Veränderungen vorbereiten, Sicherheit bieten

Nicht jeder betrachtet Veränderung als etwas Positives. Um sicherheitsorientierte Persönlichkeiten an Neues heranzuführen, braucht es bestimmte Vorgehensweisen.

Beispiel: Wettbewerbsfähigkeit versus Stabilität

Bernhard König ist Abteilungsleiter in der Chemiebranche. Er hat 12 Mitarbeiter, darunter eine Assistentin, die schon viele Jahre im Unternehmen ist. Sie heißt Sieglinde Ehrlich und ist eine ältere Dame, die routiniert ihre Aufgaben erfüllt. Sie weiß, dass ihr Chef einen hohen Leistungsanspruch hat, dem sie stets versucht, gerecht zu werden. Dies ist jedoch kaum zu schaffen – und manchmal denkt sie auch „Mach's doch selbst, wenn Du immer alles besser weißt und kannst.“ Es ist Mittwochabend. König ist extrem verärgert und schimpft laut „Was ist denn das wieder? Hören die mir überhaupt zu? … Dann kann ich auch gleich alles selbst machen!“

Was war passiert? Bernhard König hatte Frau Ehrlich am Vormittag die Aktualisierung einer Datenliste für eine wichtige Bereichsbesprechung am Donnerstagmorgen in Auftrag gegeben. Als er die Liste bekommt, stellt er fest, dass Frau Ehrlich noch immer mit der alten Software arbeitet, anstatt die neue, seit kurzem installierte Verwaltungssoftware zu nutzen. Dies ärgert Bernhard König umso mehr, als dass die Kosten dafür nicht unerheblich waren.

Was seinen Mitarbeiter, Heiner Peters, angeht, so hatte Bernhard König ihm per E-Mail mitgeteilt, dass er ihn auf seiner Reise ab Donnerstagnachmittag begleiten und einen Teil der Verhandlungen mit dem Kunden führen müsse. Für dieses Gespräch sollte Peters Unterlagen aufbereiten und ihm bis heute Abend auf den Tisch legen. Bernhard König ist absolut unzufrieden mit dem, was er nun vorfindet: Die Liste von Frau Ehrlich ist nicht nach neuesten Maßstäben erstellt und das Papier von Heiner Peters ist viel zu umfangreich. Gleichzeitig sind die Besonderheiten und Vorteile des Produkts seines Erachtens nicht genug hervorgehoben. Bernhard König denkt „Wenn der so die Verhandlungen führt, dann braucht er erst gar nicht mitfahren.“

Die Persönlichkeiten und ihre Motive

Aus Sicht des zielorientierten Managers

Bernhard König will seine Ziele erreichen und setzt sich dafür jederzeit mit voller Energie ein. Von anderen erwartet er dasselbe, so dass es für ihn nicht nachvollziehbar ist, dass andere nicht genauso schnell und ergebnisorientiert handeln wie er. Außerdem ist es für ihn normal, dass Veränderungen im wirtschaftlichen Wettbewerb zum Überleben dazu gehören. In diesem Zusammenhang zu akzeptieren, dass manche Kollegen da nicht ohne Zögern mitziehen, fällt ihm enorm schwer.

Bernhard König repräsentiert den sachbezogenen, extravertierten Menschen, der wenig Sinn für Small Talk, lange Abstimmungsdebatten oder ein intensives persönliches Miteinander hat. Emotionen haben für ihn am Arbeitsplatz nichts verloren.

Aus Sicht der hilfsbereiten Teamassistentin

Sieglinde Ehrlich war wie immer bemüht, die Statistik korrekt zu aktualisieren, doch mit der neuen Software war ihr das schier unmöglich. Sie hat sich bislang erfolgreich davor drücken können, diese einzusetzen – und sieht auch keinerlei Vorteil darin. Sie ist aber fast noch mehr darüber verärgert, dass ihr Chef sie nicht informiert und eingebunden hat. Eine Einführung in die Software hat bis heute nicht stattgefunden. Und selbst auszuprobieren, was diese leistet, ist nicht ihr Ding. Sie fühlt sich im Stich gelassen. Für sie als introvertierter Beziehungsmensch wäre es wichtig gewesen, dass ihr Chef sich ein wenig Zeit genommen hätte.

