Kapitel Fünf

»Was warst du vorher?«

Sie hatten Jho’tol ne Thrigne in eine große Kabine oberhalb des Gartens gebracht. Anscheinend hatte der Kommandant der Destination Moon Rin und Arnest darum gebeten. Unter den wenigen Menschen, die auf dem Schiff zurückgeblieben waren, hatte sich bereits herumgesprochen, dass jemand im Zellentrakt gefangen gehalten wurde. Die Kabine war abgelegener und lag vor allem weitab der Wege, die die Menschen benutzten, um Vorräte zum Shuttle zu bringen. Zwischen ihnen und den Leuten, die Jho’tol entführt hatten, schien es Unstimmigkeiten zu geben, das entnahm er Arnests deutlichen Worten.

»Was warst du vorher?«, wiederholte Rin. Sie saß Jho’tol gegenüber. Zwischen ihnen befand sich ein mit dem Boden verschraubter Metalltisch. Eine seiner großen Hände war an das Tischbein rechts von ihm gekettet.

»Ich war immer nur ich«, sagte Jho’tol.

»Oh Mann.« Arnest trat mit dem Stiefel gegen die Wand. »Hör endlich auf, so eine Scheiße zu labern, Joe, und sag uns, was vor Lanzo an deinem Arsch geklebt hat.«

Jho’tol sah zuerst ihn, dann Rin gelassen an. »Ihr seid nicht einmal in der Lage, mich mit meinem korrekten Namen anzusprechen. Kein Wunder, dass euch komplexere Aussagen überfordern.«

Arnest ballte die Faust, holte aber nicht damit aus, sondern schob sie nach einem Moment in die Tasche. Dann ließ er sich so schwer auf das geblümte Sofa an der Wand fallen, dass die Federn laut quietschten. »Ich dreh hier noch durch.«

Rin beachtete ihn nicht. »Dann formuliere ich meine Frage so, dass du eine einfache Antwort darauf geben kannst, Joe. Als was haben dich die Menschen bezeichnet?«

»Ich hatte selten Anlass, Kontakt zu Menschen zu suchen, aber wenn ich es getan habe …« Er hob den Kopf und sah Rin stolz an. »Dann nannten sie mich Waran.«

»Ich bin noch keinem Waran begegnet, den ich nich’ umlegen wollte«, sagte Arnest. Er hatte sich auf dem Sofa ausgestreckt und den Arm über die Augen gelegt. Jho’tol nahm die Aussage nicht persönlich. Er vermutete, dass Arnest sie über die meisten Wesen traf, denen er begegnete.

Rin tippte etwas auf ihrem Pad. »Wo kommst du her?«, fragte sie dann. »Welcher Planet?«

Die graue Kabine mit ihren rechten Winkeln verschwand vor Jho’tols Augen. An ihre Stelle trat dichtes Grün. Er spürte, wie Zweige seine Haut streiften und seine Klauen im sumpfigen Boden versanken. Sonnenlicht blitzte zwischen großen Blättern auf. Die Luft war feucht und schwer.

Jho’tol schüttelte die Erinnerung ab. Er würde seine Welt nie wieder so erleben, nicht in diesem Körper. Die Endgültigkeit seiner Entscheidung versetzte ihn einen Moment lang in Panik. Er fing sich mühsam wieder.

»Ich werde keine weiteren Fragen beantworten«, sagte er. »Sie langweilen mich.«

»Erklär uns wenigstens, warum du das getan hast.« Rin tippte auf das Display ihres Pads, drehte es und zeigte Jho’tol das Foto, das sie von ihm gemacht hatte. »Wenn du das siehst, wie kannst du behaupten, du seist immer nur du gewesen. Hast du immer schon so ausgesehen?«

Es war seltsam, den eigenen, fremden Körper so zu betrachten, wie er anderen erscheinen musste. Schön war er nicht, aber stark und gesund. Das spürte Jho’tol und das sah er in seinem eigenen, vollen Gesicht und in seinem wachen, klaren Blick.

»Nicht immer, aber das spielt–«

»… kriegen wir wohl kaum raus.«

Jho’tol blinzelte. Rin saß ihm nicht mehr gegenüber, sondern stand an der Tür, den Blick auf das Pad gerichtet. Arnest saß aufrecht auf dem Sofa.

Es ist schon wieder passiert, dachte Jho’tol. Etwas in ihm krampfte sich zusammen. Er hatte Angst und er schämte sich nicht mehr, es sich einzugestehen. Das geht so nicht weiter.

»Ich kann mir nich’ vorstellen, dass das Ama’Ru so viel bringt«, sagte Arnest und stand auf. »Was der ganze Scheiß soll, wissen wir ja immer noch nich’.«

»Ama’Ru wird schon wissen, weshalb wir diese Fragen stellen sollten.« Rin berührte das Display. Eine Sekunde später piepte Arnests. »Das sind die Antworten, die wir bekommen haben. Mal sehen, ob sie was damit anfangen kann.«

Ama’Ru? Die beiden Menschen erwähnten sie nicht zum ersten Mal, doch Jho’tol nahm den Namen zum ersten Mal bewusst wahr. »Sprecht ihr von Ama’Ru en Rahlyn od Fir?«

»Warum?« Rin sah ihn neugierig an. »Kennst du sie?«

»Ich kenne ihren Ruf.« Es war offensichtlich, dass sie mehr wissen wollten, aber er ignorierte ihre fragenden Blicke. Stattdessen dachte er an ein Gespräch, das er vor nicht allzu langer Zeit geführt hatte. Ein Satz daraus hallte in seiner Erinnerung nach: »Hhalim. Du musst denken, als wärst du Hhalim