I

 

Meine Güte, dieses Pfefferminzshampoo fühlt sich an wie Hallo-Wach auf dem Kopf, ganz besonders wenn man den Schaum in die Augen bekommt. Ich wusste gar nicht, dass es überhaupt Pfefferminzshampoo gibt. Ich kenne Aloe-Vera-Shampoo und natürlich Shampoo mit Kamille oder grünem Tee. Ich benutze normalerweise Orangenblüten-Shampoo. Aber mein Orangenblüten-Shampoo ist alle, schon seit einer Woche, und in dem Laden im Dorf gibt es im Moment überhaupt keine Shampoos mehr, weder mit Kamille noch mit Orangenblüten noch mit grünem Tee, alle Shampoos alle, und der Weg in die Stadt ist weit und die Straße über den Pass vereist, und deswegen brauche ich hier die Shampoos von Anna auf. Alle angefangenen Shampoos, sogar die in den kleinen Packungen.

Anna ist nicht hier, sie ist mit Miguel Moreira in Porto oder Monsanto oder wo auch immer hoffentlich einigermaßen glücklich, und deswegen braucht sie das Haus hier im Moment nicht. Und Anna sagt, es ist gut, wenn das Haus bewohnt ist, wegen Heizen und Lüften und überhaupt, und deswegen darf ich jetzt hier wohnen. Keine Ahnung, wo sie dieses Shampoo her hat, wie kommt man denn an zwanzig kleine Packungen Pfefferminz-Shampoo? Wahrscheinlich sammelt sie diese kleinen Shampoos unterwegs in Motels ein und deponiert sie dann in ihrer Schublade hier im Badezimmer, vermutlich für Notfälle wie diesen. Wenn der einzige Laden im Ort kein Shampoo mehr hat, weil der Laster kaputt ist oder die Straße über den Pass vereist.

Ich versuche das Pfefferminzshampoo aus den Augen zu waschen und frage mich wie jeden Tag, seit ich hier vor einem Monat angekommen bin, was ich hier eigentlich mache. Und ich bin nicht die Einzige, die das fragt.

Alle fragen mich das. Sie wohnen in Portugal und Sie kommen hierher? Im Winter?? Und man kann es in ihren Gesichtern deutlich sehen, diese Vermutung, dass ich einen Knacks habe, nicht ganz dicht bin oder nicht mehr alle Tassen im Schrank habe. Und womöglich stimmt das ja auch. Aber vermutlich bin ich nicht mal die Einzige, die hier einen Knacks hat. Denn dies ist der perfekte Ort, um sich von der Welt zurückzuziehen.

Ich dusche, und zwar so richtig heiß, und mag sein, dass hier das Ende der Welt ist, aber die heiße Dusche funktioniert, und zwar richtig gut, und das Wasser hat einen Strahl wie sonst nirgends auf der Welt, weil es mit richtig viel Atü aus der Dusche schießt. Es gibt hier vieles nicht, in diesem Dorf mitten in der Wildnis am Ende der Welt. Es gibt keine Einkaufszentren und kein Kino. Es gibt keinen Handy-Empfang und keine Taxen. Es gibt zwei Tankstellen, aber nicht immer Benzin. Es gibt einen Laden, aber nicht immer Shampoo. Aber Wasser, Wasser gibt es, Wasser gibt es reichlich.

Was also mache ich hier den ganzen Tag? Über mein Leben nachdenken. Auf dem West Bay Trail und auf dem Leiner River Trail spazieren gehen. Und lesen.

Ich sitze mit einem Kaffee vor Annas Bücherregal und stöbere in den Büchern. Ist eine ziemlich wahllose Mischung. Total zusammengewürfelt. Wirkt wie bei der Heilsarmee und im Secondhand-Buchladen zusammengekauft und ist es wahrscheinlich auch. Ein bisschen Kanada-Reise-Lektüre natürlich, die üblichen Reiseführer eben. Ein Buch über Vancouver Island mit Routenvorschlägen und allgemeinen Informationen, außerdem Broschüren über Campbell River, Courtney und Comox. Eine Backroad Map für Vancouver Island mit allen Straßen, Logging Roads und Campingplätzen. Ein Buch mit dem schönen Titel: Camp free in BC, was etwas irreführend ist, weil manche Campingplätze dann doch fünf oder zehn Dollar kosten. Und ziemlich viele Angelbücher, von Lachsangeln über Fliegenfischen bis hin zu Lebendködern. Diese Bücher sind bestimmt noch von Jan, der ist hier immer zum Angeln hergekommen. Und ein paar Bücher übers Schreiben. So wie das hier, von Leigh Michaels, Writing Romance. Ich blättere in dem Buch und mein Blick bleibt an einem Satz hängen.

 

The heroine tames the hero, civilizes him, and helps him to embrace his softer and more vulnerable side.

 

Das heißt auf Deutsch soviel wie: die Heldin zähmt den Helden, zivilisiert ihn und hilft ihm, seine weiche und verletzliche Seite anzunehmen.

