Kapitel Zwölf
Achtung! Automatische Temperaturregelung abgeschaltet. Antriebsüberhitzung in 5:51 Minuten. Manuelle Korrektur erforderlich. Achtung!
Der Warnhinweis flackerte über alle Displays der Brückenkonsolen. Jho’tol sprang auf und lief durch die Tür in den Gang hinein. Er wusste, wohin er zu gehen hatte. Laut Bordcomputer lag das Shuttle, das die Kolonisten auf der Erde mit Vorräten versorgte, angedockt an einer Luftschleuse eine Etage tiefer. Die Tür zu dem großen, von UV-Lampen erhellten Garten öffnete sich zischend vor ihm. Er lief die Treppe auf seinen kräftigen Beinen hinunter. Sein Körper gehorchte ihm ohne Zögern, ohne Widerstand. Euphorie überkam ihm. Er war als Gefangener der Menschen und seines eigenen Körpers auf dieses Schiff gekommen, doch er hatte triumphiert. Die Destination Moon würde es in wenigen Minuten nicht mehr geben und mit ihr würden auch die Menschen an Bord und die an sie angedockte Eliot vernichtet werden.
Er hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, die Eliot anstatt des Shuttles zu übernehmen, aber er war kein Pilot und Lanzos Wissen über die Schiffsfunktionen war lückenhaft. Das Shuttle musste reichen. Es ist ja nicht weit, dachte er.
Der große Raum, in dem sich die Unterkünfte der Menschen befanden, war fast leer. Nur eine alte Frau, die sich auf zwei Krücken stützte, schrie auf, als Jho’tol an ihr vorbeilief. Er bog in einen Gang ab und rannte weiter, bis er die Luftschleuse Nummer zwei fand. Durch das Bullauge sah er das Shuttle, das dort angedockt war. Es war erleuchtet. Der Antrieb war bereits eingeschaltet, der Kurs eingegeben. Er hatte alles von der Brücke aus aktiviert.
Er horchte in sich hinein, doch da war nichts außer ihm selbst. Lanzos Erinnerungen und Erfahrungen waren die seinen geworden, was noch von dem Fremden in seinem Körper geblieben war, löste sich langsam auf.
Ich habe ihn besiegt. Ich habe sie alle besiegt.
Er betrat das Shuttle, ging ins Cockpit und ließ sich in den Sitz gleiten. Der Bordcomputer reagierte auf seine Anwesenheit und schaltete die Displays ein.
»Autopilot aktivieren?«, fragte eine kühle, männliche Stimme.
»Ja.«
Das Deck vibrierte unter seinen Füßen. Jho’tol hörte, wie sich die Andockklammern von den Ringen lösten. Einen winzigen Moment lang glaubte er zu schweben, dann schaltete sich die künstliche Schwerkraft an Bord ein. Das Shuttle drehte sich und er sah den blauweißen Halbkreis der Erde unter sich.
Schöne neue Welt. Er würde sich dort wohlfühlen. Das Shuttle beschleunigte und tauchte in das dünne Band der Atmosphäre ein. Automatisch verdunkelten sich die Fenster. Jho’tol richtete sich im Sattel auf, um die Monitore besser erkennen zu können. Noch waren die Shuttlesysteme mit denen der Moon verbunden und er sah deren Warnhinweise auf den Displays.
Achtung! Automatische Temperaturregelung abgeschaltet. Antriebsüberhitzung in 0:30 Minuten. Manuelle Korrektur erforderlich. Achtung!
Jho’tol wischte sich nervös mit den Händen über die Schultern. Er hatte länger gebraucht als erwartet. Er wollte die Geschwindigkeit des Shuttles erhöhen, aber das ließ der Autopilot nicht zu.
Achtung! Automatische Temperaturregelung abgeschaltet. Antriebsüberhitzung in 0:10 Minuten.
Mit seinen großen Händen legte er den Sicherheitsgurt an. Dann ließ er sich zurück in den Sattel sinken und klammerte sich an seinen Körper.
Er hörte die Explosion nicht, sah sie auch nicht, doch auf einmal wurde das Shuttle nach vorn katapultiert. Jho’tol wurde durchgeschüttelt, Metall ächzte und knirschte, es roch verbrannt. Etwas prasselte von außen gegen den Rumpf, vielleicht Trümmer, vielleicht Atmosphärenpartikel. Der Antrieb heulte auf. Warnlampen blinkten. Er hatte keine Ahnung, was sie bedeuteten.
Im nächsten Moment sah er einen dunklen Sternenhimmel jenseits der Fenster, dann lichtlose Schwärze und erneut die Sterne. Das Shuttle überschlug sich mit rasender Geschwindigkeit. Joysticks bewegten sich schnell. Der Autopilot versuchte, die Kontrolle über das kleine Schiff wiederzuerlangen, aber Jho’tol hatte nicht den Eindruck, dass es ihm gelang.
Das Shuttle stürzte der Schwärze entgegen.