21. Kapitel

14. Februar 2010

New Orleans, Louisiana

1.45 Uhr

Müde und schlecht gelaunt steuerte Ondragon den Mustang durch die Straßen von Chalmette. Müde, weil ihm noch immer Schlaf von den drei beschissenen Nächten im Sumpf fehlte. Schlecht gelaunt, weil Rod sich noch immer weigerte, ans Telefon zu gehen, und weil Madame Tombeau einfach nicht den Mund halten wollte. Ohne zu zögern hatte sie sich dazu bereiterklärt, mit ihm die Waffen zu organisieren. Vor handfesten Aktionen schreckte sie anscheinend schon mal nicht zurück. Sie hatte sich sogar sehr zweckmäßige Kleidung angelegt – schwarze Jeans, schwarzer Kapuzenpulli und Doc Martens (was ihr, so musste er zugeben, auch verdammt gut stand) –, doch schien sie sich nicht mehr an ihr Versprechen zu erinnern, kein Sterbenswörtchen mehr über diesen vermaledeiten Zombie-Unsinn zu verlieren.

Verdrossen ignorierte Ondragon ihre ausführliche Predigt darüber, was sie zu tun hätten, falls sie erneut dem Zombie begegneten, und schaute immer wieder in den Rückspiegel. Aber niemand folgte ihnen, auch wenn manche Autofahrer zu so später Stunde fuhren wie der buchstäbliche Zombie.

Sie erreichten das Wohnviertel von Stern, und Ondragon drehte zur Vorsicht eine weitere Aufklärungsrunde um den Block. Danach ließ er den Wagen mit ausgeschaltetem Motor und Lichtern auf die Auffahrt des Hauses rollen. Bevor er aus dem Auto stieg, drehte er sich zu der Madame um und legte bedeutungsvoll einen Finger an die Lippen. Sie hörte augenblicklich auf zu reden und nickte, dass sie verstanden habe. Good girl.

Auf leisen Sohlen verließen sie den Wagen und drangen auf bewährte Weise durch die Hintertür in das Haus ein. Im Erdgeschoss verharrten sie einen Moment lauschend, um sich zu vergewissern, dass sie auch tatsächlich alleine in dem Gebäude waren. Dann schlichen sie nach oben in das Gästezimmer, wo Ondragon den großen Spiegel beiseiteschwenkte, der den Eingang zum secret room verdeckte. Er trat in den schmalen Raum dahinter und zog an der Strippe der Glühbirne. Das Licht übergoss die Regale und das, was darin gestapelt war. Madame Tombeau pfiff leise durch die Zähne, während sie die Koffer und Kästen begutachtete.

„Damit könnte man ja eine ganze Terroreinheit ausrüsten“, flüsterte sie schließlich. „Was nehmen wir mit?“ Sie blickte zu ihm auf.

Ondragon öffnete den Koffer mit den Pistolen, nahm eine Desert Eagle heraus und drückte sie der Madame in die Hand. „Gewöhnen Sie sich schon mal daran, das wird ihr Schutzengel sein!“

Die Madame griff die Waffe, wog sie fachmännisch in der Hand und zielte probeweise auf die Wand. Einigermaßen erleichtert erkannte Ondragon, dass sie nicht zum ersten Mal eine Feuerwaffe in den Händen hielt.

„Gibt es nichts Handlicheres?“, fragte sie schließlich. In der Tat sah die Pistole in ihren schmalen Händen aus wie ein klobiges Gerät aus der Steinzeit.

Ondragon öffnete einen weiteren Koffer und zuckte mit den Schultern. „Nein.“ Er nahm einen Schalldämpfer aus dem ersten Koffer, dazu vier Magazine und ein Holster und tat alles in die leere Duffelbag, die er mitgebracht hatte. „Tut mir leid, Sie müssen sich damit anfreunden, Madame.“ Er ging zu den Wandhaltern, auf denen waagerecht mehrere Gewehre lagen. Nach kurzer Überlegung griff er sich nicht das Präzisionsmodell von Browning, wie es sein erster Impuls gewesen war, sondern das Sturmgewehr, welches auch vom US Marine Corps benutzt wurde. Für den Einsatz in Haiti brauchten sie etwas Robustes, das gleichzeitig auch zu ihrer Tarnung passte. Schließlich hatte er vor, als UN-Soldat getarnt ins Land zu gehen.

