Michael
Bishop
Kleine Geschichte des Fahrrads
(401 v.Chr. - 2677 A.D.)
A SHORT HISTORY OF THE BICYCLE:
401 B.C. TO 2677 A.D.
Barry Malzberg gewidmet
Auf dem Planeten Draisienne, einer Welt welliger Savannen, deren knöchelhohe Gräser hier und da eine Unterbrechung durch Pfade aus niedergepreßter organischer Materie erfuhren, gewalzt in Muttererde, erkannte Praeger, die Geschichte des Fahrrads mußte neu geschrieben werden. Praeger, in dessen Umkreis es hundert Lichtjahre weit keinen anderen Menschen gab, saß unter dem Vordach seines Zeltes und versuchte, ein reichhaltiges und umwälzendes historisches Gewebe zu flechten, das fürs Fahrrad tun konnte, was der Wandteppich von Bayeux für die Schlacht von Hasting geleistet hatte. Und was zudem überfällig war, längst überfällig. Gelegentlich hob er den Blick von seinem Mikrofilmbetrachter (im Zelt hinter ihm sah es aus wie in einem Kassettenarchiv, und die Kühle unter den Zeltbahnen aus Segeltuch war mehr mit Geschichtszeugnissen als mit Dosennahrung vollgestopft) und spähte über das Gewimmel jener Geschöpfe aus, die er nun seit fast einem Jahr Erdstandardzeit studierte.
„Weil das Fahrrad die materiellen Ressourcen und die Energieproduktion wenig in Anspruch nimmt, kaum zur Umweltverschmutzung beiträgt, dagegen positiv zur Gesundheit, es überdies selten Verletzungen oder Todesfälle verursacht, kann es als die segensreichste aller Maschinen betrachtet werden.“{2}
Leichter Wind wehte Praeger die strohblonde, altersbedingt angeweißlichte Locke aus der Stirn, blies in seinen Blouson und belüftete seine Achselhöhlen und Rippen. Unterdessen blieben die Draisies in ständiger Bewegung. ‚Ein Rudel’, dachte Praeger. ‚Ich habe eine Gruppe von ihnen als Rudel bezeichnet, obwohl der richtige Terminus wahrscheinlich Herde ist – vor allem, weil Herde ihr Gemeinschaftstum zum Ausdruck bringt, ohne einen Räubertum zu implizieren, das sie in Wirklichkeit nicht kennen.’ „Ja, segensreich sind sie, alter Junge“, sagte er dann laut und meinte den paradigmatischen Geist S. S. Wilsons, im 22. Jh. Verfasser des Artikels „Bicycle Technology“, den er sich gerade zu Gemüte geführt hatte. „Aber Maschinen sind sie nicht, ganz bestimmt sind sie keine Maschinen. Zumindest hier nicht.“ Die Brise trug seine Worte davon, und in weiter Ferne, im Dunst bläulich, jedoch dank der anmutigen Gestalten, die im Vordergrund dahinradelten, schimmlig substantiell, breitete ein Berg seine verschiedenen abgeflachten Kuppen aus, wie ein silberhäuptiger Olympier, der seine Schultern in vorsätzlich kriegerischer Haltung wölbte. Praeger, der sich ein bißchen in der uralten Sprache der Massai auskannte, hatte die nächstgelegene Kuppe des Höhenzuges Ngàje Ngài genannt, Haus Gottes. Außerdem waren die Verhältnisse auf Draisienne denen im alten Tansania tatsächlich sehr ähnlich, und die Draisies, die so friedfertig auf den ausgefahrenen Pfaden durch die Savannen des Planeten einherradelten, erinnerten ihn an irdische Zebras oder Weißschwanzgnus. „Herde“, bekräftigte er laut, „nicht Rudel. Wie bin ich auf Rudel gekommen?“
Trotz aller Indizien, die für das Gegenteil sprechen (schrieb Praeger), ist das Fahrrad nicht im 19. Jahrhundert erfunden worden. Obwohl Männer wie Baron von Drais de Sauerbrun, der Schotte Kirkpatric Macmillan, die Gebrüder Michaux aus Paris und die Starleys aus Coventry rechtmäßig den Status von Wiederentdeckern und Weiterentwicklern des Fahrrads beanspruchen können, hat keiner von ihnen den gleichnamigen Apparat erfunden. Diese Ehre gebührt einem griechischen Söldner namens Polybices. Im Jahre 401 v. Chr., während des „Rückzugs der Zehntausend“ von Cunaxa in Persien (ein Abenteuer, dessen Chronik in Xenophons Anabasis möglicherweise reichlich übertrieben dargestellt worden ist), ersann Polybices anhand der platonschen Idealvorstellung, wie das perfekte, vom Benutzer selbst betriebene Gefährt auszusehen habe, die Morphologie des Fahrrads. Während seine Söldnerkameraden in den Hügeln Kurdistans und Armeniens mit den rachgierigen Kriegern des Artaxerxes fochten und sie in Schach hielten, konstruierte Polybices sein Prototyp-Gerät aus den Griffen zerbrochener Schwerter, aus liegengelassenen Speeren, den ledernen Flächen und Gurten von Schilden gefallener Gefährten sowie diversen Gegenständen aus der Beute, die man im Verlauf des Rückzugs, dem der Feind schwer nachdrängte, bei Plünderungen gemacht hatte. Es schneite. Nahrung war knapp. Unaufhörlich fanden Angriffe gegen die Nachhut, an den