Ein Interview mit V. M. Zito

Was hat Sie dazu bewogen,
Return Man zu schreiben?

Ich bin ein Zombie-Fan, seit ich zwölf war. Ich habe jeden Zombie-Film gesehen und jedes Buch verschlungen, das ich in die Finger bekam. Doch vor ungefähr fünf Jahren bekam ich dann den Eindruck, dass es eigentlich immer die gleiche Geschichte ist. Austauschbare Geschichten mit austauschbaren Charakteren – und manchmal haben sie sich auch viel zu weit von den »klassischen Zombies« entfernt, die ich so liebe. Ich wünschte, dass jemand mal ein cooles Buch schreiben würde, das sich neu anfühlt, aber immer noch dem Zombie-Mythos von Romero verpflichtet ist. Und dann sagte ich mir, verdammt, wieso kann dieser Jemand nicht ich sein?

Wenn Sie schon einmal den (Nicht-Zombie)-Film Apollo 13 gesehen haben, werden Sie sich an die Szene erinnern, in der Ed Harris NASA-Wissenschaftlern einen Haufen Zeugs auf den Tisch kippt und ihnen sagt, dass sie daraus etwas bauen sollen, womit man die Astronauten retten kann. Das Schreiben von Return Man war irgendwie damit zu vergleichen. Ich wusste intuitiv, welche Teile das Buch beinhalten musste – eben die Elemente einer traditionellen Zombie-Geschichte: tote und stumpfsinnige Zombies, eine desolate Gesellschaft, einen tapferen Überlebenden, eine Militärpräsenz und natürlich die obligatorische Entleibung des Bösewichts. Ich stand jedoch vor der Herausforderung, diese Elemente dann zu einer frischen Geschichte zusammenzufügen, die ich als ein Zombie-Fan selbst gern lesen würde. Bald entwarf ich in meinen Tagträumen erste Szenarien. Und im Mai 2008 brachte ich die ersten Worte zu Papier.

Woher hatten Sie die Idee
zu diesem Roman?

Viele Zombie-Filme stellen darauf ab, dass die toten »Monster« einmal Menschen waren. Ich habe diese Logik dann noch etwas ausgebaut. Wenn sie Menschen waren, dann hatten sie auch Familien. Und was, wenn die Familien noch am Leben wären? Wäre es nicht furchtbar, wenn man wüsste, dass die tote Ehefrau oder das eigene Kind irgendwo da draußen in der Welt als Zombie umherirren würde?

Und dann schien sich das eine aus dem anderen zu ergeben. Die Hauptfigur sollte ein professioneller Leichen-Killer sein, nur dass seine Motive Liebe und Mitgefühl waren. Er handelte eben nicht aus einer »Zombie-Vernichtungstruppe«-Mentalität heraus. Und obwohl die Welt von der Zombie-Apokalypse heimgesucht worden war, müsste es auch noch eine große Zahl trauernder Überlebender geben. Also habe ich die Vereinigten Staaten in zwei Zonen geteilt, eine für die Toten und eine für die Lebenden. In Dawn of the Dead war schon vor langer Zeit angedeutet worden, dass Zombies vielleicht zu Orten wandern, die einmal wichtig für sie waren. Also beschloss ich, diese Idee fortzuentwickeln – dass der lebendige Mensch diese Erkenntnisse nutzt, um seinen Zombie zu finden.

Was fasziniert Sie besonders an Zombies?

Zombies sind beängstigend, weil sie uns in jeder Hinsicht entmenschlichen. Sie verletzen das älteste, eherne Gesetz der Gesellschaft – die von unseren Vorfahren getroffene Übereinkunft, dass wir uns nicht gegenseitig fressen und somit eine funktionierende Zivilisation aufrechterhalten –, und sie entkleiden uns bis auf unsere tiefsten, animalischen Ängste. Wie die Angst, gefressen zu werden. Wenn ein Zombie dich tötet, dann bist du nicht mehr als ein Stück Fleisch. Und zugleich gilt: Wenn du ein Zombie wirst, dann bist du auch nicht mehr als ein Stück Fleisch. Wobei der Killer moralisch in einer ungünstigeren Position ist als das Opfer. Doch trotz des ganzen intellektuellen Hokuspokus und der theologischen Folgerungen sind Zombies auch heute noch meine Lieblings-Monster. Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund wie damals, als ich zwölf war: Ich kann mir nämlich keinen übleren Tod vorstellen als den, von hungrigen, toten Leuten umzingelt und zerrissen zu werden.