Aus Sicht des peniblen Wissenschaftlers

Heiner Peters hat dem Auftrag seines Vorgesetzten volle Konzentration geschenkt und sein Bestes gegeben, um alle Informationen in dem Papier unterzubringen. Allerdings war ihm die Zeit dafür viel zu knapp. Er hasst es, plötzlich einem anderen Projekt den Vorrang geben zu müssen und unter Zeitdruck hohe Qualität abliefern zu müssen. Was ihm als Introvertierten bei diesem Auftrag vor allem im Magen liegt, ist die Information, dass er einen Teil der Verhandlungen übernehmen soll – wo er doch gar nicht weiß, was von ihm erwartet wird, und wo er noch nie in einer solchen Runde dabei war. Peters möchte keine Fehler machen und auf alles gut vorbereitet sein.

Reichlich unpassend findet er die Art und Weise, wie ihm sein Chef dies alles mitteilt. Er kann grundsätzlich gut mit einem unpersönlichen E-Mail-Austausch umgehen, aber dieser knappe Arbeitsauftrag ohne Hintergrundinformation gefällt ihm aufgrund seines Bedürfnisses nach Fakten und Details überhaupt nicht. Sein Chef hätte doch auch persönlich mit ihm sprechen können; dann hätte er nachfragen können, wie es zu dem zeitnahen Termin kam, welche Informationen er aufbereiten solle, auf wen man dort treffen wird usw.

Worin liegt das Konfliktpotenzial?

Bernhard König setzt seine Verhaltens- und Einstellungsmaßstäbe auch bei anderen Menschen an:

  • Er bedenkt nicht, dass andere Persönlichkeiten von völlig anderen Motiven getrieben werden könnten. So sieht er beispielsweise nicht, dass für sehr sicherheitsbewusste, also introvertierte Menschen der Schritt ins Ungewisse Ängste mit sich bringt, während er selbst Neues in der Regel als spannende Herausforderung betrachtet.

  • Sieglinde Ehrlich braucht als introvertierter Beziehungsmensch den persönlichen Kontakt und eine vertrauensvolle Atmosphäre, um Höchstleistungen zu erbringen. Mit Bernhard König hat sie jedoch einen Vorgesetzten, der den Fokus auf die Zielerreichung und dem Funktionieren der Prozesse legt. Ob sich seine Mitarbeiter dabei wohl fühlen oder nicht, ist für ihn nicht entscheidend.

  • Heiner Peters, dem introvertierten Kopfmenschen, gegenüber kann König sachlicher verfahren, allerdings braucht dieser möglichst viele Informationen für die Aufgabe. Dieser mag er sich nur nach intensiver Vorbereitung und klarer Abstimmung widmen. Bernhard König kann nicht davon ausgehen, dass sich sein Mitarbeiter spontan auf die Gegebenheiten einstellt.

Wichtig

Veränderungen sind bei Extravertierten willkommen, rufen bei Introvertierten aber Unbehagen hervor. Eigeninitiative und Neugier können kaum vorausgesetzt werden. Vielmehr braucht es eine Auseinandersetzung mit den Vorbehalten und Ängsten. Dies kostet Zeit und Mühe, was den extravertierten, sachorientierten Menschen extrem fordert.

So könnte es besser funktionieren

Veränderungen vorbereiten und begleiten

Sieglinde Ehrlich ist ein Mensch, der Stabilität schätzt und nicht gleich auf alles Neue aufspringt. Vor allem große Veränderungen, bei denen sie sich an andere Vorgehensweisen oder Menschen gewöhnen muss, machen ihr Angst. Ihr Chef hätte sie behutsam auf die neue Software vorbereiten müssen, indem er sie im Vorfeld über die Notwendigkeit informiert und gemeinsam mit ihr Maßnahmen zur Einarbeitung festgelegt hätte.