Tja und das ist der Punkt, wo ich offensichtlich versagt habe, denn sonst säße ich ja jetzt nicht hier. Hier in diesem blauen Flusshaus am Ende der Welt. Nichts gegen das Haus, es ist ein hübsches Haus, mit Blick auf den Fluss, aber trotzdem. Am Rande von Kanada. Mitten im Winter. Wobei die Winter hier milde sind. Es ist zwar Kanada, aber es ist der Süden Kanadas. Ein kleiner Ort in British Columbia, an der Westküste von Vancouver Island. Früher war hier das Winterlager der Indianer. Kann man verstehen, weil es ja so milde ist. Jetzt ist es mein Winterlager. Das ist schon weniger zu verstehen. Aber es hat offensichtlich damit zu tun, dass ich nicht in der Lage war, Jorge Monteiro zu zähmen und zu zivilisieren. Und ihn dazu zu bringen, seine sanften und verletzlichen Seiten anzunehmen. Und noch viel weniger dazu, meine sanften und verletzlichen Seiten wahrzunehmen. Und schon gar nicht dazu, auf meine sanften und verletzlichen Seiten auch Rücksicht zu nehmen.

Das kann ich natürlich nicht als Antwort geben, wenn die Leute mich fragen: was machen Sie hier? Und wenn schon hier, warum dann ausgerechnet im Winter? Denn das ist wirklich ungewöhnlich, in Lissabon zu wohnen und den Winter hier in diesem kleinen Dorf im Nirgendwo zu verbringen. Im Sommer, im Sommer könnten es die Leute noch verstehen, dass man aus Portugal hierher kommt. Im Sommer kommen viele Touristen hier ins Dorf. Von überall her. Angler, um Lachse zu fangen. Fotografen, um Bären und Adler zu fotografieren. Naturliebhaber, die Natur genießen wollen. Aber im Winter? Was gibt es hier schon im Winter. Nichts. Nichts gibt es hier im Winter.

Also habe ich mir eine gute Antwort zurechtgebastelt und die lautet so: Mir geht die Hitze in Portugal auf den Keks, die Sommer sind so heiß in Lissabon, da kann ich gut ein bisschen Regen vertragen.

Und in der Tat – das entspricht der Wahrheit. Aber wie das so ist mit der Wahrheit – manchmal gibt es viele. Die eine Wahrheit ist: Ja, es ist in Portugal im Sommer heiß und in Lissabon steht die Hitze in den Straßen, die Luft flimmert, man hat das Gefühl, der Teer schmilzt unter den Sandalen und man ist dankbar für die kleinste Brise, die nachts über den Tejo weht und einem wenigstens die Illusion einer Abkühlung vermittelt. Und nach fast dreißig Jahren Hitze kann man so einen regenreichen Winter hier wirklich gut wegstecken.

Aber das ist natürlich kein echtes Argument, denn in Portugal regnet es im Winter ja auch. Oft sogar reichlich. Und es ist kalt. Aber wie. Aber hallo. Wie sagte Anna damals, als ich sie kennenlernte und wir im Bairro Alto zusammen im Bota Alta das erste Mal gemeinsam Essen gingen? Der erste Winter in Portugal ist der kälteste. Vermutlich einfach auch deswegen, weil man das so nicht erwartet hat. Und vielleicht auch, weil man vorher gar nicht wusste, wie ungemütlich sich acht oder zehn Grad anfühlen, wenn es draußen feucht ist und drinnen nicht geheizt.

Das Bota Alta war ein enges gemütliches Restaurant in der Rua da Atalaia und es gab Kassler mit Mandeln und deswegen gingen wir einmal im Monat dorthin, die Anna, die Clara und ich, denn wo bekommt man in Portugal sonst schon Kassler, das kennt da ja kaum einer. Ich weiß nicht, ob es heute noch Kassler mit Mandeln dort gibt, im Bota Alta. Ja, ich weiß ja nicht mal, ob das Bota Alta überhaupt noch existiert.

Aber Anna existiert noch, seit einiger Zeit verwitwet und plötzlich und unerwartet (für Clara und mich) in neuer An-und-Ab-Beziehung mit Miguel Moreira (Clara und ich sind ein bisschen besorgt), und Clara existiert auch noch, allerdings nach letzen Meldungen irgendwo in Argentinien (Anna und ich sind ein bisschen besorgt). Und ich existiere auch noch. Beziehungsweise ich versuche es. So gut es eben geht, ohne Jorge Monteiro. Wegen der Finanzen, natürlich, denn jetzt muss ich mit Anfang fünfzig noch mal ganz neu anfangen und gucken, wie man in dieser Welt Geld verdienen kann. In meinem Alter. Mit einem nie wirklich genutzten Romanistik-Studium. Nach fast dreißig Jahren als Ehefrau und Mutter. Aber es ist nicht nur das.

Jorge fehlt mir.

Und ich bin selber schuld.

