19
»Gerichtsmedizin. Detective Walker.«
»Hallo, Burt. Hier ist Kinsey. Ida Ruth hat mir gesagt, Sie hätten gesagt, ich solle Sie anrufen.«
»Oh, prima. Gut, dass sie Sie erreicht hat. Bleiben Sie eine Sekunde dran, ich muss eben meine Notizen suchen.« Ich hörte Papiergeraschel im Hintergrund. Er hielt die Sprechmuschel zu, und ich hörte gedämpft, wie er mit jemandem redete. Dann war er wieder dran. »Pardon. Wir sind gerade mit der Autopsie fertig geworden. Demnach war die Todesursache Nierenversagen, mit Anzeichen für eine Schädigung der Leber sowie Schädigungen des kardiovakulären Systems mit daraus resultierendem Kreislaufkollaps, Tubulärnekrose...«
»Wodurch hervorgerufen?«
»Darauf komme ich gleich. Ich habe nach unserem Gespräch gestern bei Wynington-Blake angerufen. Ich habe ein bisschen mit dem Leichenbestatter geplaudert. Ich wollte ihm erzählen, was wir vorhaben, und einfach mal hören, ob ihm irgendetwas aufgefallen ist. Er sagt, als sie Morley gebracht haben, hätte er >eine markante Gelbfärbung< aufgewiesen.«
»Vom Trinken?«
»Das habe ich zuerst auch gedacht, aber dann habe ich ein bisschen genauer nachgeforscht. Ich habe mir diese Haushaltsund Gartenartikel angeguckt, die Sie hergebracht haben. Dieser Gebäckrest hat mich stutzig gemacht, weil es irgendetwas Gemüseartiges war. Bei den meisten anderen Sachen konnte ich mir nicht vorstellen, dass jemand etwas davon zu sich nimmt, ohne es zu merken. Ich habe ein bisschen nachgelesen, und ich will Ihnen sagen, worauf ich gekommen bin. Die Autopsie hat es dann auch bestätigt. Schon mal was von Amanita phalloides gehört?
»Klingt wie eine Sex-Stellung. Was zum Teufel ist das?«
»Der grüne Knollenblätterpilz. Eine andere Möglichkeit wäre Amanita Verna, ein anderer Vertreter derselben Familie, auch bekannt als falscher Champignon. Beide sind tödlich. Nach den Resten dieses Backwerks zu urteilen, scheint es, als ob ihm jemand einen leckeren Amanita-Strudel fabriziert hätte.«
»Klingt makaber.«
»Ist es auch. Passen Sie auf. Eine Injektion von einem Fünfzigmillionstel Gramm Phalloidin bei einer Maus führt innerhalb von zwei Tagen zum Tod. Für einen Menschen reichen etwa fünfzig Gramm Pilze.«
»Großer Gott.«
»Und jede der beiden Arten würde ziemlich genau die Symptome hervorrufen, die Morley nach Ihrer Schilderung gezeigt hat. Interessant ist vor allem, dass auf den Verzehr häufig eine so genannte Latenzphase von sechs bis zwanzig Stunden folgt. Dann kommt es zu Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall und schließlich zum Herz-Kreislauf-Kollaps.«
»Das heißt, wenn ihm Samstagmittag schlecht wurde, hätte er das Zeug zwischen irgendwann am Freitag und Samstagmorgen essen können.«
»Sieht so aus.«
»Wo findet man diese Teufelsdinger? Wachsen die hier in der Gegend?«
»Im Buch steht Nordamerika und Pazifikküste, Spätsommer und Herbst<. Wäre schon ein bisschen spät, aber möglich ist es wohl. Verna kommt wohl häufig in Laub- und Nadelwäldern vor und wächst einzeln oder in Trupps oder Ringen. Ist angeblich an der Westküste selten, aber es könnte sie ja jemand von woanders mitgebracht haben. Getrocknet oder eingefroren oder so etwas. Wo haben Sie die Gebäckreste gefunden, bei ihm zu Hause?«
»Im Papierkorb in seinem Büro, draußen in Colgate. Gesehen habe ich die Schachtel schon beim ersten Mal, als ich da war, aber ich habe mir nichts dabei gedacht, bis ich dann zum zweiten Mal rausgefahren bin.«
»Ahnen Sie, woher er sie hatte?«
»Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen zu fragen. Ich habe das Zeug einfach nur zu allem anderen in meinen Sack gepackt. Ich bin davon ausgegangen, dass er beim Bäcker vorbeigefahren ist und es sich selbst geholt hat. Betty, die Frau vom Schönheitssalon, sagt, er habe immer heimlich alles Mögliche genascht. Er war seit einer Woche auf einer strengen Diät, aber sie hat gesehen, wie er sich Doughnuts mitbrachte und Sachen vom Chinesen und sonstiges Fast Food, und deshalb habe ich mich über die Bäckerei-Schachtel nicht weiter gewundert. Vielleicht hat sie ihm ja jemand gebracht und vor die Tür gelegt.«
Burt unterbrach mich. »Noch etwas. Ich sehe das gerade hier in meinen Unterlagen. Typischerweise tritt eine vorübergehende Beruhigung ein. Sie haben mir doch gesagt, dass er sich zwischendurch besser fühlte? Bei einer Amanita-Vergiftung sieht es manchmal so aus, als ob sich der Zustand bessert.«
»Sie meinen den Sonntagmorgen«, sagte ich.
