, das dicht unter der Oberfläche gelegen hatte. Es fühlte sich schwer und hart an und metallisch, aber auch geschmeidig. Sie zog es ins Licht der Taschenlampe. In ihrer Handfläche lag eine Schlange. Eine schwarze Schlange, die sich in den Schwanz biss. Es dauerte eine Sekunde, bis Pia es kapierte. Eine Kette. Das Silber war schwarz angelaufen. Der Ouroboros des Fuchserls. Doch das konnte nicht sein. Der Talisman ihrer Ahnin war vor über zweihundert Jahren zusammen mit ihr verbrannt.

Plötzlich sah sie ihre kleine Kinderhand vor sich, die sich an diese Kette klammerte und sie abriss. Die Kette des Fuchserls, die es angeblich nicht mehr gab. Sie hatte sie in jener Nacht gesehen. Und nicht nur in jener Nacht. Deshalb war die Schachtel mit den Fotos aus dem Häuschen verschwunden!

Ihr wurde schlecht.

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Pia stand auf. Ihre Knie zitterten. Ihre Hände auch. Es konnte nicht sein.

Im Wald war es so still, als wäre sie taub geworden. Alle Geräusche waren erstorben. Es war, als ob die Natur den Atem anhielt. Etwas würde geschehen. Etwas Furchtbares. Wo war Ansgar? Sie traute sich nicht, nach ihm zu rufen. Ein kalter Schauer erfasste sie. Es war hier. Das Böse. Wieder spürte sie seine Anwesenheit.

Sie hatte sie gefunden und würde vollenden, was ihr vor dreizehn Jahren nicht geglückt war. Pia hörte die leisen Schritte, die über den Pfad näher kamen. Sie sah den Schatten, der sich aus der Dunkelheit löste und in den zitternden Schein ihrer Taschenlampe trat. Wie gelähmt stand sie vor der alten Eiche und presste die Kette an sich.

»Hier hast du sie also versteckt. Ich habe damals wochenlang danach gesucht. Gib sie mir.«

Pia schüttelte den Kopf. Wo kam sie so plötzlich her? Sie musste sie beobachtet haben und ihr gefolgt sein, tagelang, auf leisen Sohlen, wie ein Raubtier, das sich anschlich und im richtigen Moment zuschlug.

Wo war Ansgar?

»Gib sie mir.« Kathrin streckte die Hand aus.

»Nein.« Es kam krächzend heraus. Pia räusperte sich. »Nein. Du bekommst sie nicht. Sie ist der einzige Beweis dafür, was du getan hast!«

»Eben. Deswegen. Gib sie her.«

»Warum? Warum hast du Sonja umgebracht. Sie war deine Schwester!« Zwei Tränen lösten sich und liefen Pia übers Gesicht.

»Warum?«, presste Kathrin hervor. »Weil sie den schlimmsten Verrat begangen hat, den man begehen kann. Sie hat dich gestohlen! Du gehörtest mir! Ich wollte dich zu uns holen.«

Es dauerte eine Sekunde, bis Pia verstand. Kathrin wusste Bescheid! Bettina musste es ihr doch gesagt haben. »Du weißt also, dass Paul mein Vater ist?«

»Hach! Welche Neuigkeit. Natürlich weiß ich das. Seit dreizehn Jahren weiß ich das. An deinem vierten Geburtstag habe ich es erfahren. Sonja und Bettina haben sich in der Küche darüber lustig gemacht, wie ähnlich du Paul bist. Derselbe Dickkopf. Ich konnte es nicht glauben! Es war unfassbar.

Nichts habe ich mir mehr gewünscht als ein Kind. Ein Kind von Paul. Doch es ging nicht. Ich musste meinen Wunsch loslassen. Ich habe ihn in eine dunkle Kammer gesperrt und die Tür zugemacht. Ich habe gelernt, mich mit meinem Schicksal abzufinden. Und dann wurde Sonja schwanger. Natürlich habe ich sie beneidet und war eifersüchtig. Doch ich habe den Neid in dieselbe Kammer gesteckt wie den Wunsch! Es ist mir gelungen, mich mit Sonja zu freuen. Vier Jahre lang. Und dann erfahre ich, dass er dein Vater ist! Dass er mich mit meiner eigenen Schwester betrogen hat, dass meine Schwester das Kind von ihm bekommen hat, das ich immer von ihm wollte! Eine miese Intrige. Ein gemeiner Verrat. Da ist die Tür der Kammer aufgeflogen. Und herausgekommen ist Hass! Ja, Hass! Diese Hexe hat sich einfach geholt, was sie wollte. Und sie hat meinen Mann dafür benutzt. Meinen Mann! Und bis heute hat er nicht den Mumm gehabt, mir die Wahrheit zu gestehen. Ich hätte es ihm doch verziehen! Ihm schon. Sonja nicht.«

