Kapitel 2: Das Steuerrecht und wie es (nicht) wirkt

Kapitel 2

Das Steuerrecht und wie es (nicht) wirkt

Immer häufiger verlangen Politiker, dass Selbstanzeigen Steuersünder nicht länger vor Strafen schützen sollen. Dabei war es der Staat selbst, der Steuerhinterziehung bei Kapitalerträgen jahrzehntelang in Deutschland begünstigt hat. Bis Mitte der 1990er-Jahre zeigte der Fiskus wenig Eifer, Steuern auf Einkünfte aus Kapitalvermögen einzutreiben. Vor allem nicht mit dem Bankenerlass über Ermittlungen bei Finanzinstituten. Danach durften die Finanzämter von Banken und Sparkassen keine Informationen über Art und Höhe von Konten verlangen. Auch diesbezügliche Stichproben während Betriebsprüfungen bei Banken waren untersagt, ebenso entsprechende Kontrollmitteilungen.

Begründet wurde das seinerzeit mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Banken und ihren Kunden. Denn im Regelfall könnte „davon ausgegangen werden, dass die Angaben in der Steuererklärung der Kunden vollständig und richtig sind“. Einen Quellensteuerabzug gab es nur bei der Körperschaft- und der Kapitalertragsteuer auf Dividenden. Hier lohnte es sich für Steuerpflichtige in den unteren Progressionsstufen sogar, die Erträge in der Steuererklärung anzugeben, um zu viel gezahlte Steuern zurückzubekommen. Bei Zinseinnahmen und Veräußerungsgewinnen innerhalb der Spekulationsfrist zahlte sich dagegen Verschwiegenheit aus, weil die Finanzämter die Angaben hierzu selten nachprüften. Die Ehrlichen waren mal wieder die Dummen.

1991 erklärte das Bundesverfassungsgericht die bis dahin bestehende Regelung wegen des Vollzugsdefizits für verfassungswidrig. Daraufhin führte der Gesetzgeber 1993 die Zinsabschlagsteuer ein, um die Zinserträge an der Quelle abzuzapfen. Folge: Viele Bürger sahen damals nicht ein, dass sie auf die Ersparnisse, die sie von ihrem bereits versteuerten Arbeits- oder Unternehmereinkommen zurückgelegt hatten, ein zweites Mal versteuern sollten. Sie flohen mit ihrem Schwarzgeld, das sie bislang im Vertrauen auf das deutsche Bankgeheimnis angesammelt hatten, in die Steueroasen der Nachbarschaft: nach Liechtenstein, Luxemburg, Österreich und in die Schweiz. Deutsche Banken halfen ihnen dabei mit „getürkten“ Überweisungen – häufig an ihre eigenen Niederlassungen, wie sich später bei den groß angelegten Steuerrazzien Mitte der 1990er-Jahre herausstellte. Auch Landesbanken und Sparkassen waren mit von der Partie – ein weiterer Hinweis auf die staatliche Doppelmoral.

„Die harte Haltung der Steuerfahnder hat Banken und Anleger verunsichert. Ob sie die weitere Steuerflucht beendet, ist mehr als fraglich“, prophezeite damals der „Spiegel“ (Ausgabe 37/1996). Denn: „Gegen die sinkende Steuermoral hilft nur ein gerechtes Steuersystem mit niedrigen Sätzen und einem rigorosen Abbau aller Steuervergünstigungen.“ Diese Analyse ist heute leider immer noch aktuell. Denn durch die ständigen Änderungen und die oft faulen Kompromisse zwischen Klientelpolitik (zum Beispiel Hotelsteuer, ermäßigter Mehrwertsteuersatz) und Etatrücksicht ist das deutsche Steuerrecht im Lauf der Jahre für die Bürger noch komplizierter, undurchschaubarer und weniger verlässlich geworden.

Der Fiskus hat das Recht, die Steuergesetze anzuwenden, auch wenn diese noch so schlecht „gestrickt“ sind. Überzogen handelt der Staat jedoch, wenn er Bürgern, denen er bestimmte Steuersünden ein halbes Leben lang oder länger nachgesehen hat, jetzt mit gnadenloser Strafverfolgung droht. Steuerehrlichkeit hängt auch stark vom Vertrauen der Bürger in die staatlichen Organe ab.

Steuerpolitik im Schatten der Finanzkrise

Im Windschatten der globalen Finanzkrise vollzieht sich ein Paradigmenwechsel im Steuerrecht, der von den Notprogrammen der Mittelmeerstaaten bis zur Haushaltskontroverse im US-Kongress reicht. Ein klarer Trend hin zum Steuerzugriff prägt die Zukunft der Steuerpolitik. Und dies nicht nur, weil die Finanzkrise lang anhaltende Effekte auf die öffentlichen Haushalte zeitigen wird. Schwerer wiegt, dass wir eine fundamentale Neuordnung im Verhältnis zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft erleben. Wie schon erwähnt: Steuerpflichtige sollten genau darauf achten, was vor sich geht. Steigt die Abgabenlast wegen realer Haushaltszwänge oder will ein erstarkender Staat die Grenzen zwischen privater Freiheit und öffentlicher Gestaltungsmacht neu definieren?

Die Situation in Deutschland

Durch die aktuelle Situation wird ein gesellschaftlicher Konsens infrage gestellt, der seit Jahren besteht und folgende Aspekte umfasst:

  • Der Staat übernimmt Aufgaben nur, wenn das freie Spiel der Marktkräfte keine Lösung bereitstellt. Die Staatsquote am Volkseinkommen muss zurückgeführt werden.
  • Die Zahl der Steuern ist auf wenige allgemeine und ergiebige Steuern zurückzuführen, im Kern auf die Einkommen- und die Umsatzsteuer.
  • Der finanzielle Selbststand der Wirtschaft ist zu erhalten. Das erfordert eine Zurückführung von Substanzsteuern, zum Beispiel der Vermögen-, der Gewerbekapital- und der Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen.
  • Der internationale Steuerwettbewerb um mobiles Kapital setzt den Gesetzgeber unter Druck.
  • Die Steuersätze sind bei maßvoller Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zu reduzieren. Bei der Körperschaftsteuer gelang das durch eine mehrere Jahrzehnte dauernde Senkung von 56 auf 15 Prozent, bei der Einkommensteuer auf 42 Prozent.
  • Langfristig ist eine grundlegende Vereinfachung der Ertragsteuern anzustreben. Sei es in Form einer einheitlichen Unternehmensteuer, einer dualen Einkommensteuer oder einer Flat Tax.

2007 war das Ziel zum Greifen nah. Es war das erste Fiskaljahr seit 1969, in dem in Deutschland ein ausgeglichener Bundeshalt wahr zu werden schien. Dann kam die Krise.

