Morgan Le Fay

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Morgan le Fay, König Artus’ Halbschwester, war eine dunkelhaarige, leidenschaftliche Frau von einer strengen Schönheit und grausam und ehrgeizig dazu. In einem Kloster studierte sie die Nekromantie und brachte es weit in der düsteren und verderblichen Zauberkunst, der Waffe der Neider und Übelwollenden. Sie genoß es, sich mittels ihrer Schönheit und ihrer magischen Künste Männer gefügig zu machen, und wo diese Mittel versagten, griff sie zu den noch ärgeren des Verrats und des Mordes. Es bereitete ihr Behagen, Männer gegeneinander auszuspielen, aus den Schwächen der Männer Waffen für ihre eigene Stärke zu schmieden. Mit Sir Uryens vermählt, machte sie Sir Accolon von Gallien Versprechungen und verstrickte ihn derart in betörte Träume, daß sein Wille erlahmte und sein Ehrgefühl betäubt und er selbst dadurch zum Werkzeug ihres geheimsten Wunsches wurde. Morgan haßte nämlich ihren Bruder Artus, haßte seinen Edelsinn und neidete ihm die Krone. Sie plante Artus’ Ermordung mit ausgeklügelter Sorgfalt. Die Krone gedachte sie Uryens zu geben, die damit verbundene Macht sich aber selbst anzueignen, und das Mordinstrument sollte der umgarnte Accolon sein.

Durch ihre Künste machte die Hexe Morgan ein Schwert samt Scheide, genau wie Excalibur anzusehen, und vertauschte beides heimlich mit Artus’ Schwert und Scheide. Dann umstrickte sie Accolon mit Versprechungen, nutzte seine Begierde, um sein Gewissen zum Schweigen zu bringen, und wies ihn in die Rolle ein, die er spielen sollte. Und als er sich dazu bereit erklärte, glaubte er in ihren Augen das Leuchten der Liebe zu erkennen, während sie vor Triumph glühten, denn Morgan le Fay liebte niemanden. Haß war ihre Leidenschaft, und Zerstörung ihre Lust.

Dann suchte Accolon, wie es ihm aufgetragen worden war, Artus’ Nähe und wich ihm nie von der Seite.

Wenn keine Kriege geführt und keine Turniere abgehalten wurden, war es die Gepflogenheit der Ritter und Krieger, in den großen Wäldern zu jagen, die weite Teile Englands bedeckten. Bei der halsbrecherischen Jagd auf Hirsche und Rehe, durch Wald und über Moore und Hügel, über Stock und Stein übten sie ihre Reitkunst, und wenn sie sich angreifenden Wildschweinen entgegenstellten, stärkte dies ihren Mut und hielt ihre Behendigkeit frisch. Zudem belieferte dies unkriegerische Handwerk die Drehspieße in den Küchen mit saftigem Fleisch für die langen Tische in der großen Halle.

Eines Tages, als Artus mit vielen seiner Ritter einen Wald auf der Suche nach Wild durchstreifte, stöberten der König, Sir Uryens und Sir Accolon von Gallien einen prachtvollen Hirsch auf und verfolgten ihn. Sie waren gutberitten, so daß sie, ehe sie es sich versahen, zehn Meilen von der übrigen Ritterschar entfernt waren. Der stolze Hirsch mit seinem hohen Geweih zog sie weiter und weiter, und mit Peitsche und Sporen trieben sie ihre schaumbedeckten Pferde durch Gestrüpp und trügerische sumpfige Stellen. Sie setzten über Bäche und gestürzte Bäume, bis ihre Tiere überstrapaziert waren, taumelten und mit blutigen Gebissen und Sporenwunden an den Flanken auf die Erde stürzten.

Die drei Ritter, nun auf ihre Füße angewiesen, sahen den Hirsch ermattet davonziehen. »Eine schöne Misere«, sagte Artus. »Weit und breit keine Hilfe.«

Sir Uryens sagte: »Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns zu Fuß aufzumachen und irgend etwas zu suchen, wo wir Unterschlupf finden und auf Hilfe warten können.« Sie stapften schwerfällig durch den Eichenwald, bis sie an einen tiefen, breiten Fluß kamen, und dort am Ufer lag der erschöpfte Hirsch, umstellt von einer Meute, und an seiner Kehle hing eine Bracke. Artus trieb die Hunde weg, tötete den Hirsch, hob sein Jagdhorn und blies Halali.

Erst dann blickten sich die Ritter um. Auf der glatten, dunklen Wasserfläche sahen sie ein kleines Schiff, umhüllt mit Seide, die über die Ränder bis ins Wasser hing. Das Schifflein trieb leise dem Ufer entgegen und lief ganz nahe an einer seichten Stelle auf den sandigen Grund. Artus watete hin, schaute unter den seidenen Behang, sah aber niemanden darunter. Er rief seinen Freunden zu, herbeizukommen, und dann stiegen die drei Männer in das kleine Gefährt und fanden es luxuriös ausgestattet, mit weichen Kissen und üppigen Wandbehängen, aber sie sahen keine Insassen. Die drei ließen sich müde auf den schwellenden Kissen nieder und ruhten, indes der Abend kam und der Wald um sie herum dunkelte. Nachtvögel stießen Rufe aus, Wildenten kamen ans Ufer geflogen, und über ihnen stieg die schwarze Wand des Waldes empor.

