Die Altersversorgung der Politiker

 

Bundestagsabgeordnete, Minister und Kanzlerin werden in Anlehnung an die Besoldung von Beamten bezahlt. Das gilt auch für ihre Bezüge im Ruhestand. Politiker zahlen nicht in die Rentenkasse und nicht in die Arbeitslosen- und Krankenversicherung ein. So gut, so schlecht. Die Bücher und Zeitungsartikel sind Legion, die zum Thema üppige Altersversorgung der Politiker geschrieben worden sind. Und wie viele Talksendungen im Fernsehen dazu ausgestrahlt worden sind, weiß niemand genau. Und in der Tat: Politiker sind mit ihren hohen, allerdings im europäischen Vergleich noch nicht einmal sonderlich üppigen Abgeordnetenbezügen und ihren mehr als auskömmlichen Altersbezügen auch ein typisches Abbild für die Fehlsteuerungen bei den Beamtenbezügen.

Daran hat sich in den letzten Jahren kaum etwas geändert. Einer, der schon sehr früh gewarnt hat, dass es so wie bisher einfach nicht mehr weitergehen darf, war übrigens Thilo Sarrazin (SPD). Er wollte am liebsten die Beamtenpensionen ganz abschaffen und durch ein anderes System der Altersvorsorge ersetzen. Die Versorgungslasten des Öffentlichen Dienstes müssten deutlich sinken, sagte er in einer Talk-Sendung der Moderatorin Sabine Christiansen 2004. Damals war er Finanzsenator in Berlin.

»Das wird eine harte Diskussion, aber da muss man ran«, meinte Sarrazin und stieß natürlich auf erbitterte Widerworte von Gewerkschaftern und Vertretern des Beamtenbundes. Mit siebzig Prozent vom letzten Gehalt (brutto) seien die Pensionen schlichtweg zu hoch. »Das ist auf die Dauer zu viel.« Sarrazin weiter: »Das bedeutet für mich, dass man das System der gegenwärtigen Beamtenpension alsbald auslaufen lässt und jetzt schließt.« Der gerne als Provokateur auftretende Sarrazin trat gleichzeitig dafür ein, die Zusatzversorgung des Bundes und der Länder für Verwaltungsangestellte (VBL) zu kürzen und letztlich ganz zu streichen. Langfristig müsse man dafür sorgen, »dass ein Beamter oder Angestellter genauso behandelt wird wie ein vergleichbarer Rentner«.[1]

Er selbst ist mit seinem vorzeitigen Ausscheiden aus der Bundesbank ein Paradebeispiel für beamtete Pensionäre, und es gibt heute nicht viele Politiker, die sich danach drängen, mit ihm in einem Atemzug genannt zu werden. Aber mit seiner Forderung steht er nicht mehr alleine da. Im Gegenteil: Immer mehr Politiker bekannten sich in den letzten Jahren zur Notwendigkeit von Reformen bei der Altersversorgung von Beamten. Auch der Staatsrechtler und ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) sprach sich schon für die Abschaffung der Pensionen aus: »Die gerechteste und sauberste Regelung wäre, die Pensionen abzuschaffen. Dann müsste der Staat allerdings die Bezüge der Beamten deutlich erhöhen, damit diese für ihre Altersversorgung selbst aufkommen können.«[2] Scholz ergänzte laut ›Der Spiegel‹, dies könne ohne Verfassungsänderung über die Besoldungsgesetze geregelt werden.[3] Der als »Rentnerschreck« bekannte junge CDU-Abgeordnete Jens Spahn wies in der Vergangenheit immer wieder auf die hohen Kosten der alternden Gesellschaft auch für den Staat hin. Spahn erklärt: »Die zunehmende Last der Pensionen wird vom Steuerzahler kaum zu tragen sein.« Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) forderte ebenfalls eine Gleichbehandlung von Renten und Pensionen. »Wenn das Renteneintrittsalter auf 67 erhöht wurde, muss das auch für Pensionäre gelten«, sagte er. »Wenn die Renten nicht steigen, können auch die Pensionen nicht steigen. Zudem muss der Staat für die Pensionsverpflichtungen jedes Jahr Rückstellungen bilden. Das tut jedes Unternehmen für Betriebsrenten und hat der Staat bislang versäumt.« Sein Parteikollege, der CDU-Finanzexperte Ralph Brinkhaus ging sogar noch weiter. »Als Sofortmaßnahme für alle Neueinstellungen im Öffentlichen Dienst sollte eine Angleichung der Gehaltsstrukturen an die freie Wirtschaft erfolgen, dafür die Aufhebung der Privilegien bei Altersversorgung und Krankenversicherung«, sagte Brinkhaus. »Darüber sollten wir auch für Abgeordnete nachdenken.«[4] Sein Parteifreund, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, unterstützte ihn dabei, wenn er forderte: »Alle Elemente der Rentenreform müssen wirkungsgleich auf die Beamten übertragen werden.«

