7

Tödliche Frauen

 

Hinter ihnen verklang das Kampfgetöse. Vom Sirenengesang angelockt, liefen die Männer, Crombie eingeschlossen, den Pfad entlang. Der Gesang wurde immer betörender, und Bink wußte, daß er einen noch sichereren Tod bedeutete als der Gewirrbaum – doch was für ein schöner Tod!

Es war ein guter Pfad: Nichts stellte sich ihnen entgegen. Bald kamen sie ans Ufer eines kleinen Teichs. Auf dem Teich befanden sich zwei winzige Inseln, die wie Berggipfel aus dem Wasser herausragten. Der Pfad führte über das Wasser zu einer der Inseln. Von dort kam die Sirenenmusik.

Sie betraten den Wasserpfad. Crombie, dessen Widerstand gegen Frauen durch das tapfere Verhalten der Dörflerinnen offenbar gebrochen worden war, ging als erster. Dann folgte der Magier, Bink war dritter und –

Da hörten sie von der Seite ein wütendes Blöken. Ein kleines Wesen kam das Ufer entlanggerannt. Es war vierbeinig und wollig, wie ein Schaf, mit breiten, gebogenen Hörnern. Offenbar verlief der Pfad durch sein Revier, und dagegen wollte es nun etwas unternehmen.

Chester, der dem Ding direkt im Weg stand, blieb stehen.

»Ein Rammbock«, sagte er. »Unterliegt nicht dem Sirenenzauber, weil er bloß ein Tier ist. Hat keinen Zweck, mit ihm zu diskutieren.«

Ein Rammbock! Einen Augenblick war Binks Neugier stärker als der Sirenenzauber. Er hatte von diesen Tieren und ihren Verwandten, den hydraulischen Rammen, schon gehört, war aber noch nie einem begegnet. Soweit er wußte, lebten sie nur, um zu rammen, was sie sehr genossen. Wenn man ein Tor einrammen oder eine Burg schleifen wollte, war ein solcher Rammbock unschätzbar. Zu anderen Zeiten waren sie oft recht lästig, weil sie es nicht bleiben lassen konnten, mit ihren Schädeln gegen Hindernisse anzurennen.

Chester war wesentlich größer als der Rammbock, doch der hatte ihn vom Sirenenpfad abgeschnitten. Chester wich ihm aus, doch der Rammbock bremste quietschend – wirklich eine beachtliche Leistung im Sand, sogar mit Magie! – und wirbelte herum, um erneut anzugreifen. Wenn er den Rammbock ignorierte, würde ihn dieser voll in sein geliebtes Hinterteil rammen, also drehte er sich wieder zu ihm um, um seinem nächsten Angriff auszuweichen.

Doch das würde kein Ende nehmen. Der Bock würde fröhlich endlos weitermachen. Chester mußte jedoch dem Ruf einer Sirene folgen. Irgendwie mußten sie den Rammbock aufhalten.

Bink fragte sich, ob der Bock wieder ein Produkt seines Talents war, das ihn von der Sirene abhalten sollte. In diesem Fall müßte er sich eigentlich dem Rammbock stellen und nicht Chester.

Chester manövrierte sich zwischen verschiedenen Angriffen so geschickt vor einen Baum, daß der Rammbock bei seiner nächsten Attacke nur noch gegen den Stamm prallen konnte, wenn er ihm rechtzeitig auswich. Doch da erkannte Bink den Baum.

»Nicht den Baum, Chester!« rief er. »Das ist ein –«

Doch da war es schon zu spät. Warum kam er immer nur zu spät? Das wurde langsam wirklich ärgerlich! Der Rammbock griff an, Chester tänzelte zur Seite, ein flötengleiches Trillern erscholl, und der Rammbock donnerte mit dem Schädel mit voller Wucht gegen den Baum. Der Baum begann zu beben.

»… Granatapfelbaum«, beendete Bink seinen Satz zu spät.

Nun plumpsten die Früchte herab: dicke rote Granatäpfel, die alle schon recht reif waren. Als sie auf dem Boden aufprallten, explodierten sie. Auf diese Weise pflanzte sich dieser Baum auch fort: Die explodierenden Früchte schleuderten ihre Schrappnellsamen durch die Landschaft, wo sie mit viel Glück und Magie einen neuen Granatapfelbaum keimen lassen konnten. Es war allerdings nicht sehr ratsam, währenddessen daneben zu stehen.

