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Das Interessante beim Gespräch mit dir ist, daß du mich immer mit mehr Fragen als Anworten zurückläßt. Jetzt habe ich nicht nur Fragen zum Sex, sondern auch noch zur Politik!

MANCHE SAGEN, DASS die beiden dasselbe sind, daß ihr in der Politik nichts weiter macht als herum –

Warte mal! Du wirst doch nicht etwa ein obszönes Wort gebrauchen, oder?

NUN JA, ICH wollte dich mal ein wenig schockieren.

He, He! Laß das bloß bleiben! Gott sollte nicht so reden!

WARUM REDET IHR dann so?

Die meisten von uns tun das nicht.

ACH WAS ZUM Teufel, ihr tut’s.

Die gottesfürchtigen Menschen tun es nicht!

AH, ICH VERSTEHE. Ihr müßt Gott fürchten, um ihn nicht zu beleidigen.

Und wer behauptet eigentlich, daß ich durch ein einfaches Wort beleidigt werde?

Und findest du es schließlich nicht interessant, daß ihr Worte, mit denen ihr wunderbare sexuelle Dinge bezeichnet, auch als eure gröbsten Schimpfworte benutzt? Sagt dir das etwas über eure Gefühle hinsichtlich der Sexualität?

Ich glaube, du bringst da etwas durcheinander. Ich glaube nicht, daß die Leute diese Begriffe verwenden, um die herrlichen und wirklich romantischen Aspekte der Sexualität zu beschreiben.

ACH, TATSÄCHLICH? HAST du dich in letzter Zeit in irgendwelchen Schlafzimmern aufgehalten?

Nein. Hast du?

ICH BIN IN allen Zimmern – die ganze Zeit.

Oh, das werden die meisten aber nicht gerne hören.

WAS? WILLST DU damit sagen, daß ihr Dinge in euren Schlafzimmern treibt, die ihr vor Gott nicht tun würdet?

Die meisten Menschen fühlen sich nicht wohl beim Gedanken, daß ihnen dabei irgend jemand zusieht, von Gott ganz zu schweigen.

UND DOCH WIRD in manchen Kulturen – bei den Aborigines, bei manchen polynesischen Völkern – ganz offen Liebe gemacht.

Mag sein, aber die meisten Menschen sind noch nicht bis zu dieser Stufe von Freiheit fortgeschritten. Tatsächlich würden sie ein solches Verhalten als Rückfall in einen primitiven, heidnischen Zustand betrachten.

DIESE MENSCHEN, DIE ihr als »Heiden« betrachtet, haben eine enorme Achtung vor dem Leben. Sie wissen nichts von Vergewaltigung, und es gibt praktisch keine Morde in ihren Gesellschaften. Eure Gesellschaft versteckt den Sex – eine ganz natürliche, normale menschliche Funktion – unter der Decke, dann steht ihr auf und bringt Leute in aller Öffentlichkeit um. Das ist obszön!

Ihr habt den Sex zu etwas so Schmutzigem, Tabuisiertem gemacht, daß ihr euch schämt, wenn ihr Sex habt!

Unsinn. Die meisten Menschen haben ganz einfach in bezug auf Sex einen anderen – man könnte sogar sagen, einen höheren – Sinn für Anstand. Sie betrachten ihn als eine intime wechselseitige Aktivität; und für manche ist er ein geheiligter Bestandteil ihrer Beziehung.

EIN MANGEL AN Intimsphäre ist nicht unbedingt mit mangelnder Heiligkeit gleichzusetzen. Die meisten der heiligsten Riten der Menschheit werden in der Öffentlichkeit vollzogen.

Verwechsle Intimität nicht mit Heiligkeit. Die meisten eurer schlimmsten Handlungen unternehmt ihr im privaten Bereich oder im geheimen, und nur euer bestes Benehmen spart ihr für die öffentliche Zurschaustellung auf.

Damit möchte ich nicht für Sex in aller Öffentlichkeit plädieren, – ich möchte nur anmerken, daß Intimität nicht unbedingt mit der Heiligkeit gleichzusetzen ist – noch werdet ihr durch die Öffentlichkeit ihrer beraubt.

Was den Anstand angeht, so hat dieses Wort alleine und der dahinterstehende Verhaltenskodex mehr zur Versagung der größten Freuden von Mann und Frau beigetragen als jedes andere menschliche Konstrukt – die Vorstellung von einem strafenden Gott ausgenommen, die dem Ganzen die Krone aufgesetzt hat.

Offensichtlich glaubst du nicht an Anstand.