Und mit ihr nicht nur ein Einbruch der Konjunktur, eine Gefährdung der staatlichen Einnahmen, sondern auch ein Einbruch beim Grundverständnis der Rolle, die Gesellschaft, Wirtschaft und Staat künftig spielen werden. Der Grund dafür liegt außerhalb der Steuerpolitik. Banken werden als „Spekulanten“ verunglimpft, der Ruf nach dem ebenso starken wie fürsorglichen Staat ist lauter geworden. Ein weit gespanntes Bündnis, das von konservativen Staatsdenkern bis zu sozial geprägten Verteilungspolitikern reicht, betont die Garantiefunktionen und damit auch die Finanzierungsansprüche der staatlichen Träger. Das hat Auswirkungen auf die Fiskalpolitik.

Über Jahrzehnte ist der Ruf nach einer Steuerreform begleitet worden von dem Ruf nach kritischer Prüfung staatlichen Handelns bei den Finanzen. Die notwendige Diskussion um die Legitimation öffentlicher Ausgaben wurde nicht geführt. Man wagt kaum zu hoffen, dass deren Rückführung in einer Gesellschaft gelingt, die das Vertrauen in alternative Lösungen durch die freien Marktkräfte zumindest mittelfristig verloren hat. Gleichzeitig ist auf der Einnahmenseite die Zeit unbegrenzter Schuldenaufnahme vorbei, das verhindern verschärfte Rahmenbedingungen zu Haushaltsdefizit und Staatsverschuldung. Auch wird das Aufnehmen von noch mehr Schulden auf den internationalen Finanzmärkten nicht mehr unbegrenzt finanziert.

Folge: Der Verzicht auf Ausgabenkürzungen, verbunden mit einer Disziplinierung der Schuldenaufnahme, führt dazu, dass die ganze Last der Staatsfinanzierung bei den Steuern abgeladen wird. Alternativen gibt es keine, explodierendes Wirtschaftswachstum ist nicht zu erwarten. Zwar kann eine Inflation die Schuldenlast mildern, dies wäre aber mit höheren Zinsen für die öffentliche Hand verbunden. Nicht die haushaltsneutrale Steuerreform ist daher die aktuelle Forderung, sondern die Steuerreform, die einen ausgeglichenen Haushalt möglich macht. Wenn dem so ist, wird die Zahl der Steuern aber nicht verringert – das Gegenteil ist der Fall. Beim Gesetzgeber erleben wir einen wachsenden Erfindungsgeist:

  • Brennelementesteuer für die Atomindustrie
  • Ticket-Steuer für den Luftverkehr
  • Finanztransaktionssteuer für den Bankenbereich
  • Erhöhung der Grundsteuer in den Bundesländern
  • Einführung der Vermögensteuer in den vermögenspolitischen Programmen

So kann durchaus der Eindruck entstehen, dass die fiskalische Belastungsgrenze der Steuerpflichtigen noch nicht erreicht ist.

Auch der Druck des internationalen Steuerwettbewerbs auf die deutsche Steuerpolitik scheint nachzulassen. Die internationale Staatsschuldenkrise hat dazu geführt, dass die Zeiten eines „race to the bottom“, also eines Wettlaufs um die niedrigsten Steuern, der westlichen Industriestaaten vorläufig vorbei sind. Generelle Senkungen der Körperschaftsteuersätze stehen nirgendwo mehr auf der Tagesordnung. Hinzu kommt, dass der Steuerwettbewerb in erster Linie ein Wettbewerb um Kapitalinvestitionen ist. In einer Zeit weltweit nie gesehener Niedrigzinsen tritt die Steuerbelastung durch Investitionsentscheidungen in den Hintergrund. Auch sind im Kampf gegen Steueroasen Fortschritte erzielt worden. Die Finanzverwaltungen empfinden mehr Solidarität miteinander. Das bedeutet wohl, dass Deutschland – wie andere Staaten – bei der Absenkung der Einkommensteuersätze die Talsohle erreicht hat.

Die Steuerpolitik der kommenden Jahre darf die aktuelle Krise nicht als politischen Vorwand für eine vorschnelle Erhöhung des Staatsanteils und eine Beschleunigung der Umverteilung nehmen. Weder eine Erhöhung der Einkommensteuersätze noch eine Wiederbelebung der Vermögensteuer sind durch die aktuellen Daten begründet. Mittelfristig müssen Ausgaben- und Einnahmepolitik korreliert und auf einen ausgeglichenen Haushalt ausgerichtet werden.

Die Lage weltweit

Um die maroden Staatshaushalte zu sanieren, planen Deutschland, Italien, Spanien und andere EU-Staaten, die Reichen mit höheren Einkommensteuersätzen und Vermögensteuern zur Kasse zu bitten. Und das, obwohl Sparprogramme in den Staatshaushalten und eine europäische Schuldenbremse sinnvoller wären. Vermögensbezogene Steuern brachten den Staaten meist weniger Einnahmen als erhofft.

Auch wird 2012 immer deutlicher, dass Schulden durch das Verschieben von einer Institution zur nächsten nicht verschwinden. Die einzigen langfristigen Lösungen sind:

  • Mehr Wachstum: eine schwierige Aufgabe, wenn die gesamte Wirtschaft und Bevölkerung wie in Griechenland Schulden abbaut.
  • Eine Monetisierung der Schulden – mit dem sich daraus ergebenden Inflationsrisiko.
  • Oder Konkurs mit einer dann zu erwartenden Depression.

14_Vermoegensbez_Steuern.pdf

Während die USA und Großbritannien auf eine sanfte Schuldenreduzierung und -monetisierung setzen, hat sich die Eurozone für die Sparvariante entschieden und befindet sich auf dem Weg zurück in die Rezession. Nur die Schwellenländer haben derzeit genügend Kraft, ihre Wachstumsmotoren weiter am Laufen zu halten. Als negative Risiken für die Weltwirtschaft zeichnen sich folgende Entwicklungen ab: die Verschärfung der Eurokrise, eine deutliche Verlangsamung der US-Wirtschaft und der chinesischen Wirtschaft, die infolge der Kreditkrise in Europa wesentlich schneller abbremst als prognostiziert.

Konjunkturprognosen 2012/2013

Region

Reales BIP-Wachstum in %

Inflation in %

2012

2013

2012

2013

Nord- und Südamerika

USA

2,3

2,6

2,0

1,6

Kanada

2,5

2,1

2,1

2,3

Brasilien

3,3

4,8

5,8

6,5

Asien/Pazifik

Japan

2,5

2,0

–0,1

0,3

Australien

3,2

3,7

2,7

2,7

China

8,5

8,5

3,5

4,0

Indien

7,3

7,8

6,8

7,0

Europa

Eurozone

–0,4

1,1

2,2

2,0

Deutschland

1,0

1,9

1,7

1,5

Frankreich

0,0

0,9

2,5

2,1

Italien

–1,0

0,9

3,3

4,2

Spanien

–2,0

–0,2

1,3

1,8

Großbritannien

0,6

1,4

2,3

1,8

Schweiz

0,9

1,9

–0,5

1,2

Russland

3,5

4,0

5,3

6,9

Welt

2,9

3,5

3,0

3,0

Quelle: UBS

Mit den Schulden der Staaten ist es weit gekommen. Das gilt nicht nur für das Volumen von weltweit über 100 Billionen Dollar, sie erreichen auch in immer mehr Ländern die Schwelle von 90 Prozent der Wirtschaftsleistung. Ab diesem Wert ist die Tragfähigkeit der Lasten kaum noch zu gewährleisten. Das Verhalten der Banken, die Zahlungsunfähigkeit der Hauseigentümer und überschuldete Staaten – diese und andere Resultate der jahrelangen Fehlentwicklung zerstören die Grundlagen der Marktwirtschaft und die Moral der Finanzpolitik. Am Ende haften dann einmal mehr die Steuerzahler. Und zwar nicht notwendigerweise die des eigenen Landes, sondern die anderer Staaten (Transferunion).