»Genau. Aber in Wahrheit ist dann schon alles gelaufen. Das Gift zerfrisst die Leber, löst die Blutkörperchen auf und führt zu inneren Blutungen. Wahrscheinlich hatte er Blut im Stuhl und im Erbrochenen, obwohl er ja anscheinend nichts davon gesagt hat. Entweder hat er sich nichts dabei gedacht, oder aber er wollte seine Frau nicht beunruhigen. Aber selbst im Krankenhaus hätten sie ihm nicht mehr helfen können.«
»Es muss ihm doch dreckig gegangen sein. Wieso hat er keine Hilfe gesucht?«, fragte ich.
»Schwer zu sagen. Der Schweregrad der Symptome hängt wohl davon ab, wie viel man von dem Zeug gegessen hat. Vielleicht hat er ja nur einmal gekostet und gedacht, es sei nicht mehr gut oder so etwas, und den Rest weggeworfen. Haben Sie Morley jemals essen sehen? Er hat regelrecht geschlungen. Hat sich noch was drauf eingebildet, wie schnell er sein Essen wegputzen konnte.«
»Dieser Jemand muss ihn gut gekannt haben«, sagte ich.
»Nicht unbedingt. Er hat ja kein Geheimnis daraus gemacht. Genau wie mit seiner Gesundheit. Er hat dauernd von seinen Herzbeschwerden und seinen Gewichtsproblemen geredet.«
»Und diese Pilze? Erkennt man die auf den ersten Blick?«
»Nur, wenn man weiß, worauf man achten muss. Ich lese Ihnen mal vor, was da steht. >A. verna ist reinweiß. A. phalloides ist gelblich grün bis grünlich. Die Lamellen sind bei beiden weiß und nicht an den Stiel angeheftet.< Blablabla. Aha. Diese Sorte Pilze wächst anfangs in einer kugeligen Hülle, von der eine häutige Scheide um die Knolle am Fuß des Stiels zurückbleibt. Beim Pilzesammeln muss man manchmal ein bisschen graben, weil diese Knolle in der Erde verborgen sein kann. Die Abbildung sieht aus wie ein Pilz, der aus einem Ei herausschießt. Außerdem ist er schleimig. Noch mehr?«
»Danke, ich habe schon ein ungefähres Bild. Wenn der Mörder einen Vorrat davon in seinem Garten hatte, ist davon wohl sowieso nichts mehr da. Was passiert jetzt?«
»Ich habe die Pastete rauf nach Foster City geschickt, ins Chemisch-Toxikologische Institut, zur Analyse. Kann ein Weilchen dauern, bis wir da etwas hören, aber ich bin ziemlich sicher, dass sich unsere Vermutung bestätigen wird. Ich habe bei der Mordkommission angerufen, aber vielleicht wollen Sie ja selbst mit Lieutenant Dolan sprechen. Glauben Sie mir, die eigentliche Arbeit kommt erst. Das Schwerste bei Mord durch Vergiften ist es, rechtsgültig zu beweisen, dass ein Verbrechen vorliegt. Man muss zeigen, dass der Tod durch ein Gift herbeigeführt wurde, das dem Toten vom Angeklagten heimtückisch verabreicht wurde. Und zwar so, dass >jeder vernünftige Zweifel ausgeräumt ist<. Wie wollen Sie in diesem Fall jemandem die Tat eindeutig nachweisen? Irgendjemand backt einen Kuchen und stellt Morley das verdammte Ding hin. Morley kommt ins Büro: >Oh, hey, ist das für mich?< Höchstwahrscheinlich hat niemand gesehen, wie das Zeug dorthin gekommen ist, also läuft das Ganze auf einen reinen Indizienbeweis hinaus. Und wir haben noch nicht einmal einen Verdächtigen.«
»Ja, ich weiß«, sagte ich.
