Kapitel acht

Der einzige andere Mensch, mit dem Michael je so hatte reden können, war Peg gewesen, und jedes Mal, wenn er sich nun unterbrach, um Vera anzusehen – um zu sehen, ob sie zuhörte oder um ihre Reaktion auf das, was er sagte, einzuschätzen –, blieb ihm fast das Herz stehen, weil er beinahe damit rechnete, die Züge seiner Frau zu sehen. Und Vera hörte wirklich zu, die ganze Zeit.

Er fing am Anfang an. «Ich habe mir nie viel aus Kindern gemacht. Ich fand, wir waren glücklich, so, wie es war, aber Peg bedeutete es eine Menge. Ich glaube, sie hätte gern eine große Familie gehabt – sie war eine von fünf Schwestern. Ihr Vater hatte einen Hof oben bei Hornsea. Als sie merkte, dass sie schwanger war, war sie ganz aus dem Häuschen. Sie hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben. Für sie habe ich mich gefreut, das schon, aber für mich nicht so richtig. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie alles noch schöner werden sollte.

Und dann wurde Jeanie geboren, in der Nacht einer großen Springflut. Sie war lang und dünn, schon als Baby, und hatte dichtes schwarzes Haar.»

«Wohnten Sie damals auf der Landspitze?»

«Ja, das hat zu meinem Job gehört. Und wir fanden es auch keinen schlechten Ort für ein Kind. Jeanie hatte Platz zum Rumrennen. Frische Luft. Und es ist ja auch nicht einsam da. Die Männer von den Rettungsbooten hatten auch Kinder, und als Jeanie älter wurde, brachte Peg sie nach Elvet in den Kindergarten. Aber sie hat nie viel Gesellschaft gebraucht, schon als sie noch klein war nicht. Bei ihr drehte sich immer alles um Bücher und Musik. Von Anfang an.»

Er blickte auf. «Peg hat immer gesagt, sie kommt nach mir, aber ich selbst habe das nicht so empfunden. Ich mache mir nichts aus Büchern. ‹Jeanie ist stolz und dickköpfig›, hat sie immer gesagt. ‹Von wem soll sie das denn haben?›»

«Ich habe versucht, Freunde von ihr ausfindig zu machen», sagte Vera. «Ich würde gern mit anderen Menschen sprechen, die sie kannten. In der Schule muss es doch ein paar Mädchen gegeben haben …»

«Ich glaube schon, dass sie Freundinnen hatte. Mädchen aus der Schule, wie Sie sagten. Sie ist auf viele Geburtstagspartys gegangen, und im Gegenzug hat Peg die Kinder zu Kakao und Kuchen auf die Landspitze eingeladen.» Er erinnerte sich an jene Tage. Das Haus schien voll von niedlichen kleinen Mädchen in Partykleidern zu sein, die kicherten und plapperten und im Garten Fangen spielten. «Aber Jeanie hat nie richtig dazugehört. Sie hatte so etwas Feierliches an sich. Sie nahm das Leben zu ernst. Ich weiß nicht, wo sie das herhatte. Peg und ich haben immer gern gelacht.»

«Was war mit Jungs?»

«In der Schule hatte sie keinen Freund. Sie sagte, sie hätte zu viel mit den Prüfungen zu tun. Peg hat sie manchmal deswegen aufgezogen, hat gesagt, sie könnte doch nicht die ganze Zeit nur lernen. Und sie hat gesagt, todernst: ‹Aber ich lerne gern, Mum.› An der Universität hat es vielleicht Jungs gegeben, aber das haben wir nicht mitbekommen. Sie war in Leeds. Sie hat sich regelmäßig gemeldet, hat ihre Mutter jede Woche angerufen und ist hin und wieder sonntags zum Essen gekommen, aber einen Freund hat sie nie erwähnt.» Er hielt inne. «Kann schon sein, dass es da jemanden gab. Vielleicht hat sie es Peg erzählt und sie gebeten, es vor mir geheim zu halten. Sie fand, ich hätte immer was an ihr auszusetzen, und vielleicht hatte sie ja recht. Ich hätte mir mehr Mühe geben sollen, besser mit ihr auszukommen.»

«Und sie hätte sich mehr Mühe geben sollen, besser mit Ihnen auszukommen», sagte Vera sanft.

«Nein. Damals habe ich so gedacht. Aber ich war zu sehr von mir selbst eingenommen.»

«Wie meinen Sie das?»

