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Bockbier vom Blocksberg

Wenn nachts die Schatten wachsen

Wer zur Pilzpfanne gern ein kühles Pils trinkt, weiß vielleicht, dass dem Gerstensaft einst alkaloidhaltige Bilsenkrautsamen (Hyoscyamus niger) zugesetzt wurden, um die Rauschwirkung zu verstärken. Seine Karriere als Rauschdroge begann für das Nachtschattengewächs aber nicht als Lebensmittelzusatz, sondern schon in der Antike als Halluzinogen und Euphorisiakum für eine auserwählte Schar von Eingeweihten. 20, 36 Der botanische Name des Bilsenkrauts, Hyoscyamus, kommt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet «Schweinsbohne» – entweder weil die Zauberin Kirke Odysseus und seine Mannen damit in Schweine verwandelte, wie der antike Dichter Homer schreibt, oder weil die Fruchtkapseln entfernt Saubohnen ähneln. 8 Daneben trug das Bilsenkraut in Hellas den Beinamen «Pythonion», denn es war die «Seherdroge» der Orakelpriesterinnen in Delphi – allen voran Pythia. 5

Bilsenkraut enthält neben dem Alkaloid Hyoscyamin auch Atropin und Scopolamin. 26 Das schläfrig machende Scopolamin wurde bis in die jüngste Zeit mutmaßlichen Kriminellen oder Spionen als «Wahrheitsdroge» injiziert. Im Dämmerschlaf wird bekanntlich allerlei gestanden. 33 Auf eine ebenso dubiose Anwendung weist sein deutscher Beiname «Altsitzerkraut» hin: Als pflanzliches Gegenstück zum Arsenik, das auch als «Altsitzerpulver» bezeichnet wurde, sorgte Bilsenkraut für die unauffällige Beseitigung von unproduktiven, den Haushalt belastenden Greisen. 20, 34

Hexenkessel im Sudhaus

Bilsenkrautzusätze zum Bier zwecks Erhöhung der Rauschwirkung scheinen eine lange Geschichte zu haben, denn offenbar kannten schon die alten Germanen diesen Trick 34 – auch wenn ihnen Bier durch den Bittergeschmack im Vergleich zum süßen Met eher gewöhnungsbedürftig erschienen sein dürfte. Die üblen Nebenwirkungen, die beim chronischen Gebrauch von Bilsenkraut-Bier auftreten, sowie akute Vergiftungen mit tödlichem Ausgang führten dazu, dass in der frühen Neuzeit gegen diese Gewohnheiten gesetzlich vorgegangen wurde. So verbietet die Polizeiordnung von Eichstätt 1507 den Brauern ausdrücklich, dem Bier «den Kopf tollmachende» Kräuter wie Bilsenkrautsamen zuzusetzen.

Auch der Rat der Stadt Nürnberg verbot 1557 den Bierbrauern, ihr Gesinde in die Apotheke zu schicken, um dort «Pilsensamen» einzukaufen, die dem Bier in Pulverform beigesetzt wurden. 34 Und nach der Bayrischen Land- und Polizeiordnung von 1649 ist der Zusatz von Wacholder und Kümmel zum Bier wieder gestattet – das Reinheitsgebot von 1516 war offenbar längst vergessen. «Wer aber andere Kräuter und Samen, fürnehmlich Bilsen, in das Bier thut, der soll … nach Ungnaden gestraft werden.» 34, 36 Richtig gefährlich konnte dem durstigen Biertrinker ein Teufelskreis werden: Das Atropin im Bilsenkraut trocknet den Mund aus, und die Mundtrockenheit sorgt für neuen «Brand», sodass noch mehr giftiges Atropin in den Körper gelangt. 27

Die Klagen über Biere mit Bilsenkraut, aber auch Stechapfel und anderen toxischen Zutaten, hielten jedoch an. Noch 1822 beschwerten sich Erfurter Bürger, dass das Bier «bey mäßigem Genuß heftige Wallung im Blute, Trockenheit im Schlunde, Schwindel, Kopfschmerz und selbst Erbrechen» verursachte. Leider gab es damals noch keine analytische Nachweismethode, was den Bierpanschern zugutekam und den Missbrauch förderte. 34

