ACHT

Ihr war, als hätte man die Sterne an langen Fäden aufgehängt, die nun vom Nachthimmel auf das Land herabhingen. Fast, so dachte sie, konnte sie nach den leuchtenden Punkten greifen. Wie hell die Sterne doch hier auf dem Land strahlen, dachte sie sehnsüchtig und blickte zum Nachthimmel über Treia hinauf. Es war eine laue Nacht, und sie hatten reichlich getrunken. Es war ihr völlig egal, ob sie am Morgen imstande sein würde, zur Schule zu fahren. In diesen Tagen herrschte Ausnahmezustand für Levke Kühn, und das Leben der jungen Frau fuhr Achterbahn. Ihr Hass auf Holger Heiners hatte sich in Luft aufgelöst und war dem Gefühl, dass man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen hatte, gewichen. Gleichzeitig plagten sie Gewissensbisse und Panikattacken.

Der Alkohol hatte sie wehmütig werden lassen. In ihr war eine unendliche Leere entstanden, und sie fragte sich, wie viel Schuld sie an dieser Leere selbst zu tragen hatte. Es war ihr Traum gewesen, an der Seite von Holger Heiners alt zu werden. Sie war fest entschlossen gewesen, die Ehefrau aus dem Leben des Immobilienkaufmanns zu verdrängen. Viele Opfer hatte sie dafür auf sich genommen, und dennoch hatte ihr ehrgeiziger Einsatz nicht genügt. Mit einem kalten Lächeln auf den Lippen hatte er ihr gesagt, dass er sich niemals von Gabriele trennen würde, komme, was wolle.

Levke hatte sich gefühlt, als hätte er ihr ins Gesicht geschlagen. Sie hatte sich gefragt, ob sie wirklich alles Mögliche unternommen hatte, um sein Herz endgültig zu gewinnen. Es war zu einem heftigen Streit am Dockkoog gekommen. Sie waren durch das Watt gewandert und hatten über ihre Zukunft geredet. Dabei hatte sich herauskristallisiert, dass Holger eine ganz andere Vorstellung von seinem Leben hatte als Levke. Sie hatte ihn angeschrien und wild beschimpft, während er bemüht gewesen war, nicht das Aufsehen der anderen Wattwanderer zu erregen. Immerhin war er eine bekannte Persönlichkeit gewesen, und da wäre ein Streit mit seiner Geliebten so ziemlich das Letzte gewesen, was er gebrauchen konnte.

Sie hatte die Demütigung über sich ergehen lassen und einen Entschluss mit ganz besonderer Tragweite gefasst. Nun war Holger Heiners tot. Die Karten waren neu gemischt. Und dennoch spürte sie diese unendliche Leere tief in ihrem Herzen. Sie fühlte sich einsam. Im Stich gelassen.

„So ruhig?“ Torben trat hinter sie und hauchte ihr wie selbstverständlich einen Kuss in den Nacken, der sie erschaudern ließ. Er hatte eine Flasche Rotwein aufgezogen und war mit zwei Gläsern zurück auf die kleine Terrasse auf der Rückseite des windschiefen Reethauses gekommen, wo sie nachdenklich in den Sternenhimmel über Nordfriesland geblickt hatte. Er duftete gut, und sie sog den Duft seines Aftershaves tief ein. Als sie eine Hand hob und durch sein glatt rasiertes Gesicht strich, lachte er leise.

„Das hättest du schon viel früher haben können.“

Sie seufzte. „Wer sagt denn, dass ich das wollte?“

Er reichte ihr das Glas, murmelte leise „zum Wohl“ und nippte von dem Wein.

Sie benetzte ihre Lippen und trank einen Schluck. Heute Nacht war ihr alles egal. Levke hatte nur einen Wunsch: Sie wollte alles vergessen, was passiert war.

