Was heißt, Körpersprache verstehen?

Körpersprache ist ein unterschätzter Teil der Kommunikation. Wer seine Wahrnehmung für die Körpersprache der anderen schärft, wird bald feststellen, dass der Körperausdruck sehr viel über die Innenwelt des andern aussagen kann: Körpersprache lässt das Unsichtbare und Ungesagte, nämlich Gedanken, Motive und Haltungen sichtbar werden.

Den ganzen Menschen sehen

Doch sollten Sie nicht der Verführung eines Zauberlehrlings erliegen, der meint, die Formel für Menschenkenntnis zu besitzen. Machen Sie sich vielmehr bewusst, dass jeder Mensch einzigartig in seinen Bewegungen ist und das Zusammenspiel der physischen und psychischen Ausdrucksformen komplex ist. Beim Verstehen der Körpersprache kann es deshalb nicht darum gehen, von einem einzigen körpersprachlichen Signal auf den ganzen Menschen zu schließen.

Die körpersprachlichen Ausdrucksformen sind komplex, eine Geste oder ein Blick lässt sich nur dann verstehen, wenn man sie zu anderen Signalen, die man beobachtet, in Beziehung setzt: Viele Gesten, unterschiedliche Körperhaltungen und die Dynamik der Bewegungen ergeben ein Ganzes. Deshalb heißt es ja Körpersprache. Wie unsere gesprochene Sprache setzt sich nämlich auch diese im übertragenen Sinn zusammen aus Worten, Sätzen, Pausen und vielem mehr.

Wir möchten Ihnen dies an einem Beispiel veranschaulichen: an den berühmten verschränkten Armen. Wer empfindet es nicht als negativ, wenn ihm sein Gesprächspartner so gegenübersteht? Schauen Sie sich doch einmal folgende Fotos an – wie wirkt der Herr auf Sie?

Bildelement Bildelement

Auf dem linken Bild abweisend und auf dem rechten Bild eher erfreut, fast verschmitzt, auf jeden Fall nicht unsympathisch? Sie sehen, die verschränkten Arme wirken auf uns nur im Zusammenspiel mit Körperhaltung und Mimik – und dann können sie völlig unterschiedlich wirken.

Die individuelle Situation einbeziehen

Genauso komplex wie die Vielfalt des körperlichen Ausdrucks ist das Zusammenspiel von Körper und Situation: Es kommt immer darauf an, wo und wann wir uns begegnen. Ist es früher Morgen oder später Abend? Sind wir bei jemandem zu Gast oder empfangen wir jemanden auf unserem „Territorium“ im Büro? Oder vielleicht findet das Treffen auf einem neutralen Gebiet, etwa beim Geschäftsessen im Restaurant, statt? Kennen wir unser Gegenüber schon länger, können wir uns sogar „gehen lassen“ oder treffen wir uns zum ersten Mal und es handelt sich dabei um eine zukunftsweisende Produktpräsentation oder eine knallharte Verhandlung?

Menschen agieren unterschiedlich, abhängig von den Voraussetzungen, Einflüssen und Zielen der Situation. Deshalb sollten Sie immer versuchen, eine Geste oder eine Körperhaltung Ihres Gegenübers im Zusammenhang mit der jeweiligen Situation zu verstehen.

Beispiel: Mit den Armen schützen

Mitte Dezember. Die Mitglieder der Projektgruppe „Mehr Kundenorientierung“ besprechen die weitere Vorgehensweise. Frau Ammann, die Teamleiterin, sitzt leicht in sich zusammen gesunken und mit verschränkten Armen in der Runde.

Ein Mitarbeitergespräch. Der Vorgesetzte von Frau Ammann bespricht mit ihr das stockende Vorwärtskommen des Projekts. Frau Ammann sitzt ihm mit verschränkten Armen gegenüber und verzieht keine Miene.

Projektpräsentation im Unternehmen. Frau Ammann hat den erfolgreichen Abschluss ihres Projekts vorgestellt. Das über lange Zeit angelegte Projekt ist hervorragend gelaufen, sie erntet viel Lob von Kollegen und Vorgesetzten. Sie lehnt sich zufrieden zurück und verschränkt die Arme.

Drei Situationen, drei unterschiedliche Anlässe, die Arme zu verschränken. Ob sie nun friert, ob sie Kritik abwehrt oder sich freut – Frau Ammann führt die gleiche Geste aus.

Wichtig

Bevor Sie eine einzelne Geste interpretieren, bedenken Sie: Oft erschließt sich ihre Bedeutung nur im Zusammenhang mit anderen Gesten und im Zusammenhang mit der Situation.

Die Perspektive ändern

Körpersprachliche Signale zu verstehen heißt also letztlich, die eigene Perspektive zu ändern. Ein paar körpersprachliche Tricks, die helfen könnten, leichter einen Verkaufsabschluss zu erzielen oder Mitarbeiter besser zu motivieren, stellen keinen so großen Wert dar wie diese Änderung der Sichtweise: Wenn Sie Ihre Wahrnehmung schärfen und sich zugleich stets der Vielfalt der menschlichen Beweggründe und Ausdrucksweisen bewusst sind, werden Sie Menschen wahrnehmen und besser einschätzen können. Natürlich werden Sie dadurch auch für Ihre eigene Körpersprache sensibel und können diese authentisch und überzeugend einsetzen.

Der Kreislauf der Körpersprache

Um Menschen und Situationen besser zu verstehen, ist es hilfreich, Körpersprache wahrzunehmen und deuten zu können. Dann kann man darauf reagieren, die Situation gegebenenfalls ändern und die veränderte Situation wiederum wahrnehmen. Somit schließt sich der Kreislauf von Aktion und Reaktion:

  1. Wahrnehmen der Körpersignale

  2. Verstehen der gesendeten Signale

  3. Reagieren auf die Signale

  4. Wahrnehmen der veränderten Situation

Das Wissen über diesen Kreislauf gibt uns die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden und sich nicht der Macht der Körpersprache auszuliefern.

Abbildung

Das heißt: Wir können aktiv und nicht – wie bisher – unbewusst die Signale der anderen wahrnehmen. Wir vergleichen sie mit dem vagen Gefühl, das wir oft schon längst seit Beginn der Begegnung hatten. Wir gleichen sie mit anderen körpersprachlichen Signalen ab und mit den Informationen über die jeweilige Situation. Das ermöglicht uns, Körpersprache zu verstehen. Dank der wertvollen Informationen, die der Körperausdruck des Gesprächspartners auf diese Weise liefert, können Sie entsprechend reagieren – indem Sie nachfragen oder Ihre eigene Körpersprache oder das, was Sie sagen, korrigieren – und beispielsweise eine verfahrene Situation verändern. Wie Sie das machen können, erfahren Sie im Kapitel „Wie Sie Körpersprache gezielt einsetzen“.

Natürlich ermöglicht Ihnen das Verständnis der körpersprachlichen Signale und ihrer Wirkung auch, Ihre eigene Körpersprache bewusster einzusetzen und damit die Wirkung Ihrer Worte und Ihrer Person auf andere zu verstärken oder sogar zu verändern, sei es in Vorstellungsgesprächen, bei Vorträgen oder in wichtigen Besprechungen.