»Na ja, Sie müssen eben irgendwo anfangen. Ich werde Sie anrufen, sobald wir mehr wissen. Einstweilen würde ich an Ihrer Stelle von niemandem irgendetwas selbst Gebackenes annehmen.«
»Ich werde mich bemühen. Danke, Burt.«
Als ich auflegte, waren meine Hände kalt. In den letzten paar Monaten hatte Morley in Zusammenhang mit dem Mord an Isabelle Barney mit einer ganzen Reihe von Leuten gesprochen. Was war die Entdeckung gewesen, die ihn das Leben gekostet hatte? Offenbar etwas sehr Bedeutsames. Giftmörder gelten mit als die gerissensten und raffiniertesten Mörder, schon deshalb, weil ihre Methode Kenntnisse, Geschick, Planung und List erfordert. Man vergiftet niemanden aus einer spontanen Gefühlswallung heraus. Giftmord ist keine impulsive, spontane Tat. Das Heimtückische und Vorhergeplante qualifizieren ihn fast automatisch als besonders schwer wiegende Mordtat. Morley Shine war einer Form von Brutalität zum Opfer gefallen, die so gut wie keine äußeren Spuren hinterlassen hatte, aber sein Tod war mindestens so qualvoll gewesen wie Erstochen- oder Erschossenwerden. Ich sah einen Moment lang den Mörder vor einer Portion tödlicher Pilze sitzen und in einem Kochbuch blättern, auf der Suche nach einer appetitlichen Kleinigkeit, die Morley reizen würde. Ich sah Hände Teig ausrollen, die Füllung sachte in Butter schmoren, liebevoll die Pastete bereiten, das fertige Werk in eine Bäckerschachtel packen und zu Morley bringen. Vielleicht hatte der Mörder ja sogar bei ihm gesessen und mit ihm geplaudert, während er die tödliche Delikatesse verzehrte. Selbst wenn der Geschmack ein bisschen seltsam gewesen war, hatte Morley vielleicht nichts gesagt. Zu ausgehungert von seiner Diät. Zu höflich, um sich zu beschweren. Und dann die Stunden, in denen er merkte, dass es ihm nicht gut ging. Wahrscheinlich hatte er die Übelkeit und die Bauchschmerzen gar nicht mit der Pastete assoziiert, die er so lange vorher gegessen hatte.
Irgendwo hatte ich Pilze gesehen. Ein Bild flackerte vor meinem inneren Auge auf... Bäume... Giftpilze in einem Hexenring...
So viele Orte gab es nicht, wo das gewesen sein konnte. Bei Simone... bei dem Haus, wo David Barney zur Zeit von Isabelles Ermordung gewohnt hatte, obwohl ich mich an das Grundstück gar nicht erinnern konnte. Es hatte am Hang gestanden, mit direktem Blick aufs Meer — kaum Bäume in der Nähe. Bei den Weidmanns. Ich war mit Yolanda auf die Terrasse hinausgegangen, wo Peter Weidmann sein Nickerchen gehalten hatte — ein gepflegter Ziergarten und dahinter ein Rasen bis zum Wald.
Ich pflückte methodisch die Karten von meinem Pinnbrett und heftete sie wieder an. Was hatte Morley gesehen, was ich nicht sah? Ich zog seinen Monatsplaner unter einem Stapel auf meiner Küchenplatte hervor. Ich begann mit dem Oktober und versuchte, ein Gefühl dafür zu kriegen, was er die beiden letzten Monate gemacht hatte. Die meisten Kästchen waren leer. Für November ebenfalls, bis auf einige wenige Eintragungen: zwei Arzttermine, ein Termin beim Friseur an einem Mittwochnachmittag. Dieser Monat, der Dezember, war ein bisschen ausgefüllter gewesen, und es schien, als hätte er tatsächlich ein paar Befragungsgespräche geführt. Lonnie würde entzückt sein, wenn er erfuhr, dass Morley für sein Geld doch immerhin etwas getan hatte. Yolanda und Peter Weidmann standen zwei Mal da. Der erste Termin war offenbar geplatzt, denn er hatte die Zeit durchgestrichen und einen Pfeil zur gleichen Uhrzeit am gleichen Tag der folgenden Woche gezogen. Ich erinnerte mich, dass Yolanda geklagt hatte, wie lästig Morley gewesen sei. Also musste er doch wohl öfter als einmal dort gewesen sein.
Für den ersten Dezember, Donnerstag vor einer Woche, hatte er für 1 Uhr 15 die Initialen F. V. vermerkt. Voigt? Hatte er doch mit Francesca geredet? Sie hatte mir gesagt, sie sei ihm nie begegnet. Ich hatte zwar eine Mappe mit ihrem Namen gefunden, aber sie war leer gewesen. Natürlich konnte F. V. auch ein Zeuge in einer anderen Sache sein, aber das war nicht eben wahrscheinlich. Die Privatnummer der Voigts war am oberen Rand des Kalenderblattes notiert. Hatte sie gelogen? Für den Samstag war der Termin mit Laura Barney eingetragen. Sie hatte mir selbst davon erzählt und behauptet, Morley sei nicht erschienen. Aber Dorothy hatte doch gesagt, er sei ins Büro gefahren, um seine Post zu holen. Wenn meine Theorie stimmte, musste ihm die tödliche Pastete irgendwann zwischen Freitagnachmittag und Samstagmorgen verabreicht worden sein, später wohl kaum, da ihm ja schon kurz nach dem Mittagessen schlecht geworden war. Das lohnte vielleicht eine nähere Überprüfung. Als Krankenschwester in einer Klinik kam Laura Barney bestimmt an Informationen über Gifte.