„Eigentlich dürfte ich gar nicht hier sein“, flüsterte sie schließlich und drehte sich zu ihm um. „Ich müsste in meiner Wohnung sein und mir die Augen aus dem Kopf heulen. Immerhin ist mein Traumprinz tot.“ Sie lachte auf, doch es klang verbittert. „Jedenfalls ist der Mann tot, den ich eine Zeit lang für meinen Traumprinzen gehalten habe.“

„Warum bist du dann bei mir?“ Torben Schäfer betrachtete sie nachdenklich. „Wo du mich doch verdächtigst, ihn umgebracht zu haben?“ Er hatte sich umgezogen, nachdem er sich den buschigen Bart abrasiert hatte. Jetzt trug er ein dunkelgrünes T-Shirt mit dem Logo eines Baseballclubs in Virginia. So sah er um Jahre jünger aus, und, darüber war sich Levke im Klaren, er sah besser aus, viel besser.

„Vielleicht, um dich besser kennenzulernen?“

Er schmunzelte. „Weil du Angst vor mir hast?“ Torben stellte das leere Weinglas auf dem Fenstersims ab.

„Möglich.“ Sie blickte ihm tief in die Augen und sah zum ersten Mal, dass sie strahlend blau wie das Meer an einem Sommertag waren. Sekundenlang standen sie einfach so auf der Terrasse seines Hauses und blickten sich an. Als er sich zu ihr herabbeugte und ihren Mund mit einem vorsichtigen Kuss verschloss, ließ sie es geschehen. Womöglich lag es an der Wirkung des Alkohols, der sie ihrer Sinne beraubte, doch sie hatte keine Lust, sich ihm noch länger zu verschließen. Sie hoffte, dass er die Einsamkeit, die sie umfangen hatte, aus ihrem Herzen vertrieb. Der Gedanke, allein einschlafen zu müssen, war schrecklich. Und so wehrte sie sich auch nicht, als seine Hände über ihre Schultern glitten. Hatte sie bei ihm immer geglaubt, es mit einem grobschlächtigen Kerl, der kein Gefühl für Frauen hatte, zu tun zu haben, so bewies er sich nun als zärtlicher Liebhaber. Er zog sie sanft, aber bestimmt in seine Arme, sie schmiegte sich an seinen breiten Oberkörper und wunderte sich über die harten Muskeln. Dass er Bodybuilding trieb, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Es musste daran liegen, dass Torben ein Naturbursche war. Vermutlich hielt er sich in seiner Freizeit oft draußen auf und war es gewohnt, tatkräftig mit anzupacken. Immerhin hatte er sich schon vor Jahren beim Naturschutz eingebracht.

Seine wilde Art erregte Levke auf eine eigenartige Weise, und es störte sie nicht, dass Torben mindestens fünfzehn Jahre älter war als sie. Holger Heiners war fast doppelt so alt gewesen wie sie. Und auch hier hatte sie das Alter ihres Liebhabers nur als eine Zahl wahrgenommen, nicht als Lebensgefühl.

Als sie sich küssten, legte er eine Hand in ihren Nacken und spielte mit ihrem Haar. Die andere Hand schickte er auf Wanderschaft und brachte sie damit innerhalb weniger Augenblicke um den Verstand. Lag das am Alkohol, oder verstand es Torben Schäfer, eine Frau in seinen Armen schwach werden zu lassen?

Levke wusste es nicht, und es interessierte sie in dieser Nacht auch gar nicht. Sie gab sich ihm hin, ruderte nicht gegen den Strom, sondern ließ sich mitreißen von seiner Leidenschaft. Es lag für sie auf der Hand, dass für ihn ein lang gehegter Traum in Erfüllung ging. Und es stand bereits fest, dass sie heute Nacht mit ihm schlafen würde.

Vergessen war der Tod von Holger Heiners und die Suche nach den Gründen und den Ursachen. Als er sie wenig später ins Haus zog, leistete sie keine Gegenwehr. Schon im Flur streifte er ihr das dünne Sommerkleid über den Kopf, stand einfach da und betrachtete sie wie ein Weihnachtsgeschenk. Als hätte sie es geahnt, bevor sie zu ihm gefahren war, hatte sie sich für das neue Wäscheset entschieden, das ihre weiblichen Formen vorteilhaft betonte. Ihre Brüste waren üppig, der Bauch flach und durchtrainiert. Der Schnitt ihres knappen Slips ließ ihre Beine länger erscheinen, als sie tatsächlich waren, und so wie er sie betrachtete, war sie die pure Verführung für Torben.