Als die drei Gefährten am Einnicken waren, flammte um sie herum ein Kreis von Fackeln auf, und aus der Kabine des Schiffes traten zwölf anmutige Fräulein hervor, angetan mit fließenden Seidengewändern. Die Damen vollführten alle vor dem König einen Knicks, grüßten ihn bei seinem Namen und hießen ihn willkommen, und Artus dankte ihnen für ihre Artigkeit. Dann geleiteten sie ihn und seine Gefährten in ein Gemach mit Tapisserien an den Wänden und einem reichgedeckten Tisch. Sie trugen ihnen Wein und Fleisch von vielerlei Sorten und solche Leckerbissen auf, daß alle drei staunend über die Vielfalt und Fülle des Mahls dasaßen. Und nachdem sie lange und genußreich getafelt hatten und ihnen von dem guten Wein die Augen schwer geworden waren, führten die Fräulein jeden in eine reich geschmückte Kabine mit einem weichen Bett. Dort sanken die drei Männer sogleich in einen tiefen, trunkenen Schlaf.

Bei Tagesanbruch schlug Sir Uryens die vom Weingenuß geschwollenen Augen auf und sah, daß er in seinem eigenen Bett in seinem eigenen Quartier in Camelot und neben ihm Morgan le Fay, anscheinend schlummernd, lag. Er war zwei Tagesreisen von hier eingeschlafen und konnte sich an sonst nichts erinnern. Er betrachtete sein Eheweib durch die nur einen Spaltbreit geöffneten Lider, denn es gab viele Dinge, die er von ihr nicht wußte, und viele andere, die er nicht wissen wollte. Und so verhielt er sich ruhig und verbarg sein Staunen.

Als Artus wieder zu sich kam, lag er auf den kalten Steinen eines Kerkerbodens. Dämmriges Licht aus einer Scharte hoch oben in der Wand ließ ihn die sich ruhelos wälzenden Gestalten vieler Mitgefangener erkennen. Der König setzte sich auf und fragte: »Wo bin ich und wer seid ihr?«

»Wir sind gefangene Ritter«, erhielt er zur Antwort. »Zwanzig an der Zahl, und manche von uns werden schon seit acht Jahren in diesem dunklen Verlies gefangengehalten.«

»Warum das?« fragte der König. »Um Lösegeld zu erpressen?«

»Nein«, erwiderte einer der Ritter. »Ich werde Euch den Grund sagen. Der Burgherr hier ist Sir Damas, ein niederträchtiger und tückischer Mann und ein Feigling obendrein. Sein jüngerer Bruder, Sir Outlake, ist ein wackerer, mutvoller, ehrenhafter Ritter. Sir Damas weigert sich, die ererbten Güter mit seinem Bruder zu teilen, und Sir Outlake behauptet nur ein kleines Schloß und ein paar Ländereien mit Waffengewalt gegen Sir Damas. Bei den Menschen des Landes genießt Sir Outlake wegen seiner Güte und Gerechtigkeit große Beliebtheit. Sir Damas aber wird gehaßt, weil er wie die meisten Feiglinge grausam und rachsüchtig ist. Seit vielen Jahren schon herrschen Hader und Streit zwischen den Brüdern, und Sir Outlake hat seinen Bruder zum Zweikampf herausgefordert, der über seine Ansprüche gegenüber Sir Damas entscheiden soll, und ist auch bereit, gegen jeden Ritter zu kämpfen, den Sir Damas statt seiner selbst antreten läßt. Doch Sir Damas hat nicht den Mut zu kämpfen, und andererseits ist er so verhaßt, daß sich kein Ritter bereit findet, es an seiner Stelle zu tun. Und deshalb hat er mit einer Bande von Söldnern brave Ritter, die allein auf Abenteuer auszogen, in einen Hinterhalt gelockt und sie als seine Gefangenen hierher gebracht. Er bietet an, uns freizulassen, wenn wir für ihn kämpfen, doch das haben alle abgelehnt, und manche hat er gefoltert und verhungern lassen. Wir sind alle ganz matt vor Hunger und ganz verkrampft, weil es in diesem Verlies so eng ist, so daß wir nicht kämpfen könnten, selbst wenn wir wollten.«

Artus sagte: »Möge Gott Euch in Seiner Gnade erlösen.«

Nun schaute ein Fräulein durch das Eisengitter der Kerkertür, winkte Artus zu und sagte leise: »Wie gefällt es Euch hier?«

»Soll es mir in einem Gefängnis gefallen?« sagte Artus. »Warum diese Frage?«

»Weil Ihr zwei Möglichkeiten habt«, versetzte das Fräulein. »Wenn Ihr für meinen Herrn kämpfen wollt, werdet Ihr freigelassen. Solltet Ihr aber ablehnen, wie es diese Narren da getan haben, werdet Ihr bis zum Ende Eurer Tage hierbleiben müssen.«

»Eine sonderbare Art, einen Ritter als Kämpfer zu gewinnen«, sagte der König, »aber ich für mein Teil würde lieber mit einem Ritter fechten, als in einem Kerker hausen. Wenn ich mich dazu bereit erkläre, laßt Ihr dann die anderen Gefangenen frei?«

»Ja«, sagte das Fräulein.