15_Staatsschulden.pdf

Ganz ohne Steuern geht es nicht

Um es einmal ganz klar zu sagen: Steuerparadiese sind nicht völlig steuerfrei. Um ihren Staatshaushalt zu finanzieren, erheben die meisten Einfuhrzölle – häufig recht hohe – und vielfältige Verwaltungs- und Registergebühren. Etliche veranlagen zudem Umsatzsteuern. Auch Einwanderer kommen damit in Berührung. Aber in Ländern, die keine Einkommensteuer erheben, vereinfacht sich die persönliche Liquiditätsplanung erheblich. Zu dieser Gruppe gehören Anguilla, die Bahamas, die Bermudas, die Cayman Islands, die Turks and Caicos Islands sowie Vanuatu. Hier gibt es weder Einkommen- noch Vermögen-, Schenkung- oder Erbschaftsteuern. Die wichtigsten Kostenfaktoren in diesen Ländern sind hohe Wohnkosten, Reisekosten und die importierte Inflation. Um auch hier die zunehmende Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen, wollen die Regierungen bestehende Steuern und Abgaben jetzt entschlossener eintreiben.

Die Inseln der Karibik und die Bermudas haben in den letzten beiden Jahrzehnten zahlreiche Immigranten – meist Ruheständler – aus den USA, Kanada und Großbritannien angelockt. Das gelang Vanuatu im Südpazifik beispielsweise bislang nicht, obwohl eine Reihe Hongkong-Chinesen dort Aufenthaltsgenehmigungen bekommen haben. Vermögende deutsche Auswanderer und Steuerflüchtlinge zieht es häufig in die Schweiz, wo sie der „Pauschalisten-Status“ lockt. Statt der progressiven Einkommensteuer zahlen sie eine mit der jeweiligen Gemeinde beziehungsweise dem Kanton individuell ausgehandelte Pauschalsteuer. Rund 5.000 Ausländer nutzen den Steuerstatus, darunter der Ikea-Gründer Ingvar Kamprad, die C&A-Textilhändler Brenninkmeyer, der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne, der Metro-Gründer Otto Beisheim oder der Formel-1-Pilot Michael Schumacher.

Voraussetzungen für die Pauschalbesteuerung sind: Die betreffende Person ist Ausländer ohne schweizerische Staatsbürgerschaft mit Wohnsitznahme in der Schweiz und steuerlichem Wohnsitz in der Schweiz, aber ohne Erwerbstätigkeit in der Schweiz. Bemessungsgrundlage der Pauschalbesteuerung sind für das steuerbare Einkommen die jährlichen Lebenshaltungskosten und für das steuerbare Vermögen das steuerbare Einkommen x 20 (Kapitalisierung mit fünf Prozent, Abweichungen in einzelnen Kantonen). Mindestbemessungsgrundlage ist der fünffache Mietwert. Beispiel: Monatsmiete = 8.333 Schweizer Franken (CHF), jährlicher Mietwert rund 100.000 x 5. Steuerbares Einkommen: 500.000 CHF, steuerbares Vermögen: 10 Millionen CHF. Auf dieser Basis ergeben sich beispielsweise für folgende Gemeinden für 2011 nachfolgende Pauschalbesteuerungen – unabhängig davon, wie hoch das weltweite Gesamteinkommen beziehungsweise das Gesamtvermögen des Steuerpauschalisten tatsächlich ist.

Zug/ZG

148.000 CHF

Lugano/TI

226.000 CHF

Sarnen/OW

131.000 CHF

Basel/BS

260.000 CHF

Freienbach/SZ

103.000 CHF

St. Moritz/GR

189.000 CHF

Frauenfeld/TG

200.000 CHF

Gstaad/BE

261.000 CHF

Ermatingen TG

194.000 CHF

Lausanne/VD

293.000 CHF

Schaffhausen/SH

213.000 CHF

Genf/GE

295.000 CHF

St. Gallen/SG

223.000 CHF

Zermatt/VS

258.000 CHF

Der Kanton Zürich hat 2009 die Pauschalbesteuerung abgeschafft. Viele Millionäre und Milliardäre packten daraufhin ihre Koffer und zogen fort.

Besondere steuerliche Anreize für Vermögende bis hin zu Nullsteuern auf Auslandseinkünfte bieten unter anderem auch Andorra, Barbados, die Channel Islands, Costa Rica, Frankreich, Gibraltar, Irland, die Isle of Man, Italien, Macao, Malta, Monaco, die Niederländischen Antillen, Österreich, Panama, Portugal mit Madeira, Spanien, die Turks and Caicos Islands sowie Zypern. Und die britische Kronkolonie Gibraltar bietet Reichen aus aller Welt wie die Schweiz einen steuerlichen Pauschalistenstatus an. Damit verbunden ist eine jährliche Pauschalsteuer von maximal 20.000 Pfund. Voraussetzungen dafür: ein Vermögensnachweis über mindestens zwei Millionen Pfund und einen Wohnsitz am Fuße des Affenfelsens.

Buhlen um Steuerpflichtige

Am Steuersystemwettbewerb scheiden sich die Geister. Während ihn die einen verteufeln, weil er zu einem ruinösen Steuersenkungswettkampf führe, der den Wohlfahrtsstaat gefährde, ist er für andere Allheilmittel gegen ausufernde Staatstätigkeit und Freiheitsbeschränkung. Dabei bedeutet Steuerwettbewerb das Konkurrieren verschiedener Gebietskörperschaften um Steuerzahler und Besteuerungsobjekte mit den Mitteln des Steuerrechts. Steuerwettbewerb lässt sich sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene beobachten.

