Milenka Carica

Milenka Carica war eine alte, verläßliche Kundin meines Vaters. Ihre Männer erschienen häufig auf unseren Feldern, sammelten die Abgaben ein, packten auf den Hinterhöfen die Waffen und die Gebetsbücher aus, manchmal erbaten sie ein blondes Mädchen von einem der nahen Gehöfte, nach einigen Tagen schickten sie aber ordentlich die zwischen den dünnen Schenkelchen herausgefischten Bärenklauen zurück. Ich könnte noch anderes erzählen, aber das ist jetzt nicht interessant. Mein Name ist Rada Hand. Ein seltsamer Name, ich selbst habe mich auch nur schwer an ihn gewöhnen können. Als mein Vater starb, erbte ich auch einen echten Muslim von ihm, der früher im Brusa Bezistan in Sarajevo Tomatenpolierer gewesen war, bis man ihn wegen einer kleineren, aber stur widerhallenden Lüge davonjagte. Schnell tätowierte ich das umgekehrte Zeichen der Wahrheit auf Mehmeds Zunge. Er war über die Tortur nicht gerade erfreut, aber da er nicht mehr lügen konnte, war das Ergebnis auch für ihn beruhigend. Ich überließ ihm den alten Ford meines Vaters, er fuhr damit die Gegend ab und lieferte die Muster aus, auf die die Leute aus dem Süden in letzter Zeit so scharf waren. Was soll ich sagen, ich lebte im Wohlstand. Ich stand zwar nicht mit Champagner und Kaviar auf, und die kleine Tochter des Nachbarn leckte mir an ruhigen Nachmittagen auch nicht die tränentrinkenden Fruchtfliegen aus den Augen, aber meine ersten Worte am Morgen waren auch nicht pičku materinu.

Bože miluj!

Ej, bože miluj!

So seufzte ich schon im frühen Morgengrauen. Im Wohlstand sind die Tage wie sanftes Streicheln. Milovati, milovati, sagte ich zu den Leuten. Die Tage sind die Diener der Gnade!

Bože miluj! Gewiß, Wohlstand bedeutet auch, daß du, wenn dir danach ist, ohne Leidenschaft mit der Zeit umherschweifen kannst. Bei uns sagt man ja auch, das Elend sei leidenschaftlich. Ich lebte also im Wohlstand wie ein begüterter Oberkonobar, das Geschäft blühte, und dennoch, eines Tages mußte ich daran denken, das Leben sei nichts wert, wenn die verschwenderische Leere zwischen Gebet und Erde einen Roman für sich selbst schreibt. Da traf mich, wie ein ernüchternder Schlag, die Nachricht Milenka Caricas.

In den mit Speichel gekneteten, halbierten Brotlaib hatte man eine Bergblume mit blutigen Wurzeln gesetzt. Ich hatte schon gehört, daß Milenka Carica in Schwierigkeiten steckte. Die Leute tratschen überall wie die hungrigen Hunde. Auch unsere Gegend ist so. Wenn einer in einem fernen Tal seufzt, o Bog, o Bog, geben die Blätter der Bäume und die Erdbeerfelder, die Wiesen voller Primeln die Stimme von Blütenblatt zu Blütenblatt weiter, bis sich schließlich eine wahre Gruselgeschichte zu einem hochschaukelt.

Sunce ti jebem, murmelte ich Mehmed zu, der gurgelnd lachte, um mir anzuzeigen, daß er sich wilden Honig auf die Zunge getröpfelt hatte, damit das Zeichen der Wahrheit nicht nur wahr, sondern auch schön war. Was für Sorgen mögen Milenka Carica quälen, die über eine wahre Armee verfügte, Konditoren, Seelenklempner und Popen in ihr Bett lockte und die, wie einige behaupten, sogar sich selbst beobachten ließ, um sicherzugehen, daß sie im Traum nicht falsch betete?!