Flanken und sogar auf die Vorausabteilungen statt. Infolgedessen sah sich der geschickte und entschlossene Polybices, von seinen Kameraden als Drückeberger und Bummler beschimpft und verflucht, dazu gezwungen, seinen Apparat zum Großteil auf dem Marsch zusammenzubauen. Aber es gelang ihm. Schließlich setzte er, sechzig oder siebzig Kilometer vom Schwarzen Meer entfernt, sein fiebertraumhaftes platonsches Paradigma in die Tat um – wenngleich ohne den Kettenzahnradantrieb am Hinterrad, der die Idealform für ein Gefährt von absoluter Perfektion gewesen wäre. Unter den gegebenen extremen Umständen hatte Polybices getan, was menschenmöglich war; außerdem erwies das Fehlen des Kettenzahnradantriebs sich als nur kleines Hindernis, denn er machte sich unverzüglich auf den Weg und strampelte die restlichen sechzig oder siebzig Kilometer nach Trapezus, einer griechischen Stadt, wo er in Sicherheit war, innerhalb von bloß eineinhalb Tagen herunter. Er schaffte es trotz allerlei Unbilden der Witterung, feindlicher persischer Spähtrupps und schlechten Straßenzustands und traf mehrere Tage vor seinen fußkranken und ausgehungerten Kameraden – von denen inzwischen allerdings viele der Erschöpfung und dem Hunger zum Opfer gefallen waren und infolgedessen das Schwarze Meer gar nicht erreichten – in Trapezus ein. Eine Gruppe von Ankömmlingen, denen Polybices nichts anderes tat, als ihnen frohgestimmt zur Begrüßung entgegenzuradeln, fiel über ihn her und prügelte ihn zum Dank tot. In ihrer Wut zerschlugen sie auch die verschiedenen provisorischen Komponenten seines Fahrrads und verstreuten die Einzelteile in den Straßen der Hafenstadt. Mehr als 2300 Jahre verstrichen, bis Baron von Drais de Sauerbrun der Welt sein zweiadriges „Fußgänger-Steckenpferd“ vorstellte, ein außerordentlich unzulänglicher Verwirklichungsversuch jenes Ideals, das Polybices wider nahezu unvorstellbare Hemmnisse beinahe ins Augenmerk einer damals noch unzulänglicheren Menschheit gerückt hatte. Und der Schaden – der Schaden war mit Sicherheit unermeßlich groß.{3}
Praeger blickte erneut auf und formulierte in Gedanken vor. Und seit der partiellen Wiederentdeckung von Polybices Erfindung durch den Baron sind mindestens weitere 750 Jahre vergangen. Im Laufe dieser Zeit haben wir das Fahrrad gegen das Kraftfahrzeug, das Kraftfahrzeug gegen den Helicraft, den Helicraft gegen den einsitzigen Lichtsonden-Kapsopulter, den Kapsopulter gegen die nervenzerfetzende autogene Strapaze der Materietransmission ausgetauscht. Durch welch letztere Transportmethode Praeger, seine Mikrofilm-Bibliothek und seine Camping-Ausrüstung nach Draisienne gelangt waren, von der Transmitterplattform in Teaneck, New Jersey, durch die Äther von Nacht, Zeit und Raum abgestrahlt und in wiederverstofflichte Existenz geblitzt: blippiti-blip, blippiti-blip, blip-blip. Die Draisies in der Savanne – sie ließen protzig ihre Speichen rundum flitzen, daß sie nur so schimmerten, jagten einander, vollführten alle Arten von Kipp- und Kreiselübungen – hatten bei seiner Ankunft zum Gruß nicht einmal mit den Lenkstangen gewackelt. Und da es keine Retransmissions-Einrichtung auf Draisienne gab, würde es, um Praeger und seinen Besitztümern das Wiederverlassen des Planeten zu ermöglichen, einer Lichtsonden-Fährkapsel (oder einer transmittierten Transmitterplattform) bedürfen; da gab es nur gelb-orangene Gräser, eine Anzahl stark ausgefahrener Pfade und „Wendeplätze“, hier und dort einen Baum (den Affenbrotbäumen ähnlich und putzig anzusehen), ferner die in ständiger Bewegung befindlichen, hell gefärbten Kreaturen, denen so völlig Praegers Zeit, Aufmerksamkeit und gequälter Respekt gehörte. Er widmete sich wieder seinem historischen Text und begann zu schreiben …
Im Jahre 2204 entdeckte eine Gruppe von Wissenschaftlern im Forschungsinstitut auf dem Ganymed das transuranische Element 237 mit einer Halbwertzeit von 1,00872 Nanosekunden. Dr. J. K. Kolodny, Leiter des Forschungsprogramms, schlug vor, das neue Element Polybicium (Py) zu nennen. Warum, wollten seine Kollegen wissen. Es ist berichtet worden, daß Kolodny, der im Besitz eher bescheidener Geistesgaben war, geantwortet habe: „Weil wir neue Elemente schon nach so gut wie jedem benannt haben, der eine solche Ehre verdient, und Polybicium klingt richtig nett.“ Die anderen Forscher nahmen das so hin, und deshalb kennt man das Element 237 heute beim Namen des wahren Erfinders des Fahrrads. Das ist die ausgleichende Gerechtigkeit des Daseins.