DAS PROBLEM MIT dem »Anstand« liegt darin, daß irgend jemand die Normen aufstellen muß. Das bedeutet ganz automatisch, daß euer Verhalten durch die Vorstellungen eines anderen darüber, was euch Freude machen sollte, beschränkt, dirigiert und diktiert wird.

Das kann, was die Sexualität angeht – wie in allen anderen Dingen –, mehr als eine »Beschränkung« bedeuten; es kann sich vernichtend auswirken.

Ich kann mir nichts Traurigeres denken als einen Mann oder eine Frau, die das Gefühl haben, manches gerne erleben zu wollen, sich dann aber zurückhalten, weil sie meinen, daß das, wovon sie träumen oder was sie sich in ihrer Phantasie ausmalen, die »Anstandsregeln« verletzten würde!

Bedenke, es handelt sich nicht um etwas, das sie an sich nicht tun würden – es ist nur etwas, das gegen den »Anstand« verstößt.

Tu nie, nie, nie etwas nicht, weil es vielleicht die Anstandsregeln von irgend jemand anderem verletzen könnte, und dies gilt nicht nur für die Sexualität, sondern für alles im Leben. Wenn ich einen Aufkleber an meinem Auto hätte, würde darauf stehen:

VERLETZT DEN ANSTAND

Und ganz sicher würde ich einen solchen Spruch in jedem Schlafzimmer anbringen.

Aber unser Gefühl für das, was »richtig« und »falsch« ist, hält unsere Gesellschaft zusammen. Wie können wir zusammenleben, wenn darüber keine Übereinkunft besteht?

»ANSTAND« HAT NICHTS mit euren relativen Wertvorstellungen von »richtig« oder »falsch« zu tun. Ihr mögt euch alle einig sein, daß es »falsch« ist, einen Menschen umzubringen, aber ist es »falsch«, nackt im Regen herumzulaufen? Ihr mögt euch alle einig sein, daß es »falsch« ist, dem Nachbarn die Frau auszuspannen, aber ist es »falsch«, deine eigene Frau in bestimmter köstlicher Weise zu lieben oder von ihr geliebt zu werden?

»Anstand« bezieht sich selten auf gesetzliche Einschränkungen, sondern viel häufiger auf einfachere Dinge in bezug auf das, was als »schicklich« erachtet wird.

»Schickliches« Verhalten ist nicht immer das Verhalten, das euren eigenen besten Interessen dienlich ist. Und es ist selten ein Verhalten, das euch die größte Freude macht.

Um auf die Sexualität zurückzukommen: Du sagst also, daß jegliches Verhalten akzeptabel ist, solange es die Zustimmung aller Beteiligten und Betroffenen findet?

SOLLTE DAS NICHT für alles im Leben gelten?

Aber manchmal wissen wir nicht, wer davon betroffen sein wird, oder wie –

DU MUSST DAFÜR sensibel sein. Du mußt ganz wach und bewußt sein. Und wenn du es wirklich nicht wissen und auch nicht vermuten kannst, dann mußt du dich zugunsten der Liebe irren.

Die zentrale Frage bei JEDER Entscheidung ist die: »Was würde die Liebe jetzt tun?«

Die Liebe zu dir selbst und die Liebe zu allen anderen, die beteiligt oder davon betroffen sind.

Wenn du eine andere Person liebst, wirst du nichts tun, was diese Person womöglich verletzt oder verletzen könnte.

Sollten irgendwelche Fragen oder Zweifel bestehen, wirst du warten, bis du in dieser Sache Klarheit gewonnen hast.

Aber das bedeutet, daß dich andere in »Geiselhaft« nehmen können. Sie brauchen nur zu äußern, daß dies und jenes sie »verletzen« würde, und damit bist du dann in deinen Handlungen eingeschränkt.

NUR DURCH DEIN Selbst. Würdest du dich nicht selbst in deinen Handlungen auf solche beschränken wollen, die denen, die du liebst, keinen Schaden zufügen?

Aber was, wenn man sich selbst dadurch geschädigt oder verletzt fühlt, daß man etwas nicht tut?

DANN MUSST DU deinem geliebten Menschen die Wahrheit erzählen – daß du dich dadurch, daß du eine bestimmte Sache nicht tust, verletzt, frustriert, reduziert fühlst; daß du diese Sache gerne tun würdest; daß du gerne dafür die Zustimmung des von dir geliebten Menschen bekommen würdest.

Du mußt eine solche Einigung anstreben. Arbeite an einem Kompromiß; suche nach einem Handlungsweg, bei dem jeder gewinnen kann.

Und wenn ein solcher Weg nicht gefunden werden kann?

DANN WIEDERHOLE ICH, was ich schon einmal gesagt habe.