Eine Granate traf den Rammbock am Hinterteil. Der Bock blökte und wirbelte herum, um sich ihr mit versengtem und zerschrammtem Hinterteil entgegenzustellen, doch das war natürlich zwecklos. Zu allen Seiten explodierten weitere Früchte. Eine Frucht fiel direkt vor dem Rammbock nieder. Mit einem herausfordernden Schnauben sprang das Tier vor, um sie auf die Hörner zu nehmen. Als der Granatapfel schließlich explodierte, wurde der Rammbock vom Schock völlig um den Verstand gebracht und lief, glücklich blökend, davon.

In der Zwischenzeit vollführte Chester ein wahres Meisterwerk des Tanzes, indem er versuchte, seinen Schweif und seine glänzenden Flanken in Sicherheit zu bringen. Mit seinem Schweif wedelte er einen Apfel beiseite – doch da explodierte er direkt unter seinem Kinn. Sein Kopf wurde von Flammen und Qualm eingefaßt, und als sich der Rauch wieder verzogen hatte, stand er wie betäubt da.

Obwohl er sich Sorgen um seinen Freund machte, war Bink unfähig, zu ihm zurückzulaufen. Das lag zum Teil am Sirenenzauber, zum anderen Teil aber auch daran, daß der Pfad, der über das Wasser führte, mal wieder ein Einbahnpfad war. Wenn er voranschritt, war er fest und sicher, doch wenn er zurückging, war da nur Wasser. Der Teich war zwar klein, wirkte jedoch sehr tief, und er zögerte, sich den Fluten preiszugeben. Böse Magie lauerte oft in den Tiefen. Deshalb konnte er nur zusehen und rufen: »Chester! Ist alles in Ordnung?«

Der Zentaur stand einfach nur da und schüttelte langsam den Kopf. Die Explosion hatte seinem immer schon häßlichen Gesicht nicht weiter geschadet, aber Bink sorgte sich um den scharfen Verstand seines Freundes. Hatte der Apfel etwa sein Gehirn beschädigt?

»Chester! Kannst du mich hören?« Doch als Chester ihn nicht anblickte, begriff Bink, was geschehen war: Die Explosion hatte ihn taub gemacht!

Bink wedelte heftig mit den Händen, bis Chester ihn bemerkte. »Lauter – ich kann dich nicht verstehen!« Da begriff der Zentaur es auch. »Ich bin taub! Ich kann nichts hören!«

Wenigstens schien er ansonsten in Ordnung zu sein. Bink war erleichtert und spürte, wie ihn die Sirene wieder anlockte. Er winkte Chester.

»Zum Teufel mit der Sirene!« rief Chester. »Ich kann sie nicht mehr hören. Es ist die reine Dummheit, zu ihr zu gehen. Sie will nur euren Tod!«

Doch Bink, dessen Talent wahrscheinlich für diese Hindernisse verantwortlich war, stand selbst im Bann der Sirene und schritt auf die Insel zu. Crombie und der Gute

Magier waren nicht so lange stehengeblieben und waren bereits fast am Ziel.

Chester galoppierte den Pfad entlang und packte Bink mit kräftigen Pranken an den Ellenbogen. »Geh nicht, Bink! Das ist Wahnsinn!«

Doch Bink ließ sich nicht beirren. »Laß mich runter, Pferdehintern! Ich muß gehen!« Und seine Füße liefen weiter, mitten in der Luft.

»Ich kann dich zwar nicht verstehen, weiß aber, was du sagst. Es lohnt sich nicht, darauf zu hören«, sagte Chester. »Es gibt nur eine Methode, diese Sache zu beenden, bevor die anderen verloren sind.«

Er setzte Bink ab und holte seinen riesigen Bogen hervor. Die Sirene war noch weit entfernt, aber mit der Bogenschießkunst eines Zentauren konnte es niemand aufnehmen. Chesters Sehne surrte, dann jagte der tödliche Pfeil auch schon über das Wasser, auf die Insel und die weibliche Gestalt zu, die dort stand.

Ein Schmerzensschrei, und die Melodie hörte abrupt auf. Chesters Pfeil hatte sein Ziel getroffen! Plötzlich waren sie alle frei, und der Zwang wich von ihnen ab. Binks Talent hatte endlich die Oberhand behalten und ihn vor dem Verderben bewahrt, ohne sich dabei bloßzustellen.

