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Ich habe die winzigen Unterschiede im Essen, das sie mir hier servieren, inzwischen schätzen gelernt. Es ist immer dieselbe graue Pampe: etwas Protein und Weizen zu einer Paste vermischt, die dann auf ein Tablett geschöpft wird. Aber manchmal wird sie mit mehr Wasser und weniger Weizen angerichtet, manchmal mit mehr Weizen und weniger Protein und so weiter.

Heute ist ein Viel-Protein-Tag. Ohne Vergnügen, doch mit einer gewissen Dankbarkeit schlinge ich das Zeug hinunter. Vom Kampf mit dem Piken und den Wächtern schmerzen meine Muskeln noch immer. Das Protein wird mir sicher guttun. Ich nehme den letzten Bissen und ziehe mich in eine Ecke zurück.

In meiner Zelle ist es dunkel, doch unter der Tür dringt normalerweise gerade so viel Licht herein, dass ich Füße, Hände und Tablett erkennen kann.

Allerdings kann ich heute meine rechte Hand nicht sehen. Die linke ist da, aber die rechte scheint verschwunden zu sein.

Ich habe lange gebraucht, um meine Augen an die Sichtverhältnisse in der Dunkelheit anzupassen und bin jetzt wütend, dass es nicht funktioniert. Ich fuchtele mit der Hand vor meinem Gesicht herum, drehe sie nach links und nach rechts. Doch alles, was ich erkenne, ist Dunkelheit. Ich schlage mir selbst ins Gesicht, kneife die Augen zusammen und versuche, mein Sehvermögen wieder herzustellen.

Meine rechte Hand bleibt verschwunden.

Nach einer Weile nehme ich die Gabel vom Tablett und halte sie mir vors Gesicht.

Ich spüre eine ziemliche Aufregung im Bauch, als ich die |69|Gabel in meine Hand presse. Ich kann keine vergeblichen Hoffnungen gebrauchen. Ich weiß, dass ich eine vergebliche Hoffnung nicht überleben würde.

Ich kann die Gabel sehen. Meine Hand allerdings immer noch nicht.

In diesem Moment geht die Tür auf und ein Mogadori von niederem Rang kommt herein, um mein Tablett einzusammeln. Das aus dem Gang hereinströmende Licht bestätigt meinen Verdacht.

Meine rechte Hand ist unsichtbar.

Ich habe mein erstes Erbe erhalten.

Ich schnappe nach Luft. Von all den außergewöhnlichen Fähigkeiten, die ich entwickeln könnte, scheint diese hier genau die zu sein – die einzige –, die mich lebend aus meinem Gefängnis bringen könnte.

Der Mogadori grunzt mich misstrauisch an. Schnell verstecke ich meinen leer aussehenden Ärmel hinterm Rücken und hoffe, dass er nichts bemerkt hat. Mir ist vor lauter Freude ganz schwindelig.

Der Mog ist ein Dummkopf und kriegt gar nichts mit. Er hebt das Tablett vom Boden auf und geht hinaus.

Ich lasse mich in die Dunkelheit zurückfallen und warte ungeduldig darauf, dass sich meine Augen wieder anpassen und ich meine neu erworbene Fähigkeit überprüfen kann. Da ist es. Leerer Ärmel, unsichtbare Hand. Ich krempele den Ärmel hoch und untersuche meinen Arm. Meine Hand ist vollkommen unsichtbar, mein Unterarm schimmert milchig-weiß, doch vom Ellbogen aufwärts ist alles erkennbar.

Eins ist klar: Ich muss diese Fähigkeit unbedingt trainieren.