Eigentlich schickte uns Milenka Carica keine Nachricht, sie spie uns vielmehr einen Befehl entgegen. Ich solle losgehen, spritzte der Ukas, und Patra Xandar suchen, die in Metohija, auf einem südlichen Hang des Kosovo Polje lebt, oder vielleicht am Fuße des Prokletije gerade die schwankenden, ausgeplünderten Fußstapfen ihrer Brüder zählt. Bei uns scheißen selbst die Bären in goldene Klos, meine Freunde. Jebiga, jebiga, meine teure Milenka Carica, ich renne ja schon, wie könnte ich auch nicht rennen, schließlich habe ich ja Beine! Mehmed steckte mir eine Hahnenfeder ins Haar und beschmierte den Ärmel meines Umhangs mit Blut, damit mich auf dem Weg Ehrfurcht begleitete. Patra Xandar wohnte auf den westlichen Hängen des Cakor. Mehmed fand sie, der einige der umliegenden Stammesführer damit überraschte, daß er sie nicht belog. Wir waren tagelang unterwegs, und ich kann nicht behaupten, daß ich unterwegs mit Dankbarkeit an Milenka Carica gedacht hätte. Die Fenster des Hauses, in dem Patra Xandar lebte, waren vom Atemzug Sterbender verdunkelt. Es war still und es war Frühling. Patra Xandar saß in einem handgeschnitzten Rollstuhl aus Holz. Es fehlten ihr beide Beine.

Sie beschäftige sich neuerdings mit Philosophie und Literatur, sagte sie leise, während sie meinen Umhang musterte. Dann nickte sie. Ich selbst sei sicher auch ein Literaturliebhaber, sagte sie und sah in mein Gesicht. Da ich kein Journalist und kein Pfarrer sei. Ich lächelte.

Ja, liebe Patra Xandar, ich mag die Literatur. Das Mädchen wischte sich gedankenverloren über die Stirn, rollte ein wenig nach vorne und legte los. Das John-Donne-Gedicht, das ich selbst ziemlich mag, klang seltsam aus dem Munde Patra Xandars. Sie rezitierte The Good Morrow. Patra Xandar erzählte dann lange von ihren Beinen. Sie lud mich zu Zichorie und Zwieback ein. Wir saßen auf der Veranda, umgeben vom hinterbliebenen Atem der Sterbenden und Flüchtenden. Patra Xandar erklärte, sie habe ihre Zehen stets als zu lang und zu ungelenk empfunden. Ihre Knie waren brotlaibähnliche Geschwülste. Ihre Knöchel glänzten, als hätte man sie mit Fett eingerieben. Obendrein waren ihre Waden behaart.

Wie sehr waren sie denn behaart?

Patra Xandar zeigte zum dunklen Hang des Berges Cakor. Ich verstand sehr gut, was sie sagen wollte. Patra Xandar liebte ihre Beine, solange sie sie hatte. Sie liebte es, spazierenzugehen, von einem Grabhügel zu einer plätschernden Quelle zu gehen, manchmal rannte sie sogar. Oder jenes besondere Gefühl, überhaupt einen Schritt zu tun, und zwar mit den eigenen Beinen. Einen Schritt tun und darüber nachdenken, wieviel Schicksal in einem einzigen Schritt steckt, keinen halben Meter lang, du stehst noch nicht einmal am Rande eines Abgrunds, kein heimtückischer Abhang liegt vor dir, sondern eine weite Ebene, und dennoch: wieviel Schicksal steckt darin. Oder stundenlang dastehen im bleischweren Wind, der zwischen den Bergen hervorquillt. Jetzt war Frühling, und es regnete. Im Berghang brannten Feuer, ohne Rauch, mit einer reinen, durchscheinenden Flamme, wie wenn an einem Haus nur die Fensterscheiben leuchten und man dennoch in die Zimmer hineinsehen kann, die Menschen sehen, wie sie essen, reden, sich paaren, so was eben. Der Berghang. Am Berghang stehen, hinaufrennen.

Ich trank den Kaffee aus und stand auf.

Es war, als hätte ich etwas Ungehöriges getan.

Auf dem Rückweg, kaum hatten wir das sich in grüner Nässe auflösende Tal des Cakor verlassen, hielt Mehmed das Auto an. Der Ford keuchte müde. Die Augen des Türken glänzten wie Weintrauben. Er biß sich nervös auf die Lippen.

Er würde gerne zurückgehen, seufzte er, zurück zu Patra Xandar, und sich das Gedicht noch einmal anhören. Worauf ich sagte, das könne ich ihm doch ebensogut rezitieren, er aber flüsterte, Allah sei groß und weise, doch er möchte das Gedicht lieber aus Patra Xandars Mund wiederhören.

Schließlich kamen wir glücklich zu Hause an.

Ich ließ Milenka Carica ausrichten, ich hätte, wie befohlen, Patra Xandar getroffen. Ob ich verstünde, bogati, fragte Milenka Carica, was der Sinn der Sache gewesen sei. Ich ließ ausrichten, es würde mich sehr verletzen, daß sie mich für so einfältig hält, denn wenn ich in den Details oder in den Bruchstücken unseres Lebens auch manchmal Unsicherheit zeige, was das Wesentliche anbelangt, habe ich keine Zweifel. Ich war nicht ehrlich. Ich verstand immer noch nicht ganz, wieso ich zum Kosovo Polje reisen und wieso ich Patra Xandar aufsuchen mußte.

