4

Im gleichen Augenblick, als ich mit Harry Eiler aus dem Haus trat, hielt der Notarztwagen, und zwei Pfleger stürzten heraus. Einen hielt ich am Arm fest.

»Erster Stock rechts, das Mädchen ist voll mit Heroin, der Typ mit Wodka.«

Er sah mich entgeistert an, nickte dann und rannte weiter.

Ich stopfte Harry Eiler in den Beifahrersitz, setzte mich hinters Steuer und startete.

Zehn Minuten später saßen wir zu fünft in Futts Wohnzimmer. Katrin Futt, Theobald Löff, Harry Eiler, ich und Horst ›Horstilein‹ Schramm. Ich bedeutete dem Liebhaber von Katrin Futt zu verschwinden.

»Ist mir egal. Ich bleibe hier. Lasse Katrin doch jetzt nicht im Stich.«

»Herr Schramm, hier werden gleich Sachen geschehen, die Sie nicht das geringste angehen.«

»Ich lasse Katrin jetzt nicht alleine! Wer sind Sie überhaupt? Sie können mir gar nichts sagen.«

»Ich habe keine Zeit, mit Ihnen zu diskutieren. Entweder Sie gehen freiwillig, oder ich bringe Sie raus! Mein Freund hier kann Ihnen bestätigen, ich bin nicht zimperlich. Also, spielen Sie nicht den Ritter, hauen Sie ab!«

Er betrachtete angeekelt Harry Eilers Visage.

»Sie sind ein brutaler Typ, ja das sind Sie! Das können Sie einer Frau doch nicht zumuten!«

»Und Sie glauben, wenn Sie hier rumquengeln, helfen Sie ihr?«

»Sie braucht mich!«

Katrin Futt war inzwischen einigermaßen nüchtern.

»Horst, ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt gehst. Wir sehen uns heute abend.«

»Katrin! Das kannst du nicht machen.« Ich nahm ihn bei der Schulter.

»Und wie sie das kann. Bei drei sind Sie draußen. Eins…«

Er schüttelte meine Hand ab, sah grimmig in die Runde und verließ die Wohnung.

»Wann kommt der Staatsanwalt?«

»So schnell er kann.«

Wir saßen uns schweigend gegenüber. Nur Harry Eilers Gequengel durchbrach von Zeit zu Zeit die angespannte Stille. Er würde nie wieder ein anständiges Gesicht haben. Warum ich ihn nicht vor dieser Hexe bewahrt hätte… Etwa zehn Minuten sagte keiner ein Wort. Löff machte den Eindruck, als würde er schon bereuen, den Staatsanwalt gebeten zu haben. Katrin Futt hatte die Augen geschlossen und döste ihren Rausch aus. Harry Eiler beschränkte sich nach und nach darauf, still zu leiden und seine Drahtfesseln anzustarren. Ich suchte im Kopf angestrengt nach einer bestimmten Melodie von Louis Armstrong. Dann klingelte es.

Alle schauten verstört auf, als hätte niemand mehr mit irgendeinem Ereignis gerechnet. Ich entsicherte die Parabellum, bedeutete den anderen, sich ruhig zu verhalten, und ging zur Tür.

Nach dem zweiten Klingeln riß ich die Tür auf. Noch ehe Georg Hosch irgendwas kapiert hatte, lag der schwarze Lauf der Kanone auf seiner Brust. Ich nahm ihn beim Jackett und zog ihn in die Wohnung.

»Hab gesagt, wir sehen uns wieder.«

»Bitteschön, was soll das?«

»Abwarten. Wo haben Sie heute Ihre Gasmaske? Stand Ihnen gut.«

Verächtlich spitzte er den Mund: »Das wird Folgen haben.«

»Und ob!«

Ich schob ihn vor mir her ins Wohnzimmer.

»Bald sind wir vollständig.«

Georg Hosch blieb ruhig. Nur seine Stirn lief rosa an.

»Setzen Sie sich. Leider müssen wir uns noch gedulden, bis Kommissar Futt und der Staatsanwalt anwesend sind.«

»Der Staatsanwalt…?«

»Geht alles schneller, als man denkt, Herr Hosch.«

Er begnügte sich mit einem geringschätzigen Augenaufschlag.