 

Verrat deiner selbst,

um nicht einen anderen zu verraten,

ist trotz allem Verrat.

Es ist der höchste Verrat.

Euer Shakespeare hat es anders ausgedrückt.

 

Deinem eigenen Selbst sei treu,

und es folgt daraus, wie die Nacht dem Tag,

daß du gegenüber keinem Menschen

treulos sein kannst.

Aber der Mensch, der sich immer nach dem richtet, was er will, wird ein sehr egoistischer Mensch. Ich kann nicht glauben, daß du das befürwortest.

DU GEHST DAVON aus, daß der Mensch immer eine »selbstsüchtige Wahl« trifft, wie du es nennst. Aber ich sage dir: Der Mensch ist imstande, die höchste Wahl zu treffen. Und ich sage dir auch:

Die höchste Wahl ist nicht immer die, die einem anderen zu dienen scheint.

Mit anderen Worten, wir müssen uns manchmal an erste Stelle setzen.

OH, IHR MÜSST euch immer an erste Stelle setzen! Dann, abhängig davon, was ihr zu tun versucht – oder zu erfahren trachtet –, trefft ihr eure Wahl.

Wenn dein Ziel – dein Lebensziel – sehr hoch angesiedelt ist, werden auch deine Entscheidungen ein sehr hohes Niveau haben.

Wenn du dich an erste Stelle setzt, heißt das nicht, daß du »selbstsüchtig« bist – es bedeutet, daß du dir deiner selbst bewußt bist.

Du legst hier eine ganz schön breite Basis für die Handhabung menschlicher Angelegenheiten.

NUR IN AUSÜBUNG der größten Freiheit kann das größte Wachstum erreicht werden – oder wird es überhaupt möglich.

Wenn ihr nichts weiter tut, als die Regeln eines anderen zu befolgen, entwickelt ihr euch nicht weiter, sondern gehorcht nur.

Im Gegensatz zu euren Konstrukten ist Gehorsam nicht das, was ich von euch will. Gehorsam ist nicht Wachstum, und Wachstum ist das, wonach ich verlange.

Und wenn wir nicht »wachsen«, wirfst du uns dann in die Hölle?

FALSCH. ABER DAS habe ich im ersten Band besprochen und werde es im dritten ausführlich tun.

Okay. Kann ich dir nun im Rahmen dieser weiten Parameter, die du dargelegt hast, ein paar letzte Fragen zum Sex stellen, bevor wir das Thema verlassen?

SCHIESS LOS.

Warum, wenn Sex so ein wundervoller Bestandteil der menschlichen Erfahrung ist, predigen so viele spirituelle Lehrer Enthaltsamkeit? Und warum lebten so viele Meister offensichtlich zölibatär?

AUS DEM GLEICHEN Grund, aus dem so viele, den Schilderungen nach, in Einfachheit lebten. Diejenigen, die sich zu einer hohen Verständnisebene entwickeln, bringen ihre körperlichen Wünsche mit ihrem Geist und ihrer Seele in Balance.

Ihr seid dreiteilige Wesen, und die meisten Menschen erfahren sich selbst als einen Körper. Selbst der Geist wird, nachdem sie dreißig geworden sind, vergessen. Niemand liest mehr. Niemand schreibt. Niemand lehrt. Niemand lernt.

Der Geist ist vergessen. Er wird nicht genährt. Er wird nicht erweitert. Es gibt keinen neuen Input mehr und nur noch das Minimum des erforderlichen Output. Der Geist wird nicht ernährt. Er wird nicht erweckt. Er wird eingelullt, betäubt. Ihr tut alles, was ihr könnt, um ihn abzuschalten, Fernsehen, Filme, Schundromane. Was immer ihr tut, euer Motto ist: Denk nicht, denk nicht, denk nicht!

Die meisten Menschen leben also ein Leben auf der Körperebene. Sie nähren den Körper, kleiden den Körper, geben dem Körper »Stoff«. Die meisten Menschen haben schon seit Jahren kein gutes Buch mehr gelesen – ich meine ein Buch, aus dem sie etwas lernen können. Aber sie können dir das ganze Wochenprogramm des Fernsehens hersagen.

Darin liegt etwas außerordentlich Trauriges.

Die Wahrheit ist, daß die meisten Menschen nicht denken wollen. Sie wählen Führer, sie unterstützen Regierungen, sie folgen Religionen, die kein unabhängiges Denken erfordern.

»Mach’s mir leicht. Sag mir, was ich tun soll.«

Die meisten Menschen wollen das. Wo soll ich sitzen?

Wann soll ich aufstehen? Wie soll ich grüßen? Wann soll ich zahlen? Was soll ich tun?

