2003

 

April 2003, Paris

 

Und was die Forelle anbelangt, so handelt es sich natürlich um Odile, die Geliebte, die mir immer entwischt ist, nie zu halten war, nicht zu bergen, nur in totem Zustand zu besitzen. Und was das Fell betrifft, so entspricht dieses Bild meinem Verlangen, sie einzuhüllen, zu beschützen, zu wärmen und zu pflegen – zu domestizieren? War das der Fehler? Kann man eine Forelle heiraten?

5. Juni 2003, Paris

 

Erste Anzeichen physischer Erleichterung nach dem langen gesundheitlichen Knockout. Auch die ischiasähnlichen Beschwerden beim Gehen nehmen sichtlich ab dank der physiotherapeutischen Behandlung. Es ist ein Aufwachen. Vermutlich hatte mir die Scheidung »auf den Magen geschlagen«. Wie ja auch Valérie letzten Sonntag bei einem Überraschungsbesuch zusammen mit Leonid meinte. »Diese Utopie, Leben und Buch engzuführen, ist ein Autorentraum: Nizon bleibt in der Literatur, wohingegen heute viele autofiktionale Autoren sie verlassen, um sich der reinen Performance hinzugeben.« Und: »Den Versuch, tatsächlich der Autor Paul Nizon zu werden, mußte der zivile Paul Nizon mit seiner Person bezahlen: gar nicht leicht, der eigenen Vorstellung zu genügen …« So in einem großen NZZ-Beitrag über Autofiktion in Frankreich mit Titel »Die Fallen der Vorstellungskraft« von Ivan Farron (Universität Zürich). Das Interessante in dem Aufsatz, der mich in einen Zusammenhang mit Doubrovsky, Roland Barthes, Robbe-Grillet, Lacan, Derrida … stellt, ist meine selbstverständliche Integration in einen rein französischen Literatur-Diskurs. Ich bin effektiv in die französische Literatur eingegangen und insofern eine leuchtende Ausnahme. Das ist immerhin gelungen und müßte von Suhrkamp entsprechend zur Kenntnis genommen werden.

7. Juni 2003, Paris

 

Vorgestern in der Sorbonne, in der von Sorg organisierten Soirée über das Bild der Schweiz in Frankreich und umgekehrt mit Jean Ziegler, Michel Contat, Todt, Jürg Altwegg, Vertretern der Zeitungen Le Monde und Le Temps, die ihre Statements abgaben und diskutierten, und dies vor vollem Saal, einem wundervollen, ehrwürdigen Sorbonne-Saal, hätte ich im Gegenzug von Tourniers »Liebeserklärung an die Schweiz«, einem für den Anlaß verfaßten kleinen Text, der auflag und von den Zeitungen reproduziert wurde, etwas über mein Frankreichbild beisteuern sollen, was ich schließlich sein ließ, es fiel mir nichts ein, weil ich es lebe …

Und jetzt will ich schnell versuchen, darauf zurückzukommen: Was macht die nach wie vor anhaltende Zustimmung zu dieser Wahlheimat aus? Denn eine solche ist es, ich merke es, wenn ich weg bin, sowohl in Deutschland oder in der Schweiz vortragsreisenderweise weg und unterwegs bin, ich vermisse dann Frankreich sogleich, suche in den Radios und Fernsehapparaten der Hotelzimmer gleich nach französischen Sendern, suche Anschluß an die französische Sprache, an das Franzosengerede, ihren legeren Konversations- und Diskussionston, an deren Sport- und politisches Geschehen, an deren Tagesquatsch, deren Vorlieben, Lebensstil, Bordell, früher nannte ich es das KONKRETE in der Lebensauffassung und Lebensweise, die Absenz von falschem Tiefsinn, das Optieren für ein möglichst fröhlich zufriedenstellendes Leben, die anderen irdischen Freuden und Vorlieben, also wohl Werte. An die herrlichen Märkte, an die Omnipräsenz der erotischen Elektrizität in den Anspielungen noch in den ausgefallensten Fällen, an die Wertschätzung der philosophischen Entwürfe, an die wirklich ins Populäre vordringenden Segnungen der Bücher und Künste, ich glaube, der Schlüssel oder die Quintessenz von alldem darf Kultur genannt werden, das Diesseits ist schön, weil es nicht nur materiell begriffen, sondern kulturell besonnt und getragen ist. Das Kulturelle durchwächst das Alltägliche durch die Freuden des Essens und Liebens und Lebenverstehens hindurch. Und zu alldem gehört die Allgegenwart der Schönheit, ich komme gleich darauf zurück, der Schlüssel heißt Freiheit, Kultur als Produzentin von Freiheit, individueller Freiheit, Menschlichkeit fern von Verblasenheit und Theorie. Hier ist das Leben lebenswert für einen wie mich, weil um so viel facettenreicher, anstachelnder und freudeabstrahlender als anderswo, und der politische Diskurs dreht sich ja auch immer um die Verteidigung, Verbesserung der individuellen Qualität, das heißt Freiheit, das heißt Genuß, um das Diesseits. Und dennoch ist dieses Diesseits ja mehr als nur sichtbar getragen und durchwachsen von der französischen Geschichte; auch diese, als ein Gegenwärtiges, ist immer da im Gespräch, in der Luft, in den Parolen und Vermächtnissen der französischen Denker und Dichter, sie reden mit. Und das macht, daß man hierzulande knietief, wenn nicht bis zum Halse in »französischen Zuständen« geht und unterwegs ist, einem Kontinuum, einem Roman. Der französische Lebensentwurf hüllt dich ein bis zum Halse, er liegt auf der Straße, er ist verkörpert in der unnachahmlichen Architekturgestalt, diesem Schönsten, Hellsten, das sowohl die monarchische, die aristokratische Allüre und Lebenskunst, etwas Hochfliegendes, Reines, Endgültiges als Maßstäblichkeit, Geistigkeit? abstrahlt wie das von den Volkserhebungen erstrittene Lebenspflaster, eine entsprechende Inbesitznahme von Lebensraum und Lebensvielfalt, und hier tauchst du auf Schritt und Tritt ein in die von Literatur und Film und Chanson etc. gestiftete, weil vorinterpretierte, vorexerzierte Dimension des Traums, Lebenstraums, Gedächtnisses, diese Verlebendigung, die einen ansteckt mit Lebenslust und Unternehmungsmut – Trunkenheit, Trost. Für mich kommt zu dieser Lebensfülle das Refugiumanbietende hinzu. Nirgends ist für mich die Einladung zur Emigrantenexistenz schöner. Ich sage für mich und meine den Künstler oder das versprengte Glied der sogenannten Intelligentsia, und zwar im Unterschied zu den Zuwanderern aus Hungerländern oder repressiven Systemen, versteht sich, die in den Vorstadtgürteln unter zum Teil haarsträubenden Bedingungen zusammengepfercht bis ghettoisiert werden, hochexplosiven Zonen.