Fahrräder, organische Fahrräder. Ganz genau wie man es auf einer Welt erwarten durfte, die so offensichtlich an die fruchtbaren Ebenen Afrikas erinnerte, und es existierten mehrere Gattungen. Ein Jahr lang hatte Praeger seine Beobachtungen auf ein „Rudel“ Rennräder konzentriert, deren Territorialinstinkt sie auf den Umkreis des „Affenbrotbaums“ sowie den Fahrradweg, der darunter verlief, und den dazugehörigen Wendeplatz beschränkte, kaum zwanzig Meter von seinem Zelt entfernt. Trotzdem ermöglichte es ihm der evolutionäre Reichtum Draisiennes, ab und zu auch andere Gruppen zu beobachten, Hochräder, Klappermühlen, Dreiräder, Zweisitzer, Sporträder und – am unheimlichsten von allen – große Pterocycles, die auf Draisiennes Winden segelten und bedrohliche Schatten warfen, aus dem kargen, opaleszenten Himmel herabstießen wie reptilische Marabus. ‚Was wir herausgefunden haben’, sagte sich Praeger, ‚ist doch, daß die philosophischen Idealformen, die Plato postuliert und von denen der glücklose Polybices fieberhaft eine verwirklicht hat, auf eigenen Welten überall im physischen Universum tatsächlich existieren. Und diese Idealformen sind in jedem einzelnen Fall lebendige Geschöpfe, selbst wenn ihr schattenhafter Abklatsch auf unserer Erde nur aus bloßer Materie besteht, seelen- und leblos.’ Das war die Wahrheit. Infolgedessen war die Menschheit auf Planeten gestoßen, die ganz bevölkert waren von lebenden, atmenden, evolutionär differenzierten Aschenbechern, Wassertürmen, Fußwärmern, Meßlatten, Wolkenkratzern, Unterhosen, Bumerangs, Brotkästen, alkoholischen Getränken usw. – ad infinitum?{4}
Spezies dieser Dinge existierten auf jeder dieser Welten, weil sogar eine unvollkommene Manifestation einer bestimmten einzelnen Idee zu ihrer besonderen „Varietät der Unvollkommenheit“ ein „perfektes“ platonsches Gegenstück hat, und unter diesen Gattungen ließen sich Individuen finden, die die verschiedenen „perfekten“ Manifestationen der denkbaren „Varietät der Unvollkommenheit“ jener Bestandteile repräsentierten, die ein einzelnes Exemplar der Spezies ausmachen. Abstrus – jawohl, furchtbar abstrus. Nicht einmal Praeger konnte das so recht verstehen. Nichtsdestotrotz, diese Einschätzung bot eine Erklärung für die vielen unterschiedlichen Arten desselben Gegenstandes, denen man unvermeidlich auf den Welten der Platonschen Norm begegnen konnte. Infolgedessen lebten auf Draisienne die vollkommen unbeholfenen „Steckenpferd-Fahrräder“ des alten Barons in Koexistenz mit den absolut perfekt morphologischen Rover-Rädern, die im Jahre 1885 auf der Erde J. K. Starley „erfand.“ ‚Das Universum hört nie auf’, dachte sich Praeger, ‚uns in Staunen zu versetzen.’