Bei der Opposition sieht es nicht viel anders aus. So meinte etwa der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider gegenüber der ›Bild‹-Zeitung: »Angesichts der ausufernden Verschuldung und der Konsolidierungserfordernisse müssen die Ausgaben für die Pensionäre begrenzt werden. Die zusätzlichen Ausgaben dafür wären sonst im Haushalt einzusparen und würden den Sparzwang damit weiter verschärfen.«[5] Alexander Bonde, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen, wird an gleicher Stelle folgendermaßen zitiert: »Es zeigt sich einmal mehr, wie sehr die Versorgungssysteme auseinanderlaufen. Beamte müssen endlich auch ins gesetzliche Rentenversicherungssystem eingegliedert werden, damit diese Ungerechtigkeit ein Ende hat.«[6] Auch SPD-Sozialexperte Karl Lauterbach hat in der Vergangenheit mehrfach angesichts der Kluft zwischen Renten und Pensionen Kürzungen bei den Beamten gefordert. »Beamte genießen viele Privilegien – sicherer Arbeitsplatz, bevorzugte Behandlung als Privatpatient beim Arzt, hohe Pension im Alter. All das muss vom Steuerzahler finanziert werden«, sagte er etwa dem Kölner ›Express‹. Es sei daher für normale Arbeitnehmer nicht einzusehen, »dass sie länger arbeiten sollen und ihre Renten kaum steigen, während vergleichbare Abstriche bei den Beamtenpensionen ausbleiben«.[7] Ohne weitere Einschnitte würden einige Länder schon in zwanzig Jahren mehr für Pensionen ausgeben müssen als für ihre aktiven Beamten, so Lauterbach.[8] SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz ergänzte, beim jetzigen System stelle sich die Frage der Gerechtigkeit. Deshalb müssten mittelfristig die beiden Systeme der Altersversorgung für Beamte und Angestellte angeglichen werden. »Es kann nicht sein, dass die Arbeit eines Angestellten weniger wert ist als die Arbeit eines Beamten. Sowohl Angestellte als auch Beamte müssen ins Rentensystem einzahlen«, wird Wiefelspütz zitiert.[9]

Wo so viel Reformnotwendigkeit gesehen wird, sollte es eigentlich an der politischen Umsetzung nicht scheitern. Doch die Realität sieht auch im Jahr 2012 immer noch gänzlich anders aus. Selbst heute, wo die Finanz- und Staatsschuldenkrise in Europa jederzeit tiefe Haushaltslöcher auch in die deutsche Staatskasse reißen kann, scheint dies (vor allem Landes-)Politiker relativ kaltzulassen, wenn es zum Beispiel um ihre eigenen Ruhestandsgehälter und Diäten geht. »Obwohl Mitglieder der Landtage«, so schreibt der emeritierte Verwaltungsexperte Hans Herbert von Arnim, »bei gehöriger Organisation nur teilzeitbeschäftigt sind (und das Land Hamburg dies erklärtermaßen auch praktiziert, obwohl dort noch Kommunalaufgaben hinzukommen), erhalten Landtagsabgeordnete in Flächenstaaten eine sogenannte Vollalimentation samt Überversorgung auf Kosten des Steuerzahlers. Diese Diskrepanz von Aufgaben und finanziellem Status haben selbst Insider eingeräumt, wie die Landtagsdirektoren Joachim Linck und Albert Jansen und Landtagspräsidenten wie Gottfried Müller. Doch statt dies zu ändern, schließt die Landespolitik die Augen. Besonders deftig sind Ministerpräsidenten und Landesminister versorgt, sehr viel üppiger als Regierungsmitglieder im Bund, obwohl sie weniger Verantwortung tragen und geringer zeitlich belastet sind. Würden Bundesminister besserstehen als Landesminister, könnte man dafür Verständnis haben, umgekehrt wird aber kein Schuh draus.«[10]

Im Februar 2011 kam es beim Thema »Rente mit 67« für Landtagsabgeordnete zum Eklat im niedersächsischen Landesparlament, als der innenpolitische Sprecher der Grünen, Ralf Briese, es gewagt hatte, einige Privilegien der Abgeordneten infrage zu stellen.[11] Er monierte, dass, wenn Arbeitnehmer und Beamte erst mit 67 Jahren Rente und Pension bekämen, Parlamentarier nicht vorher kassieren dürften. »Auch für uns muss gelten, was zukünftig im Beamtenrecht gilt: Wer früher gehen will, muss entsprechende Abschläge hinnehmen.« Per Gesetzentwurf fordern die Grünen in Niedersachsen noch mehr: Etwa eine kürzere Bezugsdauer für das Übergangsgeld. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Landtag bekommen die Abgeordneten in Niedersachsen ein Jahr lang weiter ihre vollen Diäten. Das müsse an das allgemeine Arbeitslosengeld angepasst werden, meinte Briese. Zumal gerade Politiker, die früher im Öffentlichen Dienst waren, sofort wieder an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren könnten. Außerdem wollen die Grünen das aufwendige Zuschlagswesen abschaffen. Für Landtagsdebatten und für Fraktions- oder Ausschusssitzungen erhalten die Abgeordneten in Hannover zusätzlich zu Diäten und Aufwandsentschädigung je 15 Euro Tagegeld. Liegt eine Übernachtung dazwischen, sind es sogar 23 Euro pro Tag. »Sitzungen sind doch klassische Kernarbeit eines Abgeordneten«, meinte Briese. »Sie werden auch einer Friseurin, einem Maurer oder einem Ingenieur keinen besonderen Zuschlag geben, nur weil er an seinem Arbeitsplatz auftaucht.«

Da platzte den anderen Abgeordneten aber der Kragen, allen voran SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Johanne Modder. »Reiner Populismus«, brüllte sie unter dem lauten Applaus auch von CDU und FDP. »Wir wehren uns gegen den Vorwurf der Selbstbedienung.« Die Hauptarbeit finde in den Wahlkreisen statt, deshalb seien Tagegelder für Sitzungen in Hannover gerechtfertigt. Das Übergangsgeld solle die Unabhängigkeit der Abgeordneten sichern und das Parlament für alle Berufsgruppen attraktiv machen. Immerhin: Über eine höhere Altersgrenze für Abgeordnete werde man reden, betonten Modder und ihr CDU-Kollege Jens Nacke. Dagegen allerdings gab es Widerspruch von Linken-Fraktionschef Hans-Henning Adler: »Die Rente mit 67 ist soziales Unrecht.« Da es keine Gleichbehandlung im Unrecht gebe, könne man sie – leider, leider – eben auch nicht für Abgeordnete fordern.