26. Juni 2003, Paris

 

Neulich nachts bin ich aufgewacht mit einem Glückstraum vor Augen; ich hatte mich seiner mehrfach vergewissert in wiederholten Versuchen, ihn mir (auswendig) aufzusagen, ich wollte ihn nicht nur nicht vergessen, sondern schreiben, veröffentlichen, darum ging es nämlich im Traume, und nun hatte ich ihn gepackt und wollte ihn nicht verlieren, und der Umstand, ihn an der Angel zu haben und infolgedessen hinschreiben zu können, gehörte zum Glücklichsein, im Traume; dies natürlich unabhängig davon, daß der Zugang (zum Schönsten?), den der Traum vermittelte, einfach atemberaubend war. Hier ein Analogon zum einstigen Glückstraum mit dem Einlaß ins Allerschönste in Rom – mit dem ich Das Jahr der Liebe beginne, obwohl jene Passage das Schönste natürlich keineswegs zu fassen vermag.

In diesem jüngsten Traume ging es um eine Autobahn, obwohl von Autobahn im herkömmlichen Sinne nicht die Rede sein konnte, ich befand mich ja eher in einer gigantischen Eisenkonstruktion nicht nur von Brückenverstrebungen, sondern von Hochbauten, wahren Wolkenkratzerkonstruktionen, wenn auch das Bild der Käfige, die die Konstruktion freilegte, sehr wohl zu einer Hochbahn gehören mochte. Nun, hinzu kommt, daß mein Standort einen Kreuzungspunkt in dem ganzen System von Konstruktionen bezeichnete, eine Verzweigung, ja, ich war an einer Kreuzung, hoch in den Lüften, und unter und neben mir gingen auf vielen Ebenen die tumultuösen Straßen weiter. Es mochte sich um eine gigantische mehrstöckige Hochbahn handeln, und alle Ebenen und alle Geschosse vibrierten von Verkehr und vor allem von Geschehen, von Lebensintensität, und das Ganze spielte in Lüften, Höhenlüften einer Riesenstadt, war von Lärm und Lauten und Luft und Gerüchen und Himmel gesättigt, es hätte Los Angeles sein können, jedenfalls Amerika, und ich war nun an diesem Kreuzpunkt der himmelschreienden, labyrinthischen Hochbahnkonstruktion, die gleichzeitig ein Gebilde wie von tausend Kranen war, Aussicht spendend, wenn auch dröhnend von Geschehen und vor allem Verheißung, und im Traume wußte ich nicht nur, wo ich war und was mich an atemberaubender Lebensverdichtung umgab und blendete, sondern ich wußte, wie die ganze verrückte himmelschreiende Konstruktion dieser surrealen Autobahn de facto verlief und als Konstruktion funktionierte, und dieses Wissen um meinen (imaginären, wenn auch im Traume faktischen) Standort löste einesteils das Glück aus. Ich war also mittendrin im Unfaßlichen und wußte ganz genau um meinen Schnittpunkt, also war ich im Herzen nicht nur dieser verrückten Lebensverdichtung, sondern ich war die Mitte, der Strahl, das Innesein, und alle Verheißung rundum war somit erreichbar, ich der Innepunkt, ich der Inhaber, ich der Gesättigte, ich im Erreichbaren. Alles war mir zugefallen, und jetzt konnte ich es schreiben, ich wußte auch, für wen ich es schreiben würde, für welchen Abnehmer, Adressaten, welches Organ. Und schreibend würde ich mich nicht nur meiner Aufgabe unterziehen können, sondern doppelt und dreifach in den Genuß der Welten- und Lebensflut in der Verdichtung gelangen. Es war das doppelte Glück: das der himmlischsten Genüsse von Welt- und Teilhaben und das des unbezweifelbaren Gelingens. Und dann wachte ich auf mitten in der Nacht, überwältigt, und konnte nurmehr fern und schwach ein Nachzittern des Erlebten empfinden, das mit gigantischer Stadt und Ozeanen zu tun hatte.