Wenig später klingelte es erneut. Das gleiche Spiel. Ich riß die Tür auf und stieß meine Kanone in eine Brust.

Diesmal war es der Staatsanwalt. Er schaute nicht weniger entgeistert als Hosch. Ich zog meine Hand zurück und entschuldigte mich.

»Schon gut, immerhin bin ich hier richtig. Ist doch die Wohnung von Herrn Futt?«

»Ist es.«

»Und wo ist er?«

»Noch nicht da. Warum?«

»Weil ich es für unverschämt halte, mich um diese Tageszeit und bei solchen Temperaturen durch die Stadt zu hetzen. Er kann doch mit seinen Verbrechern zu mir kommen, oder etwa nicht? Seit wann fehlen der Polizei Mittel und Zeit, ihre Gefangenen aufs Gericht zu befördern? Nur weil ich Herrn Löff kenne und schätze, mache ich diese Ausnahme.«

»Herr Futt muß jeden Augenblick eintreffen.«

»Im übrigen, wer sind Sie?«

»Kemal Kayankaya, Privatdetektiv. Ich habe Sie um diese Zeit durch die Stadt gehetzt, weil ich nicht die Polizei bin und nicht die Mittel habe, Gefangene aufs Gericht zu befördern. Herr Futt wird hier nicht als Kommissar auftreten, sondern als Drogenhändler. Sobald er hier ist, fange ich an zu erzählen. Wenn Ihnen einleuchtet, was ich sage, können Sie danach die Haftbefehle ausstellen.«

»Sie sind schnell, junger Mann.«

»Ach ja, es wird Ihnen kaum gefallen; die drei, um die es geht, sind Polizisten.«

Er fuhr sich durch die kurzen grauen Haare.

»Aha. Mhm. Macht die Sache nicht einfacher.« Er taxierte mich streng.

»Na gut, wann fangen wir an?«

»Wir warten auf Herrn Futt.«

»Der Rest ist anwesend?«

»Kommen Sie.«

Mit Ankunft des Staatsanwaltes hatte die Stimmung im Raum an Spannung gewonnen. Georg Hosch verlor mehr und mehr seine Fassung und begann, Harry Eiler wütende Blicke zuzuwerfen. Eiler gab sich inzwischen ganz wimmerndem Selbstmitleid hin. Katrin Futt war sich langsam der Situation bewußt geworden und rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her.

Löff und der Staatsanwalt begrüßten sich wie zwei Leute, die im selben Kegelclub sind. Dann setzten sie sich still nebeneinander, verschränkten die Arme und sahen von Zeit zu Zeit ungeduldig zu mir herüber.

»Frau Futt, darf ich den Herren was zu trinken anbieten?«

»Ja, ja, steht alles in der Küche. Gläser sind im Schrank.«

»Herr Hosch, würden Sie mir bitte behilflich sein?«

Als wir nebeneinander in der Küche standen, schloß ich leise die Tür und lächelte in Hoschs kalte Augen. Er hielt mich für einen Dummkopf, nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen.

»Ich mache Ihnen ein Angebot, Hosch.«

»Was können Sie mir für Angebote machen?«

»Ich könnte Sie, zum Beispiel, aus dem Gasüberfall raushalten. Die Anklage wegen schwerer Körperverletzung bliebe Ihnen erspart.«

»Ich kann leider nicht folgen.«

»Ich könnte es so arrangieren, daß Sie bei sämtlichen Mordanschlägen nicht erwähnt würden. Würde Ihnen doch gefallen, von nichts gewußt zu haben, oder? Georg Hosch, ahnungslos hineingeschlittert in die verbrecherischen Machenschaften eines Vorgesetzten, der ihn unter Druck oder mit falschen Erklärungen zum Drogendiebstahl angehalten hat. Und die Anklage wegen Mitwisserschaft bei drei Morden wäre vom Tisch. Übrigbleiben würde der im Grunde genommen ehrliche Mensch Georg Hosch, dessen Einfältigkeit von anderen für dunkle Geschäfte ausgenutzt wurde. Der Tip schmeckt Ihnen nicht, ich weiß, aber er erspart Ihnen einige Jahre hinter Gittern.«