Sie liefen auf die Insel zu. Dort lag die Sirene – die schönste Meerjungfrau, die Bink jemals gesehen hatte. Ihr Haar war wie flüssiger Sonnenschein und ihr Schwanz wie ein Wasserstrom. Der grausame Pfeil hatte ihre Brust durchbohrt, eine Spur unterhalb ihrer phantastischen Brüste, und sie blutete aus Brust und Rücken. Mit ihrem Oberkörper war sie über ihrer Harfe zusammengesackt.

Doch sie war noch nicht tot, sondern atmete noch, obwohl der Pfeil sie mit gespenstischer Treffgenauigkeit mitten ins Herz getroffen haben mußte. Sie war sogar noch bei Bewußtsein. Matt hob sie ihr schönes Gesicht, um Chester anzublicken. »Warum hast du mich erschossen, schöner Mann?« flüsterte sie.

»Er kann dich nicht verstehen, er ist taub«, sagte Bink.

»Ich wollte nichts Böses – nur Liebe«, fuhr sie fort. »Liebe für alle Männer, für dich – warum hast du dich dagegengestellt?«

»Welches Vergnügen bietet der Tod schon?« fragte Bink. »Wir haben dir gebracht, was du Hunderten von Männern gebracht hast.« Er sprach mit barscher Stimme, doch sein Herz tat ihm weh, als er das Leiden dieser schönen Kreatur mit ansehen mußte. Er dachte daran, wie Chamäleon einmal ähnlich schlimm verwundet gewesen war.

»Ich habe keinen Tod gebracht!« protestierte sie so heftig, wie sie noch konnte, und keuchte, als die Anstrengung ihr einen weiteren Blutstrahl aus dem Brustkorb trieb. Von ihren Schultern abwärts war ihr ganzer Körper blutüberströmt, und sie wurde von Minute zu Minute schwächer. »Nur – nur Liebe!«

Dann sackte sie schließlich bewußtlos zusammen. Bink, der trotz allem tief bewegt war, drehte sich zu dem Magier um. »Ist – ist es möglich, daß sie die Wahrheit sagt?«

Humfrey holte seinen magischen Spiegel hervor. Darauf war ein lächelndes Säuglingsgesicht zu erkennen. »Es ist möglich«, sagte er im Stil des Spiegels. Dann befragte er den Spiegel direkt: »Hat die Sirene die Wahrheit gesprochen?«

Wieder lächelte der Säugling. »Sie wollte nichts Böses«, sagte der Magier. »Sie ist keine Mörderin, auch wenn sie die Männer hierher gelockt hat.«

Die Männer blickten sich an. Dann holte Humfrey seine Flasche mit Heilelixier hervor und träufelte etwas davon auf die schreckliche Wunde. Sofort heilte sie, und die Sirene war wieder gesund.

Der Magier bot Chester an, ihm etwas ins Ohr zu träufeln, damit er wieder hören konnte, doch der Zentaur lehnte ab. Da besprengte Humfrey Chesters Hinterteil damit, und plötzlich war es schöner denn je.

»Ihr habt mich geheilt!« rief die Sirene verwundert und befühlte ihren Oberkörper. »Es ist nicht einmal Blut zurückgeblieben und auch nicht der geringste Schmerz!« Dann, wie erschrocken: »Ich muß singen!« Sie griff nach ihrer Harfe.

Chester verpaßte dem Instrument einen Tritt, daß es zerbrach und ins Wasser fiel. »Da haben wir die Quelle ihrer Magie!« rief er. »Ich habe sie vernichtet!«

Die Quelle der Magie … vernichtet. War das etwa ein Omen?

Die Sirene begann, versuchsweise zu singen. Ihr Oberkörper hob sich wunderbar, als sie Luft holte, und ihre Stimme war sehr schön – doch ohne jeden Zwang. Der Zentaur hatte sie tatsächlich ihrer vernichtenden Wirkung beraubt.

Sie hielt inne. »Soll das heißen, daß die ganzen Männer davon angezogen wurden? Ich habe immer geglaubt, daß sie meinen Gesang mögen.« Sie wirkte unglücklich.

Offenbar war sie wirklich die unschuldige Schöne, genau wie Chamäleon in ihrer schönen Phase. »Was ist mit all den Männern passiert?« fragte Bink.