Wahrend der letzten rund dreißig Jahre des gegenwärtigen Jahrhunderts (von 2644 bis 2673, um genau zu sein) hat die Popularität des Fahrrads einen neuen Aufschwung erhalten, vergleichbar mit dem, der Ende der 1960er Anfang der 1970er Jahre in der damaligen politischen Einheit Vereinigte Staaten von Amerika, Erde, Sektor 2 J-21LP stattfand. Die kürzlich eingetretene galaxisweite Rezession jedoch, zusammengefallen mit der Annihilation von neun nichtplatonschen, von Menschen bewohnten Planeten der Lichtsonden-Allianz durch Kobalt-Zertrümmerer, hat zu Absatzrückgängen geführt, deren Umfang proportional mit den entsprechenden Konsequenzen der „Inflationsspirale“ jener vergangenen, so gut wie vergessenen Ära korrespondiert. Auf Draisienne wird man sich, wenn man den stromlinienförmigen Wuchs und die umgänglichen Gewohnheiten der Rennräder betrachtet, gemeinsam mit den anderen Gattungen organischer Mechanismen, die ohne Zweifel zur Entwicklung/Evolution der Rennräder beigetragen haben, wieder über die Notwendigkeit klar, zu vereinfachen, zu vereinfachen, zu vereinfachen. So hat das Fahrrad es gemacht. Und wie schon sein früher Historiker S. S. Wilson scharfsinnig bemerkte, „hat es sich so entwickelt, daß sein Design ergonomisch optimal ist.“ (Hervorhebung vom Verfasser){5}. In diesem Sinne ist Draisienne also mein Waiden geworden.{6}
Wiederum hob Praeger den Blick. Wich seine historische Darstellung hier vom Gebot der Objektivität ab? Der letzte Satz enthielt ein Possesivpronomen der ersten Person. Wenn er so weitermachte, würde er bald schamlos daherplaudern, wie er und seine Frau, daheim auf den unbrauchbar gewordenen Autobahnen von Old New England, einmal ihre zwei Kinder in heckwärtigen Kübelsitzen aus Plastik spazierengefahren hatten. Knallgelb waren sie gewesen, diese Sitze; wie die Sonne mitten im Mai. Nein, solche Abschweifungen konnten seiner Arbeit nur schaden, solche Radtouren durch Zeiten und Gefühle, die auf Draisienne nur im schlaglichthaften Aufkommen von Erinnerungen Wirklichkeitswert besaßen, die ihm durch die stroboskopischen Speichen seines Verstandes sausten. Und wer zum Teufel außer seiner Frau Daisy, seinem Sohn Maserati und seiner Tochter Gitane würde denn schon die tragische Komik des „Volksliedes“ begreifen können, das er für sie komponiert hatte und den Titel trug: Ich fiel vom Zweirad der Liebe?{7} ‚Schreib bloß nichts darüber’, sagte er sich, während er zwei Einrädern zusah, wie sie im Baum vor seinem Zelt auf einem der oberen Äste reichlich heikel balancierten, ‚bleib auf einer gelehrsamen, historischen Basis, Praeger. Es ist deine Aufgabe, nach Möglichkeit herauszufinden, ob die organischen Fahrräder von Draisienne nicht vielleicht uns allen einen Ausweg aus dem Holocaust zeigen, der alle Welten der Lichtsonden-Allianz bedroht. Eine neue, akkurate Geschichte des Fahrrads, das darf man ruhig glauben, kann uns womöglich den Schlüssel zu dieser Entdeckung liefern.’
Wann aber sollte er dann über das andere schreiben? Wenn er Daisy, Mas und die kleine Gitane wiedersah? Als er sich das fragte, bemerkte Praeger, wie die Spitze einer Lenkstange wiederholt das Khaki an seinem Ellbogen anstieß. Es war das Draisie, das er Daisy rief, ein Zweisitzer ohne Anhang, der bereits zu einem frühen Zeitpunkt in Schlangenlinien zu Praegers Lagerplatz geschaukelt gekommen war und ihm seither etliche Möglichkeiten zur Nahbeobachtung der Rennräder, die sich in der Ebene tummelten, verschafft hatte. Und nicht nur das, Daisy hatte ihn sogar bei den ursprünglichen Forschungen für sein Projekt wesentlich unterstützt. Weil er sich erkenntlich zeigte, indem er sie gelegentlich abschmierte, gelang es ihm, sie im Bereich seines Lagerplatzes zu halten. „Moment mal, Mädchen“, sagte er laut und streichelte Daisys Rücksitz, „Moment mal, ich muß hier noch ’ne Kleinigkeit erledigen.“ Er befaßte sich erneut mit seinem Notizbuch. Nein, es war unmöglich, am Personalpronomen vorbeizukommen; völlig ausgeschlossen, die Quelle seiner Erkenntnisse authentisch aufzuzeigen, ohne seinen Vorgesetzten die Wahrheit mitzuteilen. Die Wahrheit. Kein Weg führte vorbei am anmaßenden ICH …