»Muß ich mir noch mehr von diesem Blödsinn anhören?«

»Ist kein Blödsinn, das wissen Sie. Mein Angebot lautet folgendermaßen: Ich erzähle die Geschichte ab Auftritt Vasif Ergün, Sie spielen den Trottel und tun so, als würden Sie das heute zum erstenmal hören. Denken Sie sich was aus. Vielleicht dachten Sie, Sie hätten für den Geheimdienst gearbeitet, oder so. Ich lasse den Film ablaufen. Sie regen sich mehr und mehr auf, machen den Entsetzten, sind fassungslos und verzweifelt. Von mir aus fangen Sie an, Futt zu beschimpfen. Das steigern Sie, bis die Rede auf Ahmed Hamul kommt. Da geht Ihnen ein Licht auf. Was ich will, ist: Bei der Schilderung des dritten Mordes finden Sie für sich den Beweis, die Geschichte ist wahr, und man hat Sie tatsächlich drei Jahre lang übers Ohr gehauen. Danach geraten Sie völlig aus dem Häuschen. Bis hierhin haben Sie nämlich immer noch die Hirngespinste eines Privatdetektivs vermutet, doch mit Ahmed Hamuls Tod wird Ihnen klar, ich habe recht. Verstanden?«

Er schüttelte leicht den Kopf.

»Überlegen Sie sich’s. Ein bißchen Theater, weiter nichts. Mitwisserschaft bei Mord und schwere Körperverletzung ist ’ne unangenehme Sache. Skrupel wegen Eiler brauchen wir nicht zu haben. Ob er den Schweinkram alleine gemacht hat oder manchmal zu zweit, hilft ihm vor Gericht auch nicht mehr. Er geht als Erster von euch drauf, so oder so.«

Ein kurzes Grinsen glitt über sein Gesicht, als amüsierte es ihn, ich könnte glauben, er würde wegen Harry Eiler Skrupel haben.

»Müssen sich bald entscheiden. Jetzt servieren wir die Getränke.«

Ich nahm Whisky, Mineralwasser, Orangensaft und Eis. Hosch balancierte ein Tablett Gläser.

Löff und der Staatsanwalt schnappten sich den Orangensaft. Der Rest trank Whisky-Soda.

Wenig später hörten wir ein Schlüsselbund klirren. Alle, bis auf Katrin Futt, hielten den Atem an.

»Paul!«

Ehe ich sie fassen konnte, war sie aufgesprungen und zur Tür gerannt.

»Paul, ich hab nichts gesagt! Glaub mir! Bitte, glaub mir, ich habe nichts verraten, Paul…«

Futt war dabei, sich aus ihrer Umklammerung zu lösen, als er mich am Ende vom Flur erblickte. Er hielt einen Augenblick inne. Dann stieß er seine Frau zu Boden. Sie lag zusammengekrümmt an der Wand und heulte.

Ich winkte ihm mit der Parabellum zu.

Futt steckte den Schlüssel ein und zog sich eine Zigarre aus der Hemdtasche.

»Kommen Sie her, es warten schon alle.«

Er biß ein Ende der Zigarre ab, spuckte es auf den Perser und bewegte sich mit breiten, langsamen Schritten auf mich zu.

»Wer wartet auf mich?«

»Bunte Runde.«

Er trat ins Wohnzimmer, und man sah den Schreck in seinen Augen. Alle nickten ihm leicht zu. Hoschs fragendes Gesicht signalisierte, er wollte den Trottel spielen.

»Setzen Sie sich, Herr Futt. Wir können anfangen.«

»Anfangen, womit?«

»Abwarten.«

Während ich Löffs Kassettenrekorder auspackte und installierte, begann ich meinen Vortrag.

»Am neunzehnten Februar neunzehnhundertneunundsiebzig verursachte Vasif Ergün - bis zu seinem Tod Gastarbeiter dieses Landes - einen Unfall; er fuhr in das Auto von Albert Schönbaum. Er hatte die Vorfahrt nicht beachtet…«

»Tschuldigung, was soll das?«

»Das wissen Sie genau, Herr Futt. Nehmen Sie sich zusammen. Es ist aus. So schlimm wird es für Sie nicht werden, Sie sind Kripokommissar.«

