Nachwort: Die Steuerkarawane zieht weiter

Nachwort

Die Steuerkarawane zieht weiter

Die Finanzminister sind nicht zu beneiden. Seit Jahrzehnten versuchen die Waigels, Steinbrücks und Schäubles die Deutschen zur Steuerehrlichkeit zu erziehen. Mit zweifelhaftem Erfolg: Mitte 2012 lagern noch immer rund 250 bis 300 Milliarden Euro Schwarzgeld in der Schweiz und anderen Offshore-Finanzzentren. Vermögen, auf das keine Steuer gezahlt wird. Was haben die Kassenwarte nicht alles versucht: Quellensteuer, Amnestie, Abgeltungsteuer, die Möglichkeit zur Selbstanzeige. Das Ergebnis ist überschaubar, die Schwarzgeldkonten im Ausland bleiben prall gefüllt. Unehrlichkeit, so kalkulieren offenbar zahlreiche Deutsche, zahlt sich immer noch aus. Und das, obwohl Steuerhinterziehern bei hohen Summen Gefängnis droht.

Doch bislang ist kaum ein bekannter Steuerbetrüger im Gefängnis gelandet. Bei Klaus Zumwinkel, der über 20 Jahre hinweg insgesamt rund vier Millionen Euro über eine Liechtensteiner Stiftung hinterzogen hatte, wurde vom Gericht „die Lebensleistung“ als mildernder Umstand gewertet. Auch Boris Becker oder Paul Schockemöhle mussten nicht in eine Zelle, obwohl sie jeweils Steuern in Millionenhöhe hinterzogen hatten. Genau das aber würde Steuersünder abschrecken. Solange sich Vermögende mit Geld freikaufen können, lassen sich Steuerhinterzieher kaum abschrecken. Nur eine Gefängnisstrafe würde ihnen wehtun.

Steuersünder bleiben nun durch das deutsch-schweizerische Steuerabkommen auch noch anonym. Angesichts des ewigen Kampfs der Finanzminister um Steuereinnahmen mag man sagen: Jede Lösung ist gut. Doch wenn Steuersünder zu billig wegkommen, entsteht Schaden fürs ganze Land. Zwar werden die Vermögen der Betreffenden künftig in der Schweiz und möglicherweise auch in anderen Ländern wie in der Heimat mit 26,4 Prozent besteuert. Die Frage ist aber, ob Bürger mit viel Vermögen nicht einmal mehr zu billig wegkommen, wenn dem Höchstsätze der Einkommensteuer von deutlich über 40 Prozent gegenüberstehen. Wer seine Einkünfte und sein Vermögen Jahr für Jahr brav versteuert, liefert weit höhere Beträge ab, als Hunderttausende Steuersünder nun entrichten müssen.

Werden Steuersünder zu milde angefasst, müssen sich ehrliche Bürger vom Staat verschaukelt fühlen. Dann ist es nicht verwunderlich, wenn die auch nach Wegen suchen, den Staat zu hintergehen. Die Finanzindustrie wird ihnen – allen Schwüren zum Trotz – auch künftig dabei hilfreich zur Seite stehen, Vermögen zu verschleiern. Denn jährlich „müssen“ allein deutsche Steuerpflichtige rund 30 Milliarden Euro Schwarzgeld vor dem Fiskus in „Sicherheit“ bringen, von Griechen, Italienern, Indern oder Russen ganz zu schweigen. Die Karawane der Steuersünder wird also weiterziehen – in Deutschland und in anderen Ländern.

Nachdem aber das Finanzwesen 2008 beinahe eine Kernschmelze erlebt hätte und der globale wirtschaftliche Zusammenbruch nur durch massive finanzielle Rettungspakete auf Kosten der Steuerzahler abgewendet werden konnte, ist es an der Zeit, eine Debatte um Sinn und Unsinn von Steuerparadiesen zu eröffnen. Einer Offshore-Welt mit cleveren Insidern und häufig illegalen Machenschaften. Dabei wird man unterschiedliche Steuerniveaus in einzelnen Ländern nicht verhindern können – auch nicht sollen. Verhindert werden sollte jedoch, dass diese Unterschiede auch weiterhin missbräuchlich genutzt werden.

Der internationale Druck auf die Offshore-Zentren wird zunehmen. Die EU will den automatischen Informationsaustausch, nicht nur in Europa. Auch in der OECD gibt es dafür viele Fürsprecher. Doch eine Schlüsselrolle nehmen die Vereinigten Staaten ein. Erst wenn US-Behörden Drittstaaten jene Informationen anbieten, die sie – wie im Fall Schweiz und Liechtenstein – von anderen Ländern fordern und ihre eigenen Steuerparadiese Delaware und Miami hinterfragen, erst dann wird über die Steuerparadiese weltweit die Eiszeit hereinbrechen. Erst dann werden sich die Schlupflöcher für Steuersünder und Schwarzgeld schließen. Nicht verschwinden werden dagegen die Steuerumgehungsmöglichkeiten für Unternehmen. Die werden auch künftig die unterschiedlichen Steuergesetze zwischen einzelnen Ländern für sich gewinnmehrend und legal nutzen.