Einige Tage später besuchte ihn Frau Althoff am frühen Abend. Draußen dämmerte es schon, und während sie Saftflaschen und Obst aus ihrer Tasche holte und auf den Tisch stapelte, erzählte sie von der termingerechten Fertigstellung des Magazins.

»Peter und Nadine sind völlig fertig, aber sehr zufrieden. Sie haben die letzten beiden Nächte vor der Abgabe fast durchgearbeitet, und ich habe sie jetzt bis zum Montag beurlaubt. Wir werden aber an einer Einstellung weiterer Mitarbeiter nicht vorbeikommen, wenn wir das Niveau halten wollen. Noch einmal geht so eine Kraftanstrengung nicht.«

Mattes nickte und bestätigte: »Das habe ich mir auch schon überlegt. Hoffentlich kriegen wir das beim Verlag durch.«

Sollte er der Althoff erzählen, was Steinle-Bergerhausen plante? Lieber noch nicht. Wenn er wieder in der Redaktion war, würde er zuerst einmal selber nachhören, was Sache war. Bis dahin sollte Frau Althoff ruhig davon ausgehen, dass alles seinen Gang lief und keine Gefahren drohend am Horizont standen. Auch wenn sie dachte, dass sie alles im Griff hatte, lagen die wichtigen Chefsachen doch immer noch in seiner Hand.

Frau Althoff öffnete das Fenster weit und ließ angenehm kühle Abendluft ins Zimmer. Draußen im Park sang eine Amsel. Sie drehte sich um: »Herr Plattler hat eine neue Stelle angeboten bekommen, als Chef-Grafiker bei einem Musikmagazin.«

Mattes holte tief Luft. »Schade«, sagte er langsam. »Aber das war wohl zu erwarten, nach dem Stress, den er bei uns hatte, und mit der neuen Freundin, die ihn endlich gesellschaftsfähig gestylt hat.«

»Woher wissen Sie das mit seiner Freundin?«, fragte Frau Althoff verblüfft.

Mattes lächelte müde. »Ein Chef weiß alles. Ich kenne sie, und ich hoffe, dass er mit ihr glücklich wird. Sie ist bestimmt anstrengend.«

»Sie ist nett«, sagte Frau Althoff. »Sie war jeden Abend in der Redaktion und hat ihm beim Auswählen der Fotos geholfen und die Layoutbögen für die Druckerei fertig gemacht.«

Mattes lachte leise auf: »Das hätte ich von Carolin gar nicht erwartet.«

»Carolin?«, fragte Frau Althoff und schüttelte den Kopf. »Sie heißt Sabine.«

Jetzt war Mattes überrascht: »Sabine? So eine große Schmale mit dunklen Haaren, etwa Mitte 20, oben dick geschminkt, unten High Heels?«

Sie lachte: »Nein, Sabine ist Ende 30, und sie ist Lehrerin. Für Kunst und Englisch, glaube ich.«

Mattes schüttelte verwundert den Kopf und guckte dann ernst: »Ich weiß nicht, wie wir Peter ersetzen sollen.«

Frau Althoff lächelte und beruhigte: »Er geht nicht. Er hat die wundervolle Stelle abgesagt, um weiter bei ›doggies live‹ zu arbeiten. Ich glaube, Sie sind zum richtigen Zeitpunkt krank geworden, sonst hätte er vermutlich den anderen Weg gewählt.«

Mattes freute sich, aber ihm kam gleichzeitig der Gedanke, dass Peter die falsche Entscheidung getroffen haben könnte, wenn die Redaktion jetzt nach Hamburg umziehen musste und alles neu strukturiert würde. Er konnte nicht warten, er musste Klartext reden.

»Frau Althoff, ich habe Sie falsch informiert«, begann er leise. »Steinle-Bergerhausen lässt uns nicht einfach weitermachen, er ist dabei, alles nach Hamburg zu verlagern.«

»Er WAR dabei«, korrigierte sie ihn freundlich.

Mattes schüttelte den Kopf: »Sie verstehen nicht. Kurz bevor ich ins Krankenhaus kam, hatte er angerufen und …«

Frau Althoff guckte ihn lächelnd an, und er brach verwirrt ab. Warum registrierte sie nicht, was er sagte? Es ging um die Zukunft der Redaktion, die mehr als wackelig aussah.