Gewehr und Munition verschwanden ebenfalls in der Tasche, genau wie vier Handgranaten, zehn Stangen Dynamit und zwei Marinetauchermesser mit mattschwarzen Klingen. Wortlos beobachtet von der Madame füllte Ondragon die Tasche wie ein kauflustiger Kunde im Kaufhaus für böse Jungs. Ein Lächeln huschte über seine Lippen, als er einen Schlagring in der Hand hielt, an dem ein Schlüsselanhänger in Form eines möhrenknabbernden Bugs Bunny baumelte. Das Lächeln verschwand jedoch jäh, als ihm das Tattoo der eingeschworenen Gemeinschaft der Mailmen in den Sinn kam und der tote Bolič vor seinem inneren Auge erschien wie ein Geist. Oder besser, wie ein scheintoter Geist?

Ondragon stieß verdrießlich Luft aus und warf den Schlagring zurück in das Regal. Er wusste nicht mehr, was er glauben sollte und was nicht. Er stopfte noch einen kleinen Beutel mit Werkzeug, einen olivgrünen Combat Helm und Magnesiumfackeln in die Tasche und zog den Reißverschluss zu. Zuviel Ausrüstung durften sie nicht mitnehmen, dafür war die von ihm gemietete Cessna Stationair nicht groß genug, zudem mussten sie mit maximal vollem Tank fliegen.

„Das war’s. Kommen Sie.“ Er knipste das Licht aus und verließ den secret room. Die Madame folgte ihm, die Desert Eagle verschwand in der Känguru-Tasche ihres Kapuzenpullis.

Sie verließen das Haus, stiegen unbemerkt in den Mustang und fuhren zurück nach New Orleans. Ohne von einem Zombie belästigt zu werden, erreichten sie die Tiefgarage des Hotels, wo Ondragon die Voodoo-Priesterin mit der Aufforderung entließ, sich weiterhin achtsam zu verhalten und am nächsten Morgen mit ihrem Gepäck hier im Sonesta einzufinden. Kurz daraufhin trennten sich ihre Wege.

Als er oben im zweiten Stock sein Zimmer betrat, bemerkte er ein Benachrichtigungsformular der Rezeption, das unter der Tür durchgeschoben worden war. Er faltete das Papier mit den goldenen Initialen des Hotels auseinander und las die zwei Wörter, die in geschwungener Handschrift darauf geschrieben worden waren, vielleicht von der entzückenden Mrs. Myers.

„Coca Cola.“

Was das bedeutete, wusste Ondragon. Er sah auf den Wecker auf dem Nachttisch. 3.20 Uhr. Vielleicht war der Springer eingetroffen. Er rief Rod an – der sogar schon nach dem dritten Klingeln ans Telefon ging.

„Ecks! Everything alright?“, fragte er mit rauer Stimme, die sich anhörte als hätte er gerade geschlafen.

„Ja. Ist der Springer angekommen?“

„Könnte man so sagen.“

Täuschte er sich, oder hörte er seinen Freund durch das Telefon grinsen? Ihn verließ die Geduld. „Rod, mir ist im Augenblick nicht nach Späßen. Ich muss morgen früh raus, mir steckt die Scheiße aus dem Sumpf noch in den Knochen und das alles mit der Aussicht auf eine vierundzwanzigstündige Reise in einem winzigen Flugzeug, das ich selber fliegen muss. Also lass den Bullshit und sag mir: Ist – der – Springer – hier?“

„Schon gut, Ecks, beruhige dich. Der Springer ist da. Klopfe an das Zimmer mit der Nummer 5222.“

„Ist das nicht eine der Suiten im fünften Stock?“

„Ganz recht. Wegen des Karnevals war nichts anderes mehr frei.“

Nun gut. Ondragon verabschiedete sich und legte auf. Dann würde er jetzt eben noch den Springer auf seine Aufgabe vorbereiten, bevor er seine wohlverdiente Mütze voll Schlaf nehmen konnte. Vielleicht hatte der Typ ja auch einen Pilotenschein, und er könnte sich den scheißlangen Flug über mit ihm abwechseln. Angesichts dieser Möglichkeit hob sich seine Laune.