»Dann will ich es tun«, sagte der König, »aber ich habe weder Pferd noch Rüstung.«

»Ihr sollt alles bekommen, was Ihr braucht, Sir.«

Der König musterte sie und sagte: »Mir scheint, ich habe Euch an König Artus’ Hof gesehen.«

»Nein«, sagte sie, »dort war ich nie. Ich bin die Tochter des Herrn dieser Burg.«

Als das Mädchen gegangen war, um die Sache vorzubereiten, prüfte Artus sein Gedächtnis, und er war sich ziemlich sicher, daß er sie unter der Dienerschaft seiner Schwester Morgan le Fay gesehen hatte.

Sir Damas akzeptierte Artus’ Anerbieten und verpflichtete sich mit einem Eid, die Gefangenen freizulassen, und der König schwor, daß er mit all seinen Kräften gegen Sir Damas’ Feind kämpfen werde. Dann wurden die zwanzig geschwächten und hungernden Ritter aus dem Verlies geholt. Sie bekamen zu essen und blieben alle auf der Burg, um bei dem Zweikampf zuzusehen.

Nun müssen wir uns Sir Accolon, dem dritten Ritter, zuwenden, der in den Zauberschlaf gesunken war. Er erwachte dicht am Rand eines tiefen Brunnens, in den er gestürzt wäre, hätte er im Schlaf eine Bewegung gemacht. Aus dem Brunnenschacht führte ein silbernes Rohr, aus dem Wasser sprudelte, in ein Marmorbecken. Da Morgan le Fay fern war, hatte die Wirkung ihres Zaubers abgenommen. Accolon schlug dankbar ein Kreuz und sagte laut: »Jesus schütze meinen Gebieter, König Artus, und Sir Uryens. Diese Wesen auf dem Schiff waren keine Damen, sondern böse Höllengeister. Wenn ich aus diesem Abenteuer heil herauskomme, werde ich sie samt all den anderen vernichten, die böse Zauberei betreiben.«

Und in diesem Augenblick kam aus dem Wald ein häßlicher Zwerg mit wulstigen Lippen und platter Nase grüßend auf Sir Accolon zu. »Ich komme von Morgan le Fay«, sagte der Zwerg, und wieder senkte sich der Zauber auf den Ritter. »Sie läßt Euch grüßen und heißt Euch Euren Mut zusammennehmen, weil Ihr morgen in der Frühe mit einem Ritter kämpfen sollt. Da sie Euch liebt, schickt sie Euch das Schwert Excalibur samt seiner Scheide. Und sie sagt, wenn Ihr sie liebt, werdet Ihr kämpfen, ohne Gnade zu gewähren, wie Ihr ihr unter vier Augen versprochen habt. Sie erwartet auch das Haupt des Gegners als Beweis, daß Ihr Euren Eid gehalten habt.«

Sir Accolon war inzwischen tief verzaubert. Er sagte: »Ich habe verstanden. Ich werde mein Versprechen einlösen und kann es auch, nun da ich Excalibur habe. Wann hast du meine Herrin gesehen?«

»Vor kurzem«, sagte der Zwerg.

Dann umarmte Sir Accolon in seiner Verzückung den häßlichen Zwerg und sagte: »Grüße mir meine Herrin und sage ihr, ich werde mein Versprechen halten oder das Leben verlieren. Nun verstehe ich die Sache mit dem kleinen Schiff und dem Schlaf. Das hat alles meine Herrin ins Werk gesetzt, ist es nicht so?«

»Davon dürft Ihr überzeugt sein«, antwortete dieser, trollte sich in den Wald davon, und Accolon blieb träumend neben dem Brunnen zurück.

Nicht lange, und es erschien ein Ritter, begleitet von einer Dame und sechs Knappen. Er forderte Accolon auf, in ein Schloß in der Nähe mitzukommen, um dort zu speisen und zu ruhen, und Accolon nahm an. All dies war von Morgan le Fay so geplant, denn der Schloßherr war Sir Outlake, der zu dieser Zeit an Speerwunden darniederlag, die ihm an den Oberschenkeln zugefügt worden waren. Als Sir Accolon sich zu ihm setzte, wurde gemeldet, daß Sir Damas einen Ritter gefunden habe, der für ihn am nächsten Morgen gegen seinen Bruder kämpfen werde.

Da verwünschte Sir Outlake seine Verwundungen, denn er hatte diesen Waffengang schon seit langem ersehnt, doch seine Blessuren waren so schwer, daß er nicht auf einem Pferd sitzen konnte.

Sir Accolon war guten Mutes, weil er wußte, daß das Schwert Excalibur ihn schützen werde, und erbot sich, an Stelle von Sir Outlake zu kämpfen.

Da freute sich Sir Outlake sehr, und dankte Sir Accolon von ganzem Herzen für sein Angebot und ließ Sir Damas bestellen, daß ein Stellvertreter für ihn kämpfen werde.

Diese Art des Zweikampfes hatte den Segen der Sitte und war eine von der Religion autorisierte Institution. Sie stellte einen Appell an Gott dar zu entscheiden, welcher der beiden Kämpfenden im Recht war. Der Ausgang des Kampfes galt als Gottesurteil und hatte Gesetzeskraft. Und wegen des Hasses, den die Menschen Sir Damas entgegenbrachten, und der Hochachtung, die Sir Outlake genoß, versammelte sich die Bevölkerung der ganzen Gegend, um dem Kampf zuzusehen, Ritter und freie Männer und an den Rändern der Zuschauermenge Unfreie und Leibeigene. Zwölf angesehene Männer des Landes wurden ausgewählt, um den beiden Rittern zur Hand zu gehen, die mit vorgelegten Schilden, geschlossenen Visieren und aufgestellten Lanzen auf ihren Pferden saßen und auf das Signal zum Beginn warteten. Die Morgensonne sandte schräg ihre Strahlen durch das Laub der mächtigen Eichen, die den Tjostplatz umgaben. Die Messe war gesungen worden, die beiden Ritter hatten für einen guten Ausgang gebetet und warteten nun.