Sanft und langsam, als wäre er noch von den Nachwirkungen der Gehirnerschütterung betroffen und bräuchte etwas länger, um zu verstehen, sagte sie: »Sie haben nicht ernsthaft geglaubt, Sie könnten mich reinlegen?«

Sie zog ihr Handy aus der Handtasche, wählte eine Nummer und meldete sich: »Hier ist Althoff. Ich bin gerade bei ihm, er liegt noch im Bett, sieht aber wieder ziemlich gut aus … Ja, das stimmt … Er würde Sie sehr gerne sprechen, Herr Dr. Steinle-Bergerhausen … Moment, ich gebe weiter.«

Mattes winkte heftig ab. Was sollte das? War sie vollkommen verrückt geworden? Er wollte nicht mit diesem Idioten sprechen! Frau Althoff drückte ihm das Telefon in die Hand. Zögernd nahm Mattes es ans Ohr und meldete sich: »Reuter hier.«

Das Gerät blieb stumm.

»Hallo?« fragte Mattes.

Stattdessen sprach Frau Althoff: »Mit toten Telefonleitungen reden kann jeder. Ihr Märchen von Dr. Steinle-Bergerhausen, der alles schön findet und uns machen lässt, habe ich keinen Augenblick lang geglaubt. Dafür bin ich schon zu lange im Geschäft. Aber machen Sie sich keine Sorgen, es ist alles geregelt.«

»Alles geregelt?«, fragte Mattes matt und ließ das Handy sinken. Draußen sang immer noch die Amsel, und Mattes lauschte den Tönen, die durch den Park klangen. Er wusste nicht, was Agentin Althoff da geregelt hatte, aber es stand fest, dass sie den Fall übernommen und die Probleme gelöst hatte. Vielleicht schwamm Steinle-Bergerhausen schon in einem Piranha-Becken, vielleicht hatte die Althoff ihn ohne Fallschirm aus dem Flugzeug springen lassen, egal. Wie zynisch ich in diesem Geschäft geworden bin, dachte Mattes, aber ihm war klar, dass er sich gerade in einer Ausnahmesituation befand.

Leichtherzig und sicher, dass ihn nichts mehr aus der Fassung bringen konnte, fragte er: »Würden Sie mir verraten, was Sie gemacht haben?«

Frau Althoff erklärte: »Ich habe mit Herrn Weber von der Verlagsleitung telefoniert und ihn davon unterrichtet, dass Mattes Reuter, der Chefredakteur von ›doggies live‹, die Redaktion nach einem Telefonat mit Dr. Steinle-Bergerhausen verlassen hätte und bis jetzt nicht wiedergekehrt sei.«

»Ich bin ins Krankenhaus gekommen und das nicht ganz freiwillig«, murmelte Mattes.

»Das weiß Herr Weber ja nicht«, sagte Frau Althoff geduldig, ehe sie fort fuhr: »Vertraulich habe ich ihm angedeutet, dass Sie ein sehr gutes Angebot von einem Konkurrenzverlag vorliegen hätten, und ich befürchten würde, dass Sie sich dort schon den Arbeitsbereich ansehen und unverzüglich wechseln würden, zumal das Gehalt wesentlich höher wäre. Herr Weber war hoch besorgt, was sich steigerte, als ich erwähnte, dass Dr. Steinle-Bergerhausen leider einige Entscheidungen getroffen hätte, die ein Weiterführen des Magazins in der aktuellen Form ganz klar verhindern würde. Die gesamte Belegschaft hätte inzwischen beschlossen, im Falle des Falles zusammen mit ihrem Chefredakteur zur Konkurrenz zu wechseln.«

»Ihr wärt alle gegangen?«, fragte Mattes erstaunt.