Ich schloss hinter mir ab und ging zu meinem Auto. Ich ließ den Motor an und fuhr zur Freeway-Unterführung und unter dem 101 hindurch auf den Castle, dann rechts ab auf den Granita und schließlich links ab auf den Bay Boulevard. Es war gerade kurz nach fünf Uhr, als ich die Santa Teresa Medical Clinic erreichte, die in einer angenehmen Nachbarschaft aus Klinikgebäuden und Einfamilienhäusern an einer baumgesäumten Straße lag. Ich hoffte, dass ich Laura nicht verpasst hatte. Die Sprechstunde endete vermutlich um fünf, was bedeuten konnte, dass schon alles geschlossen und das Personal ins Wochenende verschwunden war. Ich hatte ihre Privatadresse nicht. Es wäre bestimmt möglich, sie herauszufinden, aber der Zeitverlust wäre ärgerlich. Zu meinem Erstaunen lief sie mir direkt über den Weg: den Kopf gesenkt, einen leichten Mantel über der Schwestern-Uniform, überquerte sie in ihren kreppbesohlten Schuhen flinken Schritts vor mir die Straße. Ich hupte. Sie sah ärgerlich zu mir herüber, wohl in der Annahme, ich wollte sie zurechtweisen.
Ich winkte und beugte mich zur Beifahrerseite, um das Fenster herunterzukurbeln. »Kann ich Sie kurz sprechen?«
»Ich komme gerade von der Arbeit«, sagte sie.
»Es dauert nicht lange.«
»Hat es nicht noch ein bisschen Zeit? Ich bin fix und fertig. Ich freue mich schon die ganze Zeit auf ein schönes Glas Wein und ein heißes Bad. Kommen Sie doch in einer Stunde wieder.«
»Ich muss noch woanders hin.«
Sie schaute weg. Ich sah, wie sie mit sich rang, nicht nachgeben wollte. Sie zog ein missmutiges Gesicht und starrte auf den Gehweg. »Es dauert höchstens fünf Minuten«, sagte ich.
»Ach, verflixt, wenn es sein muss«, sagte sie. Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf das Haus hinter ihr, eine viktorianische Villa, die offenbar in Appartements umgewandelt worden war. »Da wohne ich. Wollen Sie nicht einen Parkplatz suchen und heraufkommen? Dann kann ich wenigstens erst noch diese Uniform und die Schuhe ausziehen. Wohnung Nummer sechs, ganz am Ende des Flurs.«
»Ich hin gleich da.«
Sie drehte sich um, stieg rasch die Eingangstreppe hinauf und verschwand durch den Vordereingang. Ich fand einen Parkplatz sechs Häuser weiter, auf der gegenüberliegenden Seite. In einem kurzen Anfall von Paranoia fragte ich mich, ob sie vielleicht in Wirklichkeit gar nicht dort wohnte. Ich sah sie im Geist in das Haus gehen und durch den Hinterausgang wieder verschwinden, ehe ich nachkommen konnte. Ich ging die hölzerne Treppe hinauf und öffnete die verglaste Tür, die in einen schummrigen Eingangsflur führte. Es war ganz still im Haus. Linkerhand befand sich eine Konsole mit einer Lampe, die noch nicht brannte. Dort lagen Poststapel und ein paar Exemplare der aktuellen Tageszeitung. Einige Türen rechts und links des Korridors waren übertapeziert. Was einst vorderer Salon und Esszimmer gewesen war, bildete jetzt eine Wohneinheit. Dahinter schloss sich eine zweite an und ganz hinten vermutlich noch ein Studio. Drei Wohnungen, wie es schien, und wohl noch einmal drei obendrüber. Rechterhand führte eine Treppe nach oben.
Ich ging hinauf, um die Wohnung Nummer sechs zu suchen. Es war nicht gerade das heiterste aller Häuser, aber immerhin sauber. Die Tapete war offenbar neu und wohl ihres viktorianischen Flairs wegen gewählt, mit anderen Worten: saccharinsüß. Sträußchen und Flatterbänder entführten das Auge zu einem fröhlichen Reigen. Der Effekt war deprimierend, trotz aller rosa-grün-veilchenfarbenen Munterkeit.