National findet er sich in Bundesstaaten, deren Gliedstaaten über eigene Kompetenzen zur Besteuerung verfügen – insbesondere Steuergesetzgebungs- und Steuerertragskompetenzen. Solche Regelungen gibt es beispielsweise in Kanada, der Schweiz und den Vereinigten Staaten. Infolge ihrer weitgehenden Besteuerungsrechte sind die Gliedstaaten für einen Großteil ihrer Steuereinnahmen eigenverantwortlich. Um sich gegenüber anderen Gliedstaaten zu behaupten und ihre Steuereinnahmen zu sichern, versuchen sie, möglichst viele Steuerzahler und Besteuerungsobjekte in ihr Hoheitsgebiet zu locken. Dabei können hohe Steuersätze zu Abwanderungen führen und niedrige Steuern Anreize zur Ansiedlung bieten. In Deutschland ist ein nationaler Steuerwettbewerb nicht gegeben, da wesentliche Steuern durch den Bundesgesetzgeber geregelt werden. Der deutsche Steuerwettbewerb beschränkt sich auf die Kommunalebene, hier gilt das verfassungsrechtlich abgesicherte Hebesatzrecht bei der Gewerbesteuer. Zwar bestehen auch in den Bereichen der Grundsteuer sowie der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern Gestaltungsspielräume für die Kommunen. Insgesamt sind diese aber fiskalisch zu unbedeutend, als dass sich ihretwegen ein ernsthafter Steuerwettbewerb entfalten könnte.

International wird dagegen ein intensiver Steuerwettbewerb ausgetragen. Dabei schreitet weder eine Verfassung noch eine zentrale Gesetzgebungs- oder Rechtsprechungsinstanz als Regulator ein. Um dem internationalen Steuerwettbewerb gewisse Grenzen zu setzen, haben OECD und EU in den letzten Jahren Konzepte entwickelt, die zwischen „akzeptablem“ und „fairem“ sowie „schädlichem“ und „unfairem“ Steuerwettbewerb unterscheiden. Tritt ein Land aus dem Rahmen des akzeptablen oder fairen Steuerwettbewerbs hinaus, haben andere Länder das Recht, steuerliche Gegenmaßnahmen einzuleiten. In der EU wurden zudem in Teilbereichen Steuerharmonisierungen vorgenommen (Zinsbesteuerung). Diskutiert wird derzeit eine EU-weite konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage.

Steuerwettbewerb schadet nicht

Für den einzelnen Bürger und das einzelne Unternehmen hat Steuerwettbewerb eine freiheitssichernde Funktion. Der Zugewinn an Freiheit liegt darin, wählen zu dürfen, unter welchem Steuerregime und mit welcher Steuerbelastung er/es besteuert werden möchte. Da die verschiedenen Staaten unterschiedliche Steuersysteme haben, stehen sie vor einem entsprechenden Angebot. Die Wahlmöglichkeit ist nicht rein theoretischer Natur: Untersuchungen zeigen für den nationalen wie den internationalen Steuerwettbewerb, dass Standortwahl und Investitionsentscheidungen auch von steuerlichen Bedingungen abhängen. Die Staaten wiederum setzen ihre Steuerrechtsordnungen systematisch ein, um Steuerzahler und Kapital anzuziehen.

Dass Bürger und Unternehmen wählen können, kann zu einem regelrechten Buhlen um Steuerzahler führen und damit zu einer grundlegend anderen Einstellung der Steuerverwaltung gegenüber dem Steuerzahler. Bestes Beispiel dafür ist die Schweiz: Der Wettbewerb zwischen den Kantonen führt dazu, dass der Steuerzahler als Kunde behandelt wird, nicht als lästiger Untertan, der Steuern zu zahlen und sich um sämtliche damit zusammenhängenden Fragen und Formalien selbst zu kümmern hat. Dies schürt den nationalen Steuerwettbewerb in der Schweiz, aber auch das Auftreten einzelner Kantone im internationalen Steuerwettbewerb. Die Kantone – darunter zum Beispiel Thurgau am Südufer des Bodensees – werben international mit ihren vorteilhaften Steuerbedingungen, bieten Hilfestellungen bei Wohnsitz- und Unternehmensumsiedlungen und den damit verbundenen Steuerfragen an. Andere Nationen haben nachgezogen und bewerben ihre Länder im internationalen Steuerwettbewerb ähnlich. Für Bürger oder Unternehmen handelt es sich hier um Dienstleistungen, die sie von eigenen Belastungen befreien, etwa den Kosten für Recherchen oder Behördenvorgänge.

Der Steuerwettbewerb ermöglicht dem Steuerzahler größere politische Freiheit. Schließlich kann er über die Abwanderung in einen anderen Staat deutlich machen, dass er mit der Steuerpolitik der Regierung in seinem Heimatland nicht einverstanden ist. Der Steuerwettbewerb gibt dem einzelnen Steuerzahler einen Vergleichsmaßstab für die Steuerpolitik seines Staates an die Hand. Er kann dessen steuer- und finanzpolitisches Handeln mit dem anderer Staaten vergleichen und daraus Schlussfolgerungen bezüglich der Leistung seiner Regierung ziehen. Damit wird die Steuerpolitik für Bürger und Unternehmen überschaubarer und überprüfbarer. Auf Regierungsebene führt dies dazu, dass die Steuerpolitik anderer Staaten im Auge behalten wird.

Steuerwettbewerb begrenzt darüber hinaus die ansonsten unbegrenzte Besteuerungsgewalt des Staates und beschränkt die Macht der Politiker. Weil Steuerzahler und damit Kapital abwandern könnten, kann ein Staat seine Steuergewalt nicht hemmungslos ausüben. Und Politiker werden davon abgehalten, mit der Steuerpolitik eigene Interessen zu verfolgen. Eine Beschränkung der Steuerhöhe und gegebenenfalls auch Steuersenkungen gehen damit einher. Der Steuerwettbewerb schützt Bürger und Unternehmen also vor einer übermäßigen Besteuerung.

Wie sich Steuerwettbewerb auswirkt

In der Praxis zeigt sich dieses Phänomen auf internationaler Ebene durch sinkende Steuersätze im Bereich der Unternehmen- und Kapitalertragsteuern. Unklar ist allerdings, ob auch das reale Aufkommen dieser Steuern gesunken ist, da sich parallel zu den niedrigeren Steuersätzen die Steuerbasis verbreitert hat. Deutlicher sind die Ergebnisse auf nationaler Ebene: Für die Schweiz wurde nachgewiesen, dass Steuerwettbewerb die Einnahmen- und Ausgabenneigung des Staates nachhaltig beeinflusst, der Steuerwettbewerb wirkt sich disziplinierend auf die öffentlichen Haushalte aus. Er führt auch zu einem geringeren Umfang der Staatsfinanzen und damit einer geringeren Staatstätigkeit. Und eine weitere Erkenntnis liefert die Schweiz: Im Steuerwettbewerb erhöht sich der Anteil von Gebühren und Beiträgen an den Gesamteinnahmen des Gliedstaates (Kanton). Damit kommt es zu einer stärkeren Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, es müssen somit nur diejenigen Steuerpflichtigen für eine staatliche Leistung bezahlen, die sie auch tatsächlich in Anspruch nehmen.