27. Juni 2003, Paris

 

Der frühe Blick

 

Neulich sah ich vor mir den beflaumten Arm eines sommerlich bekleideten Mädchens, eines halbwüchsigen aus meiner Schulzeit? Und der Arm lehnte auf der hölzernen Veranda eines Ferienhauses, und ich konnte das Selbstvergessene in der Haltung – fern von Lockung – und gleichzeitig das Erregende für den damaligen (halbwüchsigen) Voyeur nachempfinden und mithin die Schwelle zwischen Selbstvergessenheit und Anziehung, ein Emporkräuseln von unschuldiger Erotik, denn das bißchen Nacktheit damals war ja die strikteste Natürlichkeit und dennoch potentielle Verführung. Und so gehörte das Mädchen noch ganz seinem Mädchenleben, Kameradinnendasein, Elternhaus, also einem normalen Behütetsein (noch sehr weit vom Sündenfall) an, und gleichwohl bahnte sich in der Erregung des Hinschauenden schon die Liebe an, eine Vorwegnahme der Liebe, und damit das Überlaufen aus der Kindheit in die Nöte und die fürchterliche Freiheit des Erwachsenwerdens. Diese Schwelle in einem Blick empfunden, diese Schwelle zwischen flaumiger Pubertät und drohender Ausstoßung aus dem Garten der Kindheit.

9. Juli 2003, Paris

 

Traum

 

Ich stand – neben Odile? – an einem Fenster mit Blick aufs Meer und Klippen, Kreidefelsen (könnte von Fécamp inspiriert sein) und sah einen großen vollbesetzten Wagen die Felsenklippe herunterfahren und dies in einem Neigungswinkel, der nur Unheil versprechen konnte; und entsprechend gebannt und entsetzt sah ich der mörderischen Fahrt zu. Es gab natürlich kein Anhalten, Ausweichen, Abzweigen, es endete unausweichlich in der Katastrophe: Der große Wagen stürzte mit seinen Insassen kopfüber ins Meer. Wir blieben erstarrt am Fenster, zufällige Zeugen eines schrecklichen Unfalls. Nur daß da unten auf dem Meeresgrund – das Wasser war glasklar wie Trinkwasser – die Passagiere unbehelligt, soviel wir sahen, ausstiegen, als sei nichts geschehen und dahinzuschlendern begannen, müßige Spaziergänger, die sich im Schlendern unterhielten. Und nun gewahrten wir, am Fenster mit einem Blick aufs Meer und die Felsen, daß der Meeresgrund von Spaziergängern, Müßiggängern wimmelte; da unten war ein Treiben wie auf einem Bild von Brueghel, nur eben unter Wasser, die Leute ergingen sich fröhlich plaudernd in Gruppen, aber wohin? Es war die verkehrte Welt, etwas wenn auch nur von ferne Vergleichbares hatte ich zu Anfang der sechziger Jahre in Zürich erlebt, als der See zugefroren war und nicht nur von Spaziergängern, sondern auch von Vehikeln bevölkert. Eine Psychoanalytikerin meinte, Wasser bezeichne im Traume immer das Unterbewußte, in diesem Falle wäre es glasklar. War es nicht eher ein Jenseitstraum, dachte ich.