»Unsinn!«, sagte Frau Althoff. »Die anderen wussten doch gar nichts davon. In solchen Momenten muss man bluffen.«

Sorgfältig schloss sie die Fenster und drehte sich zu ihm um. Um ihre Lippen spielte ein Lächeln. »Es wird Sie freuen zu hören, dass Steinle-Bergerhausen versetzt wurde und nichts mehr mit der ›doggies live‹-Redaktion zu tun hat. An seiner Stelle wird das jetzt Herr Weber machen, der Ihnen volle Handlungsfreiheit garantiert. Er bittet nur darum, einmal im Monat über Ihre Entscheidungen informiert zu werden, um im Notfall eingreifen zu können.«

Mattes sah sie anerkennend an und dachte: Sie ist mir immer einen Schritt voraus. Was würde ich nur ohne sie machen?

»Wo ist eigentlich Mucki?«, fiel es ihm plötzlich auf.

Sie lächelte: »Den betreut gerade Tina, und sie macht das sehr gut. In diesem Fall haben wir übrigens tatsächlich eine anstehende Personaländerung.«

»Sie geben Mucki ab?«, fragte Mattes erstaunt.

»Nein, natürlich nicht!« Ihr Tonfall war so empört, als hätte er ihr vorgeschlagen, im Bikini über die Hauptstraße zu laufen. »Aber Tina hat eine Umschulungsmaßnahme bewilligt bekommen, die sie im städtischen Archiv absolvieren darf. Sie beginnt dort nächsten Monat.«

Mattes lachte: »Sortieren von A bis Z und nach Straßennamen.«

»Das kann sie«, bestätigte Frau Althoff und griff nach ihrer Tasche. »Sie hat mir übrigens etwas für Sie mitgegeben.« Vorsichtig zog sie ein großes, mit Geschenkpapier umwickeltes Päckchen heraus und reichte es ihm. Mattes wog es abschätzend in der Hand und rief entsetzt aus: »Ich ahne, was es ist. Ein Buch über Piercings zum Selbermachen.« Er schüttelte sich leicht, entfernte neugierig das Papier und hielt einen Ordner in der Hand. Beim Öffnen strahlten ihm knallbunte Fensterbilder entgegen, die sorgfältig einzeln in Klarsichthüllen abgeheftet waren. Langhaarige Collies, die auf Hügeln standen, während im Hintergrund die Sonne unterging, liegende Pudel, die eine Schleife um den Hals trugen, und Weidenkörbe voller Welpen, um die bunte Blumen drapiert waren.

Frau Althoff blieb erstaunlicherweise vollkommen ernst. »Sie wünscht Ihnen viel Glück für das nächste Heft und hofft, Sie freuen sich über die Bildchen.«

»Ich wünsch ihr auch Glück, und ich freu mich voll«, sagte Mattes leise, lachte ein bisschen und fühlte sich unerwartet gerührt.

Frau Althoff stand auf: »Muss ich Ihnen noch mal Saft und Obst bringen, oder werden Sie bald wieder freigelassen?«, erkundigte sie sich interessiert.

»In der nächsten Woche bin ich wieder da«, sagte Mattes. »Ich werde ganz langsam mit der Arbeit anfangen, und wir werden sehen, wie es klappt.«

»Schön«, sagte Frau Althoff zufrieden und ging zur Tür.

»Danke!«, rief Mattes ihr halblaut hinterher.

Sie drehte sich um: »Wir freuen uns alle, wenn der Chef wieder da ist.«

An einem Freitagnachmittag wurde er entlassen. Astrid hing knapp über der 65-Kilo-Grenze und joggte zweimal am Tag, Mina buddelte ein Loch im Vorgarten, und der Taxifahrer hatte ihm vom »Cocktail Spanier« seiner Mutter erzählt – es hatte sich nichts geändert. Und doch war so vieles anders geworden.

»Ich weiß, was dein Problem ist«, hatte Alex gesagt, mit dem er am Abend lange zusammengesessen hatte. »Du hast deine Finder-Mentalität gegen die des Suchers getauscht. Das passt nicht zu dir.«

»Ich bin doch kein Sucher!«, fuhr Mattes empfindlich getroffen hoch. »Ich gucke nur, was rumliegt, und hebe es auf. Sucher suchen. Die haben keine Ruhe und hetzen verbissen herum.«

Alex grinste: »Und was hast du in den letzten Monaten gemacht?«

»Pfff!«, machte Mattes und verschränkte die Arme vor der Brust. »Auf jeden Fall nicht gesucht! Ich habe vielleicht manchmal etwas schneller finden müssen, um Termine zu halten, aber das passiert ja nur, wenn die Chance nicht da ist, der Drucktermin aber vor der Tür steht. Egal, wie es für dich aussieht, ich bin immer noch ein Finder. Ein aktiver Finder eben.«

Alex lachte und sagte nichts.