»Sie sind nach drüben gegangen, um meine Schwester aufzusuchen«, sagte sie und zeigte auf die andere Insel. Sie machte einen Schmollmund. »Ich biete ihnen all meine Liebe – aber sie gehen immer zu ihr.«

Seltsam! Wer konnte einer Sirene denn noch die Opfer fortlocken? »Wer ist deine Schwester?« fragte Bink. »Ich meine, was ist ihre Magie? Ist sie auch eine Sirene?«

»Aber nein! Sie ist eine Gorgone, sehr sehr hübsch.«

»Eine Gorgone!« rief Bink. »Ab er das bedeutet doch sicheren Tod!«

»Nein, sie würde niemandem etwas zuleide tun, ebensowenig wie ich«, protestierte die Sirene. »Sie liebt die Männer. Ich wünschte nur, daß sie mir ab und an welche zurückschicken würde.«

»Weißt du denn nicht, was der Blick einer Gorgone bewirkt?« fragte Bink. »Was jemandem widerfährt, der in das Gesicht einer Gorgone blickt –«

»Ich habe meiner Schwester oft ins Gesicht geblickt! Es ist nichts Böses an ihr!«

Humfrey hob wieder seinen Spiegel. »Wirkt sie nur auf Männer?« fragte er, und das lächelnde Kleinkind bejahte die Frage.

Offenbar wußte die Sirene nichts von der verheerenden Wirkung, die das Antlitz ihrer Schwester auf Männer hatte. Und so hatte sie jahrelang Männer herbeigelockt – damit die

Gorgone sie in Stein verwandeln konnte.

»Wir müssen mit deiner Schwester reden«, sagte Humfrey.

»Der Pfad führt zu ihrer Insel weiter«, erklärte die Sirene.

»Was werde ich ohne meine Harfe machen?«

»Deine Stimme ist auch ohne Begleitinstrument schön, und du selbst bist es auch«, sagte Bink diplomatisch. »Du kannst a capella singen, ohne Begleitung.«

»Das kann ich?« fragte sie erfreut. »Kommen dann auch so nette Männer wie du?«

»Nein, aber vielleicht wird doch noch ein netter Mann zu dir kommen.«

Bink wandte sich an den Magier. »Wie sollen wir uns der Gorgone nähern? Ein Blick und –«

»Das wird bis morgen früh warten müssen«, entschied Humfrey. Bink hatte das Zeitgefühl verloren. »Sirene«, fuhr Humfrey fort, »hast du etwas zu essen und ein Bett für uns –«

»Eigentlich bin ich nicht so eine«, schmollte sie.

Bink musterte ihren glatten Fischschwanz. »Offenbar nicht. Wir brauchen nur ein Plätzchen zum Schlafen.«

»Oh.« Das klang enttäuscht. »Das heißt, ich könnte eigentlich so eine werden, wenn –« Sie begann zu schimmern, und ihr Schwanz verwandelte sich in zwei attraktive Beine.

»Einfach nur schlafen«, sagte Chester. Offenbar kehrte sein Gehör auf natürliche Weise zurück.

»Und was zu essen.«

Doch ihr Zorn war noch nicht verraucht. »Nachdem ihr mich mit diesem schrecklichen Pfeil durchbohrt und meine Harfe kaputtgemacht habt?«

»Tut mir leid«, sagte Chester kurz angebunden. »Ich habe Kopfschmerzen.«

Aus gutem Grund, dachte Bink. Warum hatte das sture Geschöpf auch das Heilelixier abgelehnt?

»Wenn es dir leid tut, dann beweis es auch«, sagte sie.

Crombie krächzte. »Sie wirft schon wieder die Angel aus, du Esel!«

Doppelt verärgert, blickte Chester die Sirene finster an. »Wie denn?«

»Indem du mich auf deinem Rücken reiten läßt.«

Bink hätte beinahe gelacht. Nymphen liebten alle das Reiten!

»Na gut, dann sitz auf«, sagte Chester verblüfft.

Sie schritt an seine Seite.

»Du bist zu groß!« maulte sie.

Chester drehte sich zu ihr um, schlang einen Arm um ihre Hüfte und hob sie auf seinen Rücken. »Huuuuch!« schrie sie entzückt. »Du bist aber stark!«

Crombie krächzte erneut, und diesmal bedurfte seine Bemerkung keiner Übersetzung. Sie war wirklich dabei, den Zentauren um den Finger zu wickeln, auch ohne Sirenengesänge.