»Aber er wusste es doch selbst nicht.«

Kathrin stieß ein schrilles Lachen aus. Ihre Hand fuhr durch die Luft und wischte diesen Einwand beiseite. »Wer sehen will, der sieht. Dein Kinn. Dein Mund. Deine Hände. Alles von Paul. Sogar diese Geste, mit der du manchmal an deinen Ohrläppchen zupfst. Alles von Paul. Natürlich weiß er es. Und jetzt gib mir die Kette!«

»Du lügst. Du wolltest mich nicht zu euch holen. Du wolltest, dass auch ich sterbe. Du konntest nicht wissen …«

»Das ist nicht wahr! Sonja hat sich etwas genommen, das ihr nicht zustand, sondern mir.«

»Lügnerin! Du hast das Haus angezündet, in dem Sonja und ich schliefen. Jedenfalls dachtest du, dass ich auch drin bin …«

Mit einer Handbewegung brachte Kathrin sie zum Schweigen. »Ich habe dich gesehen, wie du mit deiner Kuscheldecke in die Villa Krachmach gestapft bist. Ein Stück Kuchen in der Hand. Ich nehme an, du warst noch wütend auf Sonja, weil sie dir das Feuerzeug mit Gewalt abgenommen hat. Ein Teil des Problems war also schon gelöst. Nämlich, wie ich dich aus dem Haus bringe, ohne dass Sonja es merkt. Du hast mir einen Teil der Arbeit abgenommen.«

Bittere Galle stieg in Pia auf. Wenn sie das Haus nicht verlassen hätte, wäre vielleicht alles anders gekommen. Sonja wäre aufgewacht, weil Pia geschrien hätte, dass sie zu ihrer Mama wollte. Sonja hätte Kathrin zur Rede gestellt und des Hauses verwiesen. »Du lügst schon wieder! Du hast unter dem Baum gestanden und hast zugesehen, wie das Haus abgebrannt ist. Du hast einfach zugesehen, wie Sonja …« Ein Schluchzen schüttelte Pia. »Du hast zugesehen … und als du mich dann entdeckt hast … Du wolltest mich ins brennende Haus tragen … du wolltest, dass auch ich sterbe.«

»Weil du mich gesehen hast! Deswegen!«

»Nein. Weil du mich gehasst hast! Ich war der lebende Beweis für Pauls Betrug und Sonjas Verrat. Du hättest es gar nicht ausgehalten, mich Tag für Tag vor Augen zu haben. Ein Schandmal, das man von der Erde tilgen musste. Wenn du etwas anderes behauptest, dann belügst du dich selbst. Und das ist auch der Grund, warum du mich all die Jahre kaum ertragen hast. Geschweige denn so etwas Ähnliches wie geliebt.«

»Ich habe es versucht!«

»Warum hast du nicht Nein gesagt, als alle erwartet haben, dass ihr mich adoptiert?«

»Ich konnte nicht. Paul wollte … Er ist dein Vater … Ich dachte … Ich hoffte, ich könnte dich lieben … Doch es ging nicht.« Müde fuhr Kathrin sich über die Augen. Für einen Augenblick streifte Pia die Hoffnung, Kathrin würde aufgeben und sie gehen lassen. Doch im selben Moment ging ein Ruck durch sie. »All die Jahre habe ich diesen Tag gefürchtet. Den Tag, an dem du dich erinnern würdest. Gib mir jetzt die Kette.«