Wo eine derart große Koalition gemeinsam Politik auf Kosten der Steuerzahler macht, erscheint jeder weitere Widerspruch sinnlos. Und richtig: Im Herbst 2011 legte die schwarzgelbe Koalitionsregierung unter Ministerpräsident David McAllister (CDU) dem Landtag neue Pläne für die Beamten- und Ministerversorgung im Parlament vor, die es in sich haben. Für die ›Hannoversche Allgemeine Zeitung‹ beschreibt Klaus Wallbaum sehr schön die weiteren Hintergründe zu der geplanten Versorgungsnovelle.[12] Neben der Beamten- wird dabei auch die Ministerversorgung neu geregelt. Danach sollen auch frühere Minister eine Chance bekommen, ihre eigene Versorgung aufzubessern, darunter einige Politiker, die bis 2003 regiert haben und der SPD angehören. Bislang sind Minister benachteiligt, wenn sie vor ihrer Amtszeit im Öffentlichen Dienst tätig waren. Ihre dort erworbenen Versorgungsansprüche werden nach geltendem Recht mit den Anwartschaften als Minister verrechnet. Mancher Staatssekretär, der seinen Karriereweg von Anfang bis Ende im Öffentlichen Dienst beschritten hat, ist daher besser versorgt als sein Dienstherr, der Minister. Mit der Reform soll sich dies in Zukunft ändern, denn alle im Öffentlichen Dienst erworbenen Pensionsansprüche sollen erhalten bleiben und zusätzlich zum Ruhegehalt als Minister gezahlt werden.

Davon, so Wallbaum, wären zunächst zwei Minister Nutznießer, die vor ihrer politischen Karriere im Öffentlichen Dienst waren – Hans-Heinrich Sander (Umwelt) und Hartmut Möllring (Finanzen). Die anderen derzeitigen Minister würden sich mit der geplanten Neuregelung zwar verschlechtern. Doch sie sollen die Chance erhalten, auch das alte Gesetz für sich zu beanspruchen. Allerdings sollen noch weitere Politiker in den Genuss der Neuregelung kommen können, obwohl ihre Ministerzeit längst abgelaufen ist. Das gelte etwa für die Christdemokraten Elisabeth Heister-Neumann (Kultus) und Mechthild Ross-Luttmann (Soziales), die vor ihrer Ministerzeit Beamte in der Kommunalverwaltung waren. Betroffen seien aber auch eine Reihe von Sozialdemokraten, die bis 2003 Minister waren. Von Vorteil wäre das geplante neue Recht möglicherweise für jene, die zunächst als Beamte oder Richter gearbeitet hatten und dann Minister geworden sind. Ob, und wenn ja, wie viel sie von der Neuregelung mehr an Pension erhalten würden, ist in jedem Einzelfall unterschiedlich.

Interessant werden könnte die Reform etwa für den jetzigen Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann aus Göttingen. Bevor er 1998 Wissenschaftsminister wurde, war er vier Jahre lang Richter und Rechtsdezernent. Auch Susanne Knorre, ehemalige Wirtschaftsministerin im Kabinett von Sigmar Gabriel, war früher im Öffentlichen Dienst in Rheinland-Pfalz tätig. »Die Länder«, urteilt Hans Herbert von Arnim, »hätten deshalb schon längst zumindest entsprechende Einschränkungen vornehmen müssen. Ein Grund für das Zurückfallen der Länder und das Fortbestehen überzogener Regelungen dürfte die schwächere öffentliche Kontrolle sein. Die Bundespolitik, die im Rampenlicht steht, überstrahlt alles und steht im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit, so dass es schwer ist, überzogene Regelungen aufrechtzuerhalten. Die Länder liegen dagegen meist im publizistischen Schatten.«[13]

Die Bundesregierung hat für sich selbst am 23. Oktober 2008 im Kabinett bereits Einschränkungen bei ihren eigenen Pensionsansprüchen durchgesetzt und damit begründet, dass die »angesichts der demografischen Entwicklung schwierige Situation aller Alterssicherungssysteme den systemgerechten Beitrag aller Gruppen zur Sicherung der Systeme … auch … der politischen Leitungsebene erfordert«, also der Kanzlerin und der Bundesminister sowie der Parlamentarischen Staatssekretäre. Seitdem gilt auch für Angela Merkel, dass für sie erst ab dem 65. Lebensjahr der normale Bezugsbeginn von Ruhestandsgehältern beginnen wird, und mancher Bundesminister, wie zum Beispiel der frühere Bundeswirtschaftsminister Michael Glos, der drei Jahre und drei Monate Bundesminister war, erhält heute keine Bundesministerpension – im Gegensatz zu vielen Landesministern.[14]