Weder nationaler noch internationaler Steuerwettbewerb bringt geringere Staatseinnahmen mit sich. In erster Linie ist das auf die effizienzsteigernde Wirkung zurückzuführen, die der Steuerwettbewerb auf die Bereitstellung des öffentlichen Leistungsangebots hat: Der Staat muss sich nicht nur mit seinen Einnahmen, sondern auch mit seinen Ausgaben zurücknehmen. Er muss sich überlegen, wofür er sein Geld einsetzt und wie die Ausgaben am besten ihren Zweck erreichen. Nationaler und internationaler Steuerwettbewerb ist daher nur zu begrüßen.

Hervorgetan beim Buhlen um deutsche Steuerflüchtlinge haben sich auch die Banken in den grenznahen Orten in Österreich Kufstein, Salzburg, Bregenz, vor allem aber in den Zollexklaven Jungholz in Tirol und Kleinwalsertal in Vorarlberg. Die waren von Deutschland aus ohne lästigen Grenzübergang zu jeder Zeit erreichbar. Vor allem für den Schwarzgeldtransport von Süddeutschland waren sie ein leichtes Ziel. Weitere Vorteile: Die Kontoführung erfolgt nach österreichischem Recht, Ein- und Auszahlungen sind als Inlandsüberweisung beim Bundesfinanzministerium für Finanzen trotz Ausland nicht meldepflichtig, im Verdachtsfall haben deutsche Steuerfahnder keine Zugriffsmöglichkeit auf Konten und Depots, es geht keine Erbschaftsteuermeldung an deutsche Finanzbehörden und Vertragsabschlüsse zugunsten Dritter sind möglich.

Zu den Banken in Jungholz zog es vor allem Handwerksmeister, Kleinunternehmer und Freiberufler aus dem Raum Stuttgart, Ulm, Memmingen und Kempten. Sie lieferten dort in regelmäßigen Abständen ihre mit Schwarzgeld prall gefüllten Geldbeutel ab. Urlauber hingegen aus dem Rheinland, Norddeutschland und Berlin nutzen ihren Aufenthalt in der Region Oberstdorf, um einen Abstecher zu den Geldhäusern im Kleinwalsertal zu machen. Zur Hochzeit waren in den beiden Zollexklaven bis zu zehn Milliarden Euro geparkt, davon schätzungsweise 90 Prozent Schwarzgeld. Österreich war als Steueroase für Schwarzgeld und Geldwäsche bis Ende 2010 ein attraktives Ziel. Rund 100 Milliarden Euro sollen allein deutsche Anleger beigetragen haben.

Die waren mit ihrem Schwarzgeld in der Alpenrepublik zwar sicher. Vor eigenen Fehlern schützte sie das aber nicht.

FEHLER MIT FOLGEN

So wie ein älteres Arzt-Ehepaar aus Kempten. Gemeinsam hatte es Mitte der 1990erJahre eine Erbschaft von 350.000 D-Mark schwarz in Jungholz angelegt. Durch gute Anlage, bei der die steuerlichen Spekulationsfristen immer berücksichtigt worden waren, und geringe Entnahmen waren daraus bis 2008 rund 400.000 Euro geworden. Da die Tochter bauen wollte, nahmen die Eltern die ahnungslose Tochter mit zur Bank, ließen ihr 100.000 Euro Baukostenzuschuss schenkungsweise bar auszahlen und gaben ihr Kontovollmacht als Mit-Kontoinhaberin. Damit sollte die Tochter auch dann über das Konto verfügen können, wenn die Eltern gesundheitlich dazu nicht mehr in der Lage wären.

Doch damit nahm die Katastrophe ihren Lauf. Durch den Status „Kontoinhaberin“ – im Unterschied zur deutschen „Zeichnungsbefugten“ – war rechtlich eine zusätzliche Übertragung von jedem Elternteil in Höhe von jeweils 50.000 Euro erfolgt. Die erhaltenen 100.000 Euro waren damit schenkungsteuerpflichtig, wenn auch aktuell innerhalb der schenkungsteuerlichen Freibeträge. Der Transport der 100.000 Euro in bar nach Deutschland war eigentlich anmeldepflichtig, was durch den fehlenden Grenzübergang aber nur bei einer Kontrolle der Schleierfahndung zum Tragen gekommen wäre. Die Einzahlung auf das deutsche Konto der Tochter war durch die Bank im Rahmen des Geldwäschegesetzes zu überprüfen und erfolgte auch. Und: Nachdem die Kontoinhaberschaft erteilt worden war, erzielte die Tochter zudem Einnahmen aus einer Auslandsanlage, die sie in ihrer Einkommensteuererklärung deklarieren musste. Da Auslandszinsen, auch zu Zeiten der Abgeltungsteuer, in der Einkommensteuererklärung aufzuführen sind, ließ die Frage vom Finanzamt nach der Herkunft des Geldes nicht lange auf sich warten.

Neun Wochen später erhielt das Arzt-Ehepaar wegen der Bankeinzahlung der Tochter unangemeldeten Besuch der Steuerfahndung, die klären will, woher das Geld stammt. Konsequenz: nachzuzahlende Steuer für Zinserträge 1999 bis 2008 bei einem Grenzsteuersatz von 25 Prozent in Höhe von 10.000 Euro, nachzuentrichtende Hinterziehungszinsen für 1999 bis 2008 rund 3.300 Euro und eine Geldbuße von 15.000 Euro. Hätte das Arzt-Ehepaar sich wegen der Übertragung des Geldes auf die Tochter selbst erklärt, hätten die Zinserträge für 1999 bis 2008 bei einem Grenzsteuersatz von 25 Prozent 10.000 Euro und die Hinterziehungszinsen 3.300 Euro betragen. Aufgrund der Richtigstellung wäre das Ehepaar straffrei geblieben.

Heute wollen die österreichischen Banken von Schwarzgeld aus dem Ausland nichts mehr wissen. Um Schwarzgeldbesitzer abzuwehren, wurden die Einstiegshöhen für Neukunden in den Banken der Zollexklaven auf 250.000 bis 300.000 Euro heraufgesetzt. Ihren Altkunden mit Schwarzgeldkonten empfehlen die Geldhäuser, sich selbst anzuzeigen oder sich anderweitig nach einer Bankverbindung im Ausland umzusehen. Von Vorteil ist dabei, dass Kunden hier – anders als bei vielen Schweizer Banken – ihr Schwarzgeld Mitte 2012 noch bar abheben können. Meist handelt es sich um Beträge unter 500.000 Euro, die dann unters Kopfkissen wandern, auf die Kinder aufgeteilt oder verbraucht werden. Nicht von ungefähr verzeichnen vor allem Juweliere und Uhrenhändler in der Schweiz und Deutschland Ende 2011/Anfang 2012 hohe Zuwachsraten. Dabei legt der Verkauf von Golduhren am stärksten zu. „Swiss made“ am Handgelenk statt Schwarzgeld im Banktresor, so lautet bei Steuerflüchtlingen heute die Devise.

