Pamela Krv

Als mich mein Sohn letztens besuchen kam, bat ich ihn, mir eine Frau von dort unten mitzubringen. Er rieb sich die Stirn, wozu ich denn eine brauchte, in meinem Alter, und überhaupt. Ich dachte ein wenig nach und antwortete schließlich, ich wisse nicht, wozu, sie könnte auch dazu gut sein, einfach da zu sein, zum Beispiel.

Einmal wird eine Frau kommen und hier sein.

Bei mir sein.

Mein sein.

Ihr Name soll Pamela Krv sein.

Mein Sohn lächelte. An seinem blassen Zahnfleisch glänzte fauler Speichel. Die Zähne meines Sohnes waren schief, und er hatte sich seit Tagen nicht mehr rasiert. Er stürzte das Glas Schnaps hinunter, trat die Zigarettenkippe aus und ging. Als er schon am Transporter stand, drehte er sich aber noch einmal um. Ist gut, rief er, er werde mir eine Frau besorgen, die Pamela Krv heißt. Über dem Feldweg wirbelte der Staub auf, und es war, als würden ihm die kümmerlichen Trauerweiden am Straßenrand hinterhernicken. Im übrigen wußte ich, daß das nicht so einfach ist. Eine Frau besorgen. Die man will, kommt nicht. Und die man nicht will, drängt sich einem auf, will nicht einmal Geld im voraus, hinterher natürlich hält auch so eine die Hand auf. Zu den Einzelgehöften kommen sie sowieso ungern mit. Sie gehen ins Dorf, sitzen in der Kneipe herum, aber an der Dorfgrenze schlagen sie plötzlich Wurzeln, bleiben bibbernd stehen, ziehen die Schultern hoch und schütteln den Kopf: nein, weiter gehen wir nicht. Und wenn wie durch ein Wunder sich doch eine bis hierher traut, stellt sich bald heraus, daß sie nicht Pamela Krv heißt. So hatte ich mich innerlich schon von der Sache verabschiedet, bemühte mich, gar nicht erst daran zu denken, eine Frau zu haben.

Wenige Tage später blieb der Transporter meines Sohnes mit einem jähen Ruck vor meinem Haus stehen. Es war ein diesiger, halb wolkiger Vormittag, als könnte sich der Himmel nicht entscheiden, was er wollte, sich aufhellen und blau funkeln oder grau herunterpissen auf die Erde, die Tiere, die Misthaufen. Am Tag zuvor hatte es noch geregnet, eisengraue Drähte spannten sich vom Himmel zur Erde. Der Transporter hupte, Wagentüren klappten zu. Ich rührte mich nicht. Ich spürte, daß mein Sohn nicht allein gekommen war. Das Gartentor knarrte. Mein Sohn sagte etwas, vielleicht soviel wie, bitte da lang, Achtung Schlamm, und keine Angst, der Hund tut nichts.

Das … das ist aber ein riesiger Hund, sagte eine Frau.

Ihre Stimme war, wie wenn die Blätter der Schafzunge einander streicheln. Wie wenn sich der Wind zweiteilt und die feuchten Blattrücken faltet, aneinanderreiht.

Sie soll nicht hereinkommen, rief ich, die Frau soll draußen bleiben, im Hof!

Mein Sohn lachte, jetzt seien Sie mal nicht albern, Vater, Sie haben gesagt, daß Sie eine brauchen, also bitte, hier ist sie, ich hab sie Ihnen mitgebracht, das war nicht gerade eine einfache Besorgung, aber ich habe es geschafft. Noch dazu heißt sie Pamela Krv!

Wie? Wie heißt sie? rief ich.

Pamela Krv, wiederholte mein Sohn.

Ich will’s von ihr hören!

Ich bin Pamela Krv, sagte die Frau nach kurzem Schweigen.

Also, Vater, fuhr mein Sohn fort, bis morgen früh haben Sie eine Frau, das ist fast ein ganzer Tag, aber morgen in aller Frühe muß ich sie wieder abholen, so ist die Vereinbarung.

Bezahl sie, sagte ich zu meinem Sohn.

Also, wollen Sie sie doch?

Natürlich will ich sie, rief ich.