Doch es ist bestimmt auch kein Zufall, dass der Bundestag im Jahr 2011 die Abstimmung über eine Anhebung der Diäten auf einen späten Donnerstagnachmittag im Juli legte, nach Redaktionsschluss für viele Medien. In vielen Bundesländern waren die Menschen zu diesem Zeitpunkt bereits im Sommerurlaub – und das Parlament selbst ging ebenfalls wenig später in die Ferien. Nach zwei Nullrunden wegen der Wirtschaftskrise konnten die Parlamentarier die Erhöhung ihrer Bezüge nun im Schnellverfahren absegnen. Erboste Wähler-Reaktionen, Schlagzeilen oder Proteste konnten so vermieden werden. Die Bezüge der 620 Volksvertreter stiegen zum Jahreswechsel 2012 um acht Prozent von 7668 Euro auf 7960 Euro und werden 2013 noch einmal auf 8252 Euro steigen. Die jährlichen Mehrkosten belaufen sich auf rund 2,9 Millionen Euro. Ein Medienecho oder eine größere öffentliche Diskussion darüber gab es nicht.

Nach Ansicht der Koalitionsspitzen war offensichtlich die Mitte der Legislaturperiode am besten dafür geeignet, um Nägel mit Köpfen zu machen. Der Sicherheitsabstand zur nächsten Bundestagswahl im Jahr 2013 war groß genug. Thomas Oppermann, der uns schon bei der neuen niedersächsischen Regelung für Minister und Abgeordnete begegnet ist, erklärte für seine Partei die Diätenanhebung so: »Die Abgeordneten müssen, so hat es das Bundesverfassungsgericht im Diätenurteil 1975 festgelegt, die Entscheidung selber treffen; sie können sie nicht delegieren. Das muss ein offener, transparenter Prozess sein. Das ist in Ordnung. Aber wir hatten nicht immer den Mut und vielleicht auch nicht immer das Geschick, Diätenerhöhungen oder -anpassungen durchzusetzen. In den letzten zehn Jahren hatten wir fünf Nullrunden. Am Ende des Jahres werden wir schon rund acht Prozent hinter der Besoldungsgruppe R6 liegen. Deshalb ist die jetzt vorgesehene Anpassung notwendig. Wenn ich sehe, wie unaufgeregt unsere Vorschläge bisher kommentiert worden sind und dass es in ansonsten in dieser Frage außerordentlich kritischen Medien sogar zustimmende Kommentare gab, dann zeigt das für mich, dass dieser Vorschlag für die Anpassung akzeptiert wird. Wir sollten ihn ebenfalls akzeptieren und das Ganze dann nächste Woche in der zweiten und dritten Lesung beschließen.«[15] Sein Kollege Peter Altmeier, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, ergänzte, er halte die Erhöhung der Diäten ebenfalls für vernünftig, maßvoll und vertretbar. Das gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Steigerung auch an jüngsten Tarifabschlüssen in der Industrie und im verarbeitenden Gewerbe orientiere.

Das gekonnte Timing im Sommer 2011 hat funktioniert. Die Öffentlichkeit scheint beim Thema Diätenerhöhung inzwischen abgestumpft zu sein. Von einer »Wut-Welle«, wie die ›Bild‹-Zeitung sie herbeizuschreiben versuchte, konnte keine Rede sein. Auch der Einspruch vom Chef des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, stieß auf wenig Resonanz. »Man kann nicht beim Thema Steuersenkungen auf knappe Kassen verweisen und dann sich selbst die Diäten erhöhen«, sagte er und befand sich dabei wahrscheinlich in einer eher ungewollten Allianz mit der Links-Partei. »Zweimal hintereinander fast vier Prozent Zuschlag, das ist überzogen und nicht vermittelbar«, meinte Parteichef Klaus Ernst. Er forderte stattdessen eine Koppelung der Diäten an die Rentenentwicklung. Und auch der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim kritisierte die Erhöhung.[16] Er verwies darauf, dass die Parlamentarier neben ihren Bezügen noch eine steuerfreie Kostenpauschale von fast 4000 Euro erhalten – unabhängig von der Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen. »Ein solches verschleiertes Zusatzeinkommen haben Richter nicht«, monierte er. »Und sie dürfen anders als Abgeordnete auch keinen vollen Zweitberuf neben ihrer eigentlichen Aufgabe ausüben.«

Davon, dass der Bundestag nach wie vor ein Versprechen, das noch aus Zeiten der Großen Koalition stammt, nicht eingelöst hat, nämlich die Altersversorgung von Bundestagsabgeordneten zu reformieren, war schon die Rede. Das ist der eigentliche Skandal.

Derzeit wird die Altersvorsorge der Bundestagsabgeordneten noch immer vollständig aus Steuergeldern finanziert. So bekommt ein Bundestagsabgeordneter nach nur einem Jahr im Parlament Anspruch auf Pension in Höhe von monatlich 2,5 Prozent seiner Diät. Nach zwei Legislaturperioden, also nach acht Jahren im Bundestag, kann er mit einer monatlichen Pension von rund 1536 Euro rechnen. Davon können Arbeitnehmer nur träumen. Minister haben schon nach vier Jahren Amtszeit Anrecht auf ein sogenanntes Ruhegehalt: 27,74 Prozent der Amtsbezüge von 12 860 Euro monatlichem Bruttoverdienst. Mit jedem weiteren Amtsjahr erhöht sich die Pension um weitere 2,39 Prozent. Hans Herbert von Arnim nennt die politische Klasse daher wohl nicht zu Unrecht »überversorgt«. Solange die Altersversorgung und andere Streitpunkte wie etwa die Kostenpauschale nicht geändert und die vielfältigen Funktionszulagen, die selbst das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2000 als nicht rechtmäßig bezeichnet hat, nicht abgeschafft sind, haben die Bundestagsabgeordneten auch keinen Anspruch auf Diätenerhöhung. Für eine solche Missachtung des höchsten Gerichtes darf es, sollte man meinen, nicht auch noch eine Prämie geben.