Und Levke fühlte sich nicht nackt. Er betrachtete sie verliebt, während sie einfach in ihrer Unterwäsche dastand und ihm ihr verführerischstes Lächeln schenkte. Sie trat noch einmal hinaus auf die Veranda, nahm die beiden Weingläser mit und bedeutete ihm mit einer Geste, dass er die Flasche nehmen sollte. Dann ließ sie sich von ihm in das obere Stockwerk des kleinen Hauses führen. Hier lag sein Schlafzimmer. Die Dielen knarrten leise, und er ließ das Licht aus. Durch das Fenster fiel der Mondschein in den Raum und tauchte ihre Haut in einen geheimnisvollen Schimmer. Es dauerte nicht lange, und sie fielen unter einem nicht enden wollenden Kuss in die weichen Laken, die wundervoll dufteten. Er hatte sich längst seiner Kleidung entledigt, und als ihre Körper miteinander verschmolzen, vergaß Wiebke die Schrecken des Tages. Vielleicht war alles gut gelaufen.

Die Luft im Schlafzimmer war stickig, und Madeleine Oelke fand in dieser Nacht keinen Schlaf. Nachdem sie sich eine Zeit lang im Bett herumgewälzt hatte, ohne eine bequeme Position zu finden, erhob sie sich und stand auf. Ihr Mann schlief den Schlaf der Gerechten – ihm schien die Hitze im Zimmer nichts auszumachen. Madeleine Oelke verspürte Durst und verließ das Schlafzimmer. Den Weg zur Küche fand sie im Halbdunkel des Hauses. Im Kühlschrank zog sie eine offene Milchpackung hervor und trank gleich aus der Packung. Sie genoss die frische Milch und atmete tief durch. Obwohl sie müde war, fand sie in dieser Nacht einfach keinen Schlaf. Es ärgerte sie, denn morgen musste sie fit sein. Im Job gab sie alles, denn sie arbeitete mit Leidenschaft an der Schule in Husum. Die Vorstellung, dass sie morgen unausgeschlafen und schlecht gelaunt zum Dienst ging, gefiel ihr nicht. Madeleine Oelke wischte sich den Milchbart auf ihrer Oberlippe mit dem Handrücken ab und stellte die Packung zurück in den Kühlschrank. Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, benötigten ihre Augen einen kurzen Augenblick, um sich an die in der Küche herrschende Dunkelheit zu gewöhnen. Nachdenklich trat sie ans Küchenfenster und blickte hinaus in die sternklare Nacht. Die halbhohen Gardinen am Fenster hatte sie mit viel Liebe selbst genäht. Überhaupt trug dieses Haus ihre ganz persönliche Note – sie liebte es, ein Nest für die Familie zu bauen.

Im Haus auf der anderen Straßenseite brannte noch Licht. Dort wohnte Torben Schäfer, der seltsame Biolehrer. Eigentlich war er ein netter Kerl, doch für Madeleine Oelkes Geschmack war er mitunter ein wenig weltfremd, wenn es um den Umweltschutz ging. Er war nicht einfach nur Biologielehrer – er lebte seinen Beruf voller Leidenschaft und er liebte es, den Kindern von seiner Arbeit als Naturschützer zu berichten. Trotz seines sehr ökologischen Kleidungsstils und seiner manchmal seltsamen Ansichten war er beliebt bei den Schülern an der Hermann-Tast-Schule.

Normalerweise ging Torben Schäfer früh zu Bett, wie er sagte, um Strom zu sparen. Umso mehr wunderte sich Madeleine Oelke, dass zu dieser späten Stunde noch Licht in Schäfers Haus brannte. Sie wandte sich um und blickte auf die Küchenuhr an der Wand, die leise vor sich hin tickte. Es war längst nach Mitternacht.