»Und dann? Wie soll es dann weitergehen? Erschlägst du mich oder ersäufst du mich oder sperrst du mich in ein brennendes Haus?« Es war absurd und unvorstellbar, dass Kathrin etwas Derartiges tat. Obwohl sie es doch schon einmal getan hatte. Und vielleicht nicht nur einmal. »Du hast die Schlüssel für die Villa Krachmach! Du warst das! Du hast die Glut auf den Teppich gekehrt! Und in der Silvesternacht unten am Inn, das warst auch du.« Woher kam dieser Hass? Pia wagte nicht zu fragen, während Kathrin auf sie zukam, Schritt für Schritt, und schließlich direkt vor ihr stand. »Pia, bitte. Gib mir jetzt endlich die Kette.«

Es klang ruhig und geduldig, als ob sie mit einem kleinen Kind sprach. Um ihre Mundwinkel legte sich ein Lächeln, in ihre Augen eine völlig irre Sanftmütigkeit. »Alles, was geschehen ist, ist allein Sonjas Schuld. Nicht meine. Ich kann nichts dafür. Sie hat all das in Gang gesetzt. Gib mir die Kette. Oder wirf sie in den Fluss und wir vergessen das alles. Ein für alle Mal.«

Das war ein scheinheiliges Angebot. Kathrin war eine falsche Schlange. Sie wird mich nicht davonkommen lassen, dachte Pia. Sie hasst mich mindestens ebenso wie Sonja. Wo war Ansgar? Er musste doch jeden Moment hier auftauchen oder nach ihr rufen. Er musste sich doch Sorgen machen, wohin sie verschwunden war.

Kathrin hielt ihr die offene Hand hin. »Noch einmal sage ich es nicht.« An ihrem Mantelärmel war ein dunkelroter feuchter Fleck. Das war Blut! Ein kalter Schreck schoss in Pia hoch. Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück. Ihre Stimme verlor jeden Halt, rutschte in einen flüsternden Abgrund. »Was hast du mit Ansgar gemacht?«

»Er hat gestört. Zwei gegen einen ist unfair.« Ein glucksendes Kichern stieg in Kathrin auf. Sie unterdrückte es. »Fairness ist alles. Und Sonja war nicht fair und du bist es auch nicht. Du wirst mich verraten. Dabei ist das alles Sonjas Schuld. Aber das wird niemand verstehen.« Ihre Augen wurden ganz schmal. »Und jetzt gib mir endlich diese verdammte Kette!«, brüllte sie.

Die Angst saß wie ein Korken in Pias Hals. Stumm schüttelte sie den Kopf. Ansgar! Hoffentlich war er nur verletzt und nicht …. Sie wagte es nicht, das zu denken. Sie musste weg von hier, Hilfe holen. Hinter ihr war der Baum. Linker Hand der Fluss. Vor ihr Kathrin. Pia schnellte nach rechts, lief auf zwei Bäume zu, die im tanzenden Lichtkegel erschienen. Kathrin war schneller, stürzte sich auf sie und riss sie zu Boden. Die Taschenlampe knallte auf einen Stein und verlosch. Pias Hand klammerte sich um die Schlangenkette, während sie versuchte, auf die Beine zu kommen. Sie schlug und trat um sich und rief um Hilfe. Schließlich ließ Kathrin von ihr ab. Wankend versuchte Pia aufzustehen.

Kathrins Fußtritt traf sie völlig unerwartet in die Seite, trieb jedes Quäntchen Atem aus ihrer Lunge. Ein stechender Schmerz. Bunte Lichtpunkte umtanzten sie. Japsend rang sie nach Luft. Torkelnd gelang es ihr aufzustehen. Sie versuchte, die Dunkelheit mit Blicken zu durchdringen. Kathrin war weg.

Wo war sie?

Der Schlag kam sausend aus dem Nichts, riss ihr den Kopf zur Seite. Sie fiel und fiel und fiel. Endlos. Am Himmel stand ein funkelnder Stern, ein sachter Wind spielte mit ihrem Haar, vom Fluss stieg der Nebel in schwarzen Schleiern auf und hüllte sie in tiefe Finsternis.