Wie es scheint, geht es auch anders. Die Abgeordneten aus dem nordrhein-westfälischen Landtag müssen seit der Diätenreform 2005 selbst für ihre Altersversorgung aufkommen. Es ist eine Lösung, die auf den ersten Blick fair gegenüber den Bürgern erscheint, von denen die Politik zu Recht verlangt, dass sie privat vorsorgen. Aber auch hier steckt der Teufel im Detail. Ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2011, im Dezember, haben die Abgeordneten im nordrhein-westfälischen Landtag sich ein ansehnliches Weihnachtsgeschenk gemacht: SPD, CDU und Grüne haben mit Mehrheit beschlossen, die Diäten der 181 Abgeordneten um 500 Euro auf 10 726 Euro anzuheben. Vorgesehen sind die 500 Euro zusätzlich für die Altersvorsorge. 2005 hatte man als Leitbild die Freiberufler und ihre Versorgungswerke gewählt. Der Regelbeitrag, den die Freiberufler einzahlen, liegt bei rund 1100 Euro. Die Parlamentarier hingegen zahlten von Anfang an mehr ein, aktuell sind es 1600 Euro. Nun sollen es sogar 2100 Euro werden – also fast doppelt so viel, wie die Freiberufler regelmäßig einzahlen. Dass sich die Abgeordneten in Düsseldorf in bester Einmütigkeit für ihren Ruhestand diese Erhöhung der Beitragszahlung auf Kosten des Steuerzahlers selbst bewilligten, hat mehr als ein »Geschmäckle«. Die Mehrkosten betragen circa 1,1 Millionen Euro zusätzlich, Jahr für Jahr, und seien »angemessen«, meint etwa SPD-Fraktionschef Norbert Römer und weiß sich damit einig mit seinen Kollegen aus CDU und Grünen. Mit der Erhöhung der Pensionszahlungen für einen Abgeordneten, der ab 2005 ins Parlament gewählt wurde, erhöhen sich die monatlichen Ruhestandsbezüge von 1251 auf 1573 Euro – ab dem 65. Lebensjahr. Abgeordnete, die früher in den Landtag gekommen sind, können sich nach zehn Jahren Parlamentarierdasein sogar über 2558 Euro jeden Monat freuen. Wohlgemerkt: Dies sind allein die Pensionen aus der Abgeordnetentätigkeit. Im Regelfall kommen Ruhestandsbezüge aus früheren beruflichen Tätigkeiten noch dazu. Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen betonte, dass die NRW-Abgeordneten auch nach der Erhöhung die niedrigsten Ansprüche in den Flächenstaaten besäßen. In Hessen würden monatlich 2968 Euro Pension gezahlt. Einzig die FDP und die Linken lehnten die Düsseldorfer Diätenerhöhung ab. »Wer von einer Unterversorgung spricht, blendet jede Realität außerhalb des Parlaments aus und löst nur Kopfschütteln aus«, sagte etwa FDP-Fraktionschef Gerhard Papke.

Er weiß sich einig mit vielen Bürgern in Nordrhein-Westfalen, die zusammen mit dem Bund der Steuerzahler einen der größten Online-Proteste gegen die Diätenerhöhung organisierten. Rund 45 400 Protestschreiben gingen bei den Parlamentariern ein. Hinzu kamen 7300 Unterstützer auf der Facebook-Seite des BdSt. Der weist darauf hin, dass, wer zehn Jahre lang den Höchstbetrag von 1097 Euro in die gesetzliche Versicherung einzahle, am Ende nur mehr 582 Euro an Rente herausbekäme. Die Durchschnittsrente erreiche gerade einmal 275 Euro in diesem Zeitraum. »Wenn die Abgeordneten im Alter noch mehr haben wollen, sollen sie dafür wie jeder andere auch private Vorsorge treffen«, meint etwa Jens Ammann vom BdSt. Bei der Diätenreform 2005 habe man bewusst Abstriche bei der Altersversorgung vorgenommen und im Gegenzug die Bezahlung der Abgeordnetentätigkeit nahezu verdoppelt. Damals war Konsens, dass eine Landtagszugehörigkeit von nur wenigen Jahren keine Rente rechtfertige, die von den meisten Bürgern selbst nach einem ganzen Arbeitsleben nicht erreicht werden könne. Keine sieben Jahre später, so der BdSt, machten SPD, CDU und Grüne »die Rolle rückwärts«: Sie gingen bei der Altersversorgung zurück auf das alte Niveau, freilich ohne die Diäten wieder zu senken. Und im Sommer 2012 steht bereits die nächste – reguläre- Diätenerhöhung an.