Dann kam ein Fräulein auf den Platz geritten und zog unter dem Reitumhang ein Schwert in seiner Scheide hervor – das gefälschte Schwert Excalibur. Das Fräulein sagte: »Aus großer Liebe zu Euch sendet Euch Eure Schwester Morgan le Fay Excalibur – die Scheide, damit sie Euer Leben beschirme, und das Schwert, auf daß es Euch den Sieg schenke.«

»Wie gütig von meiner Schwester«, sagte Artus. »Bestellt ihr meinen liebevollen Dank.«

Nun blies das Horn sein martialisches Signal, die beiden Ritter legten ihre Lanzen ein und stürmten gegeneinander. Beide Lanzen trafen ins Ziel und blieben unbeschädigt, und beide Ritter wurden auf die Erde geschleudert. Sie sprangen auf, zogen ihre Schwerter und fixierten einander. Jeder umkreiste den anderen, machte Scheinangriffe, stellte den Gegner auf die Probe und hielt Ausschau nach einer Schwäche oder einer ungedeckten Stelle.

Und als sie den Kampf eröffneten, kam Nyneve, das Fräulein vom See, rasch herbeigeritten, das nämliche Fräulein, das Merlin umgarnt und in den Felsen gebannt hatte. Die dem betörten alten Mann abgelisteten Geheimnisse der Schwarzen Kunst hatten ihr Macht verschafft, aber auch bei Morgan le Fay Neid und Argwohn geweckt. Nyneve liebte den König und haßte seine böse Schwester. Sie wußte von Morgan le Fays Anschlag auf Artus’ Leben und war in höchster Eile gekommen, um ihn zu retten, ehe der Zweikampf begann, denn die Gesetze verboten jede Einmischung nach dem Beginn. Doch sie traf zu spät ein und mußte dem ungleichen Duell zusehen, denn obwohl beide Ritter Hiebe und Streiche austeilten, traf Excalibur tiefer, drang in Artus’ Harnisch ein und riß klaffende Wunden, während das falsche Schwert des Königs von Accolons Schild und Helm abglitt, ohne Schaden anzurichten.

Als Artus spürte, wie ihm das Blut aus den Wunden strömte, und als er erkannte, daß sein unscharfes Schwert nichts ausrichtete, erfaßte ihn Bestürzung, und der Verdacht stieg in ihm hoch, daß er hintergangen worden war. Dann überkam ihn Furcht, denn jeder Hieb Accolons traf tief, während seine eigenen Schwertstreiche, selbst die mächtigsten, nichts bewirkten. Das gefälschte Schwert war aus minderwertigem Metall geschmiedet, weich und zu nichts nütze.

Nun spürte Accolon, daß er die Oberhand gewann, und verdoppelte die Wucht seines Angriffs, doch der König versetzte ihm einen so wütenden Schlag auf den Helm, daß die schiere Gewalt Accolon ins Wanken brachte. Er trat etwas zur Seite, um Luft zu holen und klaren Kopf zu bekommen, doch schon im nächsten Augenblick griff er wieder an, und die beiden hieben ohne Feinheiten und Könnerschaft aufeinander ein, bis Artus aus hundert Wunden blutete, während Accolon, geschützt von der Scheide des echten Schwertes Excalibur, noch unversehrt war.

Durch den Kreis der Zuschauer ging ein staunendes Raunen. Sie sahen, daß Artus sich gut schlug und trotzdem den Gegner nicht verwunden konnte, und es verwunderte sie, daß er trotz des großen Blutverlustes noch weiterzukämpfen vermochte. Dann wich Artus zurück, um sich etwas zu erholen und Kraft zu sammeln, doch Accolon rief triumphierend: »Los! Kämpft weiter! Ich kann Euch jetzt keine Pause gönnen.« Und er griff wieder an und forcierte den Schlagabtausch, so daß Artus in seiner Verzweiflung einen Satz auf ihn zu machte und einen wuchtigen Hieb gegen Accolons Helm führte. Dabei zerbrach die Klinge von Artus’ Schwert, und er hatte nur noch den Griff in der Hand. Hilflos hielt er den Schild über sich, während Accolon ihn mit Hieben eindeckte, um ihm den Rest zu geben. Und dabei sagte Accolon: »Ihr seid besiegt, wehrlos, verloren. Ich möchte Euch nicht töten. Gebt Euch geschlagen.«

Der König sagte mit matter Stimme: »Ich kann nicht. Ich habe versprochen, so lange zu kämpfen, wie noch Leben in mir ist. Ich möchte lieber ehrenvoll sterben, als in Schande weiterleben. Wenn Ihr einen waffenlosen Mann tötet, werdet Ihr die Schmach niemals loswerden.«

»Es ist nicht Eure Sache, Euch über meine Schmach Gedanken zu machen«, sagte Accolon. »Ihr seid ein toter Mann.« Und damit erneuerte er kraftvoll den Angriff, unbesorgt um seine eigene Verteidigung.