Denn ich habe ihn verlassen. Ich bin ausgezogen. Und als ich auszog, hat er doch wirklich zu mir gesagt: Jasmin, ist dir klar, dass du damit eine harmonische Familie zerstörst?

Na, der Mann hat Nerven. Und womöglich sogar recht. Denn auf eine bestimmte Art und Weise war es eine harmonische Familie. Jorge hat als Professor für Portugiesisch an der Uni das Geld verdient. Ich habe das gemütliche Heim geschaffen. Ich habe Stück für Stück das Haus in Campo de Ourique renoviert, morgens die Kinder in die deutsche Schule gebracht und rund um die Uhr dafür gesorgt, dass der Haushalt glatt lief. Die Kinder hatten ihre Freunde. Ich habe mich ab und an mit Anna und Clara getroffen und Jorge hatte seine Studenten und Studentinnen. Und eine davon immer ganz besonders. Eine ganz harmonische Familie.

Es klingelt. Wer kann das sein? Ich kenne hier niemanden. Ich sehe nach draußen, da steht eine Frau mit einem Pudel vor der Tür.

Ich gehe runter und mache die Tür auf. Die Frau hat rote Haare mit einer lila Strähne und ein Piercing in der Lippe. In der Hand eine Leine. An der Leine einen weißen Pudel. Die Frau drückt mir die Leine in die Hand.

„Hier“, sagt sie. „Ich muss in die Stadt. Ich hoffe, Peppermint kann bei Ihnen bleiben.“

Und einen Moment bin ich verwirrt, weil ich denke, was hat diese rothaarige Frau mit meinem Pfefferminz-Shampoo zu tun. Aber dann wird mir klar: sie meint den Pudel.

Peppermint guckt interessiert hoch, als sie ihren Namen hört. Peppermint sieht wie ein ganz liebes Tier aus, aber was soll ich mit einem Pudel? Ich bin froh, dass ich im Moment für niemanden sorgen muss, nach achtundzwanzig Jahren Versorgen von Ehemann und Kindern, Weihnachtsessen mit Großeltern, und Familienurlauben mit Freunden im Ferienhaus von Miguel mit Arroz de Marisco für zehn Personen.

„Tut mir leid“, sage ich. „Ich kenne Sie überhaupt nicht.“

„Klar, tut mir leid“, sagt die Frau. „Ich bin April Green.“

„Jasmin Monteiro“, sage ich, praktisch als Reflex.

„Ich muss zum Arzt in die Stadt“, sagt April. „Ich bin morgen wieder da, spätestens übermorgen. Ist ja nur für eine Nacht. Maximal zwei.“

Und vielleicht, weil ich so gewohnt bin, für alle da zu sein und für alle zu sorgen – ehe ich mich versehe, habe ich Peppermints Leine in der Hand und der Pudel sieht vertrauensvoll zu mir hoch und anscheinend habe ich genickt, denn April Green geht jetzt offensichtlich davon aus, dass der Pudel bei mir in guten Händen ist.

„Danke“, sagt sie. „Das ist wirklich nett.“

Und dann greift sie in ihre Jackentasche und holt eine Schachtel aus ihrer Tasche. Sieht aus wie Tabletten.

„Hier“, sagt April. „Das hätte ich fast vergessen. Geben Sie ihr eine pro Tag, dann ist alles in Ordnung.“

Ich sehe auf die Schachtel, es ist Prozac.

„Sie geben Ihrem Hund Prozac?“, sage ich.

„Oh, das ist in Ordnung“, sagt April. „Es ist spezielles Hunde-Prozac, zum Kauen, mit Rindergeschmack. Tja, ich muss dann.“

Und weg ist sie. Und ich stehe da mit einer Packung Prozac in der Hand und einem Pudel an der Leine. Peppermint guckt vertrauensvoll zu mir hoch.

 

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal auf einem Spaziergang mit einem Pudel auf Prozac vier abgenagte Karibufüße finde. Da sieht man mal, dass das Leben doch immer wieder Überraschungen in der Tasche hat. Vermutlich sind es auch gar keine Karibufüße, weil es hier gar keine Karibus gibt. Es sind wohl eher Rehfüße, aber das macht es nicht wirklich besser.

Ich bin mit Peppermint auf der Straße Richtung Müllkippe unterwegs, denn so richtig viele Wege gibt es hier ja nicht.

Es gibt The Road. Unsere Anbindung an die Außenwelt in Form von 65 Kilometern Schotterstraße, garniert mit vielen Schlaglöchern und mal besser und mal schlechter in Schuss. Und wenn man mit Jeff auf Facebook befreundet ist, bekommt man einen aktuellen Bericht über den Zustand von The Road. Das ist ein guter Grund mit Jeff auf Facebook befreundet zu sein. Der einzige eigentlich, jedenfalls für mich, denn Jeffrey Thompson ist wortkarg und verschlossen. Gerade mal ein gemurmeltes Hallo, wenn man ihn auf der Straße oder im Cookshack trifft.

