Gemeinsam Ziele erreichen, Differenzen überwinden
Unterschiedliche Vorlieben und Vorgehensweisen können Konflikte, aber auch bessere Ergebnisse hervorbringen – sofern man bereit ist, aufeinander zuzugehen und etwas Gemeinsames entstehen zu lassen.
Beispiel: Detailverliebtheit versus gestalterische Freiheit
Friedbert Hausmann hatte vor kurzem von der Geschäftsführung den Auftrag erhalten, bis zum Quartalsende sein Team auf der Firmenhomepage zu präsentieren. Um dies zu erreichen, muss er mit der Marketing-Abteilung zusammenarbeiten. Simone Aichner ist hier seine Ansprechpartnerin. Diese kennt er nur flüchtig von einer Recruiting-Messe, auf der sie das Unternehmen repräsentierte. Diese Aufgabe schien ihr gut zu gefallen. Es fiel Hausmann auf, dass sie fast durchgängig in Gesprächen mit Interessenten war. Dabei gestikulierte sie heftig und lachte laut.
Bereits vor drei Wochen hatte er ihr einen 20-seitigen Vorschlag für die Website gemailt und um Antwort gebeten. Bis heute kam keine Reaktion. Hausmann ist nun unruhig wegen des nahenden Abgabetermins und schickt Simone Aichner eine Erinnerungsmail, auf die die Kollegin nur lapidar antwortet: „Ja, ja, Herr Hausmann, ich komme nächste Woche auf Sie zu. Das kriegen wir schon irgendwie hin.“
Die Persönlichkeiten und ihre Motive
Aus Sicht des nüchternen Fachmanns
Der introvertierte und sachorientierte Friedbert Hausmann hatte sich lange überlegt, worüber er auf der Homepage informieren möchte, und dann in seiner perfektionistischen Art das detailreiche Dokument verfasst. Dieses schickte er – mit einem 3-Zeiler versehen – an die Marketing-Abteilung. Hausmann geht davon aus, dass damit alles klar sei. Die Texte sind mit Sorgfalt und ohne Fehler erstellt, passende Bilder sind beigefügt – im Prinzip muss Simone Aichner nur noch das Layout gestalten. Er erwartet eine rechtzeitige Antwort und eine vernünftige Umsetzung.
Aus Sicht der sorglosen Marketing-Managerin
Die extravertierte und menschenorientierte Simone Aichner schüttelt nur den Kopf, als sie das Dokument von Friedbert Hausmann erhält. Vollständig gelesen hat sie es bis heute nicht. Sie ist nicht der Typ, der Berge von Papier verschlingen kann, und sie mag es auch nicht, wenn man sie per E-Mail einfach mit einem solchen Auftrag konfrontiert. Sie mag es lieber persönlicher. Außerdem arbeitet sie gern kreativ. Es liegt ihr, Texte für andere leicht verständlich zu machen sowie Aufmerksamkeit und Begeisterung hervorzurufen. Jedoch kann sie das nicht auf Knopfdruck und schon gar nicht, wenn man sie allzu sehr einengt. Sie hat ihren eigenen Stil und ist dabei schon öfters bei ihren Kollegen aus dem technischen Bereich angeeckt. Nichtsdestotrotz wird sie auch Friedbert Hausmanns Ausführungen extrem kürzen und, wie sie es nennt, aufpeppen müssen. Dafür wird sie sich eine spannende optische Umsetzung ausdenken.
Ihr Schreibtisch ist wie immer voll, da einige Projekte laufen und sie alles gleichzeitig erledigen will. Hausmanns Auftrag wird sie aber auch noch irgendwie schaffen, auch wenn die Motivation für diesen trockenen Stoff nicht allzu groß ist.
Worin liegt das Konfliktpotenzial?
Die spontane, lebensfrohe Marketing-Managerin hat wenig Sinn für lange Planungen, übertriebene Genauigkeit und Umständlichkeit:
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Natürlich möchte auch sie, dass das Team des Kollegen Hausmann im Internet positiv dargestellt wird – schließlich ist ihr als extravertierte Persönlichkeit die Außenwirkung grundsätzlich wichtig. Sie würde dafür aber eine andere Form wählen als der Teamleiter.