Besteuerungsrecht: Wohnsitz- oder Territorialprinzip

Die traditionelle Art der Besteuerung ist das Territorialprinzip. Dessen Wurzeln reichen bis zur Französischen Revolution: Der Staat belastet die Steuerquellen in seinem Territorium. An dem Ort also, wo konsumiert wird, Gehälter ausbezahlt, Gewinne aus Realkapital oder Finanzkapital erwirtschaftet oder Erlöse aus Grund und Boden oder Immobilien erzielt werden. Vermögensinhaber und ihre Banken, die internationale Vermögen verwalten und Steuern optimieren, bleiben im legalen Bereich, wenn dieses Geld schon besteuert ist oder im Rahmen der Bankdienstleistung am Ort noch besteuert wird.

Mit ausländischen Finanzverwaltungen entstehen so keine Konflikte. Im Gegenteil, der Steuerabzug trägt dazu bei, dass die Regierungen die Steuern so weit senken, dass die am Ort verursachten Kosten für wirtschaftliche Aktivität in der Tendenz gedeckt werden und sich im Großen und Ganzen das Äquivalenzprinzip von Leistung gleich Gegenleistung durchsetzt. Fiskalischer Imperialismus entsteht jedoch, wenn Staaten versuchen, vom Territorialprinzip der Besteuerung auf das Wohnsitzprinzip überzugehen. Also vom Bürger verlangen, seine aus weltweiten Quellen erzielten Erträge offenzulegen und der nationalen Besteuerung zu unterwerfen.

Mit dem Wohnsitzprinzip geht der Fiskus über die Staatsgrenzen hinaus. Er wendet nationales Recht exterritorial an, um Steuererträge aus anderen Ländern zu vereinnahmen. Bei Konsum und Arbeit kommt das selten vor. Bei Kapital, insbesondere bei von Banken verwaltetem Finanzkapital, entsteht jedoch eine Lücke zwischen „Produktionsort“ und Wohnort. Die Steuer nach dem Produktionsort wird vergleichsweise niedrig, die nach dem Wohnort oft hoch sein. Wenn der Bankkunde infolgedessen seine Steuerdaten nicht an den Wohnsitzfiskus meldet, lässt sich das Wohnsitzprinzip nicht durchsetzen.

Der Fiskus am Wohnsitz muss anerkennen, dass sein Imperialismus Grenzen hat. Auch von der Regierung des Staates, in dem sich das Steuerobjekt befindet, kann der Wohnsitzfiskus keine Kooperation erwarten. Denn für nationale Regierungen ist das Territorialprinzip die dominante Strategie. Und: Die Besteuerung kann bei Leistung gleich Gegenleistung nicht unterboten werden.

Das Wohnsitzprinzip ist demgegenüber schwach, weil es auf der Trennung von Leistung und Gegenleistung beruht und daher dem Wettbewerb nicht standhält. Stabilität erhält es erst dadurch, dass Regierungen Doppelbesteuerungsabkommen abschließen. Diese werden notwendig, weil die Finanzverwaltungen trotz ihres Credos für das Wohnsitzprinzip als angeblich legitime Art der Besteuerung möglichst auch noch das Territorialprinzip praktizieren, was zu Doppelbesteuerung führt. Mit ihren Doppelbesteuerungsabkommen versuchen Regierungen dann, diese Belastungen durch gegenseitiges Anerkennen von Steuerzahlungen zu mindern. Wichtig ist für die Staaten aber auch, dass solche Abkommen als Vehikel dafür dienen, den gegenseitigen steuerlichen Informationsaustausch über Kapitaleinkommen zu vereinbaren. Damit geben sie dem Wohnsitzprinzip die Stabilität, die es von sich aus nicht hat.

Unter diesen Voraussetzungen sieht sich ein Kapitalanleger mit der Aufgabe konfrontiert, sich durch die meist viele Hundert Seiten langen Doppelbesteuerungsabkommen hindurchzukämpfen – oder aber er gibt frustriert auf. Hinzu kommt, dass die Berechnung des Doppelbesteuerungsausgleichs in den meisten Fällen für den Wohnsitzfiskus kein Geschäft darstellt. Vernünftigerweise sollten es die Staaten daher beim Territorialprinzip belassen. Davon profitiert auch das Wohnsitzland, weil es dann die bei sich im Land erhobenen Steuern behalten darf. Doch stattdessen verbeißen sich die Regierungen in immer komplexere rechtliche Konstruktionen.

Doppelbesteuerungsabkommen allein garantieren den Regierungen auch deswegen keine Stabilität, weil die Inhaber von Finanzkapital mobil sind und sich andere Standorte suchen. Sie platzieren ihr Kapital dann eben in Staaten, die das Territorialprinzip praktizieren, und lassen ihr Geld dort verwalten. Sie nutzen die sogenannten Steueroasen, weil hier die vereinnahmten Steuern als Gegenleistung für die Standortkosten des Finanzkapitals wettbewerbsfähig sind. Statt dies einzusehen, versuchen Regierungen das Wohnsitzprinzip auf Biegen und Brechen durchzusetzen. Indem sie es multilateral vereinbaren, soll ein Ausweichen ausgeschlossen werden.

Ausdruck davon ist das OECD-Rahmenabkommen mit dem Artikel 26 über „die Verpflichtung zum gegenseitigen steuerlichen Informationsaustausch“. Auch die Staatengemeinschaft G-20 hat sich den „weltweiten steuerlichen Informationsaustausch“ auf ihre Fahne geschrieben und dies mit Sanktionen untermauert. In Deutschland dient hierzu beispielsweise das sogenannte Steueroasengesetz von 2009. Darin sind besondere Maßnahmen für Unternehmen und Privatpersonen vorgesehen, deren Wohnsitzstaaten keinen „hinreichenden Informationsaustausch“ nach dem OECD-Rahmenabkommen gewähren:

  • Einschränkung bestimmter steuerlicher Regelungen bei Geschäftsbeziehungen zu Staaten oder Gebieten, die schädlichen Steuerwettbewerb betreiben: So sollen beispielsweise Betriebsausgaben nicht mehr ohne Weiteres abgezogen werden können, wenn die Zahlungen an eine Person oder ein Unternehmen in einer Steueroase geleistet werden. Auch grenzüberschreitende Dividenden und Veräußerungsgewinne zwischen Tochter- und Muttergesellschaft sollen von der Steuerfreiheit beziehungsweise der Abgeltungsteuer ganz oder teilweise ausgeschlossen werden können.
  • Erweiterte Mitwirkungs- und Aufbewahrungspflichten natürlicher Personen in Bezug auf Kapitalanlagen im Ausland: So werden Steuerpflichtige mit Geschäftsbeziehungen zu Steueroasen verpflichtet, hierüber Angaben zu machen und die entsprechenden Bankinstitute von ihrer Verschwiegenheitspflicht zu entbinden.
  • Erweiterte Prüfungsrechte der Finanzbehörden.