Wo die Politik so eigensüchtig handelt, verwundert es nicht, dass es andernorts mindestens genauso schlimm aussieht. Beispiel: das Saarland. Dort ist zum Jahresbeginn 2012 die erste Jamaika-Koalition von Ministerpräsidentin Kramp-Karrenhauser (CDU) in Deutschland gescheitert. Doch Mitleid muss man mit den daraufhin in den vorzeitigen Ruhestand tretenden Ministern nicht unbedingt haben. Für die entlassenen Minister gibt es ein Übergangsgeld von 152 000 Euro, später 1700 Euro Ruhestandsbezüge im Monat – nach nur zwei Jahren im Amt. Ein Durchschnittsverdiener müsste dafür viele Jahre einzahlen. Überhaupt bekommen die meisten Minister in den Bundesländern – anders als die von ihnen mitbeschlossene »Rente mit 67« – in der Regel bereits ab dem 55. Lebensjahr oder nach nur zwei bis drei Jahren im Amt ihre Versorgungsansprüche ausbezahlt. Im Bund muss ein Minister immerhin vier Jahre im Amt sein und bekommt seine Pension erst ab 67. Ganz besonders toll treibt es dabei das hoch verschuldete Sachsen-Anhalt. Dort bekommt ein Minister nach zehn Jahren im Amt monatlich 6000 Euro – ein Spitzenverdiener bekommt aus der Rentenversicherung für diesen Zeitraum nicht einmal ein Zehntel ausbezahlt. Ein Durchschnittsverdiener müsste dafür mehr als 220 Jahre in die Rentenkasse einzahlen.

Wo einerseits so viel erkennbarer Handlungsbedarf besteht und andererseits möglichst nicht viel aktiv unternommen werden soll, greift die Politik gerne zum Mittel einer Prüfungskommission. Für den Bund macht dies eine unabhängige Experten-Kommission unter Leitung von Exbundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP). Sie prüft eine Reform der Altersversorgung der Parlamentarier, das Ergebnis soll noch in dieser Legislaturperiode vorliegen. Und dann geschieht vermutlich – nichts. Dafür schwindet auch das Verständnis in der Politik. Beispielsweise in Thüringen. »Mehrere Monate Diskussion sind notwendig, um Beziehern von ALG II ganze fünf Euro mehr zuzugestehen. Eine Diätenerhöhung für die deutschen Volksvertreter von 3,8 und 3,7 Prozent werde im Berliner Bundestag jedoch schnell als Tagesordnungspunkt abgehandelt«, moniert etwa der Gothaer Kreisvorsitzende der Jungen Union, Felix Elflein. »In Thüringen sollen wir den Menschen erklären, weshalb der Freistaat den Gürtel enger schnallen muss, und gleichzeitig beschließt der Bundestag, sich monatlich 600 Euro mehr zu gönnen.«[17] Die Frage der Abgeordnetenbezüge und der Altersversorgung für Abgeordnete ist eine scheinbar nicht enden wollende Geschichte. Die Berichterstattung und ein gelegentlicher öffentlicher Aufschrei prallen wirkungslos an Politikern ab.

Weiterhin sprudelt für beamtete Pensionäre der Quell von gestaffelten Grund- und Ruhegehältern, vielfältigen Zulagen, Sonderzuwendungen, Vergütungen und Beihilfen, die außer eingefleischten Experten niemand wirklich überblickt. Warum das so ist, darüber hat sich schon vor eineinhalb Jahrzehnten der Frankfurter Jurist Günter Frankenberg in einem bemerkenswerten Beitrag in der Wochenzeitung ›Die Zeit‹ Gedanken gemacht. Er beschrieb eine Melange aus beamtenfreundlichen parlamentarischen Mehrheiten und Berufsverbänden, die sich auf herrschende juristische Meinungen und vor allem eine traditionsgeneigte höchstrichterliche Rechtsprechung stützen können, wie sie im Urteil über die W-Besoldung für Juniorprofessoren im Februar 2012 nicht zum ersten Mal deutlich wurde. In dem Urteilsspruch beriefen sich die Richter auf das staatliche Alimentationsprinzip und eine »amtsangemessene Besoldung«. So hat sich während der vergangenen Jahrzehnte ein massives Abwehrbollwerk gebildet, das heute selbst in Zeiten der größten deutschen Staatsverschuldung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nur in Ansätzen erste Bruchstellen aufweist.[18] Die für die Gesetzgebung verantwortlich Handelnden sind auch gleichzeitig Empfänger von Pensionen. Über Rentenfragen sprechen bei uns öffentlich in der Regel ausschließlich Personen, die davon selbst in keiner Weise betroffen sind, weil sie mehrheitlich Pensionen beziehen. Das mag mit ein Grund dafür sein, dass Bundestag und Länderparlamente es immer wieder abgelehnt haben, ihre eigene Altersversorgung zum Beispiel der gesetzlichen Rentenversicherung anzuvertrauen.

Doch erste Risse in dieser bisher scheinbar undurchdringbaren Abwehrmauer sind erkennbar. Inzwischen hat sich in den Ländern bei den Abgeordnetendiäten und der Altersversorgung von Politikern einiges getan. Die 16 Bundesländer bezahlen ihre Abgeordneten, Ministerpräsidenten und Minister mittlerweile nach jeweils eigenen Gesetzen. Das führt zu großen Unterschieden. Ein Abgeordneter in Nordrhein-Westfalen bekommt 9979 Euro im Monat, er muss sich jedoch um seine Altersvorsorge komplett selbst kümmern. Im klammen Stadtstaat Bremen bekommt ein Abgeordneter nur 2550 Euro brutto, dazu gibt es eine steuerfreie Pauschale von 430 Euro. Andernorts haben Länderparlamente auf eine Anhebung der Diäten im letzten Jahr für ihre Abgeordneten ganz verzichtet. So hat sich zum Beispiel die SPD im rheinland-pfälzischen Landtag bei den Abgeordnetendiäten 2011 eine Nullrunde verordnet. Das sei angesichts der anstehenden Sparbeschlüsse »als Zeichen wichtig«, sagte SPD-Fraktionschef Hendrik Hering. In den folgenden Jahren sollen die Diäten nach Ansicht Herings maximal in dem Maß steigen wie die Beamtenbesoldung in Rheinland-Pfalz. Hier sieht der Koalitionsvertrag von 2012 bis 2016 eine Deckelung bei einem Prozent pro Jahr vor, unabhängig davon, was bei künftigen Tarifverhandlungen für die Angestellten im Öffentlichen Dienst herauskommt.[19]