Ich klopfte an die mit einer überdimensionalen Messingsechs gekennzeichnete Tür. Gleich darauf erschien Laura, einen Kimono in der Taille gürtend. Ich sichtete ihre weißen Schwesternschuhe auf dem Boden neben einem Postersessel, auf den sie ihre weiße Uniform geworfen hatte. Ich hörte Badewasser einlaufen, ein ziemlich eindeutiges Signal. Das Appartement bestand aus zwei sehr großen Zimmern und einem voll gepfropften Loch von Bad, wahrscheinlich die ehemalige Wäschekammer. Von der Tür aus konnte ich den Heizstrahler und den Rand einer Uralt-Badewanne sehen. Die Räume hatten hohe Decken, und das üppige Holzwerk war von jener Sorte, die irgendwie nach Schellack riecht, auch wenn sie seit vielen Jahren keinen Pinsel mehr gesehen hat. Das Ganze war sparsam möbliert, aber was sie hatte, war gediegen. Sie beobachtete mit einer Spur von Amüsement, wie ich das Wohn-Schlafzimmer musterte. »Gefällt es Ihnen?«
»Ich bin immer neugierig, wie andere Singles wohnen.«
»Wie wohnen Sie denn?«
»Auch in etwa so. Ich versuche, alles möglichst einfach zu halten«, sagte ich. »Ich habe keine Lust, nur dafür zu arbeiten, dass ich jeden Monat einen Stapel Rechnungen bezahlen kann.«
»Ich hasse es, allein zu leben. Setzen Sie sich doch.«
»Ach, ja?«
»Natürlich. Sie nicht? Es ist so einsam. Und wer möchte schon so leben?« Sie machte eine ausholende Handbewegung, die mehr meinte als nur die materielle Umgebung. Sie ging ins Bad und drehte das Wasser ab. Erst jetzt roch ich den dampfigen Kräuterduft eines revitalisierenden Badeöls.
»Sieht doch toll aus. Außerdem sorgt doch niemand für einen, wenn man’s nicht selbst tut«, sagte ich.
Sie kam wieder ins Zimmer zurück. »Na, ich hoffe doch, das stimmt nicht. Ich muss sagen, ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben.«
»Zweisamkeit ist eine Illusion. Wir sind alle auf uns selbst gestellt.«
»Ach, verschonen Sie mich damit. Ich hasse diese Sprüche«, sagte sie. »Wollen Sie mir jetzt sagen, weshalb Sie hier sind?«
»Klar. Es geht um Morley Shine. Sie waren doch letzten Samstag verabredet?«
»Das stimmt. Aber er ist nicht gekommen.«
»Seine Frau sagt, er sei aber an dem Tag in sein Büro gefahren.«
»Ich war um neun dort. Ich habe eine halbe Stunde gewartet und bin dann wieder gegangen«, sagte sie.
»Wo haben Sie gewartet? In seinem Büro?«
»Draußen in der Einfahrt. Warum? Wieso ist das wichtig?«
»Wahrscheinlich gar nicht. Es ist nur wegen einer Lieferung«, sagte ich.
»Diese Schachtel von der Bäckerei?«
»Sie waren da, als sie kam?«
»Sicher. Ich saß draußen in meinem Wagen. Das Bäckereiauto hat gleich neben mir gehalten. Ein Mann ist ausgestiegen, mit diesem weißen Karton. Als er an mir vorbeikam, hat er mich gefragt, ob ich Maria Shine sei. Ich habe ihm gesagt, der Name sei Morley, und der habe sich offenbar verspätet. Der Kerl hat versucht, mir die Schachtel aufzudrängen, aber ich hatte schon lange genug gewartet und wollte weg. Ich hasse es, wenn man mich versetzt. Ich habe Besseres zu tun.«
»Was hat der Mann damit gemacht?«
»Mit der Schachtel? Keine Ahnung. Wahrscheinlich hat er sie vorne abgegeben. Oder er hat sie einfach vor die Tür gestellt.«
»Von welcher Bäckerei kam er?«
»Das habe ich nicht gesehen. Der Lieferwagen war rot. Vielleicht war’s ja auch ein Botendienst, jetzt, wo ich drüber nachdenke. Was soll die Fragerei?«
»Morley wurde ermordet.«
Sie sagte »Ach«, und ihre Überraschung schien echt.
»Wahrscheinlich war es die Pastete in der Schachtel, die Sie gesehen haben. Ich habe gerade mit dem Gerichtsmediziner gesprochen.«
»Er wurde vergiftet?«
»Sieht so aus.«
»Was folgt daraus?«
»Ich weiß es noch nicht. Morley wusste irgendetwas. Ich weiß nicht genau, was es war, aber ich denke, ich bin dicht dran.«
»Schade, dass er Ihnen nicht hinterlassen hat, was es war.«
»In gewisser Weise hat er das. Ich weiß, wie sein Gehirn gearbeitet hat. Er und der Mann, der mir dieses Handwerk beigebracht hat, waren jahrelang Partner.«
»Wollten Sie sonst noch etwas von mir?«
»Im Moment nicht. Ich lasse Sie jetzt in Ihr Bad steigen.«
Ich fuhr zum Freeway und dann den 101 nach Norden bis zur Abfahrt Cutter Road. Ich hielt mich links und gelangte von vorn nach Horton Ravine. Ich hatte das Gefühl, dass ich die ganze Woche nichts weiter getan hatte, als zwischen Colgate, Santa Teresa Zentrum und hier hin- und herzuflitzen. Der Nachmittag war schon grau, typisch Dezember, die Temperatur kaum noch über zehn Grad, die Art Kälteeinbruch, über die sich nur Kalifornier beschweren können. Ich parkte in der halbkreisförmigen Einfahrt und klingelte. Francesca öffnete selbst. Sie trug ein schokoladenbraunes, wollenes Hemdblusenkleid, schwarze Strumpfhosen und Stiefel und einen schwarzen, rund ausgeschnittenen Pullover wie einen Schal um die Schultern geschlungen.