Mattes sprang auf und lief umher: »Gut, dann habe ich eben ein wenig Sucher-Mentalität übernommen, aber im Grunde meines Herzens bin ich immer noch Mattes, der auf dem Sofa liegt und die Sterne auffängt, die genau über ihm vom Himmel fallen.« Kleinlaut fügte er hinzu: »Nur dass ich kein Sofa mehr habe und dass ich wie verrückt renne, um genug Sterne zu bekommen. Ich glaube, du hast recht, Alex. Ich sollte mich wieder mehr auf meine Lässigkeit besinnen.«

»Falsch«, sagte Alex. »Mit Lässigkeit kannst du kein Monatsmagazin machen. Und der Job gefällt dir doch, oder?«

Mattes sah ihn nachdenklich an. Schließlich sagte er leise: »Er ist großartig. Ich muss ihn nur anders organisieren, damit der Finder wieder eine Chance hat.«

Sie stießen mit ihren Gläsern an, und Alex fragte: »Wann bist du im Park wieder dabei? Ich möchte zu gerne mal wieder sehen, wie du abkackst und hinter mir winselst, dass ich auf dich warten soll.«

Auch Berry und Beatrice liefen am nächsten Tag, wie auch vorher schon so oft, durch den Park, und Beatrice winkte schon von Weitem, als sie ihn mit Mina kommen sah.

»Geht’s dir wieder gut?«, fragte sie. »Deine Schwester hat mir erzählt, was passiert ist.«

»Ja, es ist alles im grünen Bereich«, strahlte er sie an.

Beatrice kraulte Mina und meinte: »Dann hat Astrid jetzt ja endlich wieder Zeit für ihre eigenen Sachen, wenn du selber mit Mina gehen kannst und sie nicht immer mit ihr unterwegs sein muss.«

Martin stutzte: »So viel Zeit hat sie hier im Park doch gar nicht verbracht, oder?«

Beatrice lachte: »Ich glaube, sie hat hier auch deine Beraterstunden übernommen. Jedenfalls war schnell bekannt, dass sie deine Schwester ist. Sie hat auch immer gerne alle Fragen zu Hunden ausführlich beantwortet. Die Leute halten wirklich viel von ihr. Woher kennt sie sich so gut aus?«

Mattes lachte: »Sie kennt sich überhaupt nicht damit aus. Und sie findet die meisten Hundehalter völlig bescheuert. Hat sie was mit Booten und paddeln erklärt?«

»Weiß ich nicht.«

»Ich hoffe nur, sie hat keine Kekse verteilt«, grinste Mattes.

»Wieso?«, fragte Beatrice neugierig.

»Ach, nur so.«

Den Nachmittag verbrachte er mit dem Laptop auf dem Sofa und bereitete vieles für die erste Redaktionssitzung am Montag vor. Neben ihm lag Mina und schnarchte leise vor sich hin. Es war alles vertraut, aber Mattes war anders geworden. Am Abend würde er mit Robin ins Kino gehen. Einfach so. Und ab nächster Woche würde ›doggies live‹ wieder der Mittelpunkt seines Tages sein. Er hatte große Pläne, mit denen er seine Mitarbeiter überraschen wollte.

Am nächsten Tag um zehn Uhr ging die erste Redaktionskonferenz nach Mattes unfreiwilliger Auszeit los. Frau Althoff, Peter und Nadine saßen am Tisch, und nur Tina, die vor Kurzem beim Stadtarchiv angefangen hatte, fehlte. Mattes merkte mit leichtem Erstaunen, dass er sie vermisste. Nicht sehr, aber ihre direkte Art und die unfreiwillige Komik hatten ihn oft zum Lachen gebracht. Außerdem dröhnte der Kopierer nicht mehr stundenlang durch den Gang. Wem sie jetzt wohl von ihren Piercings erzählte? Ohne Tina war es plötzlich stiller geworden. Gut, dass wenigstens Mucki noch laut kläffen konnte.