Personen und Unternehmen werden somit in eine Art Beugehaft genommen, wenn ihre Regierungen den OECD-Regeln in deutscher Interpretation nicht nachkommen. Gleichzeitig stellt Deutschland die mit anderen Staaten geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen auf den Prüfstand. In Neuverhandlungen wird dabei versucht, die steuerlichen Regelungen anderer Staaten so zu beeinflussen, dass das Besteuerungsrecht erheblich zugunsten Deutschlands ausgeweitet wird. Weigert sich der Vertragspartner, die vorgeschlagenen Regelungen oder Änderungen seiner inländischen Besteuerung zu akzeptieren, wird mit Kündigung des Doppelbesteuerungsabkommens gedroht – und dann hätte Deutschland wieder das uneingeschränkte Besteuerungsrecht.

Steuerliche Folgen in der Heimat bei Wegzug ins Ausland

Eine der größten Errungenschaften der EU ist, dass die Bürger ihrer Mitgliedsländer (fast) frei von einem ins andere Land umziehen können. Dies hat in den letzten Jahren zu einem wahren Steuerflüchtlingskarussell geführt. Doch ebenso wie Deutschland entlassen auch andere Industrieländer Emigranten nicht ohne Weiteres aus ihren fiskalischen Pflichten. Steuerbehörden zeigen sich nur dann wohlwollend, wenn Steuerpflichtige, die zeitweise im Ausland arbeiten oder Geld im Ausland investieren, ihre Einkünfte mit in die Heimat bringen.

Deutschland: Mit Aufgabe des Wohnsitzes und/oder des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland tritt an die Stelle der unbeschränkten Steuerpflicht die erweiterte beschränkte Steuerpflicht (§§ 2 bis 5 Außensteuergesetz, AStG), wenn der Wegzügler in ein Land mit Niedrigbesteuerung zieht und weiterhin inländische Einkunftsquellen hat.

Zu den Gebieten mit niedriger Besteuerung im Sinne des § 2 Abs. 1 AStG (Steueroasen) gehören:

  • Gebiete, in denen keine Einkommensteuer erhoben wird: Andorra, Bahrain, Campione, Monaco, Bahamas, Bermudas, Turks and Caicos Islands, Tonga, Neue Hebriden
  • Gebiete, in denen unter 31,2 Prozent Steuer erhoben wird: Channel Islands, Gibraltar, Isle of Man, Liechtenstein, Schweiz (außer in den Kantonen Genf, Neuenburg, Wallis und Waadt sowie in einzelnen Gemeinden der Kantone Aargau, Bern, Luzern, Tessin, Thurgau und Zürich), Angola, Niederländische Antillen, St. Helena
  • Gebiete, in denen eine wesentliche Vorzugsbesteuerung besteht: Schweiz (Besteuerung nach dem Verbrauch bei der direkten Bundessteuer), Panama (steuerfrei sind ausländische Dividenden sowie Einkünfte aus im Ausland getätigten Geschäften)

Dänemark erhebt eine Steuer in Höhe von 30 Prozent auf an Emigranten gezahlte Zinsen, die mindestens fünf von zehn der Jahre ortsansässig waren, die der Abreise vorangegangen sind.

Frankreich befreit Auslandseinkommen von der Steuer, wenn der Arbeitnehmer im Ausland wenigstens zwei Drittel der französischen Steuer zahlt.

In Großbritannien müssen Emigranten selbst nachweisen, dass sich nicht nur ihr Wohnsitz, sondern auch ihr gewöhnlicher Aufenthalt geändert hat. Ist das nicht der Fall, werden britische Emigranten mit Sitz im Ausland so behandelt, als hätten sie ihr Domizil nach wie vor in Großbritannien. Während dieser Zeit unterliegt ihr Vermögen im Todesfall auch der britischen Erbschaftsteuer.

Italiens Steuerbehörden sind gnadenlos. Der Einkommensteuerkodex sieht grundsätzlich vor, dass ein italienischer Staatsbürger in Italien ansässig bleibt, wenn er in eine Steueroase emigriert. Die Beweislast einer Ansässigkeit außerhalb Italiens liegt beim Emigranten.

Kanada: Wegzüglern wird eine „Abreisesteuer“ auferlegt. Dabei werden sie so behandelt, als hätten sie ihr ganzes Vermögen zu einem fairen Marktwert verkauft. Die Zahlung der Abreisesteuer kann aufgeschoben werden, indem Sicherheiten bei den Steuerbehörden hinterlegt werden. Kapitalerträge aus diesen Sicherheiten unterliegen während dieser Zeit der kanadischen Einkommensteuer.

Niederlande: Emigranten, die wesentliche Aktienanteile an einer niederländischen Gesellschaft halten, müssen eine „Wegzugsteuer“ zahlen, wenn der Aktienanteil innerhalb von zehn Jahren nach der Auswanderung verkauft wird.

Spanien: Spanier, die ihren steuerlichen Wohnsitz aufgeben, werden, wenn sie in eine Steueroase ziehen, noch vier Jahre nach Aussiedlung so besteuert, als ob sie in Spanien ansässig wären.

USA: US-Bürger müssen ihr weltweites Einkommen ohne Rücksicht auf den Wohnsitz versteuern. Einkünfte aus Auslandsquellen können nur dann von der Steuer befreit werden, wenn die Person dauernd oder zeitweise im Ausland lebt. Dabei können im Ausland gezahlte Steuern von den US-Steuern abgezogen werden. Ausgenommen sind Steuerzahlungen in Kuba, im Irak und (noch) in Libyen.

Andere Länder, die sonst das weltweite Einkommen – auch ihrer Emigranten – besteuern, haben Sonderregelungen für Devisen, die in die Heimat überwiesen werden. Dazu gehören unter anderem Indien, Nigeria, Pakistan, die Philippinen und Singapur.

Emigranten sollten also nie vergessen, dass so manche Steuerersparnis im Ausland von den Finanzbehörden in der alten Heimat zunichte gemacht wird. Sinnvoll ist es daher, sich vor dem Wegzug – vor allem in ein Niedrigsteuerland – genau über die steuerliche Situation im Zuzugsland und die steuerlichen Konsequenzen eines Wegzugs in der alten Heimat erkundigen. In vielen Steuerparadiesen entstehen zudem hohe Lebenshaltungskosten, das gilt vor allem für Wohnkosten.

Wer als Steuerpflichtiger dem Fiskus in der Heimat entkommen will, sollte unbedingt diese Punkte beachten:

  • Die Zelte in Deutschland müssen – für alle ersichtlich – abgebrochen werden. Dazu gehört eine Abmeldung beim Einwohnermeldeamt ebenso wie eine „Nullstellung“ beim Wohnsitzfinanzamt und eine Verzichtserklärung zum Wahlrecht.
  • Die bisherige Wohnung beziehungsweise das Haus muss aufgegeben werden. Indizien dafür: Miet-/Kaufvertrag mit Fremden, Abmelden von Telefon, Strom und Wasser.
  • Das Auto muss in Deutschland abgemeldet und im Zuzugsland angemeldet werden.
  • Der Pass sollte nur im Ausland verlängert werden (Konsulat).
  • Künftig muss alles vermieden werden, was Rückschlüsse auf einen Aufenthalt in Deutschland zulässt: Hotel- und Restaurantrechnungen, Mietverträge, Postanschriften, Strafmandate, Einkäufe mit Kreditkarte.