Ich dachte es auch darum, weil ich kurz zuvor, wenn auch nicht in der selbigen Nacht vom Einschläfern geträumt hatte, besser: von Eingeschläfertwerden, dem definitiven. Ich befand mich in einer Art Vorraum oder Wartesaal an einem Tisch mit mir unbekannten Leute, darunter ein, zwei Personen, die wie Pfleger aussahen, allerdings schienen sie nicht im Dienst. Worauf warteten diese Menschen, wartete ich? Warum war ich überhaupt da? Ich scheine einigermaßen unbeteiligt, bin es aber nicht mehr, nachdem ich mir, mehr aus Nachlässigkeit als aus irgendwelchen plausiblen oder medizinischen Gründen, eine Spritze in den Unterarm hatte verpassen lassen (so wie es bei der Darmspiegelung in der Klinik geschehen war, als Narkose), aber jetzt ging es nicht um Narkose, was hatte man mir gespritzt? Beruhigen Sie sich, gleich wird die Wirkung eintreten. Welche Wirkung? Und nun wird mir bewußt, daß es sich um Einschläferung, Tötung handelt, daß ich ins Jenseits befördert zu werden im Begriff stehe, und ich brülle, man soll mir ein Gegengift verpassen, etwas, das die tödliche Wirkung aufhebt, ich will ja nicht sterben. Keine Reaktion seitens der Anwesenden, noch spüre ich nichts, aber die Angst ist da, Todesangst. Rundum steinerne Mienen. Beim Aufwachen fällt mir das Wort Euthanasie ein. Tiefe Verstörung.

Ich hatte eine Menge Angst aus Gründen der momentanen prekären Finanzlage, die Bank hatte angerufen, das Kreditlimit sei entschieden überschritten, die Produktion stagnierte seit geraumer Zeit, mit der Einkommenspanik und den anstehenden Rechnungen stieg das Gespenst der Erfolglosigkeit empor, einer allgemeinen Ohnmacht, und all das vor dem Hintergrund der vielfältigen gesundheitlichen Probleme, der andauernden Konsultationen bei Ärzten und diese ganze Unsicherheit und Verunsicherung mischte sich mit dem Gefühl des Verlassenseins, ich war ja jetzt ohne Familie, ohne Hilfestellung, ohne Anhang mutterseelenallein in der Wohnung wie auf einer Endstation, von allen verraten und abgeschrieben. Ja, nicht nur verlassen, sondern verraten. Da war niemand, an den ich mich im Falle einer Notlage, etwa einer Attacke, wenden könnte. Vor diesem Hintergrund ist der Traum mit der Spritze im Kreise von versteinten Unbeteiligten wohl zu verstehen. Werde ich umgebracht, oder will ich mich ums Leben bringen oder aus dem Leben befördern? Das ist die Frage

 

Und einige Tage zuvor hatte ich mich, in viel jüngeren Jahren, in Zürich, in einem luxuriösen, weil mehr als nur komfortablen Wohnbereich von Bekannten im Traume einigermaßen snobistisch bewegt, offenbar hatte ich freien Zugang zu diesen Privaträumen, die über einem von mir gelegentlich besuchten Restaurant lagen und dessen Besitzer gehörten. Der Besitzer war anwesend und schaute mir amüsiert zu, wie ich mich ziemlich geckenhaft aufführte und in ausgeklügelten ironischen Redewendungen, monologisierenden Ansprachen erging, die meinen Wegzug und definitiven Abschied zum Gegenstand hatten, ich glaube, es handelte sich um eine letzte Aufwartung vor meinem Auszug aus Zürich. Auch zwei überaus schöne, leicht bekleidete hosteßhafte Mädchen hörten und sahen mir zu, auch ihnen galt mein provozierender Auftritt, ich entdeckte echtes Bedauern in ihren Mienen, offenbar schienen sie mir nicht nur nicht unbekannt, sondern eher nahezustehen, sie mochten, ja liebten mich, wenn sie es auch nicht zum Ausdruck bringen wollten oder durften vor den Augen des Wohnungs- und Restaurantbesitzers. Während ich in akrobatisch gestelzten Redewendungen von vielsagender Kühnheit vor mich hin dozierte, sehr zum Vergnügen des Hausherrn, wußte und fühlte ich, wie es gewesen war, wenn ich bei früheren Gelegenheiten eben hier die eine oder andere an mich gekuschelt in Armen gehalten und wie sie in der freizügigsten Zärtlichkeit auf meine Freiheiten reagiert hatten, ja ihnen bedeutete ich etwas, sie liebten mich, und mein geschraubtes Abschiedsgetue schmerzte sie, wenn sie es auch nicht zu zeigen wagten, wir waren nicht nur vertraut, wir waren intime Gespielen gewesen, des öfteren, und sie hatten mir ihre Gunst gewährt, weil ich eine Ausnahmefigur und darum für sie mehr als nur liebenswert, nämlich willkommen gewesen war, sie hatten mich in ihr Herz geschlossen. Und nun würde ich alle und sie verlassen. Ja, hinter dem dandyhaften Auftritt steckte blutiger Ernst. Ich wollte endlich dieses tändlerische Halbleben und Scheinleben hinter mir lassen, ich wollte ernst machen und aufbrechen, das fühlten sie, und es tat ihnen weh. Ich war in diesen Kreisen lange ein Bevorrechteter gewesen und hatte mir allerlei herausnehmen dürfen, auch bei den Mädchen, aufgrund der in mir schlummernden Anlagen eines Ausnahmemenschen, das hatten sie gewußt und darum hatten sie mich auf ihre Weise geliebt. Und nun ging ich.