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Kälte war das Erste, das sie spürte, als sie zu sich kam. Sie fraß sich in ihr Innerstes und wollte sie töten. Dann der pochende Schmerz unterhalb des Rippenbogens. Die schwarzen Schleier zogen sich zurück, lösten sich auf, gaben sie nach und nach frei. Atmen ging wieder. In ihrem Schädel wütete ein trampelndes Ungeheuer und in ihrem Magen das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. Ihre Zähne schlugen unkontrolliert aufeinander und ihr ganzer Körper zitterte wie das sprichwörtliche Espenlaub. Sie fror so entsetzlich wie erst einmal in ihrem Leben. Damals vor dreizehn Jahren. Von irgendwoher kam ein Hauch Wärme. Jemand hielt sie fest umschlungen. Ein Geruch nach Leder und ein wenig nach Schweiß. Eine wahre Flutwelle von Glück schwappte in Pia hoch. »Ansgar?«, krächzte sie und hätte heulen können.

»Endlich.« Es klang wie ein einziger tiefer Seufzer. »Gleich kommt Hilfe.«

Mit klappernden Zähnen und dröhnendem Kopf gelang es ihr nicht, mehr als ein Wort herauszubringen. »Kathrin.«

»Ich musste sie niederschlagen. Es ging nicht anders.«

»Mir … ist … so … kalt.«

Er saß hinter ihr auf dem feuchten Waldboden und zog sie noch enger an sich, nahm ihre Hände zwischen seine und rieb sie warm. »Ein paar Minuten musst du noch durchhalten. Ich habe den Notarzt gerufen und die Polizei.«

Ein paar Minuten. Wenn Kathrin inzwischen zu sich kam! Adrenalin weckte den Fluchtimpuls. Sie mussten weg!

»Keine Sorge. Ich habe sie mit meinem Gürtel gefesselt.« Offenbar besaß er nicht nur die Gabe, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Er konnte auch Gedanken lesen. Pia sog jedes Quäntchen seiner Wärme in sich auf.

Plötzlich waren Signalhörner zu hören, die stetig lauter wurden, bis zwischen den Bäumen Blaulichter zuckten.

»Den Rest des Weges müssen sie zu Fuß gehen«, sagte Ansgar. »Das wissen sie. Gut, dass es hier passiert ist, bei der fünfhundertjährigen Eiche. Die kennt jeder.«

Drei Minuten später war am Flussufer die Hölle los. Etliche Rettungssanitäter, zwei Notärzte und die Besatzung eines Streifenwagens erschienen. Die Lichter der Taschenlampen tanzten durch die Nacht. Fragen wurden laut.

Ein Arzt beugte sich über Pia und verschaffte sich einen ersten Eindruck. »Wir untersuchen Sie im Wagen. Dort haben wir Licht und vor allem ist es dort warm.« Zu Pias großem Erstaunen wickelte er ihre nackten Beine aus Ansgars Jacke und Pulli und ließ sich eine Wärmefolie geben. Im T-Shirt und barfuß stand Ansgar plötzlich neben dem Arzt. Ihre Füße steckten in seinen Socken. »Was … ist … denn … passiert?« Konnte das Zähneklappern nicht langsam mal aufhören?

»Deine Klamotten waren ganz nass. Kathrin …« Ansgar zog die Schultern hoch. Erst jetzt bemerkte sie die blutverkrustete Wunde an seiner Stirn. »Sie hat dich in den Fluss gezogen.«

»Sie … wollte …« Ihr wurde noch kälter, falls das überhaupt noch möglich war. Natürlich! Das hatte sie schon in der Silvesternacht versucht. Sie zu ertränken.

»Das können Sie alles im Rettungswagen besprechen. Darin ist es gemütlich warm«, sagte der Arzt. »Wir haben ihn schon ordentlich eingeheizt. Meine Jungs tragen Sie.«

»Das mache ich«, sagte Ansgar.

»Ganz sicher nicht. Den edlen Ritter spielen Sie erst wieder, wenn ich die Platzwunde an Ihrem Kopf versorgt habe«, entgegnete der Notarzt. »Die sieht ja wirklich prächtig aus.« Er rief zwei Rettungssanitäter zu sich, damit sie Pia zum Notarztwagen trugen, der mit flackerndem Blaulicht auf dem Weg stand. Dahinter parkten ein Streifenwagen und ein weiteres Rettungsfahrzeug.