Persönliche Beziehung stärken

Bernhard König sollte seine Mitarbeiterin eng führen, wenn es um neue oder schwierige Aufgaben geht. Er darf sie nicht einfach alleine lassen und davon ausgehen, dass sie auf ihn zukommt, um sich Hilfe zu holen, wenn sie nicht weiter weiß. König sollte ihr stattdessen konkrete Unterstützung anbieten. Sieglinde Ehrlich ist es nämlich wichtig, als Mensch gesehen zu werden. Ihr tut es gut, regelmäßig ein kleines Lob von ihm zu erhalten und zu spüren, dass er ihre Arbeit und ihre Loyalität schätzt. Um sich ihrer künftigen Motivation und Treue sicher zu sein, muss er die persönliche Beziehung stärken, so schwer ihm das als ziel- und sachorientiertem Menschen auch fallen mag.

Checkliste: Die Beziehung mit
menschenorientierten Personen stärken
  • Halten Sie persönlichen Kontakt, indem Sie ab und zu nach dem Befinden und Erlebnissen des anderen fragen.
  • Erkundigen Sie sich nach der Familie, den Kindern.
  • Zeigen Sie selbst Offenheit und lassen Sie den anderen etwas von sich erfahren.
  • Übertragen Sie Aufträge persönlich, nicht nur schriftlich.
  • Hören Sie aufmerksam und interessiert zu. Schaffen Sie eine vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre.
  • Zeigen Sie dem anderen, dass Sie sich Informationen über ihn gemerkt haben, wie Vorlieben, Hobbys, geplante Aktivitäten: „Sie wollten doch letzte Woche in dieses neue Kaufhaus … Haben Sie sich etwas Tolles gegönnt?“
  • Spiegeln Sie Stimmungen oder Mimik, wie z. B. „Sie strahlen ja richtig! Was ist passiert?“, oder: „Sie machen heute aber einen niedergeschlagenen Eindruck.“
  • Geben Sie dem anderen Gelegenheit, über seine Gefühle zu sprechen: „Na, setzen Sie sich erst einmal. Wollen Sie mir erzählen, was vorgefallen ist?“

Fachexpertise anerkennen und nutzen

Heiner Peters ist ein sehr fleißiger und intelligenter Mitarbeiter, mit dem Bernhard König grundsätzlich sehr zufrieden ist. Er schätzt ihn wegen seines Fachwissens, aufgrund dessen er ihn auch bei der Verhandlung dabei haben will. Keiner kennt sich auf diesem Gebiet so gut aus wie sein Mitarbeiter Peters. Vermutlich hätte Bernhard König genau dies als Begründung liefern sollen, dass er bei der Verhandlung dabei sein soll. Heiner Peters will als introvertierter Denker nun mal Anerkennung für sein Expertenwissen.

Rahmen setzen, Sicherheit schaffen

König hätte die genaue Vorgehensweise persönlich mit seinem Mitarbeiter besprechen und ihm mitteilen sollen,

  • was er beim Kunden erreichen möchte,

  • auf welche Ansprechpartner sie dort treffen werden und

  • wo seines Erachtens Schwierigkeiten auftreten könnten.

Er sollte außerdem fragen, wie Heiner Peters die Sache einschätzt und welche Risiken sie noch bedenken sollten. Peters hat ein Gespür für Gefahren und kann wichtige Inputs liefern.

In Bezug auf die von Heiner Peters erarbeiteten Unterlagen sollte König aufzeigen, was er in Zukunft von ihm erwartet. Da das Dokument in seinen Augen viel zu umfangreich und kompliziert war, sollte er ihm Hinweise auf die nötige Kürze, Prägnanz und Verständlichkeit geben. Heiner Peters wüsste dadurch künftig, was von ihm erwartet wird, und würde sich sicherer fühlen.