Viele von Ihnen mögen fragen: „Wie will ein einsamer, auf dem Planeten Draisienne isolierter Xenobiologe, nichts zur Hand als eine mitgebrachte Mikrofilm-Bibliothek, das Geheimnis der Ersterfindung des Fahrrads aufgedeckt haben? Ist diese Geschichte von dem griechischen Söldner nicht nur eine Verrücktheit, die er uns aus dem Versteck seiner Isolation heraus aufschwatzen möchte?“ Nein, das ist keineswegs der Fall. Es ist eine Tatsache, daß ich die Temporaltransport- und Situationsfaksimilationskapazitäten einer Eingeborenen (zur Gattung der zweisitzigen Fahrräder gehörig) benutzt habe, um mich ins Jahr 401 nach Trapezus zu versetzen, um die Ankunft des Polybices und seines Fahrrads in der genannten Stadt real miterleben zu können. Um diesen chronostratischen Transfer zu ermöglichen, mußte ich mich zunächst körperlich aus der Savanne, in der sich meine Lagerstelle befand, in eine draisiennische Region begeben, deren Höhenlage genau der Höhe des Tigris-Euphrat-Landstrichs entsprach, dem Schauplatz des „Rückzugs der Zehntausend.“ Daisy, mein domestizierter Zweisitzer, trug mich, nachdem sie mir durch Lenkstangenstöße und Läuten der Klingel zu verstehen gegeben hatte, daß ein solcher Trip unbedingt erforderlich sei, innerhalb von zwanzig Tagen nordwärts bis in die richtige Höhe; es schien, als träte auf dem Vordersitz ein Phantom die Pedale und verliehe uns die schneidige Fahrt, deren es bedurfte, um die entsprechende Strecke so schnell zurückzulegen. Dann fing mein Zweisitzer am ungefähren Äquivalent von 41° nördlicher und 38° östlicher Breite (ein schönes Stück abseits von den tatsächlichen Koordinaten des alten Trapezus, aber nicht genug, um Daisys Tt- und Sk-Kapazitäten zu beeinträchtigen) mit der temporalen „Zielsuche“ an, der zyklotronischen Beschleunigung der Räder bei gleichzeitiger Erzeugung der Raumverzerrung, in der schließlich als Ergebnis die geografische Szenerie der klassischen Hafenstadt erscheinen sollte.{8} „Zielsuche“ ist durchaus eine zutreffende Bezeichnung, weil mein Fahrzeug versuchte, in der Zeit genau zu jenem Moment zurückzukehren, an dem Polybices das Vehikel-Ideal verwirklichte, das von den Kreaturen auf Draisienne verkörpert wird; ferner ist zu beachten, daß die Tt- und Sk-Kapazitäten dieser „Apparate“ nicht weiter als bis ins Jahr 401 v. Chr. zurückreichen, denn ihre eigene physische Entwicklung auf der Platonschen Normwelt Draisienne setzte nicht früher als zum Zeitpunkt ein, als Polybices seine Erfindung machte, während sie davor in Draisiennes Atmosphäre so ätherisch und insubstanziell wie jede unverwirklichte abstrakte Konzeption schwebten.{9} Nichtsdestoweniger führte Daisys „Zielsuche“ zu dem Ergebnis, daß ich, sowohl ich wie auch das Fahrrad (ich auf seinem Rücksitz) für die allgemeine Welt (da bin ich sicher) bestenfalls als unkenntliches, schwaches Wallen und Flimmern der Luft wahrnehmbar, Polybices auf seinem Gerät in der Stadt eintreffen sah; danach sprang ich in der Zeit zwei Tage vorwärts, um ebenso Augenzeuge seiner Ermordung und der Vernichtung seines handgefertigten Originalexemplars zu werden, und zum Schluß schwirrte ich dreitausend Jahre weit wieder in die Zukunft, während Sonne, Sterne, Wolken und Landschaft bläulich an mir vorüberfegten, als zerstiebe der Kosmos selbst zu einer abstrakten Konzeption, zu dürftig, um je noch einmal den Aufwand einer Wiederverwirklichung zu verdienen. Zu guter Letzt, als die Welt renormalisiert war, beförderten Daisy und der Phantomfahrer auf dem Vordersattel mich die etwa tausend Kilometer südwärts in die Plain, zurück zu meinem Lagerplatz. Ich versuche nun zu rekonstruieren, was ich erfahren habe, jetzt aus eigenem Erleben weiß, an Kenntnissen der seltsamen, multidimensionalen Spritztour verdanke, von der ich gerade erst zurückgekehrt bin. Sie sehen also, ich selbst bin meine Dokumentation.{10}