Ich fuhr fort. Erzählte von dem Vertrag, den Vasif Ergün mit Futt und Eiler geschlossen hatte, diktierte dem Staatsanwalt die Adresse von Albert Schönbaum, wies ihn auf vorhandene Akten hin, die meine Geschichte bewiesen, kam dann auf Ahmed Hamuls Einstieg ins Geschäft zu sprechen, gab die Namen von Hanna Hecht samt Freund und Mutter Ergün an, beschrieb den Mord an Vasif Ergün und der Bauerntochter, die Tatwaffe, den Polizeiknüppel, führte als Zeugen Erwin Schöller, Doktor Langner und die Bewohner am Rande Kronbergs auf und endete schließlich kurz vor Ahmed Hamuls Ermordung. Hosch machte seine Sache wunderbar. Futt und Eiler warfen ihm abwechselnd verstörte Blicke zu. Hosch stöhnte, platzte immer wieder mit einem fassungslosen »nein« heraus, raufte sich die Haare, zog am ganzen Leib zitternd an der Zigarette und übertraf, in bezug auf die Darstellung eines Zusammenbruchs, Eiler bei weitem. Als er sich bei meinem Bericht über die verübten Morde für die ersten Tränen vorbereitete, wurde es Futt zuviel.

»Georg! Es ist genug!«

Mit Bedacht hatte ich den Namen Georg Hoschs bisher nicht erwähnt. Dem Staatsanwalt würde er noch früh genug auffallen. Bisher war dieser eifrig mit Notizblock und Stift beschäftigt.

»Um letzte Zweifel auszuräumen, werde ich jetzt ein Band abspielen, auf dem mir Herr Eiler einige Fragen bereitwillig beantwortet hat.«

Eiler wollte gegen die Formulierung protestieren und deutete auf sein zerkratztes Gesicht. Aber Futts Lächeln zeigte ihm, er könnte nichts mehr gewinnen, und er ließ es bleiben.

Das Band lief, und der Fall war so gut wie erledigt. Löff und ich nickten uns zu. Kurz bevor der Name Hosch erwähnt wurde, hielt ich das Band an.

»Bis hier wäre damit alles klar. Bleibt der Mord an Ahmed Hamul.«

»Einen Augenblick, Herr Kayankaya. Was Sie vorgetragen haben, klingt plausibel. Was ich nicht verstehe, ist, warum hier drei Leute als Verdächtige sitzen. In meinen Notizen tauchen bisher nur die Namen Futt und Eiler auf. Dürfte ich fragen, welche Rolle Georg Hosch in der Geschichte spielt?«

»Er hat das Heroin aus dem Drogenlager des Polizeipräsidiums entwendet. Der Auftrag, den Kram jeden Monat zu verbrennen, gab ihm dazu die Möglichkeit. Aber fragen Sie ihn doch am besten selber nach seiner Rolle.«

Der Staatsanwalt nickte Hosch zu.

»Wissen Sie, Herr Staatsanwalt, Sie können es sich vielleicht nicht vorstellen, aber ich bin fassungslos. Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Unglaublich das alles… ich höre mit Entsetzen, in welche Sache ich da hineingeraten bin… schrecklich…«

»Drücken Sie sich ein bißchen deutlicher aus.«

»Aber ich wußte ja von nichts…«

»Hör auf, Georg! Ist ja widerlich! Nimm dich zusammen!«

Futt schlug auf die Tischplatte. Er sah ein, er hatte verloren, und wollte die Sache schnell zu einem Ende bringen.

»Ruhe! Herr Hosch, erzählen Sie!«

Mein Vorschlag mit dem Geheimdienst hatte ihm gefallen. Er beschrieb, wie er vor vier Jahren von Futt ins Drogendezernat geholt worden war. Der habe ihn bald in seine Verbindungen zum MAD eingeweiht und erklärt, Drogen würden in der Welt der Geheimdienste eine erhebliche Rolle spielen. Mit Rücksicht auf den Ruf des MAD dürfe das aber nicht öffentlich werden. Dann, erinnerte sich Hosch, habe ihm Futt die Position des Drogenverbrenners vermittelt, damit er ebenfalls dem Geheimdienst dienen könne. All die Jahre habe er, Georg Hosch, mit gutem Gewissen und im Glauben, dem Staat zu nützen, Heroin entwendet. Nachdem Herr Futt zur Kriminalpolizei gewechselt sei, habe ihn der Lieferauftrag für Stoff schon ein wenig gewundert, aber schließlich sei es der Auftrag eines Vorgesetzten gewesen, und außerdem wisse man beim Geheimdienst ja nie… da sei eben alles möglich. In der Zeitung habe er doch über den CIA ähnliche Geschichten gelesen.