Mein Sohn murmelte etwas. Ich stellte mir vor, wie er die Lippen hochzog, sein blasses Zahnfleisch blitzen ließ und die Frau bezahlte, ihr die Scheine in die Hand blätterte. Es wurde still. Die Frau sagte nichts. Eine Studierte offenbar. Man hat ihr schon oft gesagt, was sie zu tun habe. Mein Sohn trampelte auf der Veranda, na, was ist denn nun, Vater. Er kam bis nach vorne, schob den Kopf durch die Tür, sah mich an. Ich saß auf dem Hocker wie üblich. Ich hätte vielleicht sagen sollen, sie sollen wieder gehen, aber ich sagte es nicht. Ich sagte, nichts ist, er solle keine Unruhe verbreiten, und daß ich ihm danke. Danke sehr, mein Junge. Nichts zu danken, brummte er, aber nun müsse er gehen, er habe zu tun. Unterdessen sagte auch Pamela Krv hinter seinem Rücken etwas, das heißt, sie flüsterte eher nur, so daß ich es nicht richtig verstehen konnte, aber soviel konnte ich mit meinem schwächeren Ohr raushören, daß sie meinem Sohn ein Angebot machte. Die nassen Blätter rieben sich aneinander. Wenn es auch mein Sohn mit ihr mache, berechne sie dafür nur den halben Preis. Und wenn sie schon einmal hier sei, warum sollten sie es nicht tun. Alle haben was davon.

Pamela Krv gehört mir, rief ich hinaus.

Sie gehört dir, liebster Vater, lachte mein Sohn, Pamela Krv gehört dir, ich habe sie schon bezahlt.

Jenseits der Grenze muhte eine Kuh, Schafe gaben knarrendes Geblök von sich, und auch ein junger Hahn schrie wild auf. Als würde etwas ertrinken. Und die Stimme des Windes, das Zittern der Blätter, der auf dem lauwarmen Stein entlanggleitende Luftstrom, wie er den Stein reibt, streichelt, anhaucht, und wie daraus Musik wird oder eher eine Art Rhythmus, die Blätter, das Gras und der hochwirbelnde Staub. Ich weiß schon, was Schande bedeutet. Ich hörte den Wind. Und draußen im Wind, wenn auch in keinem sehr großen Wind, stand eine Frau, die mir für diesen einen Tag gehörte. Sie hieß Pamela Krv. Mir war ein bißchen kalt, ich hatte Hunger, aber ich hatte eine Frau.

Vater, ich gehe, rief auf einmal mein Sohn und wartete gar nicht auf eine Antwort. Seine schweren Schritte, wie er durch den schlammigen Hof Richtung Transporter ging. Aber er rief noch zurück, ich solle auf mich aufpassen. Das stockende Rattern des Motors. Der Transporter fuhr weg, es wurde wieder still, das heißt, ganz still wurde es nicht, denn es gab einen kleinen Wind und die Tiere sprachen, und auf meinem Hof stand eine Frau. Ich stellte mir ihr Gesicht vor. Wie sie sich umsah. Die Nase rümpft und manchmal den Kopf schüttelt, was denn das alles sei. Sie war enttäuscht, sie hatte etwas anderes erwartet. Hatte ihr mein Sohn gesagt, wohin sie kommen würde? Hatte er ihr gesagt, zu wem, zu was für einem Menschen? Hatte er ihr gesagt, was sie erwartete? Egal. Sie ist da und nun kann sie auf nichts mehr hoffen. Pamela Krv sieht, wohin sie gekommen ist. Auf einen von Abfall übersäten, vor Schlamm stinkenden Hof, mit einem winzigen Lehmhaus, einer Veranda mit Säulen und einem verfallenen Brunnen, sie steht da, wie in den Wellenkamm des Schlamms hineingerammt, sie spürt etwas ausgesprochen Unangenehmes, etwas undeutlich Bedrohliches, ausgeliefert ist sie zwar noch nicht, aber enttäuscht auf jeden Fall. Ihr Name ist Pamela Krv. Sie tritt von einem Bein aufs andere, blinzelt, bedeckt die Augen, o mein Gott, sagt sie, mir reicht’s.

Mein Gehöft. Ich liebe es. Ich bin gern hier, nichts Besonderes, keine sonderlich großen Gefühle, die Einsamkeit lehrt die Seele Ordnung. Und der Rest, der Hof, der Wald in der Nähe, der als Windfang dient, das Gartenland, die andere Seite der Grenze, wo manchmal Blut herübersickert, alles nicht sonderlich interessant. Manchmal bete ich auch. Natürlich gebe ich gerne zu, daß dieser Ort für andere regelrecht abstoßend sein kann. Auch mein Sohn hat es nicht lange ausgehalten. Na ja, ich bin auch nicht gerade begeistert davon, aber es ist immerhin meins. Und jetzt habe ich wieder eine Frau.