Er gab sich Mühe, es zu erklären. Das war nicht leicht, wenn er nicht angeben wollte, und für Angeberei war dies kaum der richtige Moment. «Damals war ich jemand hier im Dorf. Mitglied im Gemeinderat. Steuermann auf dem Boot, das die Lotsen zu den Schiffen auf dem Fluss rausbringt. Wenn Sie unten an der Landspitze waren, müssen Sie die Lotsenboote gesehen haben. Sie sind an der Anlegestelle vertäut.»

Sie nickte.

«Da wird viel Aufhebens drum gemacht. Eine Menge Bohei. Aber es ist nicht nur das, es ist auch ein lohnender Job, und man meint, man hätte ein bisschen Respekt verdient.» Wieder zögerte er. «Peg war der Meinung, dass Kinder ihren Eltern gegenüber keine Verpflichtungen haben. Sie sagte, sie haben ja nicht darum gebeten, auf die Welt zu kommen. Die Verpflichtungen gehen nur in die eine Richtung. Damals habe ich das nicht verstanden, aber heute glaube ich, sie hatte recht.»

Vera hielt sich zurück. «Ich habe keine eigenen Kinder», sagte sie nur.

Er hätte sie gern gefragt, ob sie denn Kinder gewollt habe. Er hatte immer angenommen, dass alle Frauen Kinder wollten, wenn sie älter wurden. Doch auch wenn er das Gefühl hatte, die dicke Frau, die sein halbes Wohnzimmer einzunehmen schien, schon lange zu kennen, fand er diese Frage ein wenig zu persönlich.

«Wie hat Jeanie Keith Mantel eigentlich kennengelernt?», fragte Vera plötzlich, und er war froh, dass das Gespräch wieder auf sichereren Boden kam. Mit Tatsachen konnte er besser umgehen.

«Das war hier in Elvet. Im Anchor. Sie hat halbtags da gearbeitet, seit sie zur Schule ging. Abgewaschen, bedient, an der Bar ausgeholfen, als sie älter war. Dort haben sie große Stücke auf sie gehalten. Die zuverlässigste Schülerin, die sie je beschäftigt hätten, hat Veronica, der der Pub gehört, immer gesagt.»

«Sie müssen stolz auf sie gewesen sein.»

«Doch», sagte er widerstrebend, «das war ich. Und nicht nur wegen ihrer Arbeit im Pub. Wegen der Prüfungen und der Musik und allem. Ich war zu stur, um ihr das zu sagen. Damals mochten mich die meisten gut leiden – Mike Long, der Partykönig, der das Dorf zusammenhält. Nur sie nicht, und das konnte ich nicht verstehen, ich konnte ihr nicht verzeihen, dass sie mich nicht toll fand.» Er warf Vera einen raschen Blick zu. «Tut mir leid. Ich rede dummes Zeug.»

«Hat Jeanie denn nicht noch studiert, als sie Mantel kennenlernte? Wieso war sie dann hier? Sie ist doch wohl kaum für einen Wochenendjob von Leeds nach Elvet zurückgekommen.»

«Sie hat sich eine Auszeit vom Studium genommen, für die Abschlussprüfungen. Ist für ein paar Wochen nach Hause gekommen, bevor die Tests losgingen. Peg hatte sie dazu überredet. Sie sagte, hier hätte sie es ruhiger zum Lernen. In Wahrheit wollte sie sie natürlich ein bisschen verwöhnen. Aufpäppeln. Veronica muss mitgekriegt haben, dass sie hier war, denn sie rief uns ganz aufgelöst an. Ob Jeanie wohl an ein paar Abenden im Anchor aushelfen könnte. Eins ihrer Barmädchen war krankgeschrieben, und sie selbst war schon bald am Zusammenklappen. Also tat Jeanie ihr den Gefallen und sprang ein.»

«Und da ist sie dann Keith Mantel begegnet?»

«Sieht so aus. Sie hat uns das damals ja nicht erzählt.»

«Wie kam es, dass sie bei ihm eingezogen ist?»

Es herrschte Stille. «Das habe ich verbockt», sagte er schließlich. «Ich habe einfach gesagt, was ich denke, ohne vorher zu überlegen. Wie immer.»

Vera sagte nichts. Diesmal würde sie ihm nicht aus der Patsche helfen.

«Als die Prüfungen vorbei waren, kam sie gleich wieder nach Hause. Damit hatten wir nicht gerechnet. Sie hatte davon gesprochen, den Sommer über auf Reisen zu gehen. Sie wollte nach Italien.»