Zwei Polizisten führten Kathrin in ihrer Mitte. Um ihren Kopf lag ein weißer Verband. Ihr Gesicht war dreckverschmiert und blutverkrustet. Als sie Pia sah, versteifte sich ihr Körper. Ein hasserfüllter Blick traf sie. »Du bist selbst schuld. Hättest du auf mich gehört und die Vergangenheit ruhen lassen, dann wäre das alles nicht passiert.«

Die Kette! Sie war weg. Pia wirbelte herum oder versuchte das zumindest. Mit einem Schlag wurde ihr kotzübel und schwindelig. Beinahe hätte sie sich übergeben.

»Was ist?«, fragte Ansgar, der neben ihr ging.

»Die Kette!«

»Ich habe sie.« Er zog sie aus der Hosentasche und gab sie ihr. »Ist das die Schlange aus deinen Träumen?«

Pia nickte. Vertraue mir. Ich bin die Wahrheit. Mit dem Vertrauen war das so eine Sache. In den letzten zwölf Tagen hatte sie nicht gewusst, wem sie überhaupt noch vertrauen konnte.

»Und jetzt ab ins Warme.« Ehe Pia sich versah, legten die beiden Sanitär sie auf die Trage im Rettungswagen und schlossen die Tür, nachdem auch Ansgar eingestiegen war.

Während der Fahrt schlief sie ein. Als sie im Krankenhaus aufwachte, fühlte sie sich bereits besser. Ihr war beinahe warm und das Zähneklappern endlich vorbei. Nur ihr Schädel tat so weh, dass ihr noch immer ganz schlecht war. Also wurde ein CT gemacht. Gott sei Dank hatte Kathrin nicht fest genug zugeschlagen, um sie ernstlich zu verletzen. Keine Fraktur und keine Hirnblutung. Die Übelkeit kam von einer Gehirnerschütterung. Der Arzt wollte sie stationär aufnehmen. Pia wollte das nicht. Ihr fehlte ja nichts. Bis auf die Gehirnerschütterung. Sie wollte nach Hause. Doch ein Zuhause hatte sie ebenso wenig wie eine Familie.

Bis auf Paul.

Ihren Paps.

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Im Flur vor dem Untersuchungsraum saß Ansgar auf einer Bank. Auf seiner Stirn klebte ein überdimensionales Pflaster. Eine Strähne seiner dunklen Locken fiel darüber. Eigentlich sah er ziemlich fertig aus. Doch Pia war einfach nur überwältigt von seinem Anblick.

Verwundert sah er auf. »Schicke Hose.«

Pia grinste. Sie gehörte zur Berufsbekleidung des Personals. Es war ihr gelungen, der Schwester eine abzuschwatzen, natürlich mit dem Versprechen, sie zurückzubringen. »Schickes Pflaster.«

»Fünf Stiche. Manch ein Ritter hat im Kampf mit dem Drachen schlimmere Blessuren davongetragen.« Ansgar lächelte wieder dieses verdammt umwerfende Lächeln, das sie vom ersten Moment an so gemocht hatte. Vielleicht schaffte sie es ja endlich mal, über ihren Schatten zu springen und das Sebastian-Trauma abzuschütteln.

Sie setzte sich neben ihn. Diese Augen! Und erst dieser Mund! Das Herz schlug ihr plötzlich bis zum Hals. »Ist es nicht so, dass der edle Recke als Belohnung einen Kuss von seiner Angebeteten bekommt?«

Belustigte Funken stoben in seinen Augen. »Das wäre nur recht und billig. Oder willst du mich noch länger quälen?«

Okay. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ihre Lippen fanden sich wie von selbst. Es wurde ein langer und zärtlicher Kuss. Warm und weich und alles versprechend.

Schließlich lösten sie sich voneinander. Wow! Pia war ganz schwindelig. Wobei das durchaus an der Gehirnerschütterung liegen konnte.

»Und jetzt?«, fragte Ansgar.