Auch die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft sollten einer unabhängigen Kommission zufolge im Jahr 2011 auf eine Diätenerhöhung verzichten. Für 2012 hingegen halten die Experten eine Erhöhung des Entgelts im Umfang von 1,8 Prozent für angemessen. Dies entspreche der aktuellen Einkommensentwicklung bei Angestellten und Beamten in Hamburg. Bereits 2010 hatten die Abgeordneten der Bürgerschaft eine Nullrunde eingelegt. Derzeit beträgt das Entgelt der Abgeordneten 2456 Euro monatlich.

Anders ihre Kollegen in Bayern. Sie haben sich eine Erhöhung ihrer Diäten um 3,5 Prozent ab Juli 2011 genehmigt. Ihr monatliches Einkommen steigt um 3,5 Prozent oder 233 Euro auf dann 6881 Euro. Gleichzeitig wird die Kostenpauschale – etwa für Büro und Mitarbeiter – um 38 Euro auf 3141 angehoben. Das sorgte für viel Unzufriedenheit, vor allem weil gleichzeitig die Staatsregierung den Beamten in Bayern 2011 eine Nullrunde verordnet hatte. Der Chef des Bayerischen Beamtenbundes, Rolf Habermann, sagte über die Diätenerhöhung für die Abgeordneten: »Die Anpassung ist angesichts der derzeitigen Verhältnisse gerechtfertigt. Das muss aber auch Anlass sein, die geplante Nullrunde für die Beamten noch einmal zu überdenken.«[20] Auf der Website des Bayerischen Beamtenbundes äußert er sich heute so: »Die mit dem Doppelhaushalt 2011 / 2012 verabschiedeten Sparmaßnahmen – Nullrunde in 2011, Verlängerung der Wiederbesetzungssperre, zeitweise Absenkung der Eingangsbesoldung, zweijährige Aussetzung der Leistungsbesoldung – haben, insbesondere auch nach der Ende April beschlossenen Anhebung der Abgeordnetendiäten, tiefe Kerben hinterlassen. Sie haben nicht nur Zweifel an der Verlässlichkeit des Freistaats Bayern als Arbeitgeber geschürt, sondern auch das Bild des Öffentlichen Dienstes in der Öffentlichkeit geschädigt. Wer den Öffentlichen Dienst als reines Sparpotenzial präsentiert, das unbelastet von jeglicher inhaltlicher Rechtfertigung herangezogen werden kann, um – vermeintliche – finanzielle Engpässe abzufedern, der beschädigt ihn in seinen Grundfesten.«[21] Auch der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, Klaus Wenzel, betonte, die Erhöhung der Diäten sei nicht nachvollziehbar, wenn gleichzeitig andere Berufsgruppen finanzielle Einschnitte zu verkraften hätten. Von einer »psychologischen Katastrophe« sprach der FDP-Landtagsabgeordnete Georg Barfuß. Selbstverständlich passe die Diätenerhöhung nicht in die Landschaft, wenn für die Beamten gleichzeitig eine Nullrunde vorgesehen ist, und ergänzte: »Aber wir können die Anhebung auch nicht ablehnen.«

Warum das nicht geht, das bleibt sein Geheimnis. Dem Vorsitzenden der CSU-Landtagsfraktion, Georg Schmid, blieb es überlassen, die Erhöhung der eigenen Diäten und die Nullrunde bei bayerischen Beamten zu verteidigen: Die Beamten Bayerns seien im Vergleich zu ihren Kollegen in anderen Bundesländern schon heute bessergestellt. »Das Weihnachtsgeld bleibt erhalten, die Arbeitszeit wird in zwei Schritten auf vierzig Stunden zurückgeführt und die Altersteilzeit wird unbefristet fortgeschrieben«, sagte Schmid. Außerdem werde es 2012 eine Anpassung der Bezüge geben.[22]

So unterschiedlich Länderparlamente ihre eigenen Abgeordnetendiäten und die Politikerversorgung regeln, so unterschiedlich ist auch die Besoldung von Beamten. Die Möglichkeiten dazu haben die Länder. »Sie haben bereichsbezogen Gestaltungsmacht wie seit dem Kaiserreich nicht mehr«, urteilt etwa Hellmuth Günther. »Ob das Laufbahnwesen als Sektor des ›Statusrechts‹ kompatibel bleibt, ob die Länder bereit sein werden, Konzepte des Bundes zum Vorbild zu nehmen, ob Bund und Länder sich abstimmen werden, ist offen. Immerhin, die Tarifverträge für die Angestellten des Öffentlichen Dienstes (TVÖD, TV-L) achten das verbreitete Interesse an einheitlichen Lebensverhältnissen, am einheitlichen Beschäftigtenrecht.«[23] Ansonsten ist mit prolongierter Uneinheitlichkeit zu rechnen.