Ob sich der Name der böhmischen Stadt Pilsen, der wir die Biersorte «Pils» verdanken, von der unrühmlichen Technik der Beimischung von Bilsenkrautsamen herleitet, darüber wird noch immer heftig gestritten. Unbestritten ist jedoch, dass es dort im Mittelalter große Bilsenkrautfelder zu genau diesem Zwecke gab. Nach Meinung von Sprachforschern geht der Stadtname «Pilsen» aber wohl eher auf das alttschechische Adjektiv plzni (nützlich, angenehm) zurück, als dass sie für die böhmische Stadt den naheliegenden Ursprung annehmen könnten. 34 Wie dem auch sei, für die Pilsener Bierbrauer waren zumindest die kurzen Wege zum nächsten Bilsenkrautfeld sicherlich äußerst plzni.

Der Kampf um das Bilsenkraut im Bier zog sich noch bis weit ins 19. Jahrhundert. Im 21. Jahrhundert können wir ziemlich sicher sein, dass unser Bier, ob Pils, Alt oder Bock, keine Bilsenkrautsamen enthält. Wer aber glaubt, dass sich in seinem Bier nichts weiter als Wasser, Hopfen und Malz tummeln, ist der Werbung der Brauwirtschaft auf den Leim gegangen … das Schwefeln von Hopfen und Malz, Lösungsmittel zur Hopfenextraktion, PVPP zum Klären des Biers, Rohrzucker und Saccharin bei obergärigen Bieren und einiges mehr dürfen auf dem Etikett schamhaft verschwiegen werden.

Hopfen und Malz

Goldener Gerstensaft, fein gehopft und frisch gezapft, war unseren Vorfahren zwar nicht völlig unbekannt, aber doch umstritten. In England war die Verwendung des Hopfens, weil ein «übles und gefährliches Kraut», zeitweise als Panscherei verboten. 4 Dafür gaben die Brauer den giftigen Sumpfporst (Ledum palustre) einst mit in die Braubottiche, was der Bekömmlichkeit nicht unbedingt zuträglich war. So nimmt der Ethnobotaniker Christian Rätsch an, dass die sprichwörtliche Berserkerwut nicht nur von Fliegenpilz, sondern auch von porsthaltigem Bier hervorgerufen wurde. 24 Dieses Heidekrautgewächs enthält ein ätherisches Öl, dessen Giftigkeit vom Ledol, dem sogenannten Porstkampfer, hervorgerufen wird. 1 Das narkotische und örtlich betäubende Ledol führt zu Rauschzuständen, gefolgt von Erbrechen und heftigem Durchfall. Wer damit römischen Legionären Paroli bieten wollte, musste das Ledol schon recht genau dosieren. Aber ein kleiner Zusatz half sicherlich, ein wenig Malz und Hopfen zu sparen.

Allerdings ist Tollkühnheit nur in kriegerischen Zeiten erwünscht. In friedlicheren Tagen schätzt der Staat möglichst wenig aufmüpfige Untertanen. Dies war vermutlich ein Grund, warum die Obrigkeit 1516 in Bayern das berühmte «Reinheitsgebot» erließ, darin den beruhigenden und zugleich konservierenden Hopfen (Humulus lupulus) zum Brauen vorschrieb und alle «aufrührerischen» Zutaten verbot. Die beruhigende Wirkung des Hopfens war den Mönchen, die die Hopfengärten pflegten, schon zu jener Zeit bestens bekannt, und so taucht der Hopfen denn auch bereits im ersten, in Deutschland gedruckten Kräuterbuch, dem Herbarius Latinus (1484), mit deutschem Namen auf. 30 Unruhigen Kindern legte man früher mit Hopfendolden gefüllte Kissen unter den Kopf, da deren Duft leicht hypnotisch wirkt. Frischer Hopfen verursacht die sogenannte Hopfenpflückerkrankheit, die von starker Schläfrigkeit gekennzeichnet ist. 13 Seitdem Hopfen den Gerstensaft bereichert, genehmigen sich viele Menschen abends noch ein Bierchen zum Einschlafen.

Peace, Alter!