Chester, der nach seinem Erlebnis mit den Granatäpfeln nicht gerade allerbester Laune war, war sichtlich beschwichtigt. »Alle Zentauren sind stark.« Dann schritt er vor.

Die Sirene packte seine Mähne.

»Oh, sind deine Schultern aber breit! Und was für ein glänzendes Fell du hast! Du mußt der attraktivste von allen

Zentauren sein!«

»Von hinten vielleicht«, meinte er und setzte sich in Trab.

»Huuuu, das macht aber Spaß!« kreischte sie und klatschte kurz in die Hände wie ein kleines Mädchen. »Du mußt der schlauste Zentaur sein, der schnellste –« Sie hielt inne. »Könntest du vielleicht mal einen kleinen Sprung machen?«

Chester, von ihrem Lob ziemlich aufgeplustert, machte einen gewaltigen Satz. Die Sirene kreischte und stürzte ins Wasser.

»Äh, tut mir leid«, sagte Chester entsetzt. »Hab’s wohl ein bißchen übertrieben.« Er beugte sich vor, um sie aus dem Wasser zu fischen.

Was er im wörtlichen Sinne tat: Ihre Beine hatten sich wieder in einen Fischschwanz verwandelt. »Macht nichts«, sagte die Meerjungfrau. »Im Wasser fühl’ ich mich wie zu Hause.« Und sie kuschelte sich an ihn und gab ihm einen feuchten Kuß.

Crombie skwaakte. »Es gibt doch keinen schlimmeren Tölpel als einen Pferdenarren«, übersetzte der Golem.

»Stimmt genau«, sagte Chester gutgelaunt. »Erzähl’s bloß Cherie nicht.«

»Cherie?« fragte die Sirene mit gefurchter Stirn.

»Meine Stute. Das schönste Ding in Xanth. Sie ist zu Hause und kümmert sich um unser Fohlen. Er heißt Chet.«

Sie schluckte. »Wie nett«, sagte sie pikiert. »Ich glaube, ich kümmere mich mal um dein Futter und um einen Stallplatz.«

Bink lächelte vor sich hin. So dumm war Chester also doch nicht!

Nach einem bescheidenen Essen aus Fisch und Seegurken streckten sie sich auf einem Haufen weicher, trockener Schwämme aus. Als Bink die Füße ausstreckte – stieß er gegen einen weiteren Erdhaufen. Doch diesmal war er zu müde, um ihn flachzutreten, also ignorierte er ihn.

Die Sirene hatte den Zentauren inzwischen abgeschrieben und legte sich im Dunkeln neben Bink. »He, da fällt mir ein«, sagte er, »wir müssen ihr noch etwas für ihre Gastfreundschaft geben.«

Crombie krächzte. »Das mach du mal, Nudelhirn!« sagte Grundy. »Du liegst am nächsten.«

»Etwas geben?« fragte die Sirene und schmiegte sich an ihn.

Bink merkte, wie er plötzlich im Dunkeln fürchterlich errötete. Sollte der Teufel doch Crombies Anzüglichkeitenholen! »Öh, nichts, gar nichts«, sagte er und tat, als ob er plötzlich eingeschlafen wäre. Kurz darauf brauchte er sich auch nicht mehr zu verstellen.

Am Morgen verabschiedeten sie sich von der Sirene, nachdem sie etwas Feuerholz gehackt hatten, was sie durchaus zu schätzen wußte, da ihr diese Art von Arbeit nicht sonderlich lag. Dann machten sie sich auf den Weg, um ihre Schwester aufzusuchen. »Ihr müßt euch Augenbinden anlegen«, entschied Humfrey. »Ich werde in den Spiegel blicken.«

Natürlich, damit er die Gorgone indirekt anschauen konnte. Jeder wußte, daß das die einzige Möglichkeit war, ein solches Wesen anzublicken. Aber warum funktionierte das mit einem Spiegel? Das Spiegelbild müßte doch eigentlich ebenso entsetzlich sein wie das Urbild.