Dies gilt nicht nur zwischen Bund und Ländern, sondern auch für die Regelung der Altersvorsorge in den verschiedenen europäischen Staaten. Dänemark, Finnland, die Niederlande, Schweden und die Schweiz haben eine Volksversicherung für alle ihre Bürger. Belgien, Frankreich, Luxemburg, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Österreich, Portugal und Spanien haben eine Erwerbstätigenversicherung für alle Erwerbstätigen. Auch in Österreich unterliegen Beamte nicht der Pflicht der Pensionsversicherung. Deutschland hat als einziges Land eine separate Arbeitnehmerversicherung für abhängig Beschäftigte. Hier wollen das vor allem SPD und Grüne ändern. So fordert beispielsweise der Sprecher der Grünen für Rentenpolitik, Wolfgang Strengmann-Kuhn, seit langem, dass die Beamten in eine Bürgerversicherung einbezogen werden sollen. »Die hohen Ausgaben für die Beamtenversorgung werden vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung zu einem Problem. Die Beamten zahlen keine eigenen Beiträge und ihre Bezüge sind im Vergleich zur übrigen Bevölkerung relativ hoch. Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, ein nachhaltiges und solidarisches Konzept für eine Einbeziehung der Beamten und Beamtinnen in die gesetzliche Rentenversicherung und eine Vereinheitlichung von Beiträgen und Leistungen vorzulegen.«

In seinem »Grünen Sanierungsplan« für Deutschland, dem »Green New Deal«, schreibt der junge grüne Abgeordnete Sven-Christian Kindler: »Es ist nicht sachlich zu begründen, dass Beamte bei der Altersvorsorge übermäßig privilegiert werden und der Staat noch Jahrzehnte später hohe Pensionszahlungen übernehmen muss. Derzeit liegt der durchschnittliche Wert der zu erwartenden Pensionen der Beamten zum Teil um bis zu dem Doppelten über den vergleichbaren Ansprüchen von Arbeitern und Angestellten. Eine einfachere und gerechtere Lösung wäre die Bürgerversicherung, in die alle nach ihrer Leistungsfähigkeit einzahlen, Beamte, Politiker und Selbstständige genauso wie Arbeitnehmer und Angestellte. Die Bevorzugung bestimmter privilegierter Gruppen hätte damit ein Ende.«[24] Auch die hohen Pensionsansprüche von Bundestagsabgeordneten und Ministern seien in diesem Zusammenhang nicht zu rechtfertigen. Sie sollten sich stattdessen an einer solidarischen Finanzierung des staatlichen Rentensystems beteiligen. Wohl gesprochen. Ob und wann es für derartige politische Großvorhaben jedoch eine parlamentarische Mehrheit geben wird, steht in den Sternen.

Bis dahin streitet der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) vor dem Bundesverwaltungsgericht erst einmal für eine höhere Pension: Ihm geht es darum, dass er neben seiner nicht gerade geringen Ministerpension auch noch Ansprüche auf Versorgung aus seiner Zeit als Ministerpräsident von Hessen hat. Mit einer Klage gegen die Stadt Kassel, von der er zusätzliche Pensionszahlungen aus seiner Zeit als Oberbürgermeister erzwingen wollte, war er im Winter 2011 zwar gescheitert, die Aussichten gegenüber dem Land Hessen sind aber augenscheinlich erfolgreicher zu bewerten. Nicht nur die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles zeigte sich über Eichel entsetzt: Unabhängig von der Rechtslage erwecke dieses Vorgehen »natürlich einen verheerenden Eindruck«, sagte Nahles. Die SPD habe »immer deutlich gemacht, dass sie gegen eine Überversorgung ehemaliger Politiker ist«. Erinnern wir uns: Hans Eichel war zuständiger Finanzminister, als Rot-Grün die Hartz-IV-Gesetze beschlossen hat, die schlimmstenfalls einem Arbeitslosen auch noch die eigene, angesparte Altersvorsorge streitig macht.[25]

Und so reiht sich auch die »Ehrensold«-Causa Wulff nahtlos in die Selbstbedienungsmentalität von Politikern und Parlamentariern ein. Die mangelnde Bereitschaft zu weitreichenden Reformen in der Altersvorsorge bei Ruhestandsbeamten wird nur noch übertroffen von der Gewissheit, dass es der Steuerzahler am Ende schon richten wird. Ausgerechnet Wulff, der als niedersächsischer Ministerpräsident den von Beamten selbst mitfinanzierten Versorgungsfonds zur Schuldentilgung in den Hannoveraner Haushalte einstellte, kann sich so über einen geruhsamen Ruhestand freuen.

Die Pensionslüge: Warum der Staat seine Zusagen für Beamte nicht einhalten kann und warum uns das alle angeht
titlepage.xhtml
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_000.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_001.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_002.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_003.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_004.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_005.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_006.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_007.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_008.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_009.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_010.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_011.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_012.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_013.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_014.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_015.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_016.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_017.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_018.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_019.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_020.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_021.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_022.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_023.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_024.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_025.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_026.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_027.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_028.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_029.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_030.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_031.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_032.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_033.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_034.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_035.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_036.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_037.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_038.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_039.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_040.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_041.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_042.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_043.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_044.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_045.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_046.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_047.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_048.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_049.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_050.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_051.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_052.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_053.html
CR!VQFFPHG3NS08K9KCYPZVJ092D205_split_054.html