Wie sehen die Regeln aus? Wo sind meine Grenzen? Sag’s mir, sag’s mir, sag’s mir. Ich mach es – jemand soll es mir nur sagen!

Dann widert sie das an, sie werden desillusioniert. Sie haben alle Regeln befolgt, haben getan, was ihnen gesagt wurde. Was ist schiefgegangen? Wann ging es kaputt? Warum brach es zusammen?

Es brach in dem Augenblick zusammen, in dem ihr euch von eurem Geist verabschiedet habt – dem größten kreativen Werkzeug, das ihr je hattet.

Es ist Zeit, daß ihr mit eurem Geist wieder Freundschaft schließt. Seid ihm ein Gefährte – er hat sich so allein gefühlt. Nährt ihn – er mußte so sehr hungern.

Manche von euch – eine kleine Minderheit – hat begriffen, daß ihr einen Körper und einen Geist habt. Sie haben ihren Geist gut behandelt. Und doch haben nur wenige von euch, die ihr euren Geist – und die Dinge des Geistes – ehrt, gelernt, ihn zu mehr als einem Zehntel seiner Kapazität zu nutzen. Wenn ihr wüßtest, zu was euer Geist fähig ist, würdet ihr nie aufhören, an seinen Wundern – und seinen Kräften – teilzuhaben.

Und wenn schon die Zahl derer, die ihr Leben zwischen Körper und Geist aufteilen, klein ist, dann ist die Zahl derer, die sich als dreiteilige Wesen betrachten – Körper, Geist, Seele – winzig.

Doch ihr seid dreiteilige Wesen. Ihr seid mehr als euer Körper und mehr als ein Körper mit einem Geist.

Nährst du deine Seele? Bemerkst du die überhaupt? Heilst du sie, oder verletzt du sie? Wächst du, oder verdorrst du?

Dehnst du dich aus, oder ziehst du dich zusammen?

Ist deine Seele so einsam wie dein Geist? Wird sie sogar noch mehr vernachlässigt? Wann hattest du das letzte Mal das Gefühl, daß deine Seele zum Ausdruck gebracht wurde? Wann hast du das letzte Mal vor Freude geweint? Gedichte geschrieben? Musik gemacht? Im Regen getanzt? Einen Kuchen gebacken? Irgend etwas gemalt? Irgend etwas Kaputtes repariert? Ein Baby geküßt? Eine Katze an dein Gesicht gedrückt? Einen Berg erklommen? Bist nackt geschwommen? Hast bei Sonnenaufgang einen Spaziergang unternommen? Auf der Mundharmonika gespielt? Gespräche geführt bis zum Morgengrauen? Stundenlang Liebe gemacht – am Strand, im Wald? Mit der Natur kommuniziert? Nach Gott gesucht?

Wann hast du das letzte Mal allein mit dem Schweigen gesessen, bist in den tiefsten Bereich deines Wesens gereist? Wann hast du das letzte Mal »hallo« zu deiner Seele gesagt?

Wenn du das Leben als eindimensionales Geschöpf lebst, versinkst du tief in den Angelegenheiten des Körpers: Geld. Sex. Macht. Besitz. Körperliche Stimulation und Befriedigung. Sicherheit. Ruhm. Finanzieller Gewinn.

Wenn du das Leben als zweidimensionales Geschöpf lebst, erweiterst du deine Interessen und beziehst Dinge des Geistes ein. Kameradschaft; Kreativität; die Anregung neuer Gedanken, neuer Ideen; das Erschaffen neuer Ziele, neuer Herausforderungen; persönliches Wachstum.

Wenn du das Leben als dreidimensionales Geschöpf lebst, gelangst du zumindest zu einem Gleichgewicht mit dir selbst. Deine Interessen schließen Belange der Seele mit ein: spirituelle Identität; Lebenssinn; Beziehung zu Gott; Evolutionsweg; seelisches Wachstum, – letztliches Ziel.

Und in dem Maße, wie du dich in immer höhere und höhere Bewußtseinsstadien hineinentwickelst, bringst du jede Dimension deines Wesens zur vollen Verwirklichung.

Doch Evolution bedeutet nicht, daß du manche Aspekte oder Dimensionen des Selbst zugunsten anderer fallenläßt.

Sie bedeutet ganz einfach die Erweiterung des Fokus; die Abwendung von einer fast ausschließlichen Beschäftigung mit einem einzigen Aspekt und die Hinwendung zu echter Liebe und zur Wertschätzung aller Aspekte.

Warum vertreten dann manche Lehrer die völlige sexuelle Enthaltsamkeit?