Ein Motorengeräusch riss sie aus den Überlegungen. Drüben rollte das Auto von Torben Schäfer die Einfahrt zur Straße entlang. Es war ein seltsames Fahrzeug, wie Madeleine Oelke fand: Ein hochbeiniger und geländegängiger VW Golf mit breiten Reifen und Unterfahrschutz. Man hatte den Golf vor rund zwanzig Jahren in limitierter Auflage als Geländewagen gebaut. Längst waren diese Fahrzeuge selten und meist nur noch in der Hand von Liebhabern anzutreffen. Schäfer liebte seinen Golf Country, und er sah es nicht ein, viel Geld in ein neues Auto zu investieren. Mit dröhnendem Motor rollte der Golf Country jetzt auf die Straße. Sie konnte vom Küchenfenster aus nicht erkennen, ob Schäfer allein hinter dem Steuer saß oder ob er sich in Begleitung befand. Normalerweise war Torben Schäfer auch ein besonnener Autofahrer, der hohe Drehzahlen mied. Er wollte die Umwelt nicht mehr als nötig belasten, wenn er schon mit dem Auto unterwegs war. Doch in dieser Nacht war alles anders: Mit rasender Geschwindigkeit fuhr Schäfer durch das Dorf in Richtung Ortsausgang.

Seltsam, dachte Madeleine Oelke, er hatte die Festbeleuchtung in seinem Haus brennen lassen.

Ob dort etwas passiert war?

Obwohl sie sich Gedanken machte, war sie eine zurückhaltende Frau und zog es vor, ihn am nächsten Tag darauf anzusprechen. Madeleine Oelke wandte sich vom Fenster ab und verließ die Küche. Im Schlafzimmer wurde sie vom leisen Schnarchen ihres Mannes empfangen. Lächelnd legte sie sich zu ihm ins Bett und schmiegte sich an ihn. Er quittierte die Nähe seiner Frau im Unterbewusstsein mit einem zustimmenden Brummen. Im nächsten Augenblick war auch Madeleine Oelke eingeschlafen.

Oldenswort, 21.55 Uhr

Sie blickte erschrocken auf, als ein Schlüssel in die Wohnungstür gesteckt wurde. Beke Frahm war auf dem Sofa eingeschlafen. Ein anstrengender Tag lag hinter ihr, und noch immer hatte sie die Erlebnisse vom Morgen nicht verkraftet. Ihr Vorgesetzter, Ralf Finner, hatte sie für die nächsten Tage beurlaubt. Ihm war an der Gesundheit seiner Mitarbeiter sehr gelegen, und das angenehme Arbeitsklima im Multimar war ihm äußerst wichtig. So war es für ihn mehr als selbstverständlich, ihr nach dem tragischen Ereignis ein wenig Zeit zum Vergessen einzuräumen.

Das Buch, in dem sie gelesen hatte, bis ihr die Augen zugefallen waren, lag auf ihrer Brust. Der Fernseher lief mit geringer Lautstärke und hatte sie berieselt. Bekes Herz pochte ihr bis zum Hals, als die Tür von außen geöffnet wurde. Im Flur wurde das Licht eingeschaltet. Ein breiter Lichtbalken fiel auf die Dielen im Wohnzimmer. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sie heute noch besuchte. Dann erinnerte sie sich daran, dass er ihr am Morgen noch gesagt hatte, dass es später werden konnte. Rasch warf sie die Wolldecke, in die sie sich eingekuschelt hatte, zur Seite und stand auf. Polternd landete das Buch auf dem Fußboden.

Im gleichen Moment stand er im Zimmer.

Sein Gesicht glich einer Maske. Starr und unverwandt blickte er sie an. Er stand kurz vor dem Platzen, das sah sie ihm an, doch sie schwieg. Peer trug einen grauen Sommeranzug, das Hemd stand offen, und sie roch an seinem Atem, dass er getrunken hatte. Seine Miene wirkte verschlossen, und seine Kieferknochen mahlten. Breitbeinig stand er da und funkelte Beke an.

„Was hast du den Bullen erzählt?“, fragte er mit drohendem Unterton in der Stimme.

Beke schlug die Arme um ihn, doch er schüttelte sie ab und trat einen Schritt zurück.

„Wovon sprichst du?“, fragte sie verängstigt.