Viel blieb nicht mehr zu tun. Die Geschichte des Fahrrads forderte nur zu Spekulationen auf: Praegers Vorschläge zur Lösung der vielfältigen Krisen, die so bedrohlich unheilvoll der Zukunft der Allianz im Wege lagen. Fast alle – so sah Praeger das jedenfalls – waren die Folgen entweder erblicher menschlicher Schwächen oder aber menschlicher Laster, letztere entstanden durch eine heutzutage allgemein tolerierte Dissoziation der Emotionen. Konnte das Fahrrad diese Mängel beheben? Einerseits Habgier, Ehrgeiz, Räuberei, Egoismus. Andererseits Entfremdung, Argwohn, verstockter Wille nach Absonderung. Und war er selbst kein Opfer dieser schlußendlichen Auflösungserscheinung? Nein, eindeutig nicht; er befand sich infolge eines zugewiesenen Auftrags auf Draisienne, nicht weil es ihm freiwillig eingefallen wäre, sich für längere Zeit von Daisy und den Kindern zu trennen. Und er dachte oft an sie, das konnte man wohl sagen, er hatte sich der Pest der Antisozialität noch nicht gebeugt, die – wenigstens indirekt – im Falle von neun Planeten zur Kobalt-Zertrümmerung und in der Folge zu einem Rückgang der Fahrradumsätze geführt hatte. ‚Ich nicht’, sagte sich Praeger, ‚nicht ich’. Die Lehre, die man aus der Existenz des Fahrrads ziehen mußte, lautete natürlich: vereinfachen, vereinfachen, vereinfachen, und dank der totalen Positivität, die mit der Geselligkeit des Fahrrads einherging, kam man mit dieser Lösung leicht zu Potte. Selbst Daisy (das Fahrrad, nicht seine Frau) hatte sich einen Gefährten gesucht, nachdem sie von ihrer Sippe nomadischer Zweisitzer abgeirrt war. Vielleicht war das die Antwort: Radfahren war gesund; und Frischluft, Sonnenschein und Bewegung würden die Menschheit wieder („Wieder?“ fragte er laut und an niemanden gewandt) in weitherzigen Einklang mit sich selbst bringen. Das Sinken der Fahrradumsätze mußte deshalb rückgängig gemacht werden. Für eine Weile schaute Praeger versonnen den Rennrädern zu, wie sie ihre Rennen machten, und den Einrädern, die im „Affenbrotbaum“ ihre Zirkusakrobatik vollführten. ‚Habe ich vielleicht schon bis zu dem Punkt vereinfacht’, fragte er sich dann, ‚an dem die Vereinfachung ins Einfältige umschlägt?’ Doch Daisy bedrängte ihn zärtlich mit ihren schwungvoll nach vorn gebogenen Lenkstangen, und es gelang ihm nicht, diese dringende Frage abzuklären. „Na schön“, sagte er laut. Um ihr sein Interesse zu zeigen, rieb er ihre beiden Sättel mit einer Lederpflegepaste ein, ölte und tätschelte ihre Trommeln und füllte oral ihre leicht aufblasbaren Schläuche nach. Danach sagte er ihr gute Nacht, brachte sein Notizbuch ins Zelt und tippte dort mit Sorgfalt an seine Zentrale eine Lichtsonden-Mitteilung, die die ersten Abschnitte seiner Geschichte des Fahrrads enthielt. In der Nacht jedoch sammelte er im Schlaf weiter Material, schrieb, kommentierte …
Natürlich wollen viele von uns unterbewußt das Fahrrad. Wieviel leichter wäre dann alles! Solange dies Transportmittel nur in unzureichendem Maße erhältlich ist, betrachten viele andere es dagegen mit ungerechtfertigtem Mißtrauen und unterstellen ihm – sogar auf von Menschen bewohnten Welten, wo es eindeutig ein Apparat ist, kein organisches Wesen –, es sei eine Abart von Monster, das sie entweder hintergehen oder rundheraus vernichten will.{11} Auf Draisienne habe ich mich häufig dabei ertappt, daß ich die Haltung und das Benehmen eines Fahrrads nachzuahmen versuchte, obwohl ein derartiger Versuch aufgrund der Unterschiede in der Anatomie ziemlich unangenehm ist. Auch bin ich davon überzeugt, daß mein Unvermögen, eine erfolgreiche Nachahmung meiner Gastgeber zu bewerkstelligen, mich in mancherlei Beziehung geschädigt hat, die noch gar nicht in vollem Umfang evident wird.{12} Ich habe keineswegs den Wunsch, ein Misanthrop zu werden, zumal ich hoffe, meine Forschungen können ein Heilmittel gegen den epidemischen Haß liefern, den wir gegen andere unserer Art empfinden und der nun den Stoff aus dem die Lichtsonden-Allianz besteht, zu zerreißen droht. Denn dafür, das muß man einsehen, können wir nicht dem Fahrrad die Schuld geben; nein, ganz bestimmt nicht dem Fahrrad …
Am folgenden Morgen erwachte Praeger von hartnäckigem Klingeln, absichtlichem Ratschenlassen der Gänge und dem Klappern verlagerter Speichen. Als er seine Zeltlasche hob, sah er davor eine Versammlung von Rennrädern, Daisy in ihrer Mitte, eine Zusammenrottung wie ein Lynchmob. Praeger merkte, wie er sich aschfahl verfärbte, und die scharfe Salzigkeit, mit der ihm der Schweiß ausbrach, ließ sein Gesicht und seine Seiten in Furcht schwimmen. Daisy entfernte sich aus der Mitte der anderen Räder, blieb stehen, legte die Lenkstange an (beide Enden) und ließ sie dann mehrmals nach vorn rucken, so daß sie auf ihn deuteten. Sobald zwei oder drei Rennräder diese Geste wiederholten, begriff er – und war heilfroh darüber –, daß sie nicht die Absicht hegten, ihn auseinanderzunehmen, sondern wünschten, daß er sie auf eine wichtige morgendliche Radtour begleite. „Also gut, einverstanden“, sagte er, „ich komme mit.