«Allein?»

«Ja. Das war ihr immer am liebsten. Zumindest bis damals. Wie auch immer, sie kam zurück nach Hause. Uns erzählte sie was davon, dass sie hier in der Gegend bleiben müsste, falls sich die Gelegenheit ergibt, irgendwo vorzuspielen. Das klang ja auch sinnvoll. Sie wollte die Musik schon immer zu ihrem Beruf machen, und in dem Geschäft herrscht eine solche Konkurrenz. Sie sagte, sie kann es sich nicht erlauben, den ganzen Sommer über weg zu sein. Peg war selig. Und Veronica stellte sie wieder im Pub ein.»

«Wie sind Sie miteinander ausgekommen, als sie zurück nach Hause kam?»

«Besser. Ich dachte, das liegt daran, dass sie weg gewesen war. Sie war nicht mehr so empfindlich. Und vielleicht war ich auf meine alten Tage auch ein wenig umgänglicher geworden.»

«Aber in Wirklichkeit lag es daran, dass sie verliebt war.»

Er funkelte sie wütend an, aber dann merkte er, dass sie sich nicht über ihn lustig machte. Ihr Gesicht war alles andere als heiter. Sie sah sehr traurig aus.

«Ich habe sie zusammen gesehen», sagte Michael. «Sie und diesen Mantel. Er muss sie nach der Mittagsschicht von der Arbeit nach Hause gefahren haben. Sie hat bestimmt gedacht, ich wäre nicht daheim. Sie saßen in seinem Angeberauto. Das Dach war runtergeklappt. Da sind sie regelrecht übereinander hergefallen. Er hatte die Hand unter ihrer Bluse.» Er spürte, dass er rot wurde wie ein kleines Mädchen. «Am helllichten Tag.»

«Warum hat Sie das so sehr gestört?», fragte Vera. «Ich meine, er war zwar älter als sie, aber er war nicht verheiratet. Und Sie wollten doch, dass sie ein bisschen fröhlicher wird. Damals muss sie einundzwanzig gewesen sein, sie war kein Kind mehr.» Er antwortete nicht, und sie hakte nach: «Sie haben ihn doch erkannt, als Sie die beiden im Auto gesehen haben? Wenn er regelmäßig im Anchor war, müssen Sie gewusst haben, wer er war.»

«Na, und ob ich gewusst habe, wer er war. Der hatte seinen Ruf weg, dieser Keith Mantel. Hat er übrigens immer noch, wo wir gerade über ihn sprechen.»

«Als was?», fragte sie beiläufig.

«Als Gauner», sagte er. «Das ist sein Ruf.»

«Ich habe seine Akte geprüft. Er ist nie wegen irgendetwas angeklagt worden. Es gab ein paar Verkehrsdelikte, er ist mal zu schnell gefahren, aber nichts Ernstes.»

«Man hat ihn nie erwischt, das ist alles. Wie ich schon sagte, er ist eben ein Gauner.»

«Und warum sagen Sie das, Mr Long?» Sie blickte ihn an, und er spürte die Herausforderung in ihren Worten, aber auch das Verständnis. Sie hatte sich ihre eigenen Gedanken über Keith Mantel gemacht. «Was wissen Sie über unseren Keith?», fragte sie jetzt.

Die Luft in dem vollgestopften kleinen Zimmer schien noch knapper zu werden. Er fühlte, wie seine Brust sich zusammenschnürte, sein Atem ging flach und schnell. Was geschah hier? Diese Frau brachte ihn schmerzhaft zurück ins Leben. Sie war der erste Mensch, mit dem er seit Pegs Tod wirklich sprach. Der erste Mensch, der ihn ernst nahm.

«Er ist ein Süßholzraspler», sagte Michael. «Als er damals hergezogen ist, hat er sie alle hinters Licht geführt.»

«Nur Sie nicht. Sie haben ihn durchschaut.»

«Ich hatte da so meine Zweifel.» Er schwieg kurz, wollte sie provozieren, ein bisschen warten lassen. «Da war zunächst mal das Haus. Er war nicht der Erste, der eine Genehmigung beantragt hat, um die alte Kapelle umzubauen, aber die Anträge vorher sind alle abgelehnt worden. Nicht nur wegen der Gefahr einer Überschwemmung oder Erosion. Es gab ja keine Zufahrt, und das Gebiet ist nicht als Wohngebiet ausgewiesen. Nur landwirtschaftliche Gebäude sind erlaubt. Und dieser Palast, den sich Mantel da hingebaut hat, hat mit Landwirtschaft nun wirklich nichts zu tun. Er muss schon ein paar Hände geschmiert haben, um das durch den Bauausschuss zu kriegen.»