28. Juli 2003, Paris

 

Gestern sehr spät nachts noch einen Dokumentarfilm über Cassavetes gesehen mit Gena Rowlands, Seymour Cassel, Peter Falk, Ben Gazzara u.a. nebst Ausschnitten aus verschiedenen Filmen. Da war zum einen die tiefe Zuneigung aller zu diesem charismatischen »Bandleader« hätte ich beinahe gesagt, weil sie alle zusammen offenbar so etwas wie eine Bande, Freundesbande waren, Familie? etwas von Brüderlichkeit atmeten alle Bezeugungen und dann daß ein jeder sich von Cassavetes geprägt fühlte. Alle sagten sie, sie hätten viel gelacht, in einem ansteckenden Überschwang ohne Seitenblick auf materiellen Erfolg nicht nur gearbeitet, sondern am gleichen Strick gezogen, im Vergleich zu hollywoodischen Usancen irgendwie unprofessionell, dies auch in dem Sinne, daß die einzelnen Sequenzen scheinbar improvisiert gespielt und gedreht worden seien, wenn auch in verschiedenen Varianten. Cassavetes scheint seine Leute zwar motiviert und, wenn ich richtig verstanden habe, bezirzt, aufgemöbelt, konditioniert zu haben, aber nicht richtig eingeweiht, nicht in ein Drehbuchkorsett gesperrt, sondern losgelassen zu haben, bis sie ihr Äußerstes sozusagen blindwütig hergaben. Und hernach hat er das Beste zusammengeschnitten. Dabei habe er sehr wohl ein ausgearbeitetes Drehbruch besessen. Er kitzelte ihre heftigsten Emotionen hervor, sie hatten den Eindruck, sich selber überlassen zu sein, kurzum, alles wirkte wie nicht einstudiert, und für alle war es eine Selbstentdeckung beim Spielen, dies im Gegensatz zu einer Rolle, einer einstudierten und komponierten Rolle.

Eigentlich war jeder einzelne selber Filmer in diesem Team, es schien keine Rangordnung gegeben zu haben, sie kassierten ja auch nichts oder so gut wie nichts an Honoraren. Aber da war dieses Zusammengehörigkeitsgefühl, diese Euphorie, und alles war auch Spaß und geteilte Freude, geteiltes Leid, geteiltes Risiko. Aber das Herz des Unternehmens war C., es waren sein Pulsschlag, seine Verrücktheit, die das Ganze animierten. Und dieser C. – das bemerkten alle – war überschäumende Lebensliebe und Menschenliebe. Und übrigens drehe sich das ganze Werk um die Liebe, auch um die Schwierigkeiten der Liebe, die Hindernisse, die Qual, bisweilen die Unmöglichkeit – Opening Night, A Woman Under the Influence, Minnie and Moskowitz, Faces, Shadows

Es ist ja auch diese überbordende Vitalität, die unglaubliche Entblößung der emotionalen Vorgänge manchmal bis zum Grade der Unerträglichkeit, was dermaßen unter die Haut geht und mitreißt. Im Glauben (und Ringen) um die Möglichkeiten der Liebe, der Freundschaft steckt Cassavetes’ Vision oder Utopie oder Engagement und – Humanität. Es gibt keine menschlichere Filmkunst als die seine, sie kommt mit einem Minimum an Fabel aus, sie quillt aus einer unvergleichlichen Reinheit, sie ist komisch und herzzerreißend. Und künstlerisch war sie ein unerhörter Vorstoß in Neuland. Es fiel die Bemerkung, Filme wie Raging Bull und dergleichen seien ohne C. nicht denkbar. Cassavetes schien sozusagen ohne Schlaf ausgekommen zu sein, die totale Selbstverausgabung, Selbstverbrennung? Und hättet der Liebe nicht.

 

Ich mühe mich, jeden Tag ein wenig zu werkeln, nachts oft Verzweiflung, Einsamkeitsanfälle, Gefühl des Verratenseins – un homme trahi.

11. August 2003, Paris

 

Nach Lektüre des schönen Romans Hitze von Ralf Rothmann, in dem vor allem die überaus zarte Liebesgeschichte, auch erotischermaßen, ergreift, muß ich mir eingestehen, daß hier ein Könner von einer ihm unverkennbar zugehörigen Stoffwelt erzählt, von jugendlichen, eher proletarischen Randgängern, nicht gerade Ausschußware der Gesellschaft, doch Geschädigten, Angeschlagenen, Instabilen der Großstadt (Berlin) – nun, ich kann nicht sagen, daß mich diese Typen besonders interessieren, doch erwecken sie Mitgefühl, sie sind ja auch vom Autor eher brüderlich behandelt in ihrem Jargon, Slang, den er brillant, fast schon zu sehr vorzeigt, vielleicht tut er das, um eine dahinter verborgene Unschuld auszuschweigen. Er hat jedenfalls seinen Stoff, seine Domäne, sein Milieu, und er kann daraus noch und noch Bücher zapfen, er veröffentlicht regelmäßig und fortgesetzt. Er ist nicht nur ein Erzähler, er ist ein Chronist, doch ist er kein Stilist, er erzählt in eher herkömmlicher Manier. Was die Bücher liebenswert macht, ist die Anteilnahme, eine Art Nächstenliebe – hier sein Humanismus oder seine Humanität.