»… vor kurzem allerdings hat mir Herr Futt mitgeteilt, die Lieferungen könnten für eine Weile eingestellt werden, der Bedarf sei bis auf weiteres gedeckt. Das konnte ich mir dann überhaupt nicht mehr erklären…«

Hosch hielt sich an unsere Vereinbarungen. Er kam mir mehr entgegen, als ich gehofft hatte.

Allerdings war nicht zu verhindern, daß Futt lauthals loslachte.

»Schlitzohr, so ein Schauspiel hätte ich dir nicht zugetraut!«

Der Staatsanwalt schaute aufgescheucht von einem zum anderen und schließlich zu mir. Er verlor den Überblick.

»Hören Sie auf zu lachen, Futt! Wir klären jetzt den Mordfall Hamul, danach werden Sie noch genug Zeit zum Lachen haben.«

Futt begnügte sich damit, über alles weitere zu grinsen.

»Ahmed Hamul wurde letzten Freitag, den fünften achten, abends gegen sechs Uhr in einem Hinterhof in der Bahnhofsgegend ermordet aufgefunden. Erwähnte Hanna Hecht hat ausgesagt, Ahmed Hamul wollte aus dem Geschäft aussteigen. Beweis dafür ist ein anbezahltes Haus in Norddeutschland, wo er mit seiner Familie hätte hinziehen können, um der Verfolgung seiner Geschäftspartner zu entgehen. Leider hat er das nicht mehr geschafft.«

Georg Hosch griff sich pathetisch an die Stirn.

»Jetzt verstehe ich! Natürlich, ist doch ganz klar.

Ahmed Hamul sollte umgebracht werden! Dann gab es keinen Verkäufer mehr für meine Heroinlieferungen!«

Ich hatte mich schon die ganze Zeit langsam in Richtung Harry Eiler bewegt. Als er jetzt mit einem Schrei aufsprang und sich auf Hosch stürzen wollte, schlug ich ihn für eine Weile k.o.

Der Staatsanwalt schnappte nach Luft und erhob sich von seinem Stuhl.

»Tut mir leid, das mußte sein. Setzen Sie sich wieder, es ist schon vorbei.«

»… ich bin solche Umgangsformen nicht gewohnt, wenn Sie erlauben.«

»Ich normalerweise auch nicht. Haben Sie alles aufgeschrieben? Den letzten Beweis werden Sie erhalten, wenn Sie nachprüfen, was Harry Eiler am fünften achten abends um sechs Uhr getrieben hat. Sonst wäre der Fall, glaube ich, soweit klar.«

»Sie haben recht. Der Haftbefehl ist sofort auszufertigen.«

»Schwere Körperverletzung in drei Fällen können Sie auch noch in die Anklage mit hineinnehmen.«

Ich gab ihm Hanna Hechts Erpresserbrief. Er las ihn verwundert vor.

»›Futt, Mörder, halt eine Million und ein Kilo bereit.. Wir melden uns. Bis bald!‹ Was soll das?« I »Hanna Hecht, die Freundin von Ahmed Hamul, wußte, mit wem Ahmed die Drogengeschäfte machte. Nachdem er umgebracht worden war, hatte sie dieselben Leute als Mörder im Auge wie wir jetzt und wollte kassieren.«

»Und wieso schwere Körperverletzung?«

»Ich habe den Zettel hier vorhin in dieser Wohnung gefunden und bin sofort zu Hanna Hecht gefahren. Dort war Herr Eiler gerade dabei, saubere Arbeit zu leisten. Sie können die beiden im Krankenhaus besuchen.«

»Muß ich sogar, sind wichtige Zeugen.«

»Der dritte Fall bin ich. Mein Gesicht ist sonst ansehnlicher, das dürfen Sie mir glauben.«

»Ah, ja?«

»Futt hat es verstanden, den Mordfall Hamul an sich zu ziehen, um ihn dann einfach liegen zu lassen; aber er konnte nicht verhindern, daß die Witwe des Toten mich als Privatdetektiv engagierte. Zunächst habe ich einen Drohbrief erhalten, der mich aufforderte, den Auftrag zurückzugeben, und noch am gleichen Abend entging ich direkt vor der Haustür nur knapp einem Fiat. Gestern schließlich besuchte mich ein maskiertes Ungetüm mit Gaspistole, räucherte mein Büro aus und trat mir das Gesicht zu Brei. Machen Sie daraus, was Sie wollen.«

Hosch dankte mir die Einzahl mit einem kurzen Blick.