Doch an jenem Abend, als ich gerade neue Beine für ein totes Kind entwarf und die schwarz verschleierte, dünne Mutter davon zu überzeugen suchte, daß meine Männer kein Flickwerk ablieferten, und sollte die eine oder andere Lösung doch nicht so ausfallen, wie wir das gerne hätten, sei die Sache leicht zu verbessern und zu beheben, jawohl, damit war ich gerade beschäftigt, als ich erfuhr, was Milenka Carica mir befahl. Sie steckte tatsächlich in großen Schwierigkeiten. Einige ihrer Männer fielen in mein Haus ein, verjagten meine Kunden und schlugen auf mich ein. Sie waren betrunken oder nur lange nicht mehr nüchtern gewesen. Sie brüllten herum, sie würden mir ein Bein abschneiden. Mehmed rettete mich, indem er mit einer Kanne Benzin in der Hand und einer Zigarette im Mund hinter ihnen stehen blieb und sie nur anstarrte, mit einer Unschuld, wie nur zur Lüge unfähige türkische Tomatenpolierer es können.

Eine großartige Wahl hatte ich auch so nicht. Was hätte ich schon tun können, ab jetzt mußte ich eine Weile für Milenka Carica arbeiten. Trotzdem tat ich es irgendwie mit Freude, denn ich konnte mich ganz auf meine Phantasie und meine Intuition verlassen. Ich wollte Milenka Carica, die in großen Schwierigkeiten war, überraschen und verzaubern. Die Schwierigkeiten anderer sind ein gutes Geschäft für mich, das Unglück anderer erfüllt mich mit Ideen und phantastischen Vorstellungen. Ich nenne ein Beispiel. Einmal, noch zu Beginn des Krieges, trat ein guter Mann Milenka Caricas, ein jungblonder Krieger, vielleicht hieß er Bogabog, irgendwo an der slowenischen Grenze auf eine wendische Mine. Man brachte mir diesen frohgemuten, lustigen Burschen, dessen Seele noch nicht einmal diese lebensgroße Tragödie wirklich brechen konnte. Sein linkes Bein wurde ihm bis zum Oberschenkelhals amputiert. Er blickte mich an wie einen Wohltäter. Er bat mich, ihm zu helfen, aber nicht auf die übliche Art, nicht so, wie ich allen anderen half, er sei immer schon für seine außergewöhnlichen Lösungen, seine interessanten Charakterzüge berühmt gewesen. Ich bat um eine einzige Nacht. Bis zum nächsten Tag hatte ich geträumt, was ich zu tun hatte. Ich baute dem Krieger Bogabog ein künstliches Bein, das er leicht an den Schenkelhals schnallen konnte, doch das künstliche Bein endete mit dem halben Unterschenkel, war also auch selbst, sozusagen, eine fragmentarische Form. Bogabog lachte, daß ihm die Tränen kamen. An genau so etwas hatte er gedacht, er klopfte sich auf den anderen Schenkel und beschenkte mich reich.

Auf Geschenke zählte ich auch von Milenka Caricas Seite. Mehmed lieferte die Sendungen aus. Mein armer Türke kehrte erschöpft zurück, starrte verschwiegen vor sich hin. Ab und zu kratzte er sich an der Zunge, man hatte ihn wahrscheinlich ziemlich übel zugerichtet.

Milenka Carica ist unzufrieden, flüsterte er.

Bei Allahs Augenbrauen, so was habe er noch nie gehört, murmelte er. Milenka Carica will bewegliche Zehen!

Dobro, dobro, ist das ein Problem?!

Suti, Mehmed, lache, wenn der kleine Vogel auf dich herunterblutet! Daran soll’s nicht scheitern!

Ich fabrizierte bewegliche Zehen. Da kam Milenka Carica mit dem Einwand, die zugesandten Muster wären zu braun. Dann war das linke Bein zu dick, die Warze auf dem rechten Schenkel war an der falschen Stelle und so weiter. Schließlich bekam ich selbst das Gefühl, in Schwierigkeiten zu stecken. Das war kein Spaß mehr! Milenka Carica war derart von Leidenschaft durchdrungen, daß sie, wenn das so weiterging, alles um sich herum vernichten würde. Mich natürlich eingeschlossen. Man erzählte sich auch, sie würde trinken. Und tanzen, worüber ich mich dann doch sehr wunderte. Und ich weiß wirklich nicht, was passiert wäre, hätte ich eines Vormittags nicht unerwartet Besuch bekommen.