Artus tat das einzige, was er noch tun konnte. Er drang auf Accolon ein, preßte seinen Schild gegen dessen Schwertarm und schlug ihm mit dem Knauf seines abgebrochenen Schwerts mit solcher Gewalt auf den ungedeckten Helm, daß Accolon drei Schritte zurücktaumelte und schwankend dastand, weil ihm schwindlig war.

Nyneve hatte dem Zweikampf mit der inständigen Hoffnung zugesehen, Gott werde gegen Morgan le Fays Tücke entscheiden, doch als sie Artus’ letzten Verzweiflungshieb mit dem Schwertknauf sah und bemerkte, wie Accolon seine Kraft zurückgewann und auf den ermatteten und waffenlosen König eindrang, wurde ihr klar, daß Artus ohne ihre Hilfe verloren war. Rasch versuchte sie sich an das zu erinnern, was Merlin ihr beigebracht hatte, ersann geschwind einen Zauber und schleuderte ihn mit den Augen auf den vordringenden Verräter. Sir Accolon hob Excalibur, schätzte die Distanz ab und holte zu einem letzten, todbringenden Streich aus, doch als die Klinge Artus’ Schild berührte, lockerte die das Schwert führende Hand ihren Griff und die Finger erlahmten. Das Schwert fiel auf die Erde, und Accolon mußte in hilflosem Entsetzen mitansehen, wie Artus es aufhob. Der Griff lag gut in seiner Hand, und Artus wußte, es war sein Schwert. Er sprach: »Mein liebes Schwert, du warst zu lange aus meiner Hand und hast mir Wunden geschlagen. Nun sei mir wieder gut, Excalibur.« Er blickte Accolon an, sah die Scheide, tat einen Satz nach vorne, entriß sie Accolon und schleuderte sie, so weit er konnte, über die Köpfe der Umstehenden.

»So, Herr Ritter«, sagte er zu Accolon. »Ihr habt Eure Chance gehabt, und ich habe meine Wunden empfangen. Jetzt geht es andersherum, und Ihr sollt bekommen, was Ihr mir gegeben habt.« Er stürmte auf Accolon ein, mit dem Schild voran, doch Accolon parierte nicht, sondern stürzte zu Boden und blieb starr, wie von Furcht gelähmt liegen. Artus riß ihm den Helm herunter und schlug ihn mit der flachen Schwertklinge auf den Kopf, daß das Blut aus Accolons Nase und Ohren strömte. »Nun werde ich Euch töten«, sagte Artus.

»Das ist Euer gutes Recht«, antwortete Sir Accolon. »Ich sehe jetzt, daß Gott auf Eurer Seite und Eure Sache die gerechte ist. Aber ebenso wie Ihr habe auch ich gelobt, bis zum Äußersten zu kämpfen, und ich kann nicht um Gnade bitten. Tut, was Ihr wollt.«

Artus blickte das Gesicht ohne Visier an, verzerrt und mit Staub und Blut bedeckt, und sagte: »Ihr seid mir bekannt. Wie heißt Ihr?«

»Herr Ritter, ich gehöre König Artus’ Hof an. Mein Name ist Accolon von Gallien.«

Da fiel Artus das verzauberte Schiff ein, und er dachte an die Hinterlist, durch die Excalibur in die Hände seines Gegners gelangt war, und er fragte leise: »Sagt mir, Herr Ritter, wer hat Euch dieses Schwert gegeben?«

»Das Schwert ist mein Verderben. Es hat mir den Tod gebracht«, sagte Accolon.

»Was es auch gebracht hat, woher habt Ihr es?«

Sir Accolon seufzte schwer, denn die Macht seiner Buhle, die sich ihm versprochen hatte, hatte versagt und war verschwunden. »Ich sehe jetzt keinen Grund, irgend etwas zu verheimlichen«, sagte er verzagt. »Die Schwester des Königs hegt gegen ihn einen tödlichen Haß, weil er die Krone trägt und weil er mehr geliebt und geehrt wird als sie. Sie liebt mich, und ich liebe sie so sehr, daß ich fähig war, Verrat zu üben. Sie hat Sir Uryens, ihren Gemahl, betrogen und war meine Liebste. Sie versprach mir, wenn ich mit ihrer Hilfe König Artus tötete, würde sie ihren Gemahl aus dem Weg räumen und mich zum König machen. Sie würde meine Königin sein, und wir würden in England herrschen und in Glückseligkeit leben.« Er verstummte in der Erinnerung und sagte dann: »Das ist jetzt alles zu Ende. Mein Vorhaben hat mir den Tod eingetragen.«

Artus sprach durch das geschlossene Visier: »Seid Ihr Euch sicher, daß Ihr König geworden wärt, wenn Ihr diesen Kampf gewonnen hättet? Und wie hättet Ihr mit der Untat des Verrats an Eurem gesalbten König fertig werden können?«

»Ich weiß es nicht, Herr Ritter«, sagte Accolon. »Mein Verstand und meine Seele standen derart unter einem Zauberbann, daß selbst Verrat am König mir als ein Nichts erschien. Doch das ist jetzt vorüber, vergangen wie ein Traum. Sagt mir, wer Ihr seid, ehe ich sterbe.«

»Ich bin Euer König«, sagte Artus.