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Neben der inhaltlich-gestalterischen Differenz gibt es aber auch die zwischenmenschliche, d. h., Simone Aichner hat es schwer, an den verschlossenen, peniblen Menschen Hausmann heranzukommen. Dieser begegnet ihr nämlich mit einer gewissen Distanz und Skepsis. Außerdem drückt er sich aus ihrer Sicht extrem kompliziert aus. Sie hat das Gefühl, dass sie sich, wenn sie miteinander kommunizieren, in zwei Welten bewegen und daher ständig aneinander vorbei reden.
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Der Teamleiter hat das Gefühl, nicht gehört bzw. nicht verstanden zu werden. Dinge, auf die er Wert legt, wie Sachlichkeit, eine klare Struktur, Details und Vollständigkeit, werden von Frau Aichner ignoriert. Stattdessen pocht diese auf Einfachheit. Er hat das Gefühl, dass seine Arbeit (und somit auch er selbst) nicht wertgeschätzt wird. Dies rührt auch von der Reaktion der Kollegin auf seine Mail: Etwas „irgendwie hinkriegen“ ist Hausmann zu wenig.
Wichtig
Die Ansprüche des perfektionistisch veranlagten Teamleiters und der sorglosen Marketingmitarbeiterin an das Arbeitsergebnis klaffen ziemlich auseinander. Außerdem braucht Hausmann als Introvertierter etwas Zeit, um Vertrauen aufzubauen und offener zu werden. Sein sprachlicher Ausdruck ist umständlicher und vorsichtiger als die Sprache der gefühlsbetonten Managerin, die das Herz auf der Zunge trägt.
So könnte es besser funktionieren
Herangehensweisen persönlich besprechen
Friedbert Hausmann hätte sicher gut daran getan, nach dem Auftrag der Geschäftsführung in der Marketing-Abteilung anzurufen oder besser: kurz vorbeizuschauen. So hätte er den persönlichen Kontakt zu seiner Ansprechpartnerin geknüpft. Er hätte sich vermutlich viel Mühe gespart und gleichzeitig einen Bonus bei Simone Aichner gesichert.
Diese schätzt es nämlich, wenn man sich persönlich kennt und als Team arbeitet, anstatt anonym Texte hin- und herzuschicken. Bei diesem ersten Kennenlernen hätten dann auch Inhalte und Vorgehensweisen abgestimmt werden können, die für beide Seiten akzeptabel sind. So ist es für Herrn Hausmann wichtig, bestimmte Inhalte und Bilder auch genau so auf der Homepage wiederzufinden, wie er sie vorbereitet hat. Für Frau Aichner ist es dagegen wichtig, dass die Texte nicht überhandnehmen und auch für Nicht-Fachleute verständlich sind. Dass hierfür Änderungen an seinem Vorschlag nötig sind, müsste sie ihrem Kollegen in aller Ruhe erklären. Er sollte nach wie vor das Gefühl behalten, dass er der Fachmann ist.
Sich entgegenkommen und unterstützen
Die Marketingmitarbeiterin könnte Hausmann eine klare Textstruktur – in Anlehnung an andere Internetpräsentationen – vorgeben, so dass er genau weiß, wie viel Inhalt er maximal unterbringen kann. Als nächsten Schritt könnte er dann selbst Kürzungen vornehmen.
Damit andererseits Simone Aichners Kreativitäts- und Freiheitsdrang im Rahmen bleiben, könnte Hausmann die Stellen im Text markieren, die auf keinen Fall gestrichen werden dürfen. Um sicherzustellen, dass sein Projekt rechtzeitig abgeschlossen wird, sollte er mit seiner Kollegin klare Termine vereinbaren, bis wann er von ihr Gegenvorschläge und Korrekturen braucht. Er kann sogar so weit gehen – und damit auch eine seiner Stärken nutzen – und einen MiniProjektplan entwickeln, aus dem ersichtlich ist, wer was bis wann zu liefern hat. Von Simone Aichner könnte er sich dann das Einverständnis für die einzelnen Arbeitspakete einholen, so dass er sie auch gegebenenfalls durch einen freundlichen persönlichen Hinweis daran erinnern kann. Auch wenn Frau Aichner als freiheitsliebender Mensch enge Vorgaben ablehnt, würde es ihr helfen, eine klare Vorgehensstruktur vor Augen zu haben. Und das Wir-Gefühl, das bei einer gemeinsam erarbeiteten Strategie entsteht, würde ihre Arbeitsmotivation erhöhen.
| Auf einen Blick: Wie Sie sich auf Menschen einstellen |
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