»Jetzt fahren wir zu mir. Also zur Villa Krachmach.« Pias Blick fiel auf die Uhr, die über dem Arztzimmer hing. Es war schon nach neun. Paul war längst da und vielleicht machte er sich ja Sorgen. »Wo ist mein iPhone?«

Ansgar hob einen Beutel mit dem Kliniklogo hoch, der neben ihm auf dem Boden lag. »Es war in deiner Hose und ist vermutlich hinüber. Es sei denn, es wäre wasserdicht.«

»Shit. Kannst du mir deins leihen? Ich muss meinen Paps anrufen.«

»Es hatte gerade noch so viel Saft, dass ich die Polizei rufen konnte. Der Akku ist leer. Willst du wirklich heim? Ich dachte, sie behalten dich hier.«

Nun war es Pia, die grinste. »Mit meinem Sturschädel ist alles in Ordnung, bis auf eine Gehirnerschütterung. Also lass uns fahren.«

»Die Polizei will noch mit uns sprechen.«

»Das kann bis morgen warten. Falls nicht, müssen sie sich nach Galsterried bemühen.« Sie wollte hier weg.

Ansgars Lieferwagen stand noch an der Weggabelung. Jemand wartete noch immer auf eine Lieferung Briketts. Also entschloss Pia sich zum zweiten Mal an diesem Tag, ein Taxi zu nehmen.

Als es den Hügel hinauffuhr und in den Hof einbog, erfasste das Licht der Scheinwerfer ein Streifenfahrzeug und Pauls Audi. Bei Bettina und Stefan brannten alle Lichter. Und in den Fenstern standen Kerzen. Pia hätte beinahe gelacht. Das Böse konnte man nicht bannen. Es war da. Immer und überall. Mitten unter uns.

Der Wagen hatte noch nicht richtig gestoppt, als Paul aus dem Haus kam. Er zog Pia an sich, sobald sie ausgestiegen war. »Meine Güte. Du machst Sachen.«

Er sah ganz käsig aus, als ob er sich wirklich Sorgen gemacht hätte. »Nicht ich. Kathrin.«

»Kommt ins Warme.« Bettina war unbemerkt neben Pia getreten und legte den Arm um sie. »Es gibt heiße Kürbissuppe mit Ingwer und Chili. Ein Rezept von Sonja. Du wirst sehen, die stellt dich nach diesem Schreck wieder auf die Beine. Ansgar, das Angebot gilt auch für dich.«

Zwei Polizisten in Uniform kamen aus dem Haus. Sie brauchten noch Pias und Ansgars Aussagen. Pia vertröstete die beiden auf morgen. Gleich in der Früh würde sie haarklein alles berichten. Ansgar auch. Die wesentlichen Fakten waren ja bekannt. Doch jetzt war sie zu fertig. Als die Polizisten gefahren waren, gingen alle ins Haus und nahmen am Tisch Platz. Paps und Ansgar, Bettina und Stefan. Nur Lena nicht. Sie schlief bereits. Während sie die heiße Suppe aßen, erzählten Pia und Ansgar abwechselnd, was geschehen war.

»Aber warum hat Kathrin das getan? Ich verstehe es nicht.« Ratlos sah Paul in die Runde. Er sah noch immer bleich aus und angestrengt. Plötzlich tat er Pia leid. Obwohl er natürlich Mist gebaut hatte, als er Kathrin mit Sonja betrog. »Weil du mein Vater bist«, sagte Pia. »Ich meine: wirklich mein Vater. Nicht mein Adoptivvater.«

Es dauerte eine Sekunde, bis er es verstand und reagierte. »Was?« Ratlos schüttelte er den Kopf. »Also doch. Ich habe Sonja damals bekniet, mir die Wahrheit zu sagen. Sie hat geschworen, dass nicht ich dein Vater bin.« Mit der Hand fuhr er sich über die Augen. »Alles nur Lüge. Woher weißt du es?«

Bettina mischte sich ins Gespräch. »Ich habe Sonja damals versprochen, dieses Geheimnis zu bewahren. Aber Pia hatte ein Recht zu erfahren, wer ihr Vater ist. Also habe ich es ihr vor ein paar Tagen erzählt. Woher Kathrin es wusste … Keine Ahnung. Nicht von mir.«