“ Der Zweisitzer gestattete ihm sofort, das Bein über den Rücksitz zu schwingen, und Praeger entfernte sich auf ihm vom Lagerplatz, angeführt durch eine Gruppe von Rädern in kräftigen Lackfarben, Rot, Grün, Gelb und Blau. Über einen der von Gras durchbrochenen, „asphaltenen“ Fahrradpfade Draisiennes jagten sie dahin, der Wind teilte sich um Praegers steif aufgerichteten Oberkörper und zog die übrigen Rennräder im Luftsog mit, der dabei entstand. Schließlich sprangen sie, die Schläuche gedehnt, unter Geschnurre der Speichen und indem ihre Rahmen in der Sonne aufblitzten, in die freie Savanne selbst und sausten ostwärts, ohne sich vom grasigen Untergrund abschrecken zu lassen. Gegen Abend erreichten sie eine Landzunge, von der aus man über einen schmalen Strand ausblicken konnte, und dort sah Praeger im letzten Licht des Tages, wie Wesen seiner Art eine Anzahl einer primitiven Gattung von Draisies (es handelte sich um Zweiräder mit Tretbrettantrieb) zusammentrieben und auf eine aus Fertigteilen am Ufer errichtete Transmitterplattform scheuchen. Von dieser Plattform aus transmittierte man diese plumpen, arglosen Vehikelidealformen mit einer tragbaren Transmittereinheit vom Planeten fort, und die Bedienung der Einheit erfolgte in den Händen eines kaltschnäuzigen Preßbanden-Chefs, einer untersetzten Gestalt, deren zweifellos symbolischer schwarzer Umhang wie eine verrückte Fledermaus im Wind des Meeres flatterte. ‚Sklavenjäger’, erkannte Praeger auf Anhieb. ‚Sklavenjäger, die mit Fahrrädern ihr schmutziges Geschäft machen.’ Daisy und die Zehngang-Rennräder, begriff er, hatten ihn an diesen Ort gebracht, damit er etwas unternähme, sie wünschten, daß er gegen diese Ungeheuerlichkeit einschritt, die Mitglieder seiner Spezies hier begingen. Also stieg er ab, trat dicht an den Rand des Felsens, auf dem sie gehalten hatten, und schrie „Aufhören!“ in den Wind. „Sie da, sofort aufhören!“
Im Erdstandardjahr 2677 (schrieb Praeger eine Woche später) sind auf der Platonschen Normwelt Draisienne mehrere Gattungen von Fahrrädern durch die Sklavenjagd ausgerottet worden. Von dieser Welt sind das Tretbrettzweirad, das Schwengeldreirad, das Bambus-Tourenrad sowie die Orient-Rikscha bereits völlig verschwunden. Mit jedem Tag dringen die unbarmherzigen Wilderer weiter landeinwärts vor, und es macht kaum einen Unterschied aus, daß sie ihre Beute nicht auf der Stelle töten, sondern sie von Draisiennes Oberfläche beamen, um zu versuchen, ihre Tt- und Sk-Kapazitäten kommerziell zu verwerten.{13} Ich befürchte, nichtsdestotrotz wird das endgültige Resultat die vollständige Ausrottung sein. Außerdem furchte ich, daß die Leute, die diesen unausbleiblichen mechologischen Völkermord begehen, Agenten derselben Behörde sind, die ursprünglich mich nach Draisienne geschickt hat, damit ich die Draisies studiere.{14} Immerhin sind sie nämlich an dem Morgen hier eingetroffen, nachdem ich die ersten Abschnitte meiner Geschichte des Fahrrads per Lichtsonden-Mitteilung weitergereicht hatte; und trotz meiner wiederholten Bitten um Hilfe ist von der Lichtsonden-Allianz, seit diese Schurken hier materialisiert sind und eine eigene Transmitterplattform errichtet haben, keinerlei Unterstützung eingetroffen. Auf mich wollen die Wilderer nicht hören und ich – wie sie vermutlich ganz genau aus meiner Personalakte wissen – bringe es nicht fertig, Gewalt gegen sie anzuwenden. Unterdessen zeigen Daisy und die Rennräder mir unerbittlich das kalte Rücklicht, Ausdruck gerechtfertigter Verachtung, und ich spüre, wie sich in mir mein allzu menschliches Nervensystem auftrennt wie ein fadenscheinig gewordenes Geflecht von Träumen. Das ist tatsächlich ein schwarzer Tag für die Xenobiologie und Roald Praeger. Das ist wahrhaftig ein schwarzer Tag in der Geschichte des Fahrrads …