Sie sagte: »Nanu, Kinsey. Mit Ihnen hätte ich zuletzt gerechnet.« Sie zögerte, den Blick prüfend auf mein Gesicht gerichtet. »Stimmt etwas nicht? Sie sehen so komisch aus. Gibt es schlechte Neuigkeiten?«
»Ja, die gibt es, aber damit will ich Sie jetzt nicht belasten. Haben Sie einen Moment Zeit? Ich muss kurz mit Ihnen sprechen.«
»Sicher. Kommen Sie doch rein. Guda ist noch eben ein paar Sachen einkaufen gegangen. Ich wollte gerade im Kaminzimmer Kaffee trinken. Lassen Sie mich schnell einen Becher holen, dann können Sie mir Gesellschaft leisten. Scheint ja ziemlich widerlich zu sein, da draußen.«
Es ist überall widerlich, dachte ich. Ich folgte ihr in die Küche, die ganz in Schwarz-Weiß gehalten war und an drei Seiten riesige Fenster hatte. Die Frontseiten der Geräte waren schwarz, ebenso wie die der Küchenschränke, die aus glänzendem Lackholz bestanden. Die Arbeitsplatten waren aus Edel-Kunststoff, schneeweiß und fugenlos, die Hängeborde und Accessoires aus blankem Aluminium. Die einzigen Farbtupfer waren knallrote Geschirrtücher und Topfhandschuhe. Sie nahm einen Becher aus dem Schrank und bedeutete mir mit einer Kopfbewegung, dass wir durch das Esszimmer ins Kaminzimmer gehen könnten. »Nehmen Sie Sahne und Zucker? Steht beides drüben auf dem Tablett. Es ist aber auch Magermilch da, wenn Sie die lieber mögen.«
»Sahne ist okay«, sagte ich. Ich wollte ihr im Moment noch nichts von Morley erzählen. Sie sah mich über die Schulter forschend an, offensichtlich irritiert durch mein Verhalten. Schlechte Neuigkeiten sind eine Last, die anscheinend nur leichter wird, wenn man sie teilt.
Die Wände des Kaminzimmers waren birkenholzgetäfelt, die Sitzmöbel mit sattelfarbenem Leder bezogen. Sie ließ sich wieder auf dem Ledersofa nieder, wo sie offenbar schon vorher gesessen hatte. Sie war gerade dabei, ein Buch zu lesen, einen gebundenen Roman von Fay Weldon, den sie, dem Lesezeichen nach zu urteilen, fast durchhatte. Es war Ewigkeiten her, dass ich das letzte Mal einen Tag blau gemacht und mich mit einem guten Buch unter einer warmen Decke eingeigelt hatte. Eine behäbige Kaffeekanne stand auf der einen Seite des Messingtischchens. Sie goss Kaffee in den Becher und reichte ihn mir. Ich nahm ihn mit einem gemurmelten »Danke«, das sie mit einem unsicheren Lächeln quittierte. Sie zog ein Kissen auf ihren Schoß und hielt es umfasst wie einen Teddy.