Aber auf The Road geht man höchstens zu Fuß, wenn man einen Motorschaden oder eine Reifenpanne ohne Ersatzreifen hat (kommt leider oft vor), und auch das nur, bis einen das nächste Auto mitnimmt (kommt glücklicherweise praktisch genauso oft vor). Also läuft man entweder durchs Dorf, oder den West Bay Trail entlang, oder den Leiner River Trail oder die Straße runter zur Müllkippe. Und Peppermint braucht Auslauf, also laufen wir die Straße zur Müllkippe.

April Green ist natürlich nicht nach zwei Nächten wieder gekommen, sie hat bei Kathleen im Cookshack angerufen, weil ich ja kein Telefon habe. Und Kathleen hat es mir ausgerichtet, als ich im Cookshack Kaffee trinken war. Aprils Mutter ist krank und April muss sie pflegen. Und ich soll mir keine Sorgen machen, sie vertraut mir, Peppermint ist bei mir in guten Händen. Peppermint öffnet ihre kleine Pudelschnauze und versucht das Karibubein aufzuheben. Und ich mache mir erst keine Sorgen, weil die Beine aussehen wie abgehackt, das war bestimmt ein Jäger. Aber dann wird mir klar: die Beine sind zwar abgehackt, aber auch abgenagt. Und das war kein Jäger.

Das war ein Puma oder ein Bär. Daneben liegen Fischgräten. Auch blank. Ich glaube, wir gehen lieber. Ich muss nur noch Peppermint davon überzeugen. Peppermint guckt traurig und treuherzig, warum soll sie diesen schönen Knochen liegen lassen? Da gibt es keinen Grund für. Außer: Ich bin stärker und ziehe sie einfach weiter. Und dann gehen wir ins Dorf zurück.

Ich versuche die Spaziergänge zum Nachdenken zu nutzen.

Was, was und nochmal was soll ich mit mir und meinem Leben anfangen? Es gibt keine Kinder mehr, die mich brauchen, die Kinder sind groß und aus dem Haus, sie studieren und nicht mehr lange und ich werde womöglich Oma sein. Oma. O Gott. Wie das klingt! Das klingt nach alt. Das klingt nach weißhaarig. Das klingt nach ... nach ... nach Strickjacken und schmerzenden Gelenken, nach Gedächtnisverlust und Altersheim. Ich merke, wie mich die Panik erwischt.

Panik, dass ein Bergpuma aus dem Gebüsch springt und mich abnagt wie die Karibubeine.

Panik, dass ich ohne Geld auf der Straße stehe.

Panik, dass ich alleine alt werde.

Aber was soll ich tun? Zurück zu meinem untreuen Ehemann und diese junge hübsche Studentin, mit der ich ihn neulich im Restaurant O Retiro gesehen habe, an Tochter statt bei uns wohnen lassen (natürlich nicht – just kidding)? Jorge hat diese Affäre nicht gebeichtet. Jorge weiß nicht mal, dass ich ihn gesehen habe, denn ich bin schnell wieder aus dem Retiro raus. Womöglich wundert er sich bis heute, warum ich ihn so plötzlich im November verlassen habe, warum ich unsere harmonische Familie zerstört habe, aber ich finde, er hat es sich im Laufe der Jahre gründlich verdient.

Ich weiß nicht ein noch aus und bin kurz davor, die Prozacs selber zu nehmen, statt sie Peppermint zu geben. Ich fange langsam an, mich zu freuen, dass Aprils Mutter krank ist und ich den Pudel noch eine Weile als Gesellschaft behalten darf. Da sieht man mal. Ich ziehe fester an Peppermints Leine und sie wirft noch einen Blick zurück in Richtung abgenagte Knochen und dann sehen wir zu, dass wir nach Hause kommen.

 

Ich koche mir eine große Kanne Zitronentee und Peppermint kriegt ihre Tablette und ich bekomme eine Runde Casablanca, in schwarz-weiß und schön wie immer. Und ja, ich kenne die Definition der Romantikerin. Und jetzt mal ganz ehrlich, natürlich hoffe ich jedes Mal wieder ein bisschen, dass Rick und Ilsa sich kriegen, nicht wahr.

Und als die drei auf dem Flugfeld stehen und ich mal wieder hoffe, dass sie sich doch noch kriegen, klingelt es plötzlich an der Tür. Ich gehe hin und mache auf, und da steht Clara. Clara, die doch eigentlich in Argentinien ist. Im Hintergrund hört man Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann.

„Jeez Louise“, sagt Clara. „Du siehst das immer noch?“

 

***

 

„Was ist mit deinem Produzenten“, frage ich Clara

„Ich habe ihn verlassen“, sagt Clara.