Mattes legte sofort los: »Wir haben einen engen Zeitplan. Das letzte Magazin war großartig, vielen Dank für euren unermüdlichen Einsatz! Es ist EUER Heft. Ich werde euch niemals genug dafür danken können. Das nächste Heft wird noch umfangreicher, und ›doggies live‹ wird dann 100 Seiten haben.«

Nadine sah ihn entsetzt an: »Oh, nein. Das schaffen wir nicht, Mattes!«

Peter stand mit einem Ruck auf. Sein Gesicht war vor Ärger rot, und er konnte sich nur mühsam beherrschen. »Wenn du das durchziehen willst, dann ohne mich! Ich dachte, du hättest es kapiert, aber es geht unverändert weiter. Nochmal hol ich dich da nicht raus.«

Er wollte erbost gehen, aber Mattes rief ihn zurück: »Jetzt setzt dich erst mal wieder hin! Es gibt noch weitere Neuigkeiten. Wenn du danach denkst, du musst wie ein wilder Stier rausrennen, bleibt dir dann noch genug Zeit.«

Widerwillig setzte sich Peter wieder an den Tisch. Mattes klatschte munter in die Hände: »Erst mal herzlichen Glückwunsch, Nadine und Peter, ihr seid Ressortleiter geworden.«

Nadine und Peter guckten sich irritiert an, dann sagte Peter abfällig: »Das waren wir schon immer.«

Mattes grinste: »Aber demnächst habt ihr Mitarbeiter in eurer Abteilung. Ihr werdet nämlich echte Ressortleiter. Wir stocken auf. Nadine bekommt einen frisch ausgebildeten Journalisten an ihre Seite und dazu noch eine junge Frau, die sich mit ihr um die Werbekunden kümmern wird. Und Peter scheucht demnächst eine Grafikerin und einen Fotografen herum.«

Frau Althoff fragte ironisch: »Wie üblich ist das alles mit dem Verlag abgesprochen?«

»Nein, nicht wie üblich«, sagte Mattes. »Diesmal völlig unüblich schon mit Weber geregelt und von ihm nicht nur genehmigt, sondern sogar erwünscht. Er selber kam mit diesem Vorschlag auf mich zu.«

Frau Althoff zog anerkennend die Augenbrauen hoch.

»Außerdem hat der Verlag neue Räume für uns angemietet. Sie werden gerade renoviert. Wir werden den miesen, kleinen Hinterhof verlassen und …«, er machte eine kurze Pause, »… in einen anderen kleinen Hinterhof ganz in der Nähe ziehen, der vielleicht nicht ganz so dunkel und versifft ist, dafür aber größere und viel schönere Redaktionsräume bietet.« Er blickte sich um: »Ich sehe, meine Ankündigungen stoßen auf allgemeine Begeisterung.«

Nadine strahlte ihn an, und sogar Peter guckte plötzlich deutlich entspannter und schien interessiert zu sein. Mattes sah ihn an: »Übrigens Glückwunsch, dass es Sabine und nicht Carolin ist.«

»Carolin?«, fragte Peter irritiert.

»Die Fotos auf deinem Schreibtisch«, erklärte Mattes.

Peter grunzte: »Das Mäuschen aus der Fernseh-Redaktion? Was soll ich denn mit so einer? Hast du wirklich gedacht …«, und schüttelte verständnislos den Kopf.

»Frau Althoff«, wandte sich Mattes nun an seine Büroleiterin, »in zwei Wochen können wir umziehen. Sie können ab sofort alles vorbereiten. Ihr neues Büro wird Ihnen gefallen. Ihnen und Mucki«, fügte er schnell hinzu.

Sie reagierte überhaupt nicht und blieb einfach still sitzen. Er guckte sie fragend an. Warum sagte sie nichts? War sie jetzt beleidigt, weil er das alles hinter ihrem Rücken in die Wege geleitet hatte?

Versöhnlich raunte er: »Wie immer Chefsache«, und zwinkerte ihr zu.

Sie guckte ihn verdammt ernst an. Irgendetwas stimmte nicht.

»Ich werde nicht mit umziehen«, sagte sie ganz einfach.