Nachdem er den Flur in beide Richtungen ausgespäht hatte, verließ er sein Zimmer, fuhr mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock und suchte unter den wenigen Türen, die es hier oben gab, diejenige mit der Nummer 5222. Als er sie gefunden hatte, hob er die Hand und klopfte.

Natürlich antwortete ihm nur Stille. Wahrscheinlich schlief der Springer tief und fest in seinem weichen Bett.

Ondragon sah sich um und klopfte ein weiteres Mal. Diesmal energischer. Der Ton hallte unangenehm laut durch den Flur, und er hoffte, keinen der anderen Gäste damit zu wecken.

Schließlich hörte er Schritte.

Die Tür öffnete sich, und noch im selben Moment spürte er, wie seine Gesichtszüge entgleisten.

Doch bevor er seiner Zunge den Befehl geben konnte, irgendetwas zu sagen, wurde er von dem Mann in das Zimmer gezogen. Kurz darauf krachte dessen Hand auf seine Schulter.

„Ecks! Da staunst du, was? Dass man dich alten Fuchs doch noch überraschen kann! Hehehe! Setzt dich und nimm erstmal einen kräftigen Schluck. Du siehst, gelinde gesagt, beschissen aus. Warst du zu lange im Solarium?“

Paul Eckbert Ondragon fand erst seine Sprache wieder, nachdem er das Glas mit Whiskey, das Roderick DeForce ihm in die Hand drückte, geleert hatte.

„Was zum Henker machst du denn hier??“, blaffte er seinen alten Freund an.

Rod legte gekränkt die Stirn in Falten. „Oh boy, du freust dich aber, mich zu sehen!“

„Wo ist der Springer?“ Ondragons Blick huschte suchend durch die luxuriöse Suite.

„Hast du eine so lange Leitung?“ Auf Rods gebräuntem Gesicht erschien ein breites Grinsen und er zeigte mit beiden Daumen auf sich selbst. „Ich bin der Springer!“

Wie schon des Öfteren merkte Ondragon, wie wenig er dem britischen Humor gewachsen war. Er setzte einen grimmigen Blick auf. „Rod, das ist wirklich ein guter Scherz, aber leider springt der Funke nicht über, denn ich bin ziemlich kaputt, verstehst du? Also hör auf damit und lass uns mit dem nötigen Ernst über die Sache sprechen.“

„Aber das tue ich doch gerade. Ich meinte es vollkommen ernst, als ich sagte, ich bin der Springer!“

Ondragon sah Roderick DeForce fassungslos an.

„Ich habe über deine Worte nachgedacht, Ecks“, erklärte der Ältere ruhig. „Du sagtest, ich solle jemanden schicken, dem ich absolut vertrauen kann. Tja, da bin ich schnell zu dem Schluss gekommen, dass das nur ich selbst sein kann. Savvy?“

Ondragon sagte noch immer nichts.

„In dieser Sache steht zu viel auf dem Spiel. Ein falscher Schritt und DeForce Deliveries steht im Fahrstuhl zur Hölle. Dort will ich aber nicht hin, kapiert? In die Hölle, meine ich. Außerdem habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich dich hab in die Falle laufen lassen. Da ist es nur fair, wenn ich meine alte Haut jetzt selbst zu Markte trage.“

Ondragon blinzelte, als Rods Worte endlich bei ihm ankamen. „Bist du überhaupt fit genug für einen solchen Trip?“ Erst jetzt war es ihm möglich, seinen Freund bewusst in Augenschein zu nehmen. Rod war älter geworden seit dem letzten Mal, als sie einander persönlich getroffen hatten. Das war vor drei Jahren gewesen. Aber er sah immer noch aus wie ein Double von Peter Graves alias Jim Phelbs in der Serie Mission Impossible. Sein Haar war inzwischen vollkommen weiß, aber noch von beneidenswerter Dichte, und sein Gesicht wies ein paar Fältchen mehr um Mund und Augen auf, spiegelte zusammen mit den eisblauen Augen jedoch ungebrochene Lebenslust und Entschlossenheit wider, die seinen Freund schon immer ausgezeichnet hatten. Auch schien sein sehniger Körper, der kaum ein Gramm Fett angesetzt hatte, nur so vor Energie zu strotzen und das, obwohl er schon 58 Jahre auf dem Buckel hatte. Rod war groß, beinahe so groß wie er selbst, mit kerzengerader Haltung und breitem Kreuz. Beides hatte er dem Schwimmsport zu verdanken, den er in seiner Jugend sehr erfolgreich betrieben hatte, denn Roderick DeForce war ein Olympiaathlet gewesen. Zwar hatte er es nicht bis zu einer Medaille geschafft wie Ondragons Mutter 1976 in Innsbruck beim 10.000-Meter-Langlauf, aber dafür hatte er es im englischen Sportsgeist zu einer neuen gedanklichen Dimension gebracht.