„Und ich dachte, ihr wart so glücklich, da in LA in Hermosa Beach, in der dreiundreißigsten Straße“, sage ich. „Schönes Appartement, und so nah am Strand.“

Denn das hat mir Clara gestern Nacht nämlich noch bei einer Flasche Sawmill Creek (na gut, zwei und ja, so heißt die Marke wirklich) erzählt, wie glücklich sie mit ihrem Filmproduzenten ist. Wo sie überall hingegangen sind. Von den ganzen Partys und Treffen. Von Alans Boot in der Marina Del Rey. Vom Segeln in der Bay von Santa Monica, mit Blick auf Seehunde und Riesenrad. Und wie viele Leute sie kennengelernt hat und dass die Wohnung nur zwei Blocks vom Meer entfernt ist. Dass sie jeden Tag die Strandpromenade langlaufen. Und wie schön es ist, sonntags am Pier im Café Bonaparte Kaffee zu trinken und ab und zu bei Hennessys einen Burger zu essen. Und so weiter und so fort, das ganze Glück einer neuen Liebe in einer neuen Stadt. Neue Liebe für beide. Neue Stadt für Clara.

„Waren wir auch“, sagt Clara.

„Und was ist dann passiert?“, frage ich.

„Was eben so passiert“, sagt Clara.

„Also los, warum habt ihr euch getrennt?“

„Wegen Weihnachten“, sagt Clara.

„Aha“, sage ich.

„Er hat mir ein i-phone geschenkt“, sagt Clara.

„Ja, das ist furchtbar“, sage ich.

Das ist so eine Art paradoxe Intervention, damit Clara merkt, was sie hier eigentlich redet. Denn ein i-phone als Weihnachtsgeschenk ist doch eigentlich nichts Schlechtes, nicht wahr.

„Das neueste Modell“, sagt Clara. „Das allerneueste Modell. Für jeden von uns eins.“

„Ganz furchtbar“, sage ich. „Wie konnte er bloß!“

„Du verstehst das nicht“, sagt Clara.

„Dann erklär´s mir“, sage ich.

Wir sitzen im Cookshack und gucken auf den Fjord. Der Cookshack ist ziemlich klein, im Grunde ein ganz simpler Bau, fast ein Container. War früher mal das Terminal für Island Air. Aber seit es die Straße über den Pass gibt, kommen fast keine Wasserflugzeuge mehr und niemand braucht mehr ein Terminal. Und so ist der Cookshack entstanden. Hier gibt es Kaffee und Frühstück, Snacks und Kuchen und einen fantastischen Blick über den Fjord.

Clara steht auf und holt sich noch einen Kaffee. Das ist bestimmt der dritte oder vierte, aber Kathleen sagt nichts und wir werden es durch Trinkgeld ausgleichen. Es ist regnerisch und der Blick aus dem Fenster geht ins Grau-Blau. Fast wie eine Monochromie. Blaue Berge, grauer Himmel, blauer Fjord. Drüben am Ufer ein Streifen Grün, das sind die Tannen, und ein Streifen gelb, das ist das Gras im Winter.

„Also“, sage ich.

„Also“, sagt Clara. „Ich bin in Santa Monica spazierengegangen, in der dritten Straße, da wo die ganzen Geschäfte sind. Da gibt es einen Barnes and Noble, du weißt schon, dieser Buchladen, wo man ...“

„Clara“, sage ich.

„Okay“, sagt Clara. „Ich soll zur Sache kommen. Bin schon dabei. Ich also auf der dritten Straße und gucke Geschäfte, ich brauche ja eigentlich nichts, aber trotzdem, und Alan irgendwo in einem neuen Studio in Santa Monica, weil er da vielleicht was aufnehmen will, wegen dieser Musikgruppe von seinem Bruder, und da entsteht ...“

CLARA“, sage ich.

„Bin schon dabei“, sagt Clara. „Ich laufe also ein Stück weiter und plötzlich sind die Geschäfte zu Ende und es ist mehr so eine Wohngegend, aber irgendwie keine gute. Die Häuser klein und ein bisschen schäbig, Müll auf den Bürgersteigen, die Straße ziemlich leer, kaum Autos, nicht ein einziger Fußgänger. Und mir wird so ein bisschen mulmig.“

Ich sage nichts, ich nehme einen Schluck von meinem Kaffee. So ist Clara, wenn sie erzählt, da kann man nichts machen.

„Und da klingelt doch plötzlich mein i-phone und Alan ist dran.“

Fast hätte ich gesagt, sieh an, er hatte anscheinend deine Telefonnummer und da soll noch mal einer sagen, Männer rufen nicht an, aber ich verkneife es mir, denn Claras Geschichte hat vermutlich noch irgendeine Pointe. Denke ich doch.

„Und weißt du, was er sagt?“, fragt Clara und ich schüttel meinen Kopf.

„Er sagt, ich soll umdrehen, das ist keine Gegend, wo man gut alleine läuft.“

„Ja“, sage ich. „Da hatte er vermutlich recht.“

„Er hat gewusst, wo ich war“, sagt Clara. „Verstehst du, er hat gewusst, wo ich war. Er hat unsere i-Phones synchronisiert oder wie das heißt und konnte immer sehen, wo ich bin. Jederzeit.“

„Wow“, sage ich. „Beeindruckend.“

„Er hat mich kontrolliert“, sagt Clara.