»Kann ich meinen Anwalt anrufen?«

»Sicher, Herr Futt.«

Wir sahen uns lächelnd an. Futt wollte sich nicht geschlagen geben, schon gar nicht von einem Türken. Ich zündete mir eine Zigarette an und deutete mit dem Daumen hinter mich.

»Bevor Sie Ihren Anwalt anrufen, gehen wir mit dem Herrn Staatsanwalt ins Schlafzimmer, und Sie führen uns Ihre Campingausrüstung vor.«

»Ich hätte mich doch früher um Ihre Lizenz kümmern sollen.«

»Und Sie hätten nicht so gefährliche Geschäfte machen sollen.«

Der Staatsanwalt tippte mir auf die Schulter.

»Bitte, warum müssen wir uns eine Campingausrüstung anschauen?«

»Kann nie schaden.«

Wir gingen nach nebenan, und Futt leerte den Rucksack aus. Die kleinen, in Plastik verschweißten Heroinpäckchen fielen dem Staatsanwalt vor die Füße. Er verstand sofort und nahm sie als Beweisstücke an sich.

»Kann ich telefonieren?« Diesmal lächelte nur ich.

»Klar, Herr Futt, aber rufen Sie vorher bitte im Präsidium an, man soll einen Mannschaftswagen zur Festnahme mehrerer Drogenhändler vorbeischicken! Sie wissen schon, wer dafür zuständig ist.«

Nachdem Futt gegangen war, drückte mir der Staatsanwalt die Hand.

»Gute Arbeit.«

»Danke. Tja, jetzt sind Sie dran.«

»Können Sie sich drauf verlassen.«

Bis die Polizei kam, verbrachten wir die Zeit damit, Hosch vor dem wieder erwachten Harry Eiler zu schützen und Frau Futt aus ihrem Zimmer zu locken. Sie hatte sich eingeschlossen.

Futt zog nachdenklich an seiner Zigarre. Ich mixte mir einen Whisky und setzte mich neben ihn.

»Haben Sie dem Hosch das Theater vorgeschlagen?« Er sah mich nicht an.

»Mhmm.«

»Jetzt kommt er damit durch, aber vor Gericht werd ich auspacken.«

»Ich weiß.«

»Daß der so dämlich ist und sich von Ihnen was aufschwatzen läßt. Das hätte ich nicht von ihm gedacht.«

»War in Panik. Kann mir übrigens nur recht sein, wenn Sie sich vor Gericht gegenseitig zerfleischen… Warum haben Sie mich nicht gleich umgebracht?«

»Gute Frage. Aber die Verbindung zu Ahmed Hamul wäre zu offensichtlich gewesen.«

»Schon übel, wenn man einen Mord vertuschen muß, mit dem man nichts zu tun hat.«

»Mhmm.«

Es klingelte, und die Polizisten kamen wie eine Horde Wilder in die Wohnung gestolpert. Nachdem der Staatsanwalt ihnen erklärt hatte, was Sache war, stürzten sie in eine leichte Identitätskrise. Den Herrn Kriminalkommissar Futt als Heroinhändler und den Kollegen Harry als Mörder zu verhaften, fiel ihnen schwer. Die Kameraden könne man doch nicht einfach einsperren, da liege bestimmt ein Irrtum vor. Schließlich mußte Futt selbst eine Erklärung abgeben und die Festnahme verfügen. Mit Bemerkungen, man hätte doch lieber den Türken verhaften sollen, verließ die Mannschaft samt Staatsanwalt und Verhafteten die Wohnung und machte sich auf den Weg ins Untersuchungsgefängnis.

Zurück blieben Löff, Katrin Futt und ich.

Wir holten die Gattin des Kommissars, setzten sie vor den Fernseher, stellten die Flasche Whisky daneben und verabschiedeten uns.