Ich registrierte, dass sie mich nicht weiter drängte, ihr zu sagen, weshalb ich da war. »Ich habe mir Morleys Terminkalender angesehen. Seinen Notizen zufolge hat er letzte Woche mit Ihnen gesprochen. Das hätten Sie mir sagen sollen, als ich Sie danach gefragt habe.«
»Oh.« Sie hatte immerhin so viel Anstand, rot zu werden, und ich sah, dass sie unschlüssig war, wie sie reagieren sollte. Sie musste wohl befunden haben, dass es nichts brachte, an ihrer Lüge festzuhalten. »Ich hatte wohl gehofft, Sie bräuchten es nicht unbedingt zu erfahren.«
»Würden Sie mir bitte erzählen, was wirklich los war?«
»Es ist mir sehr peinlich, aber ich habe ihn selbst angerufen, gleich am Donnerstagmorgen, und die Verabredung ausgemacht.«
Schweigen. Ich sagte: »Und?«
Sie zog die eine Schulter hoch. »Ich war wütend auf Kenneth. Ich hatte etwas entdeckt... etwas, wovon ich nichts wusste...«
»Nämlich?«
»Gleich. Sie müssen den Kontext verstehen...«
Ich brannte darauf. Das Wörtchen »Kontext« fällt immer dann, wenn es darum geht, Fehlverhalten zu rechtfertigen. Man braucht nicht vom »Kontext« zu reden, wenn man etwas Richtiges getan hat. »Ich höre.«
»Mir ist endlich klar geworden, wie satt ich die ganze Sache mit Isabelles Ermordung habe. Ich habe die Nase voll von diesem Thema und dem ganzen dramatischen Drum und Dran. Das ist jetzt sechs Jahre her, und Kenneth kann bis heute noch von nichts anderem reden. Ihr Tod, ihr Geld, ihr Talent, ihre Schönheit. Die Tragik. Er ist völlig besessen von dieser Frau. Er liebt sie tot mehr, als er sie lebendig je geliebt hat.«
»Nicht unbedingt...«
Sie redete weiter, als hätte ich nichts gesagt. »Ich habe Morley erzählt, dass ich Iz gehasst habe, dass ihr Tod für mich ein Freudenfest war. Ich habe einfach alles ausgespuckt, diesen ganzen emotionalen... Müll. Das Verrückte ist, als ich dann später noch mal darüber nachgedacht habe, ist mir klar geworden, wie verdreht mein ganzes Verhalten war. Und Kenneths auch. Ich meine, schauen Sie uns doch an. Das ist doch eine höchst neurotische Beziehung.«
»Und zu diesem Schluss sind Sie gekommen, nachdem Sie mit Morley geredet hatten?«
»Das hat auch zu der Einsicht beigetragen, dass ich da dringend herausmuss. Wenn ich je gesund werden will, muss ich mich von Ken trennen und lernen, zur Abwechslung mal auf eigenen Füßen zu stehen.«
»Und da haben Sie beschlossen, ihn zu verlassen. Letzte Woche erst?«
»Eigentlich — ja.«
»Also hatte es nichts mit Ihrer Krebserkrankung vor zwei Jahren zu tun?«
Sie zuckte die Achseln. »Das hat sicher auch eine Rolle gespielt. Es war wie so eine Art Erwachen. Plötzlich ist mir aufgegangen, was ich da tue. Bis ich mit Morley geredet habe, dachte ich wirklich, ich sei glücklich verheiratet. Aufrichtig. Ich dachte, es sei alles bestens. Naja, mehr oder weniger jedenfalls. Danach ist mir klar geworden, dass das alles nur eine Illusion war.«
»Muss ja ein sehr intensives Gespräch gewesen sein«, sagte ich. Ich wartete einen Moment, aber sie war in Schweigen versunken. »Was heißt >mehr oder weniger<?«, fragte ich.
Sie sah mich an. »Was?«
»Möchten Sie mir erzählen, was Sie entdeckt haben? Sie sagten, Sie hätten etwas herausgefunden, was Sie wütend gemacht hat. Und wenn ich Sie recht verstehe, haben Sie sich deshalb überhaupt erst mit Morley in Verbindung gesetzt.«
»Oh, ja, natürlich. Ich habe im Arbeitszimmer aufgeräumt, und dabei bin ich auf Belege über Zahlungen gestoßen, von denen Ken mir nichts erzählt hatte.«
»Bankbelege?«
»So ähnlich. Eine Aufstellung in einem Abrechnungsbuch. Er hat jemandem... nun ja... finanzielle Zuwendungen zukommen lassen.«
»Finanzielle Zuwendungen«, wiederholte ich verständnislos.
»Ja, Sie wissen schon. Regelmäßige monatliche Barzahlungen. Und zwar schon seit drei Jahren. Als guter Geschäftsmann hat er darüber natürlich Buch geführt. Er hat wohl nicht gedacht, dass mir diese Einträge jemals in die Hände fallen könnten.«
»Was soll das? Hat Kenneth eine Geliebte?«
»Das habe ich zuerst auch gedacht, aber es ist in gewisser Weise schlimmer.«
»Francesca, würden Sie bitte aufhören, um den heißen Brei herumzureden, und mir erzählen, was Sache ist?«
Sie brauchte erst Anlauf. »Das Geld ging an Curtis McIntyre.«
»An Curtis?«, fragte ich. Das überstieg mein Fassungsvermögen. »Weshalb?«
»Das wollte ich auch wissen. Als er nach Hause kam, habe ich ihn sofort zur Rede gestellt.
Ich starrte sie an. »Und was hat er gesagt?«
»Er sagt, es sei so eine Art Resozialisierungshilfe. Ein kleiner Zuschuss zu seiner Miete. Ein paar Dollar, damit er wenigstens die eine oder andere Rechnung bezahlen könne. So in der Art.«
»Warum sollte er so etwas tun?«, fragte ich.