Bevorzugen Sie schnelle Zombies
oder langsame Zombies?

Langsame Zombies vermitteln mir das unheimliche, schreckliche Gefühl, dass ich meinen eigenen Tod auf mich zuschleichen sehe, einen quälend langsamen Schritt nach dem anderen. Langsame Zombies sind für mich der totale Horror: eine schwarze, unbegreifliche Aufwallung im Magen, Furcht einflößend und faszinierend zugleich. Schnelle Zombies versetzen dich in Angst und Schrecken; dich überkommt eine von Adrenalin befeuerte Angst, das Herz schlägt bis zum Hals, und der »Kämpfen-oder-Fliehen«-Instinkt wird ausgelöst. Unter dem Aspekt der Horroroptimierung bevorzuge ich die langsamen Romero-Zombies – aber um ehrlich zu sein, sind sie mir auch deshalb lieber, weil bei ihnen meine Überlebenschancen besser stehen. Schnelle Zombies würden mir in den Arsch treten.

Wer oder was beeinflusst Sie
beim Schreiben?

Mit Blick darauf, wie ich schreibe und worüber ich schreibe, haben mich viele große Autoren beeinflusst (und tun es auch jetzt noch) – Ray Bradbury, Richard Matheson, Paul Auster, Jack Ketchum, David Morrell, Bentley Little, John Banville, John Gardner, Shirley Jackson, nur um ein paar zu nennen. Ein anderer unvermeidlicher Einfluss scheint mir meine persönliche Unsicherheit in Bezug auf Religion zu sein. Die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht, scheint sich in viele meiner Geschichten einzuschleichen, auch wenn ich das vielleicht gar nicht beabsichtigt hatte.

Zu wem würden Sie vom Charakter her
eher tendieren – zu Marco oder Wu?

Ich bin wahrscheinlich eher wie Marco – introvertiert, zynisch und agnostisch. Ich baue eher auf Empirie und Wissenschaft und vertraue weniger auf eine höhere Macht. Nur dass mir Schlagfertigkeit völlig abgeht. Mir fällt nie etwas Gescheites ein, wenn ich mich mit meiner Frau streite.

Was hat Sie dazu inspiriert,
den Schauplatz der Handlung
nach Kalifornien und Arizona
zu verlegen?

Meine Frau und ich haben unsere Flitterwochen in Arizona verbracht, und deshalb ist mir das spontan eingefallen – die Landschaft ist auf ihre karge Art wunderschön, in allen Brauntönen in Stein gemeißelt. Es war wie eine andere Welt im Vergleich zu Neuengland, wo ich lebe und wo man von Bäumen und grünem Gras umgeben ist, so weit das Auge reicht. Als ich schließlich so weit war, den Ort der Handlung auszuwählen, fiel mir spontan Arizona als perfekte Kulisse für eine Zombie-Apokalypse ein – an der Oberfläche tot und öde und doch angefüllt von Leben, das sich der Umgebung angepasst hat. Außerdem versinnbildlichte Arizona Marcos geistige Verfassung, quasi als Echo seiner Verbannung aus der zivilisierten Gesellschaft in den weit entfernten Sicheren Staaten. In dieser Hinsicht verlegte ich mich darauf, Marcos spirituellen Fortschritt durch die Angabe von Himmelsrichtungen messbar abzubilden – jede Bewegung nach Osten, in Richtung der Sicheren Staaten, war positiv, während eine Bewegung nach Westen einen Rückschritt darstellte. Um seine Ziele zu erreichen, musste Marco sich räumlich von den Sicheren Staaten entfernen und sich seinen Fehlern der Vergangenheit zu stellen. In einem guten Heldenmythos wird dem Helden die Erlösung in dem Moment zuteil, wo er am weitesten von ihr entfernt scheint, und aus diesem Grund streben die Ereignisse in Return Man in Kalifornien ihrem Höhepunkt entgegen – so weit westlich wie nur möglich.