Da brach Accolon in eine schmerzliche Klage aus. »Herr, das ahnte ich nicht. Ich glaubte, gegen einen Ritter zu fechten, der für einen anderen kämpft. Ich bin ebenso einer List zum Opfer gefallen wie Ihr. Könnt Ihr einem Mann Gnade gewähren, der derart betrogen und umgarnt wurde, daß er sogar einen Anschlag auf Euer Leben plante?«

Der König sann lange nach und sagte dann: »Ich kann Euch Gnade gewähren, weil ich Euch glaube, daß Ihr mich nicht erkannt habt. Ich habe meine Schwester Morgan le Fay in Ehren gehalten, all ihren Wünschen nachgegeben, sie mehr geliebt als sonst jemanden aus meiner Sippe. Und ich habe ihr sogar mehr vertraut als meinem Weib, obwohl ich ihre Mißgunst, ihre Fleischeslust und ihre Machtgier kannte und obwohl ich wußte, daß sie der Schwarzen Kunst frönt. Wenn sie imstande war, mir diese Tücke anzutun, glaube ich, was Ihr von ihr sagt, und kann Euch vergeben. Doch bei ihr werde ich keine Gnade kennen. Die Christenheit wird über die Rache sprechen, die ich an meiner Schwester, dieser Hexe, nehmen will. Jetzt steht auf, Sir Accolon. Ich habe Euch begnadigt.« Artus half ihm, auf die Beine zu kommen, und rief den Menschen zu, die um den Platz herumstanden: »Kommt näher!« Und als sie sich um ihn versammelt hatten, sagte er: »Wir haben gegeneinander gekämpft und uns schmerzliche Wunden geschlagen, aber wenn jeder gewußt hätte, wer der andere ist, wäre es niemals zu diesem Zweikampf gekommen.«

Accolon rief: »Hier steht der beste und tapferste Ritter der Welt, aber er ist noch mehr als das – er ist unser Herr und Souverän, König Artus. Das Unglück wollte es, daß ich gegen meinen König kämpfte. Er gewährt mir wohl Gnade, doch ich selbst kann mir nicht vergeben, denn es gibt keine größere Sünde oder ärgere Untat, als am König Verrat zu üben.«

Dann knieten alle nieder und baten um die Gnade des Königs.

»Ich will euch Gnade gewähren«, sprach Artus. »Ihr hattet keine Ahnung, was hier geschah. Doch gedenkt in künftigen Tagen, welch seltsame und gefahrvolle Abenteuer und Zufälle fahrenden Rittern begegnen können. Ich bin schwach und verwundet und bedarf jetzt der Ruhe, doch zuvor noch mein Urteilsspruch über den Zweikampf als Probe auf die Wahrheit.

Sir Damas, ich habe für Euch gekämpft und gesiegt. Aber da Ihr ein hochfahrender und feiger Mann seid und voll Niedertracht, hört meine Entscheidung: Ihr werdet diesen ganzen Landbesitz samt allen Bauernhöfen und Häusern Eurem Bruder Sir Outlake übergeben. Als Entgelt wird er Euch alljährlich einen Zelter schicken, denn es steht Euch besser an, auf einem Damenpferd als auf einem Kriegsroß zu reiten. Ich befehle Euch, fahrende Ritter, die durch Eure Ländereien kommen, nie mehr zu behelligen oder ihnen Wunden zuzufügen, sonst ist Euer Leben verwirkt. Was die zwanzig Ritter angeht, die Ihr in Gefangenschaft hieltet, so habt Ihr ihnen ihre Rüstungen und alles andere zurückzugeben, was Ihr ihnen geraubt habt. Und wenn irgendeiner von ihnen an meinen Hof kommt und über Euch Klage führt, sollt Ihr des Todes sein. Das ist mein Urteilsspruch.«

Dann wandte sich Artus, vom Blutverlust geschwächt, Sir Outlake zu und sprach: »Weil Ihr ein trefflicher Ritter seid, tapfer, aufrecht und rücksichtsvoll, befehle ich Euch, an meinen Hof zu kommen und Euch zu meinen Rittern zu gesellen, und ich werde Euch solche Huld erzeigen, daß Ihr in Behagen und Ehren leben könnt.«

»Habt Dank, Herr«, sagte Sir Outlake. »Eure Worte sind mir Befehl. Nur seid versichert, Sir, daß ich meinen Zweikampf selbst ausgefochten hätte, wäre ich nicht verwundet.«

»Ich wollte, es wäre so gewesen«, sagte Artus, »denn dann hätte ich nicht so schwere Wunden empfangen, verwundet durch Tücke und Schadenszauber eines Menschen, der mir nahesteht.«

Sir Outlake sagte: »Es ist mir unvorstellbar, daß irgend jemand Ränke gegen Euch schmieden könnte, Herr.«

»Ich werde mir diese Person vornehmen«, erwiderte der König. »So, und wie weit bin ich von Camelot entfernt?«

»Zwei Tagesreisen«, sagte Outlake. »Zu weit für Eure Wunden. Drei Meilen von hier ist ein Kloster. Dort können Euch die Nonnen pflegen und gelehrte Männer Eure Wunden heilen.«

»Ich werde mich dorthin begeben und der Ruhe pflegen«, sagte der König, und er rief den Leuten ein Lebewohl zu, half Sir Accolon auf sein Pferd, bestieg sein eigenes, und sie ritten langsam davon.

In dem Kloster wurden ihre Wunden gesäubert und mit den probatesten Salben und Pflastern versorgt, doch Sir Accolon starb vier Tage später an den Folgen des schrecklichen letzten Hiebes, der seinen ungedeckten Helm getroffen hatte.