Ich könnte mir mit meinen paar Büchern angesichts dieser Produktion schon fast steril vorkommen, ich bin kein Epiker und erst recht kein Chronist, ich bin ein Verschweiger, in der Intention ein Essenzdichter, das macht meine Vorgehensweise so vertrackt und zeitlich kostspielig. Verschweiger oder Aussparer oder Tiefengründler, bis ich auf die kleine Goldader in meinem Stoff stoße, die, wenn ich Glück habe, zur Leuchtspur wird. Ein Ausgeber, Verschwender, manischer Schreiber bin ich in den Journalen, die den Seitenflügel meines Werkes ausmachen und wie ein gigantischer Kommentar zum eher schmalen Gefilterten verstanden werden können. Hier ein aus allen Nähten platzender Reichtum, die Überfülle (im Grobstofflichen, im Gemenge).

Und warum hätte ich mich mit meinen paar gefilterten Prosabüchern, einem Werk, das nur von den Mühen und Nöten, aber auch den wenigen Lichtblicken, Trunkenheiten, Verzauberungen, Verheißungen (letzteres vor allem) eines in einem unausgesetzten Kampf (mit dem Engel) befaßten ICHS und insofern von einer poetischen Existenz handelt – warum hätte ich mich mit diesem umfangmäßig Bescheidenen in die Literatur eingeschrieben? Weil das Werk eine unvergleichliche Duft- und Lichtspur atmet, ein Zeugnis menschlichen Ringens um Existenzauslotung in noch unausgeleuchteten Bereichen, Innovation? Es ist ja nicht nur das Dichterleben oder, wie meine Bezweifler es auszudrücken belieben, ein Dichterdarstellerleben – es ist die Spur eines verzweifelten Glücksforschers, eines merkwürdigen Überlebenden, Davongekommenen. Das Glücksjagen ist ein Sprachsuchen. Weil in der Sprache eine vorübergehende Eigentlichkeit oder Gemeintheit und damit Zugehörigkeit erstritten wird.

16. Oktober 2003, Paris

 

Gestern zusammen mit Colette vor den versammelten Vertretern im Verlag Pauvert unser vierhändiges Projekt über Maria und Rom angekündigt oder besser gesagt verteidigt, es war meinerseits das reine Flunkern, wenn nicht Betrug, da ja von dem Buch so gut wie nichts vorliegt, das heißt, es gibt allerlei durchgeschriebene Passagen von Colette, nur daß mein Part auf leeren Seiten durch Abwesenheit glänzt, wenn ich auch einiges an Allgemeinheiten zum Projekt aufgeschrieben habe und auf Passagen in meinen Dossiers gestoßen bin, die ich montageweise einsetzen könnte, sobald sie von Deshusses übersetzt sind. Daran bin ich im Moment, und wenn ein Rohbau vorliegt, kann man den Tonfall erkennen und die Struktur und überarbeiten; danach ergänzen und ausfeilen. Fast wage ich zu hoffen, daß wir etwas hinkriegen werden, und falls dem so sein sollte, hätten wir quasi mogelnderweise oder blind dennoch einen Text gewissermaßen aus der Luft gegriffen. Das gestrige Vortragen in der Vertretersitzung war eine Art Examen oder amüsierte mich in diesem Sinne, so daß wir hinterher im Café Flore zusammen mit anderen Pauvert-Autoren und Maren im Mittelpunkt ganz vergnügt süffelten, so als wäre alles auf besten Wegen, wenn nicht gelungen.

Und heute ist endlich das Rohbaumanus des neuen Journals eingetroffen und außerdem Adieu à l’Europe, letzteres ist sehr schön geworden. Ich mache alles in allem so etwas wie Bücher-Simulieren (statt -Schreiben), immerhin besser, als vor mich hinbrüten. Die Sommerlähmung scheint vorbei. Zwischendurch ruft immer wieder die leicht verwirrte Elisabums an, Hansens Witwe, und schwadroniert von Dingen, die nicht ganz von unserer realen Welt sind, und ich antworte aufs munterste.

 

Ich bin wie eine wacklige alte Maschine, und mein Hauptgeschäft scheint mir neuerdings die Verarztung. Man denkt ja anders ans Sterben oder an den Ernstfall als früher, in meinem Alter, und der Umgang mit gesundheitlicher Schädigung wird zum erstrangigen Zeitvertreib. Bloß daß ich außerdem allerlei an Lesungen und Außendienst absolviert habe, Festival in Hall, Nähe Innsbruck (wo ich mit Gstrein und Gmünder zusammenkam), danach Lesung in Wien in Begleitung von Igor (Besuch beim schwerkranken Heini Reimann in dessen feudaler Botschafterresidenz) und zwei Radiointerviews. Danach in Paris ein Interview bei Radio France über Europa.