„Er hat sich Sorgen gemacht“, sage ich.

„Hier“, sagt Clara und zieht das Handy aus der Tasche. Klein, flach, elegant. Mit Extrahülle, so dass es über Solar geladen wird. Edel, edel, edel.

„Hier gibt es keinen Handy-Empfang“, sage ich. „Die ganze Gegend hat keinen Empfang.“

„Ich weiß“, sagt Clara und grinst.

„Bist du deswegen hierher gekommen?“, frage ich.

„Nein, nein“, sagt Clara. „Natürlich nicht. Ich wollte auch sehen, wie´s dir so geht. Ich habe von Anna gehört, dass du Jorge verlassen hast.“

Wir rühren in unserem Kaffee. Ich sage nichts dazu, wie es mir so geht. Wie soll es mir schon gehen? Ich lebe hier seit über einem Monat in einer Art Parallel-Universum. Ich lebe in diesem kleinen Küstenort, wo die meisten Leute mit einem Truck durch die Gegend fahren und komme mir manchmal vor wie in einer Doku über den Norden Kanadas, obwohl es doch der Süden Kanadas ist. Ich fahre einen Van mit Automatik, was mir übrigens besser gefällt als diese Schalterei, ich hole mir Bücher aus der kleinen Bibliothek, ich leihe mir DVDs und sehe meine ganzen alten Lieblingsfilme. (Ist das gesund? Bin mir nicht so sicher). Manchmal laufen kleine Indianerkinder durch die Gegend. Montags gehe ich zum Pfannkuchen-Frühstück in die Kirche. Donnerstags gehe ich im Pub Pizza essen. Die Pizza ist heiß und gut, der Pub ist groß und kalt und die Wände sind aus Holz mit indianischen Zeichnungen. Eine Robbe, ein Adler, ein Rabe.

Ich hüte einen Pudel namens Peppermint, weil April immer noch bei ihren Eltern ist. Ich gebe dem Pudel jeden Tag ein Prozac. Ich nehme selber nichts davon. Bin aber manchmal in Versuchung. Zum Glück hält mich der Rindergeschmack davon ab. Und ich hab praktisch mit niemandem wirklich geredet. Bis gestern Clara vor meiner Tür stand.

„Was produziert Alan eigentlich“, frage ich Clara, um wieder auf andere Gedanken zu kommen.

„Filme“, sagt Clara.

„Und was für Filme?“, frage ich.

„Alles mögliche“, sagt Clara.

„Dokus?“, frage ich.

„Unterhaltung“, sagt Clara.

„Star Wars? Murmeltiertag? Schlaflos in Seattle?“, sage ich. Und frage mich, wieso Clara mir nicht einfach erzählt, was Alan filmt.

„Eher Schlaflos in Sex City“, sagt Clara.

„Oh“, sage ich.

„Yep“, sagt Clara.

„Wow“, sage ich.

„Tja“, sagt Clara.

Auf der anderen Seite des Fjords lichtet sich der Nebel etwas und man kann mehr von den blauen Bergen sehen. Kathleen kommt und schenkt uns noch Kaffee ein und geht wieder in ihre Küche. Dann kommt sie zurück und stellt einen Teller Haferkekse auf den Tisch. Wir sehen sie fragend an. „Geht aufs Haus“, sagt Kathleen. Kathleen ist in unserem Alter, super nett, hat drei Ehen hinter sich und zwei Kinder aus dem Haus. Jetzt lebt sie alleine und sagt gut so, jetzt kann sie tun und lassen, was sie will. Und ein Mann kommt ihr nicht noch mal ins Haus, damit ist sie durch. Kathleen ist da ganz klar. Sie weiß, was sie will und sie hat ihr Café, das sie ernährt. Ich habe nichts, was mich ernährt. Und ich weiß überhaupt nicht, was ich will.

Clara hat wenigstens ihre Kitschromane, die kann sie überall schreiben. In Viseu oder in Buenos Aires oder in LA. In Viseu wohnt sie nämlich eigentlich. Und nach Buenos Aires wollte sie eigentlich. Aber in Buenos Aires ist sie nie angekommen. Weil sie beim Zwischenstopp in London auf dem Flughafen Alan kennengelernt hat. Und mit ihm einfach nach LA weitergeflogen ist, statt wie geplant nach Buenos Aires. Eigentlich ist Clara ihr ganzes Leben lang so gewesen. Sie ist irgendwo gestartet, um irgendwohin zu kommen und irgendwo anders gelandet. Und sie hat es nie bereut. Und irgendwoher müssen die Ideen für ihre Romane ja kommen, nicht wahr. Ich dagegen plane lieber im Voraus und halte mich dann auch dran.