Artus erteilte Weisung, daß Sir Accolons Leiche von sechs Rittern nach Camelot gebracht werden solle. Dort sei sie Morgan le Fay zu übergeben. Er sprach: »Sagt meiner teuren Schwester, ich schicke ihn ihr als Dankesgabe für die Güte, die sie mir erzeigt hat.«

Dort, in Camelot, glaubte Morgan, ihr Plan sei ausgeführt und der König von seinem eigenen Schwert getötet. »Jetzt«, sagte sie zu sich, »ist die Stunde gekommen, mich meines Gemahls zu entledigen.« Sie wartete in der Nacht, bis er eingeschlafen war, und rief dann eine ihrer Zofen zu sich. »Hole mir das Schwert meines Herrn«, sagte sie. »Eine günstigere Zeit, ihn umzubringen, kommt nie wieder.«

Die Zofe rief entsetzt: »Wenn Ihr Euren Gemahl tötet, gibt es kein Entrinnen für Euch.«

»Das hat dich nicht zu kümmern«, sagte Morgan. »Geh rasch und hole das Schwert.«

Die Zofe schlich sich angsterfüllt an das Bett von Sir Ewain, Morgans Sohn, und weckte ihn. »Steht auf«, flüsterte sie. »Eure Mutter hat vor, Euren Vater im Schlaf umzubringen. Sie hat mich losgeschickt, sein Schwert zu holen.«

Ewain fuhr aus dem Schlaf hoch und rieb sich die Augen. Dann flüsterte er: »Gehorche ihrem Befehl und hole das Schwert. Ich werde mich der Sache annehmen.« Er glitt aus seinem Bett, wappnete sich, schlich durch dunkle Korridore und verbarg sich in seines Vaters Zimmer.

Die Zofe brachte mit bebenden Händen das Schwert, Morgan le Fay nahm es ihr ab, trat dreist neben ihren schlafenden Gemahl und schätzte mit kaltem Blick ab, wo die richtige Stelle sei, um die Klinge hineinzutreiben. Als sie mit dem Schwert zustoßen wollte, sprang Sir Ewain aus seinem Versteck hervor, packte sie am Handgelenk und hielt die sich Wehrende fest. »Was tut Ihr da?« rief er. »Man sagt, daß Merlin von einem Höllengeist gezeugt wurde. Ihr müßt ein irdischer Teufel sein. Wärt Ihr nicht meine Mutter, würde ich Euch erschlagen.«

Doch in die Enge getrieben, war Morgan doppelt verschlagen. Sie starrte mit wilden Blicken um sich, als wäre sie plötzlich erwacht. »Was ist das?« rief sie. »Wo bin ich? Was soll dieses Schwert? Oh, mein Sohn, beschützt mich! Irgendein böser Geist ist eingedrungen, während ich schlief. Habt Erbarmen mit mir, mein Sohn! Sagt anderen nichts davon. Schützt meine Ehre. Es geht auch um Eure!«

Sir Ewain sagte zögernd: »Ich werde Euch vergeben, wenn Ihr gelobt, von Euren Zauberkünsten zu lassen.«

»Das gelobe ich«, sagte Morgan. »Ich leiste einen Eid darauf. Ihr seid mein guter Sohn, mein lieber Sohn.« Dann gab Ewain sie frei, nur halb überzeugt, und trug das Schwert davon.

Am folgenden Morgen erfuhr Morgan le Fay durch einen ihrer Spitzel, daß ihr Anschlag mißglückt war. Sir Accolon war tot, Artus am Leben, und er hatte Excalibur wieder. Insgeheim wütete sie gegen ihren Bruder, und sie trauerte um Accolon, doch ihr Gesicht war kalt und gefaßt, sie ließ sich weder Zorn noch Furcht anmerken und vergoß auch vor anderen keine Tränen um ihren toten Liebhaber. Sie wußte, daß sie, wenn sie die Rückkehr des Königs abwartete, verloren war, denn für ihr unaussprechliches Verbrechen gegen ihren Bruder konnte es keine Nachsicht geben.

Mit Engelsmiene ging sie zu Königin Guinevere und bat, sich vom Hof entfernen zu dürfen.

»Könnt Ihr nicht bis zur Rückkehr Eures Bruders, des Königs, warten?« fragte Guinevere.

»Ich wollte, ich könnte es, doch es ist mir unmöglich«, antwortete Morgan. »Ich habe schlimme Nachrichten über eine Revolte auf meinen Gütern. Ich muß sofort hinreisen.«

»Wenn es so steht, dann mögt Ihr gehen«, sagte die Königin.

Noch vor Tagesanbruch versammelte Morgan le Fay vierzig Getreue, ritt mit ihnen davon und gewährte Pferden wie Männern einen Tag und eine Nacht lang keine Rast. Früh am zweiten Morgen kam sie zu dem Kloster, wo, wie sie wußte, Artus lag. Sie ritt dreist hinein und verlangte ihren Bruder zu sehen. Eine Nonne gab ihr zur Antwort: »Er schläft jetzt endlich.Drei Nächte hindurch haben ihm seine Wunden fast keine Ruhe gelassen.«

»Weckt ihn nicht auf«, sagte Morgan. »Ich werde leise hineingehen, um das teure Gesicht meines Bruders zu betrachten.« Sie stieg vom Pferd und trat in so gebieterischer Haltung ins Innere, daß niemand es wagte, sie, die Schwester des Königs, aufzuhalten.