WEIL SIE NICHT glauben, daß die Menschen zu einem Gleichgewicht gelangen können. Sie glauben, daß die sexuelle Energie – und die Energien, die andere weltliche Erfahrungen umgeben – zu mächtig sind, um sie ganz einfach abzubremsen; um sie in Balance zu bringen. Sie glauben, die Enthaltsamkeit sei der einzige Weg zur spirituellen Evolution statt nur eine mögliche Folge davon.

Aber stimmt es nicht, daß manche sehr hoch entwickelte Wesen »den Sex aufgegeben« haben!

NICHT IM KLASSISCHEN Sinne des Wortes »aufgeben«. Es handelt sich nicht um ein erzwungenes Aufgeben von etwas, das du immer noch haben willst, von dem du aber weißt, daß »es zu haben nicht gut« ist. Es handelt sich mehr um ein einfaches Loslassen, eine Bewegung weg von – so wie man einen Nachschlag des Desserts von sich weist.

Nicht, weil das Dessert nicht gut ist. Nicht einmal, weil es nicht gut für dich ist. Sondern ganz einfach, weil du, wunderbar wie es war, genug hattest.

Wenn du deine Beschäftigung mit Sex aus diesem Grund fallenlassen kannst, dann wirst du dich vielleicht dazu entschließen. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht entschließt du dich nie dazu, daß du »genug hattest«, und willst immer diese Erfahrung machen – in Harmonie mit den anderen Erfahrungen deines Wesens.

Das ist okay. Das ist in Ordnung. Sexuell aktive Menschen sind nicht weniger für die Erleuchtung geeignet, nicht minder spirituell entwickelt als sexuell enthaltsame Menschen.

Doch bewirken Erleuchtung und Entwicklung in der Tat, daß du deine Sucht nach Sex, dein tiefes und dringendes Bedürfnis nach dieser Erfahrung, dein zwanghaftes Verhalten fallenläßt.

Ebenso wird sich deine ausschließliche Fixierung auf Geld, Macht, Sicherheit, Besitztümer und andere Erfahrungen des Körpers verflüchtigen. Doch deine echte Wertschätzung für diese Dinge wird bleiben und sollte es auch. Wertschätzung für alles im Leben ist das, was dem Prozeß, den ich erschaffen habe, Ehre erweist. Die Verachtung des Lebens oder irgendwelcher seiner Freuden – selbst der elementarsten körperlichen Freuden – bedeutet Verachtung für mich, den Schöpfer.

Denn wie, wenn du meine Schöpfung unheilig nennst, nennst du mich? Doch wenn du meine Schöpfung heilig nennst, heiligst du deine Erfahrung von ihr sowie auch mich.

Ich sage dir: Ich habe nichts Verachtenswertes geschaffen und nichts ist »böse», es sei denn, das Denken macht es dazu, wie euer Shakespeare sagt.

Das führt mich zu einer letzten Frage über Sex. Ist jede Art von Sex zwischen darin einwilligenden Erwachsenen okay?

JA.

Ich meine auch »perverser« Sex? Auch liebloser Sex? Auch schwuler Sex?

LASS UNS ERSTENS noch einmal klarstellen, daß Gott nichts mißbilligt.

Ich sitze nicht hier und richte, nenne nicht die eine Tat gut und die andere böse.

(Wie du weißt, habe ich des längeren im ersten Band darüber gesprochen.)

Also – was euch im Kontext eures Evolutionsweges dienlich oder nicht dienlich ist, könnt nur ihr entscheiden.

Es gibt allerdings eine breitanlegte Richtlinie, auf die sich die meisten entwickelten Seelen geeinigt haben.

Keine Handlung, die einem anderen Schaden zufügt, führt zu rascher Evolution.

Es gibt auch noch eine zweite Richtlinie.

Keine Handlung, in die ein anderer involviert ist, soll ohne die Zustimmung des anderen unternommen werden.

Laß uns nun im Kontext dieser Richtlinien auf die Fragen eingehen, die du gerade gestellt hast.

»Perverser« Sex? Nun, aus welchem Grund sollte ihn irgend jemand als »falsch« bezeichnen, solange er niemanden schadet und mit Einwilligung aller Beteiligten betrieben wird?

Liebloser Sex? Über Sex »um des Sex willen« wurde schon seit Anbeginn der Zeit debattiert. Wenn ich diese Frage höre, denke ich oft daran, daß ich mich eines Tages gerne in einen Raum voller Menschen begeben und sagen würde:

»Jeder, der hier noch nie außerhalb einer Beziehung von tiefer, dauerhafter, engagierter, treuer Liebe Sex gehabt hat, möge bitte die Hand heben.«

Laß mich nur folgendes sagen: Etwas Liebloses, was immer es ist, ist nie der rascheste Weg zur Göttin.