„Das weißt du genau. Wie war das mit Heiners?“

„Ich habe ihn im Becken gefunden, aber das weißt du doch, Peer.“

„Davon spreche ich nicht. Sie waren heute in meinem Büro und wollten mich ausquetschen. Warum hast du ihnen von uns erzählt?“

„Sie haben mich gefragt, und ich habe wahrheitsgemäß geantwortet. Die Polizei sucht nach einem Mörder, Peer. Ich wollte nicht unter Verdacht geraten, verstehst du das nicht?“

Er ging nicht auf ihre Frage ein. „Und an mich hast du nicht gedacht? Ich hänge in der Sache drin, sobald der Verdacht auch nur ansatzweise auf dich fällt!“

„Das tut mir leid“, erwiderte Beke kleinlaut. Peer machte ihr Angst, so rasend vor Wut hatte sie ihn noch nie erlebt. „Ich wollte das nicht.“

„Dafür ist es jetzt zu spät. Ich kann im Augenblick keine Bullen gebrauchen, Beke.“ Er ließ sich auf die Sessellehne sinken und verschränkte die Arme vor der Brust. „Für mich kann das der geschäftliche Durchbruch sein, und wenn es mir gelingt, pünktlich zu liefern, dann habe ich es nicht mehr nötig, in der Werft der alten Leute zu arbeiten. Ich werde ein Pionier der Offshore-Technik sein, und ich werde dafür sorgen, dass die Windenergie bei uns in Husum bleibt und nicht nach Hamburg abwandert. Man wird mich feiern, wenn mir dieses Geschäft gelingt. Ärger mit der Polizei kann das alles gefährden – willst du das?“

Beke schüttelte den Kopf. Sie wanderte ruhelos durch die spärlich beleuchtete Stube und rang mit den feingliedrigen Händen. Ihr Herz raste, und sie zitterte am ganzen Leib.

„Ich wollte unsere Zukunft nicht gefährden.“

„Das hättest du dir vielleicht früher überlegen sollen“, grollte Peer Hansen. „Bevor du mich gebeten hast, dich mitten in der Nacht nach Tönning zu fahren. Ich weiß nicht, was die nächtliche Aktion sollte, aber nach dem, was geschehen ist, kann ich es mir fast denken.“

„Peer – ich hatte etwas im Multimar vergessen, mehr nicht. Oder soll das heißen, du hältst mich für eine Mörderin?“ Sie blickte ihn fassungslos an.

Er zuckte die Schultern. „Mörderin … Lügnerin … Was macht das für einen Unterschied?“

Beke konnte nicht fassen, was Peer Hansen ihr vorwarf. Lag das am Alkohol, oder reagierte er so übertrieben, weil er sich von der Polizei in die Enge getrieben fühlte? Wut und Enttäuschung breiteten sich in ihr aus.

„Ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt gehst“, sagte sie leise, während sie gegen die Tränen ankämpfte.

„Das ist alles, was du zu sagen hast?“ Er erhob sich von der Sessellehne.

Sie schwieg.

„Gut“, er nickte. „Dann werde ich verschwinden.“ Peer Hansen warf ihr den Hausschlüssel vor die Füße. „Es ist aus mit uns, Beke. Ich kann nicht damit leben, dass du Geheimnisse vor mir hast.“

„Spinnst du?“, gellte ihre Stimme durch die Wohnung. „Holger Heiners ist tot. Der Mann, der dein ärgster Feind war, lebt nicht mehr. Er ist im Multimar ertrunken, ich habe seine Leiche im Wasser liegen sehen. Ich habe gesehen, wie die Fische ihn angeknabbert haben. Er wird dir nicht mehr zur Last fallen, Peer, hast du das jemals bedacht?“

„Es ist zu spät für uns, Beke.“ Er sprach ruhig und vermied es, zu viel Gefühl in seine Worte zu legen. „So kann es nicht weitergehen und ich werde die Konsequenz ziehen. Wahrscheinlich ist der Altersunterschied einfach doch zu groß.“ Ohne sich ein letztes Mal zu ihr umzublicken, verließ er die Wohnung. Erst als er die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte, brach Beke Frahm weinend auf dem Fußboden ihrer kleinen Wohnung zusammen.