Sind Sie sicher, daß Sie Pamela Krv heißen, fragte ich.

Ich komme rein, sagte sie und tat einen unsicheren Schritt Richtung Veranda.

Ich will Ihren Namen hören, sagte ich bestimmt.

Pamela Krv, flüsterte sie.

Lügen Sie auch nicht?

Wie könnte ich lügen, wenn ich doch keine Ahnung habe, was Ehrlichkeit ist, rief Pamela Krv.

Keine Frage, was sie da machte, war glaubwürdig. Ich spürte ihren Körper, wie er sich zu allem bereit und sehr entschlossen regte, ich spürte ihr Fleisch, die Wärme ihres Bauchs, die Härte ihrer Knochen. Ein Körper, der etwas anderes will, als was ist. Das viele Wollen macht den Menschen kaputt. Und auch Pamela Krv will etwas. Sie denkt, sie geht der Sache auf den Grund. Da sehen wir ja gut aus! Während ihre Seele still ist. Ihre Seele schläft. Ist ohnmächtig. Sie weiß es nicht einmal. Sie hat sich ihrem Körper anvertraut und ist losgegangen. Sie ging einige Schritte. Mir war, als würde mir ihr Geruch ins Gesicht schlagen.

Noch eine Bewegung, Pamela, und der Hund wird Sie zerfleischen, sagte ich.

Sie sind wahnsinnig geworden, sagte sie bestürzt, aber sie blieb stehen, ich spürte es, aufmerksam, steif. Sie starrte offenbar den Hund an. Und das Tier starrte sie an.

Ich habe einen großen, scheckigen Hund, der hat einmal ein Wildschwein nach Hause gebracht. Es war ein Muttertier und es lebte noch. Es starb langsam, unter leisem, tiefem Röcheln, und der Hund aß noch Tage an ihm. Und gab nichts davon ab. Der Mistkerl hatte ein ganzes Wildschwein und aß es ganz alleine auf. In Ordnung, schließlich hatte er es gefunden, es war seine Beute. Ich gab ihm keinen Namen. Wenn ich ihn wütend machte, griff er sogar mich an. Er sprang an meine Brust und warf mich zu Boden. Er legte sich auf meinen Rücken, packte meinen Nacken mit den Zähnen und hielt mich unten, lange. Er hielt mich, bis er sich beruhigt hatte. Dann ließ er mich los und leckte lange mein Gesicht.

Großer Gott, flüsterte die Frau, großer Gott.

Sie stand auf dem Hof und richtete sich offenbar die Haare.

Wie alt sind Sie, Pamela, fragte ich.

Sie sind garantiert verrückt, sagte sie.

Kommen Sie doch raus, flehte sie.

Sie müßten, Ihrer Stimme nach zu urteilen, so um die fünfzig sein, sagte ich.

Vierzig, flüsterte Pamela Krv kaum hörbar. Ich bin vierzig Jahre alt. Und … hören Sie auf damit!

Aha. Wie jung Sie sind.

Das verstehe ich nicht, sagte sie.

Ich hatte eine Frau, sie stand draußen im Hof, ich hätte sie gerne gesehen. Es wäre gut gewesen, in sie hineinzuschauen wie in einen Brunnen, in ihr junges, vierzigjähriges Gesicht zu schauen. Ich habe für sie gezahlt, ich könnte auf sie drauf, wann ich nur wollte. Ich könnte in ihren Schoß weinen, ich könnte sie treten. Ich weiß nicht. Es wurde Mittag, und der Himmel entschied sich für die strahlende Helligkeit, dieses trügerische, unnütze Blau. Zwischen scharfen Schatten glänzten Lichtflecke in der Küche. Fliegen musizierten. Staub schwebte funkelnd durch die Luft. Das Dorf unten war überströmt von Glockengeläut. Wenn sich die Frau nach Osten wendet, kann sie den Kirchturm sehen, das Kreuz. Vielleicht auch die Häuser des Dorfes, wenn sie groß genug ist. Und wenn sie nach Süden schaut, sieht sie, daß der Bauch der Bäume blutig ist. Der Hund, das konnte ich hören, schlappte gerade Wasser.

Sehen Sie den Kirchturm, fragte ich.