Ob es sich nun um lieblosen Sex oder um lieblose Spaghetti mit Fleischklößen handelt, wenn du das Festmahl bereitet hast und es dann ohne Liebe verzehrst, versäumst du den außergewöhnlichsten Teil der Erfahrung.

Ist es falsch, ihn zu versäumen? Auch hier ist »falsch« vielleicht nicht das Wort, auf das es ankommt. »Nachteilig« käme der Sache näher, vorausgesetzt, es ist dein Wunsch, dich so schnell wie möglich zu einem höheren spirituellen Wesen zu entwickeln.

Schwuler Sex? So viele Menschen sagen, daß ich gegen Homosexualität – oder gegen ihr Ausagieren – bin. Doch ich fälle kein Urteil darüber, nicht darüber oder über irgendeine andere Wahl, die ihr trefft.

Die Menschen möchten – über alles – alle Arten von Werturteilen abgeben, und ich verderbe ihnen gewissermaßen den Spaß. Ich schließe mich diesen Urteilen nicht an, was ganz besonders jene außer Fassung bringt, die behaupten, daß ich deren Urheber bin.

Ich beobachte folgendes: Es gab einmal eine Zeit, in der die Menschen dachten, daß eine Ehe zwischen Angehörigen verschiedener Rassen nicht nur unratsam sei, sondern auch gegen das Gesetz Gottes verstoße. (Erstaunlicherweise denken manche heute noch so.) Sie deuteten auf die Bibel als ihren Zeugen, so wie sie es auch in Fragen hinsichtlich der Homosexualität tun.

Du meinst, es ist in Ordnung, wenn sich Angehörige verschiedener Rassen verehelichen?

DIE FRAGE IST absurd, aber nicht annähernd so absurd wie die Gewißheit mancher Menschen, daß die Antwort darauf »nein« lautet.

Sind die Fragen zur Homosexualität ebenso absurd?

DAS DARFST DU entscheiden. Ich habe kein Urteil darüber oder über sonst irgend etwas. Ich weiß, du wünschst, ich hätte es. Das würde euer Leben sehr viel einfacher machen.

Ihr müßtet keine Entscheidungen treffen und euch keinen harten Herausforderungen stellen. Alles würde für euch entschieden. Ihr müßtet nichts weiter tun als gehorchen.

Es wäre kein großartiges Leben, zumindest nicht hinsichtlich der Kreativität oder Selbst-Ermächtigung, aber was soll’s … auch kein Streß.

Laß mich dir ein paar Fragen zu Sex und Kindern stellen.

Ab welchem Alter ist es angemessen, Kindern zu erlauben, sich der Sexualität als einer Lebenserfahrung bewußt zu werden?

KINDER SIND SICH von Anbeginn ihres Lebens ihrer selbst als sexuelle Wesen – das heißt, als menschliche Wesen – bewußt. Viele Eltern auf eurem Planeten versuchen nun, sie davon abzuhalten, Notiz davon zu nehmen. Wenn die Hand eines Babys an die »falsche Stelle« gerät, nehmt ihr sie weg. Wenn ein kleines Kind anfängt, in seinem unschuldigen Entzücken über seinen eigenen Körper Augenblicke des Selbstvergnügens zu entdecken, reagiert ihr mit Entsetzen und gebt dieses Gefühl des Schreckens an das Kind weiter. Das Kind fragt sich: Was hab’ ich getan, was hab’ ich getan? Mami ist böse; was hab’ ich getan?

Für euch Menschen ging es nicht um die Frage, wann ihr eure Kinder in den Sex einführt, sondern um die Frage, wann ihr aufhört, von ihnen zu verlangen, daß sie ihre eigene Identität als sexuelle Wesen verleugnen. Irgendwann, wenn die Kinder zwischen 12 und 17 sind, geben die meisten von euch schon den Kampf auf und sagen im wesentlichen (wenn auch natürlich nicht mit Worten – über diese Dinge sprecht ihr nicht): »Okay, jetzt kannst du zur Kenntnis nehmen, daß du Geschlechtsteile hast und sexuelle Dinge damit anstellen kannst.«

Doch da ist der Schaden bereits angerichtet. Euren Kindern wurde zehn Jahre oder länger gezeigt, daß sie sich für diese Körperteile zu schämen haben. Manchen wurde nicht einmal gesagt, wie man sie richtig benennt. Sie bekommen alles mögliche an Ausdrücken zu hören, die zum Teil schon eine gewaltige Erfindungskraft erfordern – alles, um zu vermeiden, daß ihr einfach »Penis« oder »Vagina« sagt.