Ein Militärjeep fuhr vor dem Gehöft vor. Augenblicke später stand ein feiner Herr mit Schnurrbart vor dem Tor, seine Schläfen waren von einem weißen Streifen verziert. Er trug die Uniform der englischen Armee, und er war ein Major, ein echter englischer Soldat, dennoch blickte er über meinen Hof und lächelte mich an, als wäre er ein Dichter von feiner Feder.

Oxford, begrüßte ich ihn schon auf dem Hof.

Cambridge, sagte er, und danach gleich die Fremdenlegion. Er lachte. Später die Innere Sicherheit und die Königliche Garde.

Ich bin ein Staatsangestellter, sagte er dann lächelnd.

Ich nickte. Genau wie ich, sagte ich.

Er erkundigte sich höflich nach meinem Namen, ob ich der berühmte Rada Hand sei, Meister für künstliche Extremitäten, der das Geschäft vor einigen Monaten von seinem Vater geerbt habe. So ist es, lachte ich, schauen Sie sich nebenan um, da ist meine Fabrik. Nicht nur künstliche Beine und Arme, bei mir gibt es auch künstliche Köpfe in verschiedenen Größen. Der Major blinzelte überrascht ob dieser Information, worauf ich hinzufügte, Bedarf an einem künstlichen Kopf hätten normalerweise jene Angehörige, die einen ihrer Verwandten ohne Kopf auffanden. Ja, das kommt auch bei uns in der Gegend vor. Der Major hüstelte sich in die Faust.

Ach ja, er habe auch schon von solchen Fällen gehört.

Er schaute mich mit seinem blau verschwimmenden, traurigen Blick an. Er habe gehört, sagte er schließlich leise, ich würde John Donnes Gedicht The Good Morrow kennen. Er wartete auf keine Antwort. Er beugte sich flink vor und riß sein Hosenbein hoch. Sein rechtes Bein kam mir recht bekannt vor. Das habe ja ich entworfen! Obwohl er nicht der Auftraggeber war, daran hätte ich mich erinnert, dennoch trug er jetzt das Bein. Ich starrte in sein glattes, gepflegtes Gesicht. Wahrscheinlich blieb mir sogar der Mund offen stehen.

Er erzählte errötend, er habe das künstliche Bein bei den Ausgrabungen in Jakulevo gefunden. Ich nickte nachdenklich, o ja, auch ich habe von den Ereignissen in Jakulevo gehört. Die die Einzelheiten besser kennen sagen, daß die Grabungen von Jakulevo eine ziemlich komplizierte Geschichte seien. Der Major stieß in der sogenannten zweiten Etappe der Grabungen von Jakulevo auf das künstliche Bein, und als er es sah, spürte er sofort, daß es für ihn gemacht war, und wie von einer Intuition geleitet, schnallte er es vom Bein des Jakulevoer Toten ab und hob es einfach auf. Seitdem denke er oft darüber nach, aber er komme immer wieder zum gleichen Ergebnis, nämlich ob der Tote nun aus Jakulevo war oder nicht, die Prothese würde er jedenfalls nicht mehr brauchen.

Der Major lachte ernst.

Und als wäre es im Zeichen einer göttlichen Vorsehung passiert, trat er bei der sogenannten dritten Etappe der Grabungen von Jakulevo auf eine Mine. Es konnte offensichtlich kein Zufall sein, daß man ausgerechnet sein rechtes Bein habe amputieren müssen. Aber er war überhaupt nicht verzweifelt. Es gab doch dieses hier, sagte er und klopfte an sein Knie.

Eine sehr schöne Geschichte, sagte ich leise.

Er nickte, der Mensch kann nicht erkennen, wann er an der Gnade der Schönheit teilhat.

Wir sind kleine Lichter in der Welt, doch die Liebe in uns kann außerordentlich sein, sagte ich.

Der Major lachte auf. Ich solle mir doch nur vorstellen, sagte er dann, er habe, während wir redeten, meine Hand beobachtet. Ihre Hand, Mister, war nicht mit uns, während ich erzählte, mich vor Ihnen offenbarte. Ich hatte das Gefühl, sagte er, als würde sie einen anderen Menschen streicheln. Sie, Rada Hand, haben Ihre Hand verkauft.

Ich bemühte mich, nicht auf meine Finger zu blicken.