«Sie waren doch bestimmt nicht der Einzige im Dorf, der das komisch fand …» Sie gab ihm die Stichworte, wie im Theater. Er merkte es, doch es machte ihm nichts aus.

«Anfangs vielleicht. Dann saß er plötzlich im Anchor, schmiss eine Runde nach der anderen. Eine Spende an den Cricket Club, damit die das Dach vom Clubhaus ausbessern konnten. Noch eine an die Dorfschule, damit die sich ein paar Computer leisten konnten. Bald fraßen sie ihm aus der Hand. Und dann hat er noch ein paar Sympathiepunkte bekommen, weil er das kleine Mädchen ganz allein großzog. Dass er unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hier war, haben alle schnell vergessen.»

«Nur Sie nicht. Sie haben das nicht vergessen.»

Michael wusste, was sie da tat. Sie wollte erreichen, dass er sich schlau vorkam. Besonders. Und doch genoss er es. «Ich bin nie so recht warm mit ihm geworden. Er hat sich sogar in den Gemeinderat wählen lassen. Wir hatten nicht dieselben Ansichten.»

Sie ließ es erst einmal dabei bewenden. «Sie müssen noch einen anderen Grund dafür gehabt haben, dass Sie ihn nicht leiden mochten. Er ist schließlich nicht der Erste, der ein paar Strippen zieht, um ein Haus genehmigt zu bekommen. Das ist nicht gerade ein Verbrechen allerersten Ranges.»

«Ich habe ein paar Erkundigungen eingezogen.»

«Das müsste ich doch sagen. Vielleicht hätten Sie ja Kriminalpolizist werden sollen.»

«Ich wäre sicher gut gewesen», sagte er ganz ernst. «Das soll nicht angeberisch wirken.» Sie mussten beide lächeln.

«Und was haben Sie herausgefunden?» Sie beugte sich nach vorn, sodass ihre Ellbogen auf den breiten Knien lagen. Ihr Kleid, das seine Peg nicht mal als Geschirrtuch ins Haus gelassen hätte, spannte sich.

Michael lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloss halb die Augen. Das alles wusste er auswendig. Er hatte nur noch nie die Gelegenheit gehabt, es jemandem mitzuteilen. «Mantel ist hier in der Gegend aufgewachsen, in Crill, der kleinen Stadt die Küste rauf. Der Vater war Lehrer. Die Mutter hat bei der Post gearbeitet. Eine nette Familie, nach allem, was man so hört. Aber das hat Mantel nicht gereicht. Er hatte einen kostspieligen Geschmack, schon als junger Bursche. Als er noch zur Schule ging, hat er angefangen, für eine ältere Witwe zu arbeiten, die bei ihm in der Nähe wohnte – ein bisschen Gartenarbeit, Gelegenheitsjobs, Einkaufen. Einen Begleiter, so hat er sich genannt.»

«Wie reizend.»

«Das möchte man meinen. Als sie starb, hat sie ihm ihr ganzes Geld vermacht.»

«Hatte sie denn keine Familie?»

«Einen Neffen in Surrey. Er hat versucht, das Testament anzufechten, aber das war offenbar einwandfrei.»

«Mantel hat sie also eingewickelt?»

«Oder zu Tode erschreckt.»

Einen Moment lang schwiegen sie beide. Nur das Ticken der gedrungenen Uhr auf dem Kaminsims war zu hören.

«Damals hat er angefangen, in Immobilien zu investieren. Noch keine zwanzig, da hat er ein paar Reihenhäuser in der Stadt gekauft. Hat sie an Studenten vermietet. Noch ein paar Häuser gekauft. Eins davon ist abgebrannt. Wahrscheinlich ein Defekt in den Stromleitungen, aber es gab keine Beweise, und die Versicherungssumme hat er jedenfalls kassiert. Er hatte Glück, dass niemand im Haus war. Die Universitätsverwaltung war allerdings nicht so glücklich, und er ist dann zu dem Schluss gekommen, dass Studenten nicht die idealen Mieter sind. Zu aufsässig. Beklagen sich gern mal und kennen ihre Rechte. Also hat er angefangen, an Familien zu vermieten, die Wohngeld bezogen.»