„Im Grunde seid ihr dann doch das perfekte Team“, sage ich zu Clara. „Du schreibst das Wärmende fürs Herz und Alan filmt das Heiße für die anderen Teile.“

„Sehr witzig“, sagt Clara. „Sehr witzig.“

Draußen hört es auf zu regnen, das ist perfekt, da kann Peppermint ein bisschen laufen und Clara sieht was von der Gegend. Wir fahren zum Leiner River Trail und ich lasse Peppermint aus dem Auto und nehme sie an die Leine. Der Leiner River Trail ist ein Weg durch den Regenwald kurz vor dem Dorf. Er ist schön gemacht, über die schlammigen Teile führen kleine Brücken, man hat eine Aussichtsplattform aus Holz, wo man weit über das Inlet sieht. Man geht über den Pfad und rechts und links ist Urwald mit hohen Bäumen, die von ausgefransten Flechten überzogen sind. Im Wald stehen ein paar Gedenksteine an Verstorbene. Irgendwo weit links liegt Johns Farm, verlassen, seit John vor einigen Jahren ins Altersheim gezogen ist. Noch weiter links weiter im Wald ein einfacher Campingplatz mit Tischen und Bänken und Klohäuschen, wo man campen kann, aber nie jemand campt und schon gar nicht im Winter.

„Was ist das?“, sagt Clara.

Sie bleibt vor dem großen blauen Schild stehen, das vorne am Trail steht. Eine Warnung vor Bären und Pumas. Ein paar Verhaltensregeln, damit man weiß, wie man sich verhält, wenn man so einem Tier begegnet. Ich ignoriere das Schild normalerweise, aber Clara bleibt davor stehen und liest sich alles durch. Das sollte man vielleicht lieber nicht. Da stehen Sachen drauf wie Bären sind unberechenbar und gefährlich, als ob man das nicht sowieso wüsste. Und im Grunde möchte man da ja nicht dran erinnert werden, schon garnicht, wenn man drauf und dran ist, diesen Wald zu betreten. Und wenn man auf einen Puma trifft, soll man nicht rennen, sondern langsam rückwärts gehen.

„Jeez Louise“, sagt Clara. „Und hier gehst du spazieren?“

Ich zucke mit den Schultern und wir gehen den Pfad in den Wald und Clara erzählt von LA und ich erzähle von Jorges Studentinnen. Und weil Peppermint jetzt schon seit Tagen an der Leine ist, mache ich sie mal ab, damit sie ein bisschen laufen kann und Peppermint bellt aufgeregt und fröhlich, springt dreimal hoch in die Luft und weg ist sie. Aber so was von weg in Sekundenschnelle, das ist unglaublich.

Und jetzt, fragt Clara. Weiß nicht, sage ich, wir müssen sie suchen. Wir müssen sie suchen, nicht, dass so ein Puma sie frisst, und wie soll ich das April erklären? Und wer weiß, wie sich ein Puma verhält, der einen Prozac-Pudel frißt, geht das Prozac dann in den Puma über, oder was? Alles möglich. Und außerdem habe ich mich an den Hund irgendwie gewöhnt. Es ist ein netter kleiner Pudel, ich mag ihn.

Wir rufen Peppermint, Peppermint, Peppermint und nach einer Weile, weil das so ein langes Wort ist, einfach Pepper, Pepper, Pepper.

Pepper, Pepper, Pepper. Um uns die hohen Bäume. Die Flechten, hellgrün und fransig. Der Wald voll von hohen Farnen, große dichte dunkelgrüne Farne, es sieht ein bisschen wie ein Zauberwald aus. Und gut, dass es ein Trail ist und wir damit die Richtung haben, denn sonst könnte man sich hier schnell verlaufen, so gleich sieht das alles aus, jedenfalls für unsere Städteraugen. Womöglich hat sich der arme Pudel einfach verlaufen. Clara und ich rufen und laufen und suchen. Pepper, Pepper, Pepper ... Pepper, Pepper, Pepper ...

Und plötzlich sagt eine Stimme: Ladies und wir drehen uns um. Und da steht ein Mann. Aber was für einer! Lange dunkle Haare. Kurzer gepflegter Bart. Typ Abenteurer. In Jeans und brauner Lederjacke. Kräftig. Durchtrainiert. Eine Art menschgewordener Puma. Ein Alpha-Mann wie aus einem von Claras Kitschromanen. Ein Mann wie aus einem von Alans Filmen. (Jedenfalls wäre das meine erste Wahl im Casting für so einen Film.)

Der Mann hält uns eine Pfeffermühle hin. Eine von diesen kleinen Wegwerf-Gewürzmühlen, wo man die Pfefferkörner in dem Moment mahlt, wo man sie braucht.