Stimmt es, daß Sie auch für Milenka Carica arbeiten?

Ich habe immer schon für sie gearbeitet, nickte ich ernst.

Ich betrachtete das Bein des Majors, und plötzlich kam mir ein seltsamer Gedanke. Jebiga, mein guter Major, jebiga.

Aber nun arbeite ich persönlich und ausschließlich für sie, lächelte der Major. Und das dürfte nicht sein. Milenka Carica habe Schuld auf sich geladen. Und wer Schuld auf sich geladen habe, werde dafür büßen, früher oder später.

Er zündete sich ein Streichholz am Knöchel an und begann, eine Zigarre zu rauchen.

Ach so, sagte ich.

Milenka Carica erstickt an ihren Sorgen, sagte er.

Der Major streckte sich ausgiebig, nun müsse er gehen.

Auch ich erhob mich. Wir sahen einander an. Das blaue Schimmern seines Blicks kam von sehr weit her. Dabei regnete es, der Himmel war grau. Die Stirn des Majors bebte, seine Lippen öffneten sich. Die Zähne blitzen. Er beugte sich zu mir. Er flüsterte, als würde ihn gruseln.

Ob ich ihm nicht ein künstliches Handgelenk schenken könnte, wenn er schon mal hier sei.

Er lachte leise heraus.

Rada Hand, lassen Sie mich nicht mit leeren Händen ziehen!

Ich nickte schwerfällig, und Mehmed sprang sogleich auf. Er brachte ein Handgelenk aus dem 93er Jahrgang, das war eine meiner besten Serien. Selbst The Times, die Neue Zürcher Zeitung und die englische Sun hatten sie erwähnt. Man beschrieb sie als mutige und über jeden Zweifel erhabene Produkte. Leider gelang es mir in den nächsten Jahren nicht, das Ergebnis zu wiederholen. Der Major nickte sanft, streichelte die Finger. Er machte es mit sachverständigen Bewegungen. Er wußte, er hatte ein besonderes Geschenk erhalten. Was er aber nicht ahnte, war, daß mein Plan schon fertig war und nur noch auf die Ausführung wartete, der Plan, bei dem alle gut wegkommen würden, aber am meisten vielleicht ich selbst.

Nehmen Sie die Straße nach Novabog, rief ich ihm hinterher. Dort lang ist es sehr viel kürzer, Mr. Cambridge!

Mehmed öffnete verwundert den Mund, er hätte auch bestimmt was gesagt, wenn ich ihm nicht zugezischt hätte, suti, du Idiot, sag ja nichts.

Nach etwa zwei Minuten hörten wir das Echo der Detonation. Da hatte ich das von Milenka Carica zuletzt zurückgeschickte Muster schon aus dem Haus geholt. Ich starrte es im leichten, belebenden Regen an. Es war Frühling, mild und eigenwillig. Man konnte die Zehen bewegen, auch im Knie beugte es sich geschickt, die Farbe war dem Auge ebenfalls angenehm, aber irgendwie war es doch nicht gut. Nein. Milenka Carica hatte recht. Aber wir hatten es jetzt nicht eilig.

Der Jeep lag auf die Seite gekippt und qualmte, der Fahrer war tot, der Major nur ohnmächtig. Ein Blutstreifen schlängelte sich über seine Stirn. Seine rechte Hand war zersplittert. Mehmed schüttelte überwältigt den Kopf, bei Allah, wenn das nicht göttliche Vorsehung ist! Konnte der Engländer in die Zukunft sehen?! Währenddessen nahm ich das Jakulevoer Exemplar vom Bein des Majors und tauschte es gegen die von Milenka Carica zurückgeschickte Prothese aus. Selbst wenn der Engländer den Unterschied merkte, würde er es auf das Konto der Explosion schreiben. Mehmed rieb sich erstaunt die Stirn. Und dann begriff er auf einmal, was mein Plan war. Er fuchtelte wild mit dem Jakulevoer Kunstbein herum.

Dobro, dobro, Chef!

Und daß er schon unterwegs sei, er bringe es Milenka Carica, die in Schwierigkeiten ist. Ich schüttelte sanft den Kopf. Nein, Mehmed, mein guter Türke, das nicht. Dieses hervorragende Jakulevoer Exemplar werde ich persönlich am Oberschenkel Milenka Caricas anbringen. Und ich werde ihr dabei ein Gedicht ins Ohr flüstern.

Dobro jutro, dobro jutro!

Good morrow, good morrow!

Mehmed, dieses Vergnügen würde ich keinem anderen überlassen.