»Ich habe keine Ahnung.«
»Wie viel?«
»Bis jetzt etwa dreitausendsechshundert Dollar.«
»Na, das fehlt gerade noch«, sagte ich. »Ich habe schon Schuldgefühle, weil ich Dinge zu Tage gefördert habe, die Lonnie in dieser Prozesssache Knüppel zwischen die Beine werfen, und jetzt muss ich auch noch hören, dass der Kläger den Hauptbelastungszeugen ausgehalten hat. Wenn Lonnie das hört! Der wird wahnsinnig!«
»Das habe ich Ken auch gesagt. Aber er schwört, er habe dem Jungen nur helfen wollen.«
»Ist ihm denn nicht klar, wie das aussieht, wenn es ans Licht kommt? Es sieht aus, als hätte er Curtis für seine Aussage bezahlt. Glauben Sie mir, Curtis ist auch so schon nicht der Glaubhafteste. Wie sollen wir ihn als unparteilichen Zeugen verkaufen, der nur seiner Bürgerpflicht nachkommt?«
»Ken findet nichts dabei. Er sagt, Curtis habe Probleme gehabt, einen Job zu finden. Ich nehme an, Curtis hat ihm gesagt, er müsse vielleicht Weggehen und es woanders versuchen. Kenneth wollte sicherstellen, dass er verfügbar ist.«
»Dafür sind Zeugenvorladungen da!«
»Mich brauchen Sie nicht anzuraunzen. Ken schwört, es sei nicht so, wie es aussieht. Curtis sei zu ihm gekommen, nachdem David freigesprochen...«
»Ach, hören Sie auf, Francesca. Was soll denn ein Geschworenengericht davon halten? Was für ein Zufall. Curtis’ Aussage kommt zufällig dem Mann zugute, der ihm seit drei Jahren Geld gibt...« Ich hielt inne. Irgendetwas an der Art, wie sie das Kissen umklammerte, veranlasste mich, sie genauer zu mustern. »Und weiter?«
»Ich habe das Abrechnungsbuch zu Morley gebracht. Ich hatte Angst, Kenneth könnte es vernichten. Deshalb habe ich es Morley gegeben, damit er es aufbewahrt, bis ich wüsste, was ich tun wollte.«
»Wann war das?«
»Dass ich das Buch gefunden habe? Das muss Mittwochabend gewesen sein. Ich habe es am Donnerstag mit zu Morley genommen, und als Kenneth dann nach Hause kam, hatten wir einen Riesenkrach...«
»Wusste er, dass Sie es an sich genommen hatten?«
»Ja, und er hat getobt. Er wollte es wiederhaben, aber ich konnte es ihm ja nicht geben.«
»Wusste er, dass Sie es Morley gebracht hatten?«
»Das habe ich ihm nicht gesagt. Er könnte höchstens selbst darauf gekommen sein, aber ich wüsste nicht, wie. Wieso?«
»Weil Morley ermordet wurde. Jemand hat ihm eine Pastete mit Giftpilzen gebacken. Ich habe die weiße Bäckereischachtel in seinem Papierkorb gefunden.«
Sie sah mich fassungslos an. »Aber Sie denken doch nicht, dass Ken es war.«
»Ich will es so sagen: Ich habe Morleys Büros durchsucht, das offizielle und das bei ihm zu Hause. Da war nirgends ein Abrechnungsbuch, und von den Akten fehlte die Hälfte. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass seine Wirtschaft einfach schlampig war oder dass er Lonnie betrogen hat und ihm Dinge in Rechnung stellte, die er nie getan hatte. Inzwischen frage ich mich, ob nicht jemand diese Unterlagen gestohlen hat, um zu vertuschen, dass etwas anderes fehlte.«
»Kenneth würde so etwas niemals tun. Auf keinen Fall.«
»Was passierte am Donnerstag, als Sie ihm das Buch nicht zurückgeben konnten? Hat er davon abgelassen?«
»Er hat mich immer wieder danach gefragt, aber ich habe nichts gesagt. Dann hat er gemeint, es sei auch egal, weil es ja kein Verbrechen sei. Wenn er Curtis Geld leihen würde, sei das eine reine Privatsache.«
»Aber kommt Ihnen das nicht merkwürdig vor? Da zahlt Kenneth Geld an Curtis McIntyre, dessen Zeugenaussage zufällig David Barney belastet, was wiederum rein zufällig Kenneth Voigt nützt. Ist das nicht eine erstaunliche Symmetrie? Oder vielleicht war es ja auch Erpressung. Hey, das ist überhaupt ein Gedanke.«
»Erpressung womit?«
»Mit dem Mord an Isabelle. Darum dreht sich das Ganze doch.«
»Er hätte Isabelle niemals getötet. Er hat sie viel zu sehr geliebt.«
»Das sagt er jetzt. Aber wer weiß, was er damals empfunden hat?«
»Das würde er nie tun«, sagte sie, nicht sonderlich überzeugt.
»Wieso nicht? Isabelle hat ihn wegen David Barney verlassen. Was könnte ihm da eine größere Genugtuung sein, als sie umzubringen und David den Mord anzuhängen?«
Ich ließ sie mit ihrem Kissen sitzen. Sie hatte den Zipfel so lange gezwirbelt, dass er aussah wie ein Karnickelohr.