Ich sage nichts. Clara sagt auch nichts. Es hat uns beiden die Sprache verschlagen. Selbst Clara. Im Grunde tun wir automatisch das, was das Schild für eine Begegnung mit einem Puma vorschreibt. Wir drehen ihm nicht den Rücken zu, sehen ihn an und bleiben aufrecht stehen. Der Mann drückt mir die Pfeffermühle in die Hand und ich nehme sie, irgendwie. Aber ich kann immer noch nichts sagen. Der Mann guckt von Clara zu mir und wieder zu Clara. Clara sagt nichts. Ich auch nicht.

Der Mann schüttelt den Kopf, sagt wieder: Ladies. Und weg ist er. Verschwunden. Im Wald.

Jetzt fangen wir wieder an zu atmen. Was war das?

Eine Erscheinung? Clara und ich sehen uns an. Clara hat ihn also auch gesehen. Vielleicht eine gemeinsame Halluzination, eine Art shared vision? Jetzt sehen wir auf die Pfeffermühle. Eine ganz reale Pfeffermühle aus durchsichtigem Plastik. Der Mann kauft also offensichtlich ganz normal wie wir alle im Laden im Dorf oder in der Stadt ein. Und kochen kann er anscheinend auch, denn sonst hätte er ja nicht so eine Pfeffermühle, das heißt, jetzt hat er keine mehr, jetzt haben wir sie ja. Ein Mann, der so aussieht und der auch noch kochen kann!

„Hallo die Enten“, sage ich. Das ist eigentlich Annas Ausdruck, aber ich benutze ihn jetzt einfach mal. Hallo die Enten.

„Jeez Louise“, sagt Clara. Das sagt sie jetzt andauernd, das ist ein Mitbringsel aus LA, sozusagen.

„Wow“, sage ich. „Wowers.“

„Die Esoteriker haben recht“, sagt Clara. „Alles, was man braucht, ist in der Nähe. Und damit meine ich nicht den Pfeffer.“

Ich sage nichts.

„Das kann ich natürlich nicht in meinem Buch verwenden“, sagt Clara. „Das glaubt mir ja keiner.“

Und dann fällt uns Peppermint wieder ein. Peppermint ist immer noch weg. Und jetzt trauen wir uns nicht mal mehr weiter Pepper, Pepper, Pepper in den Wald zu rufen. Obwohl – wäre doch gar nicht so schlecht, wenn der Typ wiederkäme, oder? Oder vielleicht lieber nicht. Wer will schon einen Traummann im realen Leben. Und wer weiß, wie er aussieht, wenn man ihn noch mal sieht und genauer hinguckt. Wer weiß, wer weiß, wer weiß. Und außerdem: ich will gar keinen Mann mehr in meinem Leben. Männer machen Arbeit – sagt Kathleen. Männer kontrollieren einen – sagt Clara. Männer betrügen einen früher oder später – sage ich.

Wir rufen leise und pfeifen laut und plötzlich hören wir ein Geräusch. Wir gehen zum Ufer, da ist sie – die kleine Peppermint. Sie ist im Wasser und versucht verzweifelt ans Ufer zu schwimmen, aber sie hängt fest, an einem umgestürzten Baum, und sie ist schon ganz erschöpft, ich kann es sehen, ihr kleiner Kopf geht unter und kommt wieder hoch und geht wieder unter, und sie paddelt und paddelt und kommt nicht von der Stelle, weil da der Baum ist und sie versteht einfach nicht, dass sie einfach umdrehen müsste und schon könnte sie ans Ufer schwimmen.

Und das erinnert mich natürlich sofort an mein Leben mit Jorge, man kämpft und kämpft und kommt nicht vorwärts und sieht nicht, dass es einen anderen Weg gibt und Peppermint wird ertrinken, wenn wir ihr nicht helfen, aber das Wasser ist eiskalt. Ich sehe Clara an und Clara sagt: „Geteiltes Leid ist halbes Leid“, und schon haben wir beide unsere Jacken ausgezogen und sind in dem eiskalten Wasser und Clara hält den Baum fest und ich ziehe Peppermint nach hinten. Und dann gehen wir glücklich ans Ufer.

Peppermint ist ganz nass und sieht ganz dünn aus. Wir leider nicht. Das heißt, nass sind wir schon. Aber dünn sehen wir trotzdem nicht aus.

Und da hören wir ein Geräusch und am Ufer steht Jeff. Jeffrey Thompson, der mürrische Einzelgänger, aber jetzt grinst er. Soweit man mit einem Kaugummi im Mund grinsen kann. Er hält seine Kamera hoch.

Er hat uns fotografiert. Er wird das auf Facebook veröffentlichen, gleich neben seinem Bericht über den Zustand von The Road.

„Hi Jeff“, sage ich.

Jeff nickt.

„Kannst du mir einen Gefallen tun?“, frage ich.

„Warum sollte ich?“, sagt Jeff.

„Stell es nicht auf Facebook, okay?“, sage ich.

„Facebook“, sagt Jeff. „Na, das ist doch überhaupt DIE Idee.“

Und weg ist er. Und wir stehen da, drei begossene Pudel, denen langsam so richtig kalt wird. Peppermint zittert schon und wir fangen auch an.