Welche Recherchen haben Sie beim
Schreiben des Romans betrieben?

Mein Hauptaugenmerk galt unter anderem den Details der Landschaft von Arizona – der Flora, Fauna, der Geografie und den Besonderheiten der Wüste. Ein wesentlicher Punkt war auch die »wissenschaftliche« Basis der Auferstehung; ich wollte mich nicht mit der üblichen »Viren-oder-Bakterien«-Erklärung begnügen und habe mich deshalb intensiv mit den Proteinen befasst, die man Prionen nennt. Und natürlich habe ich mich auch mit Sunset-Limited-Speisewagen beschäftigt, mit Mandarinenten-Messern, Gefängnisanlagen, der chinesischen Geschichte, wie man eine Lokomotive fährt, wie man Geburtsasphyxie behandelt und wie Zapfsäulen funktionieren. Und ich habe mich über die Auferstehungspflanze informiert. Die gibt es wirklich. Google hilft, wenn ihr mir schon nicht glaubt!

Haben Sie beim Schreiben bestimmte
Gewohnheiten oder halten Sie eine
strikte Routine ein?

Ich hatte beim Schreiben von Return Man tatsächlich eine strenge Routine: Jeden Abend nach dem Abendessen und nachdem ich meiner Tochter bei den Hausaufgaben geholfen hatte, habe ich mir einen großen Dunkin-Donuts-Kaffee mit Milch und zwei Stück Zucker besorgt, bin dann nach oben in mein Büro gegangen und habe zwei bis drei Stunden geschrieben. Der Kaffee war eine absolute Notwendigkeit. Ich sollte meinen Steuerberater vielleicht fragen, ob alle meine DuDo-Kassenbelege steuerlich absetzbar sind. Außerdem habe ich mit iTunes »Kreative-Energie«-Musik gehört – harmonische und beruhigende Instrumentalklänge, damit meine positiven Schwingungen nicht abreißen.

Welchen Rat würden Sie
angehenden Autoren geben?

Gute Bücher lesen und sich sagen, »genau so muss es sein«. Und schlechte Bücher lesen und sich sagen, »verdammt, das kann ich doch besser«. Und viel üben. Rückschläge einkalkulieren, aber auch nie vergessen, dass ein Rückschlag ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Erfolg ist – in einem zweistündigen Film siegt der Held doch auch erst in den letzten zehn Minuten. Und, falls das spruchreif werden sollte, macht euch keine Gedanken wegen einer Veröffentlichung. Konzentriert euch einfach nur darauf, etwas zu schreiben, was euch stolz macht.

Werden wir Marco irgendwann wieder-
sehen? Planen Sie weitere Bücher?

Es gibt noch immer Millionen Überlebende in den Sicheren Staaten, die sich wünschen, dass Marco ihre zombifizierten Lieben zurückgibt. Ob als zweiter Roman, als Episodenformat wie eine Fernsehserie oder als Comicroman, ich glaube, es wäre cool, Marco auf weiteren Abenteuern zu begleiten – sozusagen auf Vertragsbasis. Und ich habe auch schon ein paar Ideen!

Und … falls ein Ausbruch der
Auferstehung erfolgt,
was würden Sie tun?

Meine Familie wäre gut darauf vorbereitet. Jeden Morgen veranstalte ich mit meiner Frau und meiner zehn Jahre alten Tochter eine zwanzigminütige Zombie-Flucht-Übung. Des Nachts reinige ich die Waffen und lege sie griffbereit hin, während meine Frau den Polizeifunk nach eventuellen Meldungen von einem Ausbruch abhört. Ich lasse das Auto die ganze Nacht mit laufendem Motor in der Auffahrt stehen, damit wir im Notfall sofort abhauen können. Und meine Tochter schuftet derweil im Keller und buddelt einen langen unterirdischen Tunnel, der – wenn er einmal fertig ist – zu einer einsamen Blockhütte in Vermont führt. Sie kommt gut voran, obwohl die Nachtschichten sich allmählich auf ihre Schulnoten auswirken …