Sie fand sein Gemach und sah im Schein eines Binsenlichts, daß der König schlafend auf dem Bett lag, seine Hand aber den Griff von Excalibur umklammerte. Neben ihm auf dem Bett lag die nackte Klinge. Aus Besorgnis, ihn aus seinem unruhigen Schlaf zu wecken, getraute sich Morgan nicht, das Schwert an sich zu nehmen. Doch auf einer Truhe sah sie die Scheide liegen. Sie versteckte sie unter ihrem Reitumhang, ging hinaus, dankte den Nonnen und ritt eilends von dannen.

Als der König erwachte, vermißte er die Scheide. »Wer hat sie genommen?« fragte er zornig. »Wer ist hier gewesen?«

»Nur Eure Schwester Morgan le Fay, und sie ist wieder fort.«

»Ihr habt mich schlecht bewacht«, rief er. »Sie hat die Scheide meines Schwerts gestohlen.«

Dann raffte Artus sich von seinem Bett hoch, befahl, das beste Pferd zu bringen, das sich auftreiben ließ, und bat Sir Outlake, sich zu wappnen und ihn zu begleiten. Zu zweit galoppierten sie hinter Morgan her.

An einem Wegkreuz begegneten sie einem Kuhhirten und fragten ihn, ob er eine Dame habe vorbeireiten sehen.

»O ja«, antwortete er, »sie ist vor kurzem vorübergekommen und hatte vierzig Reiter bei sich. Sie sind auf diesen Wald dort zugeritten.«

Artus und Sir Outlake jagten weiter, und nach kurzer Zeit erspähten sie Morgan und trieben mit den Peitschen ihre Pferde noch mehr an. Morgan sah sie kommen, hetzte ihr Pferd durch den Wald und hinaus auf freies Gelände, und als sie sah, daß die Verfolger näher kamen, gab sie ihrem Pferd die Sporen und lenkte es in einen kleinen See. »Mit mir mag geschehen was will, aber die Scheide soll er nicht bekommen, weil sie ihn beschützt«, sagte sie zu sich und warf sie so weit hinaus ins Wasser, wie sie konnte. Da sie schwer von Goldschmuck und geschliffenen Steinen war, versank sie rasch.

Dann kehrte Morgan zu ihren Männern zurück und galoppierte weiter, in ein Tal mit großen, aufrechtstehenden Steinen, die Kreise bildeten. Morgan verzauberte ihre Getreuen und sich, und sie verwandelten sich alle in hohe Steine. Als Artus in das Tal hineinritt und die Steine sah, sagte er: »Sie hat Gottes Rache auf sich gezogen. Ich brauche keine Rache mehr zu nehmen.« Er suchte auf der Erde ringsum nach der Scheide seines Schwertes, konnte sie aber nicht finden, da sie im See lag. Und nach einiger Zeit ritt er langsam zurück zu dem Kloster.

Kaum war er fort, nahm Morgan wieder ihre Gestalt an und befreite ihre Männer aus ihren steinernen Hüllen. »Jetzt seid ihr wieder frei«, sagte sie, »aber habt ihr das Gesicht des Königs gesehen?«

»Ja, und es war eisig vor Grimm. Wenn wir nicht in Stein verwandelt worden wären, wären wir davongerannt.«

»Das glaube ich wohl«, sagte sie.

Sie ritten weiter und begegneten unterwegs einem Ritter, der einen Gefangenen in Fesseln und mit verbundenen Augen mit sich führte.

»Was habt Ihr mit diesem Ritter vor?« fragte Morgan.

»Ich werde ihn ertränken. Ich habe ihn mit meinem Weib ertappt. Und sie werde ich gleichfalls ertränken.«

Morgan fragte den Gefangenen: »Spricht er die Wahrheit?«

»Nein, Herrin, es ist nicht wahr.«

»Woher kommt Ihr? Wie heißt Ihr?« fragte sie.

»Ich bin von König Artus’ Hof«, antwortete er. »Ich heiße Manessen und bin ein Vetter von Sir Accolon.«

Morgan sagte: »Ich habe Sir Accolon geliebt. Zu Ehren seines Andenkens werde ich Euch befreien, und Ihr könnt mit diesem Mann tun, was er mit Euch tun wollte.«

Ihre Männer lösten ihm die Fesseln und banden den andern mit denselben Stricken. Sir Manessen legte die Rüstung seines Widersachers an, führte ihn zu einem tiefen Brunnen und warf ihn hinein. Dann kam er zu Morgan zurück. »Ich mache mich jetzt auf den Rückweg zu Artus’ Hof. Habt Ihr ihm irgend etwas zu bestellen?«

Sie lächelte bitter. »Allerdings«, sagte sie. »Richtet meinem teuren Bruder aus, daß ich Euch nicht ihm zuliebe, sondern wegen meiner Liebe zu Accolon gerettet habe. Und sagt ihm, ich fürchte ihn nicht, denn ich kann mich und meine Männer in Steine verwandeln. Und als letztes bestellt ihm, daß ich noch zu anderen Dingen fähig bin und ihm das beweisen werde, wenn die Stunde gekommen ist.«

Sie begab sich zu ihren Gütern im Lande Gore und ließ die Mauern ihrer Burgen und Städte verstärken und sie mit Waffen und Proviant versehen, denn trotz ihrer hochgemuten Botschaft an König Artus fürchtete sie ihn.