Als er am selben Nachmittag das Zelt verließ, bemerkte er, Daisy war verschwunden. Hatte sie ihn verlassen? War sie gefangen und auf eine Welt der Allianz transmittiert worden? Die Rennräder, die sich stets unterm „Affenbrotbaum“ getummelt hatten, waren auch fort, genauso die lebhaften Einräder, die ihn oben in den Ästen häufig mit ihren Kunststückchen unterhalten hatten. Von der ganzen kleinen Herde Zehngang-Fahrräder (nicht „Rudel“, wie er sich immer wieder verdeutlichte, denn dieser Begriff war den Geschöpfen einer völlig anderen Spezies zugeordnet) waren nur noch zwei geschmeidige, lackschwarze Räder zurückgeblieben, die wie zum Sprung geduckte Leoparden auf der Matte vor seinem Zelt lauerten. „Was wollt ihr?“ fragte Praeger, den Furcht packte. „Was gibt’s denn?“ Er kam bald dahinter, daß die Fahrräder wollten, er solle sie begleiten, ihm aber um keinen Preis erlauben mochten, einen ihrer Sättel zu besteigen. Während die Abenddämmerung herabsank, mußte er zwischen den beiden mitternachtsschwarzen Rennrädern mitlaufen, als wäre er ein Abgeurteilter auf dem Weg zum Galgen. ‚Und das bin ich auch’, sann er. ‚Haargenau das bin ich! Denn sie brachten ihn aus der Ebene in höher gelegene Bereiche, nämlich hinauf zu der schroff zerklüfteten Kuppe, die Praeger Ngàje Ngài genannt hatte, erklommen mit ihm die mit Felsbrocken übersäten Serpentinen, die im Zwielicht empor zu Draisiennes Haus Gottes führten. Einmal im Verlauf des
Aufstiegs hob er bestürzt den Blick, sah einen selbst erschrockenen Pterocycle hoch droben im Wind schweben, und sein Schatten glitt über Praegers Gesicht, ehe er fluchtartig hinter eine Felsbastion außer Sicht segelte. Auf der Bergkuppe ließen die Rennräder Praeger allein. Sie wendeten und flitzten davon in die Dunkelheit, die unten das Land überflutete. Als er von einem Felssims der Kuppe in ein schmales, von Granithängen begrenztes Tal hinunterschaute, sah der Xenobiologe die gebleichten, entstellten Überreste von einer Milliarde toter Fahrräder; er sah den Fahrradfriedhof aller abgenutzten und unbrauchbaren, vollkommen unvollkommenen Vehikelidealformen, die Draisienne jemals bewohnten – denn auch sie, hatte es den Anschein, waren sterblich. Auf diese Weise würdigten Daisy und die Rennräder, obwohl sie Praeger als Vertreter der Menschheit mit ihrer letztendlichen Schicksalsprüfung konfrontierten, seine persönliche Schuldlosigkeit an ihrer unfreiwilligen, allumfassenden Verbringung auf die Welten der Allianz; während sie selbst ihrem Schicksal entgegengingen, erlaubten sie ihm, auf dieser erhabenen Felsfläche eines Berges zu sterben, im Angesicht der Grabstätte ihrer auf ewig wieder teilweise intuitivierten Gefährten. „Ach, Polybices“, sagte Praeger laut, „meine Erhebung an diesen Ort ist eine Anabasis, die deiner gleichkommt, ein Aufstieg in ewige Anonymität.“ Und obwohl er sich zufriedengab, machte er mit dem Sammeln von Material und dem Formulieren seiner Kommentare weiter, während er an Erschöpfung und Hunger starb …
Zumindest in einem Fall (schrieb Praeger im Geiste und entschied, das solle der letzte Abschnitt seiner Geschichte des Fahrrads werden), hat ein Schriftsteller das Fahrrad als Metapher für den Tod benutzt.{15} Das ist ausgesprochen unfair sowohl gegenüber dem Wesen wie auch dem Vehikel dieser Analogie – um es einmal so auszudrücken –, denn einerseits hat das Fahrrad nur sehr wenig bedeutende dichterische Werke inspiriert, und andererseits war der Tod nie ein so beliebtes Fortbewegungsmittel wie das Fahrrad.
Die Agenten der Lichtsonden-Allianz schafften es, jeden einzelnen Einwohner Draisiennes von dem Planeten zu verfrachten und zu Wucherpreisen zu verkaufen. Einmütig verschrotteten die Menschen ihre mechanischen Fahrräder. Die organischen Fahrräder gediehen in der Gefangenschaft jedoch nicht besonders gut und weigerten sich, ihre Tt- und Sk-Kapazitäten für die Aufgaben einzusetzen, die ihre habsüchtigen Eigentümer von ihnen verlangten. Binnen drei Jahren irdischer Standardzeit waren sie – vom primitivsten „Fußgänger-Steckenpferd“ bis zum ausgefeiltesten, stromlinienförmigen Zehngang-Fahrrad – allesamt tot. Etwas später barg man von Draisienne Praegers Habseligkeiten und stellte sie den Verantwortlichen in der Zentrale zu. Eines Morgens brachte in der Verwaltungsabteilung der Allianz-Kommandobehörde ein Untergebener ein zerfleddertes Notizbuch ins Büro seines Vorgesetzten. „Sir, hier ist Roald Praegers ‚Geschichte des Fahrrads’“, meldete er merklich unsicher. Worauf sein Vorgesetzter, indem er aufblickte, zerstreut mit der Frage antwortete: „Was ist ein Fahrrad?“{16}