Welcher dieser Stoffe nun tatsächlich beruhigt, darüber diskutieren die Gelehrten noch. Kein Wunder angesichts der Fülle von potenziell verdächtigen Substanzen im Harz des Hopfens. 32 Dem Standardwerk Kulturgeschichte der Nutzpflanzen entnehmen wir den Hinweis, dass «Hopfen in England wie Opium geraucht wurde». 25 Das überrascht kaum: Der nächste botanische Verwandte ist der Hanf (Cannabis sativa). Sowohl beim Hopfen als auch beim Hanf erntet man die drogenhaltigen weiblichen Blüten, bei denen die Wirkstoffe in Harzdrüsen lokalisiert sind. So erstaunt es nicht, dass die Fachpresse von «Marihuana-ähnlichen Wirkungen» spricht.1, 15 Marihuana (ursprünglich «Maria Johanna») ist ein volkstümlicher (Deck-)Name für Cannabis. Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Komik, wenn am Biertisch mit schwerer Zunge strengere Kontrollen des Haschischkonsums gefordert werden.

Einen Beitrag zur Hopfenwirkung leistet offenbar das schon vor mehr als einem Jahrhundert als sedierend beschriebene Hopfenalkaloid Hopein. 19 Inzwischen hat sich gezeigt, dass es sich wohl um ein Morphin handelt. 11 In alkoholischer Lösung lässt Hopfen den Darm erschlaffen 10, er löst Krämpfe, beruhigt und wirkt hypnotisch. 28, 37 Wirksam ist auch der durch Extraktion mit überkritischem Kohlendioxid gewonnene Hopfenextrakt, der in neuerer Zeit von den Brauereien eingesetzt wird. 38

Nicht vergessen werden darf das Methylbutanol, das eine verblüffende Strukturähnlichkeit mit dem Schlafmittel Methylpentynol aufweist. 16, 35 Bei Mäusen wirkt es narkotisch. Zwar sind die Gehalte im Bier für eine pharmakologische Wirkung zu gering. Da aber das Colupulon im Bier das Enzym P450 aktiviert, erwarten Pharmakologen die Bildung von Methylbutanol aus dem wichtigen Hopfeninhaltsstoff Lupulon im menschlichen Körper – sozusagen analog zur Amphetaminbildung aus Myristicin durch Cola. 22

Auch das Malz steuert seinen Teil dazu bei, den Biertrinker bei der Stange zu halten, und zwar via Hordenin (Dimethyltyramin). 3 Hordenin entsteht erst während des Mälzens; der danach im Gerstenkeim gebildete Alkohol verstärkt die Wirkung. Früher wurde Hordenin als Arzneimittel gegen Kreislaufstörungen verordnet. 9 Hordenin ist mit den Aufputschmitteln Ephedrin und Meskalin verwandt – vielleicht eignet sich das Bier deshalb so gut zum Mutantrinken.

Wer die Wirkung von Hopfen und Malz kennt, wundert sich nicht, dass sich die inzwischen legalen Hanfbiere trotz eines breiten Angebots nach wie vor auf einen exotischen Nischenmarkt beschränken. Die in Deutschland gültige Höchstmenge von fünf Teilen pro Milliarde (5 ppb) im Bier 6 darf als staatliche Norm zur Täuschung im Lebensmittelverkehr aufgefasst werden. Wer diesen Grenzwert einhält, kommt mit homöopathisch geringen Hanfmengen aus. Derartige «Zusätze» rechtfertigen eigentlich keine Deklaration als «Hanfbier». Als Begründung verwies die Behörde auf die Vielzahl unerwünschter Wirkungen des Cannabisinhaltsstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) und nannte zuvörderst einen «Einfluss auf das zentrale Nervensystem». 7 Das wird allerdings auch beim Lesen alberner Pressemitteilungen unangenehm aktiviert …

Ein Ritt auf dem Besen …

Nicht nur deutsche Biertrinker, auch die englischen Hexen in Shakespeares «Macbeth» standen auf Bilsenkraut. Schließlich galt als eines der wichtigsten Zeichen der Hexerei der Hexenflug per Besen und Flugsalbe. Die Rezepturen dafür wiesen psychoaktive Pflanzenwirkstoffe in unterschiedlichen Zusammensetzungen auf – denn halluzinatorische Effekte lassen sich durch Kombination oft noch steigern.