„Weißt du, ich habe einen Personal Coach, der mich auf Trab hält“, bekräftigte Rod händereibend.

Mit einem amüsierten Schmunzeln musste Ondragon an einen gegelten, sonnengebräunten Surfertypen denken, der auf der Strandpromende von Santa Monica schwächliche Silikon-Häschen ein paar lächerliche Seilsprünge machen ließ.

„Nicht das, was du von Hollywood kennst“, unterbrach Rod Ondragons geistige Bilderreise und deutete auf ein kleines Arrangement von Cocktailsesseln in einer Ecke des Wohnzimmers. „Setz dich doch“, sagte er und ließ sich selbst in einen der Sessel fallen. Ondragon nahm ihm gegenüber Platz.

„Mein Trainer“, fuhr Rod fort, „ist ein Ex-Drillsergeant von der British Army. Und er hat die Anweisung, mich nicht zu schonen. Ich mache alle Übungen mit ihm zusammen, auch die Kampfsporteinheiten.“

Sofort hatte Ondragon ein neues Bild vor Augen: Der kongeniale „Kato“ wie er Inspektor Clouseau in seiner eigenen Wohnung auflauerte. Er lächelte versonnen und fühlte, wie er sich langsam entspannte. Aus der Kristallkaraffe goss er sich ein neues Glas Whiskey ein, streckte die Beine lang aus und ließ nach einem Salut in Richtung des Freundes die rauchige Flüssigkeit seine Kehle hinunterrinnen. Genüsslich verfolgte er ihren warmbrennenden Weg bis in seinen Magen. Dann stellte er das Glas auf den Tisch und sah Rod an.

„In Ordnung, Rod. Du bist engagiert! Du wirst mich nach Haiti begleiten“, sagte er feierlich, wurde aber sogleich wieder ernst. „Allerdings werde ich das Kommando übernehmen! Nichts anderes werde ich akzeptieren. Falls du damit ein Problem hast, sag es lieber gleich.“

Rod hob beide Hände. „Kein Problem, du bist der Head der Operation!“

„Gut.“ Ondragon war erleichtert und klärte Rod in kurzen Sätzen auf, wie er die Reise geplant hatte.

Jolly good! Aber wenn du denkst, dass ich auch nur einen Inch mit diesem fliegenden Seelenverkäufer zurücklege, den du da gemietet hast, dann bist du so schief gewickelt wie eine australische Bettfeder!“, warf der Ältere protestierend ein.

„Die Cessna ist die einzige Maschine, die für diese Reise in Frage kommt. Nur mit einem kleinen Wasserflugzeug können wir unser Waffenarsenal unbemerkt von Zoll und Sicherheitsbehörden nach Haiti transportieren.“

„Tja, ich glaube, da habe ich noch einen besseren Vorschlag.“ Rod sah Ondragon bedeutungsvoll an. „Draußen auf dem Airport in Houma steht meine Privatmaschine, mit der ich hierhergekommen bin. Eine Gulfstream G 650, das schnellste Flugzeug der zivilen Luftfahrt. Mit ihr dürften wir die Strecke von hier bis auf die Antillen in nicht einmal drei Stunden schaffen, außerdem gibt es eine Bar an Bord.“ Er zwinkerte Ondragon zu. Und wir müssen das Baby nicht mal selber fliegen. Meine Piloten gehören mit zur Ausstattung. Was sagst du dazu?“

Ondragon warf seinem Freund einen anerkennenden Blick zu. „Großartig. Wie viele Passagiere passen denn in deine Lady der Lüfte?“

„Zusätzlich zu der Fracht ist sie auf sechs Passagiere und zwei Cabincrew-Mitglieder zugelassen. Auf die habe ich allerdings verzichtet. Meinen Whiskey on the rocks kriege ich immer noch selber hin.“

„Gut, dann ist ja noch genug Platz für meine persönliche Beraterin in Sachen lokaler Heimatkunde.“Ondragon griff nach seinem Glas und nahm einen weiteren Schluck vom Schotten.