Stille. Sie antwortete nicht. Sie beobachtete etwas. Horchte.

Ich fragte Sie nach dem Kirchturm, Pamela, sagte ich.

Aber Sie wichsen doch, rief sie aus, mit einer Natürlichkeit, die mich überraschte. Als würde Wasser auf das Schafzungenblatt fallen, kühles, morgendliches Wasser. Wind, Dunst, Schande. Ich hatte eine Frau. Ihr Name war Pamela Krv.

Sie haben gute Ohren, krächzte ich und lachte.

Ich helfe Ihnen, sagte sie mit plötzlicher Entschlossenheit und ging, ohne auf eine Antwort zu warten, los, und dann passierte alles so schnell, daß ich sie nicht einmal mehr warnen konnte, ich hatte keine Zeit, etwas zu sagen, denn kaum hatte sie sich bewegt, hörte ich im nächsten Augenblick schon dieses gefährliche Murren, das Schnappen eines Kiefers und dann, wie zwei Körper aufeinanderprallten und wie die Frau aufschrie, und dann lag sie schon auf der Erde.

Und davon wurde es auch für mich gut.

Bewegen Sie sich nicht, schrie ich. Bewegen Sie sich ja nicht!

Stille.

Er beruhigt sich, dann läßt er Sie schon los, redete ich ihr zu.

Wenn Sie sich nicht rühren, passiert Ihnen nichts, Pamela!

Schließlich ließ der Hund sie los. Er hatte sie natürlich länger festgehalten, als er das mit mir zu tun pflegte, denn schließlich war das ja eine Frau, und eine Frau ist etwas anderes, als was ich bin: ein Mann.

Leckt er Ihnen schon das Gesicht, Pamela, fragte ich.

Es wurde Nachmittag. Sie stand schon wieder, hatte sich vom Schlamm gesäubert, aber sie traute sich nicht, etwas zu sagen, zu fragen, was sie nun machen sollte, ob sie überhaupt etwas tun könnte. Ich stellte mir vor, wie sie sich den Nacken massierte und ihre Fingerkuppen sich in den Spuren der Hundezähne verirrten. Bestimmt blutete ihr vom Sturz auch das Gesicht.

Welche Farbe haben Ihre Haare, Pamela, fragte ich schließlich.

Ich lasse sie färben, sagte sie.

Welche Farbe haben sie jetzt?

Blond.

Leider hörte der Wind auf. Ein Schatten huschte über den Hof, das bekannte Storchenpaar, das zum Kanal flog, um Frösche und Wasserschlangen zu fangen. Bestimmt schaute ihnen auch die Frau hinterher. Der Wind hatte aufgehört, und da fühle ich mich immer, als hätte mich jemand verlassen.

Wollen Sie, daß ich Ihnen etwas erzähle, fragte ich.

Nein, das will ich nicht, sagte Pamela Krv.

Ich will nach Hause.

Ich lebe hier, sagte ich. Das ist mein Gehöft. Sie können alles sehen.

Lassen Sie mich gehen, bat sie, aber ohne die leiseste Unterwürfigkeit.

Ich stellte mir vor, wie oft wohl schon ihr Blick über den Hof gewandert war. Sie war hier mehr als nur bekannt, sie wurde fast schon zu einer Eingeborenen in diesen wenigen Stunden, sie kannte bereits alles, jeden Winkel, jedes Grasbüschel und jeden Riß, hier der bemooste Holzhaufen, da die Trümmer einer Maisscheune mit den verstreuten Maiskolben, sie sah das langsame Wandern der Schatten zwischen den Wänden, den aus der Erde ragenden Lattenstümpfen und den alten Baumstämmen, sie sah, wie das Licht müde wurde und verdarb, das feine Geräusch des in Samen geschossenen Unkrauts und der Weinblätter, die die Säulenreihe der Veranda umflochten, zog in ihre Ohren ein, und nun kennt sie auch schon das Maul des Hundes, spürt seinen Geruch an sich, sie hätte ihm sogar einen Namen geben können, vielleicht sieht sie in der Ferne die Häuser des Dorfes, den manchmal aufblitzenden Kirchturm und wie jetzt langsam der Abend versickert wie das Gift, und wie diese feindliche, aber wenigstens überschaubare Welt verschwindet und in tiefe Dunkelheit versinkt und ihren Platz einem noch größeren, noch fruchtbareren Gefühl des Ausgeliefertseins überläßt. Ich trank. Ich hatte Wein, ich hatte ihn selbst gemacht, ich trank ihn in großen, sauren Schlucken. Ich trank meinen eigenen Wein und gluckste, und ich hatte eine Frau. Ihr Name war Pamela Krv.