Solche Rezepte wurden lange Zeit nur mündlich überliefert, schriftliche Aufzeichnungen findet man erst relativ spät, so bei dem italienischen Gelehrten Giambattista della Porta (1538 – 1615) in seinem Buch Magiae naturalis sive de miraculis rerum naturalium. Er empfiehlt eine Mischung alkaloidhaltiger Pflanzen, darunter Nachtschattengewächse (Solanaceen) wie Bilsenkraut, mit Schweineschmalz als Trägersubstanz; «verfeinert» wird die ölige Salbe mit Opium. Bereits ein haselnussgroßer Klecks, so der Autor, soll einen zweitägigen «Abflug» bewirken.

Mit solchen Salben rieben sich die Junkies von anno dazumal, vulgo Hexen, damals Achselhöhlen, Arm- und Leistenbeugen, aber auch Anus und Vagina ein – heute würden Mediziner dieses Auftragen auf die Haut als «Transdermales Therapeutisches System (TTS) mit Retardeffekt» bezeichnen. 30 Ein damit bestrichener Besenstiel zwischen den Beinen dürfte bei korrekter Haltung ebenfalls zu den passenden Phantasien beigetragen haben. Über die Haut aufgenommen, erzeugen die Tropanalkaloide neben starken Halluzinationen und erotischen Vorstellungen ein Gefühl des Fliegens (bei Missbrauch kann es zu Unruhe, Weinkrämpfen und Rededrang kommen). 13 So glaubten die User früherer Zeiten, in der Walpurgisnacht auf ihrem Besenstiel zum Stelldichein mit dem Teufel auf den Blocksberg zu reiten, wie es der deutsche Dichter Theodor Storm 1885 in seinem Gedicht «Walpurgisnacht» so lebhaft beschreibt:

«Wer bist du, du schöne, du lustige Maid?
Juchheisa, Walpurgis ist kommen!
Was zauderst du, Hexchen, komm, springe mit ein,
Sollst heute des Meisters Liebste sein,
Du schöne, du lustige Dirne!»
Der Nachtwind peitscht die tolle Schar
Im Kreis um die weinende Dirne,
Da packt sie der Meister am goldenen Haar
Und schwingt sie in sausendem Reigen,
Und wie im Zwielicht der Auerhahn schreit,
Da hat der Teufel die Dirne gefreit
Und hat sie nimmer gelassen.

Und wer einmal mit dem Teufel getanzt hatte, der blieb dabei – oder anders gesagt: Wer einmal mit der Einnahme halluzinogener Drogen begonnen hatte, den ließ die Sucht nicht mehr los.

… verleiht Flüüügel

Hexensalbe und Fliegen wurden schon in der Antike miteinander in Verbindung gebracht. So schildert der römische Dichter Lucius Apuleius (ca. 125 – 180 n. Chr.) in seinem Schelmenroman Der goldene Esel, wie sich die Hexe Pamphile «fasernackt» auszieht, sich «von der Ferse bis zum Scheitel» mit einer Hexensalbe einreibt und in einen Vogel verwandelt 2: «In einem Augenblick sind auch starke Schwungfedern gewachsen, hornicht und krumm ist die Nase, die Füße sind in Krallen zusammengezogen. Da steht Pamphile als Uhu! Sie erhebt ein grässliches Gekrächze und hüpft zum Versuche am Boden hin. Endlich erhebt sie sich auf ihren Flügeln in die Höhe und in vollem Fluge hinaus zum Erker.» Der Ich-Erzähler ist von dieser Verwandlung so fasziniert, dass er die Salbe bei nächster Gelegenheit selbst ausprobiert. Und er verwandelt sich ebenfalls, aber nicht in einen Vogel, sondern in einen – Esel.

Die Vision vom Wachsen der Schwungfedern ist wohl weniger auf Scopolamin oder Atropin zurückzuführen, sondern rührt von einem ganz anderen Inhaltsstoff her: dem Aconitin. Dieses extrem giftige Sesquiterpenalkaloid aus heimischen Eisenhut-Arten (Aconitum ssp.), ebenfalls ein Bestandteil von halluzinogenen Salbenzubereitungen, erzeugt ein Kribbeln auf der Haut. 31 Im Rahmen von Nachtschatten-Halluzinationen kann das schon mal ein Gefühl auslösen, als ob einem Federn oder auch Fell wächst, je nachdem, ob man sich in ein Federvieh oder einen Werwolf verwandelt.