All das ist Zeitvertreib und auch Geldbeschaffung (zumal letzteres), während die Scheidungsprozedur fortschreitet (was leider auch Geld kostet), und bald fangen die Umbauarbeiten an: Die Duplexwohnung wird wieder in zwei Stockwerkwohnungen überführt, und Odiles untere Etage kriegt Küche, teilweise neues Parkett und eine von der meinen abgetrennte Heizung; Kosten noch und noch. Und zu Ende der kommenden Woche bin ich zu zwei öffentlichen Diskussionen im Dürrenmatt-Center in Neuchâtel angesagt, Veranstaltungen über Sexualität zusammen mit Robbe-Grillet, Catherine Millet u.a. einerseits und über Dürrenmatts Havelrede zusammen mit Loetscher etc. andererseits. Andere Veranstaltungen stehen für Dezember bevor. Ärzte und Außendienst sind mein Alltag, ein merkwürdiges Leben.

Igor in seinem Internat. Odile wieder nähergerückt, sie scheint die untere Wohnung, sobald abgetrennt und ihr scheidungsgerichtlich zugesprochen, wieder bewohnen zu wollen. Zur Zeit wenig Spannung zwischen Scheidenden, kein Haß meinerseits.

 

Montag fahre ich zur Kremation und Bestattung von Robert Müller in die Vorstadt, er war ein guter Freund, ein schon fast lebenslanger, er war Trauzeuge meiner letzten Heirat, 1980, er war mir in jüngster Zeit wieder nähergerückt, und als plötzlich die Nachricht kam, er liege schwer krebskrank und mit Metastasen im Krankenhaus, war es wie der buchstäbliche Schlag aus heiterem Himmel, ich wußte, jetzt stirbt er, und er wußte es auch, er hatte die letzte Fahrkarte erhalten.

Er scheint nach Rückschaffung in sein Domizil kaum mehr groß reagiert zu haben, es hieß, er dämmere, ich denke, er machte sich innerlich reisefertig, in seinem Fall kein Todeskampf wie bei meiner Großmutter oder wie Dürrenmatt es von Varlin sagte, den er den zornigsten Sterbenden nannte, jedenfalls sprach Miriam weder von Leiden noch von Aufbegehren, nur von Entfernung, er habe nicht mehr groß reagiert, aber selten einmal gelächelt. Er war ja schon sehr lange immer ein wenig anderswo und mokierte sich über die Fleißigen, Drauflosschaffenden unter den älteren Künstlern, er hatte schon seit einiger Zeit etwas von einem verschmitzten Weisen oder Zenmeister, auch hatte er sein Haus bestellt, wie es heißt.

Er schien schon des längeren auf einem Rückzug, jedenfalls weg von den Geschäften, und ich war immer der Jüngere, ich meine der sinnlos immer noch Geschäftige, mit allem möglichen immer noch im Unreinen, also fast eine komische Figur, jedenfalls kam ich mir so vor, wenn ich bei ihm war und mitsamt Miriam am langen Tisch, den ich den Refektoriumstisch nannte, zum Essen und Plaudern zusammensaß. Wir hatten uns glücklicherweise nicht aus den Augen verloren. Ich wußte, daß er starb, und ich glaube, ich habe im Moment seines Weggangs gedacht, jetzt stirbt er.

Und jetzt ist er nicht mehr, nurmehr in Erinnerung einiger Nahestehender und in Museen und in Lexika.

Alles geht seinen Gang, sagt der Erzähler in der Forelle, ja, auch das Sterben gehört in diese Rubrik. Vor kurzem ist Hans Schweingruber erloschen. Nach der telefonischen Vermeldung seitens Miriams soll Robert kommenden Montag früh am Morgen in Gonesse eingeäschert und nach einer quasi trostlos und ohne Zeremonien stattfindenden Fahrt seine Asche auf einem anderen Friedhof, dem letzten Bestimmungsort, beigesetzt werden. Anschließend fahren die Söhne gleich in die Schweiz zurück, wenn ich alles richtig verstanden habe. Keine Gedenkstunde, keine Totenfeier, nichts.

24. Oktober 2003, Paris

 

Ist mir unterwegs im Bus eingefallen, daß MARIA, die Immaculata, nicht mein Engel, nicht mein Fatum, nicht einfach LA PASSANTE, sondern meine Muse war. Die mich nicht nur in Rom einließ und unterwies, sondern die mir Rom erleuchtete mit ihrer letztlichen Unerreichbarkeit, die mich mit dem Wünschen ansteckte, erfüllte und keine Erlösung gewährte. Maria war nicht zu haben für mich, weil sie mir leuchten sollte, hätte ich sie gehabt, wäre das Leuchten erloschen. Und was der Kummer oder Schmerz oder was die Lehre war: die Vorausnahme, daß ich zu sagen und nicht zu haben geschaffen oder vorgesehen war und daß dieses Amt Einsamkeit bedeuten würde.