Wie bitte? Ich muss mich verhört haben, dachte Mattes. Sie will nicht mit umziehen? Denkt sie etwa, wenn sie in ihrem alten Büro bleibt, bleiben wir alle? Er hörte sie lächelnd sagen: »Ich habe eine Position angeboten bekommen, die ich nicht ausschlagen möchte.«

Sie hatte einen neuen Job? Das war unmöglich!

»Frau Althoff! Keiner von uns hat einen neuen Job angenommen, nun fangen Sie doch nicht damit an!« Seine Stimme war besorgt: »Sie können uns doch nicht einfach sitzen lassen!«

Wochenlang hatte er täglich zehnmal gehofft, sie irgendwie loszuwerden, aber jetzt war es das Letzte, was er wollte.

»Woran liegt es? Wollen Sie mehr Urlaub? Soll ich mehr Geld für Sie rausschlagen?«

Seine Stimme hörte sich fast verzweifelt an. Die Althoff konnte nicht so einfach gehen!

»Ich besorge Ihnen eine Hilfe fürs Büro. Frau Althoff, Sie müssen dabeibleiben! Ohne Sie geht es nicht!«

Sie zeigte immer noch kein Einsehen. Aufgebracht fragte er: »Wie heißt die Firma, bei der Sie arbeiten wollen? Ich möchte denen erklären, wie wichtig Sie für uns sind und dass Sie bleiben müssen.«

»Das wird nichts nützen«, lächelte sie. »Ich habe schon zugesagt. Mein Mann und ich werden auf einem Kreuzfahrtschiff um die Welt fahren. Das ist ein alter Traum von uns beiden, und es wird Zeit, dass wir ihn uns erfüllen. Bisher wurde ich hier gebraucht, aber jetzt, wo alles läuft, kann ich hier von Bord gehen und auf der MS Deutschland meine Kabine beziehen. Außenkabine mit Balkon.«

Mattes sank in seinem Stuhl zurück. »Ich gebe auf. Dagegen kann ich nicht ankommen.«

Er seufzte sorgenschwer: »Aber wie sollen wir das hier ohne Sie schaffen?«

Sie beugte sich langsam am Tisch nach vorne und sagte in die gespannte Stille: »Marina Kaspar.«

»Marina Kaspar«, wiederholte Mattes ergeben und verstand nichts. Frau Althoff erklärte: »Marina Kaspar wird meine Stelle übernehmen. Sie ist eine sehr fähige junge Frau, die als Chefsekretärin für einen Freund meines Mannes gearbeitet hat und sich gerne verändern möchte. Sie stellt sich morgen vor, und ich bin sicher, sie wird Ihnen gefallen.«

Mattes brummte: »Gefallen ist nicht die Frage. Kann Sie Ihre weitreichenden Aufgaben auch nur annähernd übernehmen?«

Er dachte an die geschickten Betrügereien, die Agententricks und die Althoff’sche Hemmungslosigkeit, wenn es um Lug und Betrug ging. In dieser Hinsicht würde niemand an sie herankommen können.

»Ich bin sicher, dass sie das kann«, lächelte Frau Althoff amüsiert und ihre Augen blitzten.

Nadine sagte traurig: »Frau Althoff, ohne Sie kann ich mir die Redaktion gar nicht vorstellen.«

Mattes sprang hoch: »Und was wird mit Mucki?«

»Der kommt natürlich mit mir. Ohne ihn würde ich nicht fahren. Da würde ich eher meinen Mann zuhause lassen.«

»Aber wir können nicht arbeiten, ohne dass ein Hund im Nebenzimmer kläfft!«

Das war sein letztes Argument. Schwach zwar, aber nicht von der Hand zu weisen.

Frau Althoff sah ihn siegesgewiss an: »Frau Kaspar hat einen alten Hund, der nicht alleine bleiben kann, den wird sie mitbringen. Ich glaube, er fiept, wenn ihm langweilig ist. Das wird Sie also keine Umgewöhnung kosten.« Sie lächelte: »Und in vierzehn Monaten komme ich in Hamburg wieder an. Dann sehen wir weiter.«

Sie sah Mattes in die Augen und sagte zuversichtlich: »Sie machen das schon.«

Er musste schlucken, dann grinste er mit schiefem Lächeln:

»Wie immer Chefsache!«