Abb. 7: Flug des Teufels und zweier Hexen in Tiergestalt; aus: Molitor, De lamiis et phitonicis mulieribus (um 1498).

Fromme Albträume
Wie zu erwarten, blieben bei den Drogenusern auch Horrortrips nicht aus. Die albtraumhaften Gemälde von Hieronymus Bosch (1450 1516) bieten dazu reichlich Anschauungsmaterial. Daraus speisten sich die Vorstellungen des Christentums von der Hölle. Doch das Bilsenkraut durfte noch in anderer Weise den christlichen Glauben stärken, indem es half, die «Lüsternheit des Fleisches» zu besiegen. Die Geißler (Flagellanten) putschten sich mit einer ordentlichen Portion Bilsenkraut auf, was nicht nur den Schmerz nahm, sondern gleichzeitig auch zu ekstatischen Rauschzuständen führte. So dienten die Zutaten der Hexensalben in vielfältiger Weise der Demut und Frömmigkeit des Christenvolkes. 12 Bei den Selbstgeißelungen wurden ganz nebenbei auch noch die Effekte der körpereigenen «Glückshormone» (Endorphine) genutzt, die ebenfalls zu Schmerzunempfindlichkeit sowie Euphorie führen.

Nachtschatten-Narkose

Die mittelalterliche Literatur ist voller Rezepte mit Opium und narkotisch wirkenden Nachtschattendrogen. Im Codex Casinensis ist ein Gebräu für einen Schlafschwamm («spongia somnifera») beschrieben, den Chirurgen gebrauchten, damit ihre Patienten «den Schmerz des Schneidens nicht spüren»: Opium, Presssaft von Alraunenblättern, Schierling und Bilsenkraut. Das Schwämmchen wurde in die Nase gesteckt, reanimiert wurde nach der Narkose mit Essig. Auch im Antidotarium Nicolai aus dem 12. Jahrhundert finden sich mehrere Dutzend Rezepte, die sowohl Opium als auch Bilsenkraut enthalten. 17, 29

Im 16. und 17. Jahrhundert verschwinden die Nachtschattengewächse jedoch zugunsten der Opiumpräparate, für die sich der Arzt und Alchemist Paracelsus (1493 – 1541) starkgemacht hatte, aus den Arzneibüchern. Das ist kein Wunder, da Solanaceendrogen durch Überdosierung der im Wirkstoffgehalt wechselnden Pflanzen wohl immer wieder zu Todesfällen geführt haben 30 und zudem für ihre unangenehmen Nebenwirkungen bekannt sind. Dazu gehören neben den halluzinogenen Effekten schmerzhafte Krämpfe der Kau- und Nackenmuskulatur. Die Räusche verlaufen – im Gegensatz zum Opium – häufig auch nicht gerade angenehm, sondern eher beängstigend. Und Vergiftungen mit Bilsenkraut können wegen des hohen Scopolamingehalts sogar unheilbare psychische Störungen hinterlassen. Scopolamin sorgt jedenfalls für Gedächtnisschwund. Das trifft dann natürlich auch für die Abenteuer zu, die im Rausch erlebt wurden. 18, 21

Das schmerzlindernd wirkende Opium löste die Solanaceendrogen allmählich ab. Das galt vor allem für diejenigen, die es sich leisten konnten und nicht auf das Sammeln von Bilsenkraut und Tollkirsche in Feld und Wald angewiesen waren. Teilweise wurde Opium wiederum mit Scopolamin kombiniert. Diese Kombipräparate dienten zur Narkose vor chirurgischen Eingriffen, wirkten aber nicht sehr zuverlässig. 23 Womöglich war dafür vor allem das Rohopium verantwortlich, da eine derart wertvolle Handelsware schon immer gern in gestreckter Qualität zum Export kam. 14 Mit der Verbesserung der Inhalationsnarkose verschwanden diese Präparate endgültig im Orkus der veralteten Arzneien. 18