Nachdem so überaus klar geworden ist, daß alle Dinge, die mit diesen Körperteilen zu tun haben, versteckt und verleugnet werden müssen, daß über sie nicht gesprochen werden darf, gelangen eure Kinder explosionsartig in die Pubertät und haben nicht die geringste Ahnung, was da mit ihnen passiert und was sie damit anfangen sollen. Sie sind überhaupt nicht vorbereitet worden. Natürlich verhalten sie sich dann miserabel und reagieren tölpelhaft, wenn nicht völlig unangemessen, auf ihre neuesten und dringlichsten Triebe.

Das wäre nicht nötig und dient, wie ich beobachte, auch nicht euren Kindern. Viel zu viele von ihnen treten mit sexuellen Tabus, Hemmungen und Komplexen ins Erwachsenenleben ein.

In aufgeklärten oder erleuchteten Gesellschaften werden die Kinder nie entmutigt, getadelt oder »korrigiert«, wenn sie anfangen, ein frühes Vergnügen an der Natur ihres elementaren Wesens zu finden. Noch ist ihren Eltern daran gelegen, ihre eigene Sexualität – das heißt, ihre Identität als sexuelles Wesen – besonders zu meiden oder unbedingt zu verstecken. Nackte Körper, ob nun die der Eltern oder der Kinder oder ihrer Geschwister, werden als etwas absolut Natürliches betrachtet und behandelt, als absolut wundervoll und absolut in Ordnung – und nicht als etwas, dessen man sich schämen müßte.

Geschlechtliche Funktionen werden ebenfalls als etwas absolut Natürliches, Wundervolles und als völlig in Ordnung betrachtet und behandelt.

In manchen Gesellschaften schlafen die Eltern vor den Augen ihrer Kinder miteinander – und was könnte den Kindern ein stärkeres Gefühl für die Schönheit und das Wunder und die reine Freude und die absolute »Richtigkeit« des sexuellen Ausdrucks der Liebe vermitteln als das? Denn die Eltern sind in dem, was »richtig« oder was »falsch« ist, ein ständiges Rollenvorbild für alles Verhalten, und Kinder fangen die subtilen und weniger subtilen Signale über alles durch das auf, was sie ihre Eltern denken, sagen und tun sehen.

Wie schon früher bemerkt, bezeichnet ihr solche Gesellschaften vielleicht als »heidnisch« oder »primitiv«, doch ist erwiesen, daß in ihnen praktisch keine Vergewaltigungen oder Verbrechen aus Leidenschaft vorkommen, Prostitution als absurd verlacht wird und sexuelle Hemmungen oder sexuelles Fehlverhalten unbekannt sind.

Während sich eine solche Offenheit gegenwärtig für eure eigene Gesellschaft nicht empfiehlt (da sie zweifellos, außer unter sehr speziellen Umständen, gesellschaftlich allzusehr geächtet würde), ist es doch an der Zeit, daß die sogenannten modernen Zivilisationen auf eurem Planeten etwas unternehmen, um der Repression, den Schuld- und Schamgefühlen ein Ende zu machen, die so oft den sexuellen Ausdruck und die sexuelle Erfahrung in ihrer Gesamtheit umgeben und charakterisieren.

Vorschläge? Ideen?

HÖRT AUF, DEN Kindern schon von ihrem Lebensbeginn an beizubringen, daß die Dinge, die mit den ganz natürlichen Funktionen ihres Körpers zu tun haben, schändlich oder falsch sind. Hört auf, euren Kindern vorzuexerzieren, dass alles Sexuelle versteckt werden muß. Gestattet euren Kindern, die romantische Seite an euch zu sehen und zu beobachten. Laßt sie sehen, wie ihr euch umarmt, berührt, sanft liebkost – laßt sie sehen, daß ihre Eltern sich lieben und daß es etwas sehr Natürliches und Wunderbares ist, wenn sie ihre Liebe auf körperliche Weise zeigen. (Du wärst überrascht, wenn du wüßtest, in wie vielen Familien eine derart simple Lektion nie gelehrt wurde.)

Wenn eure Kinder anfangen, ihre eigenen sexuellen Gefühle, Neugierden und Triebe zu erforschen, dann bringt sie dazu, daß sie diese neuen und bereichernden Erfahrungen ihrer selbst mit einem Gefühl der Freude und des Feierns und nicht mit Schuldgefühlen und Scham verknüpfen.