17. Dezember 2003, Paris

 

Gestern Scheidung, Odile ernennt den Tag und das Ereignis zum zweitglücklichsten ihres Lebens, am glücklichsten die Heirat März 1980, wie sie meint, nun die wiedergefundene Würde, und die Bahn für eine neue Beziehung zwischen uns sei frei. Anwalt Jean-Michel Dessaix in seiner schwarzen Robe sorgte für den reibungslosen Verlauf vor der Richterin und für Spaß beim anschließenden Champagnertrinken im Restaurant gegenüber dem Palais de Justice. Danach Fondue in meiner Wohnung zusammen mit Jean-Baptiste und Colette.

»Rencontre avec Paul Nizon« in Aix zusammen mit Martina Wachendorff – Gespräch und Lesung aus Adieu à l’Europe – und danach nächtlicherweise Fahrt nach Arles und dort das Wochenende sozusagen im Kreise der Lieben (Actes-Sud-Leute) samt Konzert in der Kapelle und Mitternachtsmahl bei Françoise Nyssen und Jean-Paul Capitani in einem noch nicht ganz eingerichteten, etwa zwanzig Zimmer umfassenden, halb antiken, halb Fellinischen Palazzo. Und ich wie auch schon in der Suite des noblen, altehrwürdigen Hotel Amphithéâtre Nähe Arènes. Die antike Steintrümmerschwere und die kleinen Provence-Häuser von van Goghs Gnaden und die meerwärts ziehende Rhône und der südliche Markt und die Luft des Südens, in der immer ein wenig Rauch von verbrennendem Gesträuch in Gärten mitzieht, die Südluft betörend.

31. Dezember 2003, Paris

 

Zurück aus Turin und von den Weihnachtsfesten bei Valérie in Baden (zusammen mit Igor), zurück aus Italien und der Schweiz.

Jetzt müssen noch die paar Träume notiert werden. Der schlimmste ging so:

Die Umstände weiß ich nicht mehr, nur so viel, daß auf einer Art Henkerskarren, ich sage Henker und Karren, weil es sich um ein altmodisches Fuhrwerk handelte und weil auf der Ladefläche dieses Schinderhanneskarrens ein abgezehrtes gottergeben hinfälliges altersgraues richtig sieches Tier auf wackligen Beinen stand, weiß nicht mehr ob Hund oder Pferd, das Fell teilweise kahl oder besser abgefressen, abgeschabt und schwärenbesetzt, es war klar, daß die Fahrt zum Abdecker führte, ins Schlachthaus. Das Schrecklichste jedoch war das Kälbchen, das hinter dem greisen Tier stand und sein Maul in den kotig-blutigen After steckte, sowohl wärme- wie nahrungsuchend, Nähe, Halt und Schutz und Zugehörigkeit suchend. Die Vorstellung des flaumigen Mauls in dem kotigen Hintern, das unerträglich Rührende, auch der Vergeblichkeit wegen Rührende des unschuldigen Annabelungsversuchs – es war schrecklich. Ich konnte nicht hinsehen und wollte es nicht wahrhaben, im Traume, es ging über meine Kräfte. Valérie meinte nach Anhörung des Traums, das todgeweihte Tier sei die gestorbene Ehe, und das Kälbchen trotz allem tröstlich, weil lebenversprechend. Sagte es in erstaunlicher Reife, wie mir Valérie überhaupt nicht nur klug und wissend, sondern in jeder Hinsicht reif erschien; und außerdem von einer überragenden Teilnahmsfähigkeit, Liebesfähigkeit. Weihnachten verlief ohne Trübung sowohl in dem schönen Haus zusammen mit den Kids Igor und Xenia und Leonids ebenso diskreter wie mutwilliger Anpassungsfähigkeit, wie auch während des Besuchs der riesigen Ausstellung von Trudi Demut und Otto Müller in den Hallen des Zürcher Güterbahnhofs. Nie habe ich das Werk der beiden verstorbenen Freunde so sieghaft schön erlebt. Caroline Kesser und Ralph Baenziger haben sich um den Nachlaß gekümmert, nein, sie haben ihn gerettet, indem sie ihn in eine Stiftung umgewandelt haben. Sie empfingen uns – wie in alten Trudotti-Zeiten – zu Wein und Brot und Käse, deliziös.

Anderntags gings nach Italien: Gotthard, Bellinzona, Locarno und dem Langensee entlang in das Piemont. Drei Tage Turin bei Kälte und Sonne und Schnee.

 

Wieder zurück, träumte mir davon, daß bei Actes Sud einer von meinen Rivalen, weiß nicht mehr, um wen es sich handelte, überschwenglich gefeiert wurde, das heißt, sein Eintreten in den Verlag wurde mit allen Ehren gefeiert. Ich stand dabei und dachte, klar, sie haben einen Sieger, einen, der sich verkauft, einen Schlagerhelden erworben, für sie ist es ein Verlagssieg, der Hit ein Sieg, dachte ich, gut so. Und wandte mich ab.