Wer hier sündigt, bekommt Probleme mit dem deutschen Fiskus. Eine Matratze unter dem Dachboden wurden seinerzeit beispielsweise Boris Becker und Steffi Graf steuer- und strafrechtlich zum Verhängnis, ein Nebenwohnsitz in Berlin Ende 2011 dem in Monaco lebenden Topmodel Nadja Auermann.

Doch damit nicht genug. Der Fiskus greift bei Wegzüglern auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu: Zwar locken Länder oder einzelne Kantone in der Schweiz vor allem vermögende ältere Ausländer damit, dass dort keine Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu zahlen ist. Doch Deutsche sollten wissen, dass für sie eine rückwirkende Erbschaftsbesteuerung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) (unbeschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuer) gilt. Danach müssen Erben eines ins Ausland ziehenden Deutschen im Einzelfall deutsche Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuer zahlen, und zwar unabhängig davon, wo sie selbst ansässig sind:

  • In den ersten fünf Jahren nach dem Wegzug sind die Erben mit dem gesamten Vermögensanfall in Deutschland erbschaftsteuerpflichtig. Erst ab dem sechsten Jahr beginnt die aus dem AStG folgende erweitert beschränkte Steuerpflicht für die Erbschaftsteuer.

Tipp: Um dem zu entgehen, sollten bei einem Wegzug alle Konten und Depots in Deutschland gelöscht werden.

  • Für ein in Deutschland gelegenes Grundstück/eine Immobilie ist immer Erbschaftsteuer zu zahlen – auch nach Ablauf von zehn Jahren (beschränkte Erbschaftsteuerpflicht). Dabei können mögliche Erbschaftsteuern im Zuzugsland angerechnet werden.

Ein Wegzug aus erbschaft- beziehungsweise schenkungsteuerlichen Gründen gestaltet sich also schwieriger als jener aus ertragsteuerlichen Motiven. Das beruht einerseits darauf, dass die unbeschränkte Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuerpflicht in Deutschland nicht nur an den Erblasser/Schenker anknüpft, sondern eine Erbschaft beziehungsweise Schenkung unbeschränkt der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt, wenn der Erwerber seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.

Wegzugbesteuerung bei Unternehmen

Nicht nur, wenn Privatpersonen ins Ausland ziehen, langt der deutsche Fiskus zu. Er besteuert auch die grenzüberschreitende Verlagerung von Vermögenswerten bei Unternehmen. Dabei setzt er einen fiktiven Verkauf der Vermögenswerte an und besteuert diese unmittelbar bei Grenzübertritt, wenn der Fiskus das Besteuerungsrecht verliert. Wird also beispielsweise ein Vorprodukt in eine Betriebsstätte nach Frankreich zur Endmontage verschickt, muss der Wert des Produkts versteuert werden. Und dies, obwohl es nur unternehmensintern bewegt wurde und ein Verkauf noch gar nicht erfolgt ist.

Auch wenn immaterielle Wirtschaftsgüter wie Marken, Patente oder Kundenbeziehungen an eine Tochtergesellschaft im Ausland übertragen werden, wird sofort Wegzugsteuer fällig. Für Unternehmen kann dies eine enorme Belastung darstellen, ohne dass materiell ein Wertgegenstand das Land verlässt.

Nach einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) (Az. C-371/10) muss es einem Unternehmer möglich sein, die auf die grenzüberschreitende Übertragung anfallende Steuer zinspflichtig stunden zu lassen, statt diese – wie bisher – sofort zu begleichen. Allerdings muss dann jährlich nachgewiesen werden, dass für das überführte Wirtschaftsgut im Ausland kein Realisationsakt – also beispielsweise ein Verkauf – stattgefunden hat. Maßgeblich für die Steuerhöhe ist der Wert zum Zeitpunkt der Verlagerung ins Ausland. Eine spätere Wertentwicklung bleibt dagegen unbeachtet.

Indem der EuGH nun eine Stundung zulässt, gewinnen die Unternehmen wieder den Spielraum für wirtschaftlich sinnvolle Gestaltungen zurück. Allerdings fordert er im Gegenzug umfangreiche Mitwirkungs- und Nachweispflichten. So kann der Staat, der das Vermögen abgibt, die Steuerstundung von einer Bankgarantie abhängig machen. Die Bundesregierung wird nicht umhin kommen, als Folge des EuGH-Urteils die Wegzugsteuer für Unternehmen zu reformieren.

Besteuerung von Auslandseinkünften deutscher Unternehmen in der Heimat

Wenn deutsche Kapitalgesellschaften Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften halten, werden Dividenden und Veräußerungsgewinne steuerfrei gestellt. Werden die Gewinne an deutsche Anteilseigner direkt ausgeschüttet, unterliegen diese dem Halbeinkünfteverfahren. Dies gilt auch für offene Handelsgesellschaften (OHG), Kommanditgesellschaften (KG) und Einzelunternehmen, wenn diese nach dem Optionsmodell eine Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft wählen.

Kapitalgesellschaften, die Filialen im Ausland unterhalten, sollten prüfen, ob es vorteilhaft wäre, diese in selbständige Tochtergesellschaften umzuwandeln. Besteht für sie keine Steuerfreiheit für die Gewinne aus den Auslandsniederlassungen, kann sich die Umwandlung in eine Tochtergesellschaft lohnen. Für Auslandsinvestitionen deutscher OHGs, KGs oder Einzelunternehmen gilt: Gehören zum Privatvermögen Beteiligungen an Auslands-Kapitalgesellschaften, werden deren Ausschüttungen bei den deutschen Beteiligten nur zur Hälfte steuerpflichtig. Einkommen aus Auslandsbetrieben bleiben in der Regel steuerfrei. Gewinne ausländischer Töchter deutscher Unternehmen sind in Deutschland steuerpflichtig, auch dann, wenn diese nicht ausgeschüttet werden. Voraussetzungen dafür sind:

  • Der Gewinn der ausländischen Gesellschaft ist in ihrem Land mit einer Steuer von weniger als 25 Prozent belastet.
  • Die Anteile der Auslandsgesellschaft müssen zu mehr als zehn Prozent deutschen Privatpersonen oder Unternehmen gehören.
  • Die ausländische Gesellschaft muss sogenannte passive Einkünfte erwirtschaften. Hierunter fallen die Einkünfte von Partnergesellschaften, aber auch Auslandsgesellschaften, die nur für verbundene Unternehmen tätig sind.