Und hört um Himmels willen auf, eure Körper vor euren Kindern zu verstecken. Es ist in Ordnung, wenn sie euch bei einem Campingausflug in einem See in freier Natur oder im Swimmingpool im Garten nackt schwimmen sehen, bekommt keinen Schlaganfall, wenn sie euch unbekleidet vom Schlafzimmer ins Badezimmer gehen sehen; und hört mit diesem hektischen Bedürfnis auf, zu vertuschen, abzusperren und jede wenn auch noch so unschuldige Gelegenheit auszuschließen, die eurem Kind ermöglicht, euch als ein Wesen mit einer eigenen sexuellen Identität kennenzulernen. Kinder denken, daß ihre Eltern asexuell sind, weil ihre Eltern sich selbst ihnen so dargestellt haben. Dann stellen sie sich vor, daß sie auch so sein müssen, weil alle Kinder ihre Ehern nachahmen. (Therapeuten werden euch sagen, daß manche, wenn sie erwachsen sind, immer noch die größte Mühe haben, sich vorzustellen, daß ihre Eltern es tatsächlich »miteinander getrieben haben«, was diese »Kinder« – nunmehr Patienten der Therapeuten – mit Wut oder Schuldgefühl oder Scham erfüllt, weil sie natürlich den Wunsch haben, »es zu treiben«, und sich nicht erklären können, was mit ihnen nicht stimmt.

Sprecht also mit euren Kindern über Sex, lacht mit euren Kindern darüber; unterrichtet sie, erlaubt ihnen und zeigt ihnen, wie sie ihre Sexualität feiern können. Das ist es, was ihr für eure Kinder tun könnt. Und tut dies vom ersten Tag ihres Lebens an, mit dem ersten Kuß, der ersten Umarmung, der ersten Berührung, die sie von euch erhalten und die ihr gegenseitig voneinander bekommt.

Ich danke dir. Ich danke dir. Ich hoffte so sehr, daß du in dieses Thema etwas Sinn hineinbringen würdest. Aber noch eine letzte Frage. Wann ist es angemessen, die Kinder ganz spezifisch in die Sexualität einzuführen, mit ihnen darüber zu sprechen oder sie ihnen zu beschreiben?

SIE WERDEN ES euch sagen, wenn die Zeit gekommen ist.

Jedes Kind wird das unmißverständlich klarmachen, wenn ihr wirklich beobachtet und zuhört. Es entwickelt sich übrigens mit dem Wachstum und kommt in ganz bestimmten Wachstumsschritten. Und ihr werdet wissen, wie ihr dem jeweiligen Alter angemessen mit der Sexualität eures Kindes umgehen müßt, wenn ihr selbst damit im reinen seid, wenn ihr eure ganzen diesbezüglichen »unerledigten Angelegenheiten« erledigt habt.

Wie gelangen wir dahin?

TUT, WAS NÖTIG ist. Nehmt an einem Seminar teil.

Nehmt therapeutische Hilfe in Anspruch. Schließt euch einer Gruppe an. Lest ein Buch. Meditiert darüber.

Entdeckt einander – vor allem, entdeckt euch gegenseitig wieder als männlich und weiblich; entdeckt wieder eure eigene Sexualität, sucht sie wieder auf, gewinnt sie wieder, eignet sie euch wieder an. Feiert sie. Genießt sie. Macht sie euch zu eigen.

Nehmt eure eigene freudvolle Sexualität in Anspruch, dann könnt ihr euren Kindern erlauben und sie dazu ermutigen, daß sie sich ihre Sexualität zu eigen machen.

Ich möchte dir nochmals danken. Lassen wir nun die Belange der Kinder beiseite und kommen wir auf das umfassendere Thema der menschlichen Sexualität zurück. Hier muß ich dir noch eine weitere Frage stellen. Sie mag sich unverschämt oder auch frivol anhören, aber ich kann diesen Dialog nicht beenden, ohne dich das zu fragen.

HÖR AUF, DICH zu entschuldigen, und frag einfach.

Schön. Gibt es so etwas wie »zuviel Sex»?

NEIN. NATÜRLICH NICHT. Aber es gibt so etwas wie zuviel Bedürfnis nach Sex.

Ich schlage folgendes vor:

Genießt alles.

Braucht nichts.

Menschen eingeschlossen?

MENSCHEN EINGESCHLOSSEN. VOR allem Menschen.

Jemanden zu brauchen ist der schnellste Weg, eine Beziehung abzuwürgen.

Aber wir alle haben gerne das Gefühl, gebraucht zu werden.

DANN HÖRT DAMIT auf. Habt statt dessen gerne das Gefühl nicht gebraucht zu werden – denn das größte Geschenk, das du jemandem machen kannst, ist die Stärke und die Kraft, dich nicht zu brauchen, dich für nichts zu brauchen.