„Deine Beraterin? Du meinst deine Assistentin?“

„Nein, ich meine eine ganz besondere Kapazität im Bereich des autochthonen Aberglaubens.“ Er beschrieb dem Briten die Frau, welche er mehr oder weniger freiwillig mit auf die Reise zu nehmen gedachte.

„Eine Voodoo-Priesterin?“, wiederholte Rod erstaunt. „Das klingt ziemlich schräg. Und ich dachte immer, du machst Scherze, als du in unseren früheren Telefonaten von Zombies gesprochen hast. Bist du dir sicher, dass du dieser … Madame Tombeau vertrauen kannst?“

Ondragon dachte nach. Die Frage war berechtigt – und nicht leicht zu beantworten.

„Es mag seltsam klingen“, sagte er schließlich, „aber ich habe die Madame selbst noch nicht vollständig durchschaut. Teilweise ist sie ein Rätsel für mich. Ich frage mich ständig, wieso sich eine hochintelligente Frau – und das ist sie zweifellos – dieser Pseudo-Religion verschrieben hat. Wie schafft sie es, ihren Verstand derartig zu unterdrücken, dass sie tatsächlich meint, an all diese … verrückten Dinge zu glauben? Das ist doch vollkommen unlogisch.“

„Das finde ich nicht. Wissenschaft und Glauben müssen einander nicht zwangsläufig ausschließen. Aus meiner Sicht kann ein intelligenter und moderner Mensch durchaus mit vollem Herzen an Gott glauben.“

„Aber Voodoo ist nicht dasselbe wie Gott!“, warf Ondragon ein.

„Ist das tatsächlich so?“

Ondragon zögerte, dann winkte er ab. „Zurück zur Madame. Du wolltest wissen, ob ich sie für vertrauenswürdig halte. Ja, das tue ich auf eine bestimmte Weise. Ich glaube zum Beispiel, dass ihre Gründe, mir zu helfen, von lauterer Natur sind. Obwohl sie ein wenig coco loco im Oberstübchen ist, ist sie äußerst gerissen und eloquent, aber sie würde ihre Fähigkeiten niemals für bösartige Zwecke einsetzen. Das verbietet allein schon ihr Ehrenkodex als Voodoo-Priesterin, den sie sehr ernst nimmt. Madame Tombeau ist wirklich eine ungewöhnliche Frau, und auch wenn ich nicht oft mit ihr einer Meinung bin, habe ich das Gefühl, dass sie uns noch sehr nützlich sein kann.“

„Nun gut. Ich hoffe, sie ist kein Risiko für uns.“

„Das hoffe ich auch. Aber du wirst sie morgen selbst kennenlernen, dann kannst du dir ein Bild von ihr machen. Eine Augenweide ist sie in jedem Fall.“

„Und was ist mit deiner bezaubernden Assistentin?“

„Charlize ist für Nachforschungen unterwegs. Ich brauche sie hier in den Staaten, sozusagen als Capcom. Sie wird ständig Kontakt zu uns halten.“ Dass sie längst in Portland war, um Darwin Inc. einer gründlichen Inspektion zu unterziehen, verriet er seinem Freund vorerst nicht. Er wollte keine unnötige Diskussion heraufbeschwören. Außerdem stand ihm eine Geheimhaltung etwaiger verdeckter Operationen von seiner Seite her zu, fand er.

„Schade“, sagte Rod. „Und ich dachte, ich würde ihr endlich einmal persönlich begegnen. Sie klingt sehr charmant am Telefon.“

„Nicht nur am Telefon“, gab Ondragon zwinkernd zurück und beide lachten.

Dann erhob er sich. „So, auf den Schreck brauche ich jetzt erst mal ‘ne Runde Schlaf. Wir sehen uns morgen. Acht Uhr?“

„Acht Uhr!“, bestätigte Rod, erhob sich ebenfalls und geleitete seinen Gast zur Tür, ganz wie es sich für einen Gentleman alter englischer Schule gehörte.