»Sie hat euch belauscht. Dich und Sonja. An meinem Geburtstag.« Pia erzählte, was sie von Kathrin wusste und welche Folgen diese Wahrheit gehabt hatte. Grenzenloser Hass hatte sie dazu getrieben, das Haus anzuzünden und ihre eigene Schwester bei lebendigem Leib zu verbrennen wie eine Hexe. »Sie wollte sich holen, was ihr ihrer Meinung nach zustand. Mich. Pauls Kind. Aber ich glaube ihr nicht. Sie wollte mich ja auch töten.« Pia zog den Ouroboros hervor. »Diese Kette habe ich ihr damals vom Hals gerissen und in der hohlen Eiche versteckt. Aber eigentlich dürfte es sie nicht geben. Sie ist doch damals mit der Wegscheider Barbara verbrannt worden.«

Bettina schüttelte den Kopf. »Das ist nicht das Original. Deine Urgroßmutter hat die Kette vor hundert Jahren nach einer Zeichnung neu anfertigen lassen, um sie ihrer ältesten Tochter zu schenken, deiner Oma. Und die hat sie ihrer ältesten Tochter geschenkt. Kathrin. Und die hätte sie an ihre älteste Tochter weitergeben sollen. Als klar war, dass sie keine Kinder bekommen konnte, hat deine Oma bestimmt, dass du sie bekommst, wenn du erwachsen bist.«

Pia wollte diese Kette nicht. Sie war keine Hexe. Sie war kein Fuchserl. Dieser ganze blöde Aberglaube konnte ihr gestohlen bleiben.

Plötzlich war sie müde. Sie wollte ins Bett. »Ich bringe dich hinüber«, sagte Ansgar. »Wenn du willst, bleibe ich heute Nacht bei dir.«

Und ob. Ein wenig Reden, ein wenig Kuscheln … und vielleicht auch ein wenig mehr.

Paul sah so aus, als wollte er genau das verhindern. Seine Schultern strafften sich. Er setzte zu einer Erwiderung an, doch Bettina funkte dazwischen und warf ihm einen warnenden Blick zu. Sie ist alt genug, wollte sie wohl damit sagen.

Stefan wandte sich an Paul. »Ich glaube nicht, dass du heute nach München zurückfahren willst. Du kannst unser Gästebett haben.«

Einen Moment pendelte Pauls Blick zwischen Pia und Ansgar. So ganz schien es ihm nicht zu gefallen, dass sie allein mit ihm ins Häuschen ging. Wehe, er sagte etwas! Doch schließlich gab er nach. »Du wirst schon wissen, was du tust.«

Pia wünschte allen eine gute Nacht und ging mit Ansgar hinüber. Das Feuer im Ofen war beinahe heruntergebrannt. »Magst du auch einen Becher Chai-Tee?«, fragte sie.

»Langsam gewöhne ich mich an das Zeug. Also gerne. Aber vorher bringe ich das Feuer wieder in Gang.«

Pia setzte Wasser auf und griff nach der Teepackung, die ihr aus der Hand rutschte. Der Inhalt entleerte sich auf den Küchenboden. Klasse. Das hatte jetzt grad noch gefehlt. Sie kehrte alles zusammen. Dabei fielen ihr kleine braune Kügelchen auf. Das war doch kein Pfeffer und auch nicht Kardamom. Diese Kügelchen sahen eher aus wie Tabletten. Wie kamen die in ihren Tee? Es dauerte einen Moment, bis sie es kapierte. Natürlich! Kathrin musste sie daruntergemischt haben. Und das hieß, dass sie Schlüssel fürs Häuschen hatte. Logisch. Eigentlich. Sie war hier ein- und ausgegangen. Sie hatte das Märchenbuch und die Fotos genommen. Sie war die graue Frau, die Lena gesehen hatte.

Diese Kügelchen waren bestimmt Schlafmittel. Sie waren der Grund, warum sie gestern Abend plötzlich so müde gewesen war und beinahe nicht aufgewacht wäre, als der Teppich brannte. Wenn sie den Tee ganz getrunken hätte … Sie schob den Gedanken beiseite, fegte den Krempel auf und kippte ihn in den Müll.

Ansgar schloss die Ofentür. Er kam zu ihr und nahm sie in den Arm. »Happy Birthday to you«, sang er leise in ihr Ohr. »Happy Birthday, liebste Pia. Happy Birthday to you.« Natürlich bekam sie einen Geburtstagskuss und dann noch einen und noch ein paar obendrauf.