Ich muß mal, sagte sie auf einmal.

Ihre Stimme war weder flehend noch fordernd, sie teilte einfach nur eine Tatsache von all den Tatsachen der Welt mit. Ich erklärte ihr, in welche Richtung sie gehen sollte. Das Häuschen steht neben dem Misthaufen. Wenn sie sich geradezu bewegte und weder herumhüpfte noch sang, würde ihr der Hund nichts tun. Papier oder so was gebe es nicht, damit solle sie gar nicht erst rechnen. Aber wenn sie fertig sei, solle sie sofort wiederkommen. Sie blieb nicht lange weg. Dafür kehrte sie mit den Worten zurück, sie sei durstig. Ich rollte ihr die Weinflasche hinaus. Und wie sich die Schatten langsam streckten, löste sich auch ihre Kraftlosigkeit und Apathie. Sie wurde dumpf, aber vielleicht doch nicht gleichgültig, glaube ich.

Setzen Sie sich neben die Tür, bot ich ihr an.

Setzen Sie sich auf den Stein, neben den Hundenapf.

Schieben Sie das Tier beiseite, wenn Ihnen der Platz nicht reicht, ermutigte ich sie. Und Pamela Krv folgte, sie saß da neben der Tür, lehnte den Rücken an den Türrahmen, ich konnte ihren Schatten ganz aus der Nähe sehen, und ich hörte, wie sie atmete. Sie rauchte. Das war gut. Als hätte sie bis dahin gar nicht daran gedacht, oder vielleicht hatte sie sich nur nicht getraut, holte sie nun auf einmal eine Zigarette und ein Feuerzeug hervor, und ich konnte ihr Gesicht im plötzlich aufflackernden Licht sehen, oder ich bildete es mir nur ein, aber schließlich ist das auch egal, es war eine blonde Frau, die sich im übrigen die Haare färben ließ, doch sie war meine. Nur meine. Pamela Krv war ihr Name. Und nur das zählte. Die Glut beschrieb kleine, schnelle Kreise in der Nacht, die Frau steckte sich eine Zigarette nach der anderen an. Und oben die zögernd blinkenden Sterne, der im eigenen Saft weichende Mond, das Schreien einer Eule.

Wie lange wollen Sie das noch machen, fragte sie auf einmal.

Ihre Stimme war ruhig, besonnen.

Und dann fragte sie auch noch, warum ich das mache. Aber sie war nicht einmal mehr neugierig, und sie hatte auch keine Angst, vielleicht war sie müde. Ja, bestimmt war sie müde. Aber ich wollte, daß sie munter war. Sie trank, verlangte eine neue Flasche. Ich sagte ihr, der Hund würde ihr jetzt nichts mehr tun. Sie könne mit ihm machen, was sie wolle. Ich hatte eine Frau, und es war Nacht, und wir alle taten, was uns zugefallen war. Der Hund schnüffelte nach Igeln am Zaun. Die Frau räkelte sich, ich spürte, wie sie durch die eben gehörte Möglichkeit lebendiger wurde.

Ich fragte sie, schläft denn Ihre Seele noch, Pamela.

Wie bitte?!

Die Glut im Dunkeln blieb auf halber Strecke stehen.

Ihre Seele, Pamela, wiederholte ich.

Sie antwortete nicht.

Und dann sagte sie doch etwas. Sie stand auf, also schön, flüsterte sie mehrmals, schon gut, wenn Sie das wollen, wir können es probieren. Und der Hund winselte, weil Pamela Krv ihn getreten hatte. Sie trat ihn noch mal.

Verzieh dich, sagte sie zu ihm, verschwinde, du Mistvieh.

Und dann muß ich wohl von einem Augenblick auf den andern eingeschlafen sein. War es Schlaf, war es Ohnmacht, egal. Ich lag auf dem Boden wie einer, den niemand mehr rufen wird. Nach dem Aufwachen halte ich immer lange die Augen geschlossen. Und auch jetzt hielt ich sie geschlossen, aber ich war schon wach und aufmerksam. Pamela Krv atmete auf mein Gesicht. Kräftige, kalte Finger legten sich prüfend an meine Wangen, meinen Mund und meinen Hals.