«Massig Spielraum für Betrügereien. Vor allem, wenn das Wohngeld direkt an den Vermieter gezahlt wird.»

«Genau. Und wenn die Familien knapp bei Kasse waren, hat er ihnen Geld angeboten, um ihnen über die Runden zu helfen.»

«Wie ich schon sagte», Veras Augen leuchteten, es machte ihr Spaß: «Reizend.»

«Nicht mehr, wenn es um die Zinssätze ging.»

Sie sahen sich an.

«Einiges davon wusste ich schon», sagte sie schließlich. «Ich habe gehört, dass er in Sozialleistungsbetrug verwickelt war, und irgendetwas mit Krediten. Natürlich nicht zu lange. Jetzt ist er ein ehrbarer Geschäftsmann in Sachen Stadtentwicklung. Arbeitet mit den Gemeinden zusammen. Isst jede zweite Woche mit dem Prince of Wales zu Mittag. Fast schon ein Heiliger.» Sie holte Luft, bevor sie fortfuhr: «Ich wusste nur nie, wo er sein Startkapital herhatte. Um das herauszufinden, müssen Sie ganz schön herumgewühlt haben.»

«Ich bin ein alter Dickkopf, ich gebe nicht so leicht auf.»

«Da muss aber doch etwas Persönliches hinterstecken. Sie haben doch schon Nachforschungen über Mantel angestellt, bevor er etwas mit Ihrer Jeanie angefangen hat.»

«Ein bisschen was habe ich davor rausgefunden. Später habe ich es dann ernster genommen.»

«Wieso haben Sie angefangen zu suchen?»

«Er hat meine Stellung im Dorf in Frage gestellt. Hat mich wie einen Idioten aussehen lassen. Das konnte ich nicht zulassen. Ich dachte, wenn ich den anderen sage, wo sein Geld herkommt, was für eine Art Mensch er wirklich ist, dann würden sie ihn fallenlassen.»

«Und, haben Sie es ihnen gesagt?»

«Ich hatte keine Gelegenheit. Zuerst fehlten mir die Beweise. Und als Jeanie dann bei ihm eingezogen war, hätten alle gedacht, dass es bloß darum geht. Dass ich verbittert bin, weil er meine Tochter vögelt. Dann ist sein kleines Mädchen ums Leben gekommen, und das zählte alles nicht mehr.»

«Aber Sie haben es Jeanie erzählt?»

Er nickte. «An dem Nachmittag, als ich die beiden in seinem Auto vor unserem Haus gesehen habe. Ich war wütend. Es kam ganz falsch raus. Sie hat mir nicht geglaubt. Sie hat ihre Sachen zusammengepackt und ist davongestürmt.»

«Und damals ist sie dann bei Mantel eingezogen?»

«Ja. Es war also doch alles meine Schuld. Der Tod von dem Mädchen. Dass Jeanie eingesperrt wurde. Wenn ich mich beherrscht hätte, wäre das alles nicht passiert.»

«Das wissen wir nicht. Noch nicht. Als Mantel Jeanie bat auszuziehen, ist sie da wieder zu Ihnen gekommen?»

«Es hat ihr zwar nicht gefallen, aber sie konnte nirgendwo anders hin. Sie war immer noch ganz vernarrt in Mantel. Wegziehen wollte sie nicht. Und das zwischen uns haben wir so halbwegs in Ordnung gebracht. Das war Pegs Verdienst. ‹Ich weiß, es passt dir nicht, aber wenn wir uns jetzt nicht bemühen, verlieren wir sie noch ganz.› Peg hatte sie einmal alle am Sonntag zum Essen eingeladen, Mantel, Jeanie und seine Tochter. Bei dem Aufwand, den sie trieb, hätte man meinen können, das Königshaus wäre bei uns zu Gast. Kaum etwas ist mir je so schwergefallen, wie mit diesem Mann an einem Tisch zu sitzen. Ihn lächeln zu sehen. Verdammt gut zu wissen, dass er genau weiß, was ich durchmache.» Michael hielt inne. «Die ganzen Jahre habe ich mich gefragt, ob das der Grund war, weshalb er was mit Jeanie angefangen hat. Oder wenigstens, weshalb er so lange mit ihr zusammengeblieben ist. Ob er das nur gemacht hat, um mir eins auszuwischen.»