»Das liegt an der Polarisation«, erklärte der Magier, ohne gefragt worden zu sein. »Die Magie der partiellen Abbildung.«

Das erklärte allerdings auch nicht viel. Doch es gab noch eine wesentlich wichtigere Frage. »Was sollen wir tun, um sie … abzuhalten –« Er wollte das Wort »töten« nicht in Gegenwart der unschuldigen Sirene verwenden. Sich der Gorgone zu nähern war eine Sache; sie mit verbundenen Augen zu töten war eine ganz andere.

»Das werden wir schon sehen«, sagte Humfrey.

Sie ließen sich die Augen verbinden, der Golem eingeschlossen. Dann bildeten sie eine Kette, um dem Guten Magier zu folgen, der rückwärts den Pfad entlangschritt und sich mit Hilfe seines Spiegels orientierte.

Es war seltsam und eher unangenehm, das Wasser blind überqueren zu müssen. Wie schrecklich mußte es sein, für alle Zeit das Augenlicht zu verlieren! Welche Magie konnte die der angeborenen Sinne schon übertreffen?

Bink spürte festen Boden unter den Füßen. »Bleibt mit den Gesichtern nach außen stehen«, sagte Humfrey. »Für alle Fälle. Ich werde mich um die Gorgone kümmern.«

Bink gehorchte nervös. Er war versucht, sich die Binde von den Augen zu reißen und die Gorgone anzublicken – aber die Versuchung war nicht allzu groß.

»Gorgone«, sagte Humfrey.

Unmittelbar hinter Bink erwiderte sie: »Hier bin ich. Willkommen auf meiner Insel.« Ihre Stimme klang lieblich, sogar noch anziehender als die ihrer Schwester. »Warum blickst du mich nicht an?«

»Weil dein Blick mich in Stein verwandeln würde«, sagte Humfrey grob.

»Bin ich nicht schön? Wer hat solche Schlangenlocken wie meine?« fragte sie bittend, und Bink hörte das leise Zischeln der Schlangen. Er fragte sich, wie es wohl sein mußte, die Gorgone zu küssen, wenn die Schlangenhaare die Gesichter umzüngelten. Der Gedanke war ebenso beunruhigend wie verlockend. Aber was war eine Gorgone schon anderes als eine Verkörperung aller Verheißungen und Bedrohungen der Frau schlechthin?

»Ja, du bist schön«, sagte Humfrey ernst. Sie mußte wirklich sehr schön sein, dachte Bink, denn der Gute Magier machte keine überflüssigen Komplimente. Ach, wenn er doch nur einen einzigen Blick auf sie werfen könnte! »Wo sind die anderen Männer, die dich besucht haben?«

»Sie sind fortgegangen«, erwiderte sie traurig.

»Wohin?«

»Dorthin«, sagte sie, und Bink nahm an, daß sie in eine

bestimmte Richtung zeigte. »Hinter die Felsen dort.«

Humfrey machte einige Schritte in die angezeigte Richtung. »Das sind Statuen«, sagte er ohne jede Überraschtheit. »Statuen von Männern. Sie sind wirklich hervorragend echt und realistisch. Wie aus dem Leben gegriffen.«

»Ja«, antwortete sie fröhlich. »Sie sehen genauso aus wie die Männer, die mich besucht haben.«

»Und? Bringt dich das nicht auf etwas?«

»Die Männer haben Geschenke zurückgelassen, Bilder ihrer selbst, Statuen. Aber es wäre mir lieber gewesen, wenn sie bei mir geblieben wären. Ich habe keine Verwendung für Steine.«

Sie wußte nicht einmal, was sie angerichtet hatte! Vielleicht verdrängte sie ja die eigene Wahrheit, wollte sie nicht glauben! Welch eine fatale Selbsttäuschung!

Und doch, dachte Bink, war das nicht typisch für die Gedankengänge aller Frauen? Welche Frau hätte zugegeben, welche Verheerung ihr Geschlecht unter den Männern anrichtete?

Doch das war Crombies Standpunkt und deswegen wahrscheinlich etwas übertrieben. Es war zwar möglich, daß jedes Mädchen etwas von einer Sirene und einer Gorgone an sich hatte, aber nicht allzuviel. Chamäleon hatte von beiden kaum etwas.

»Wenn noch mehr Männer kommen«, fuhr Humfrey mit ungewöhnlicher Sanftheit fort, »werden nur noch mehr Statuen zurückbleiben. Das ist nicht gut.«

»Ja, es gibt schon zu viele Statuen hier«, stimmte sie treuherzig zu. »Meine Insel ist schon ziemlich überfüllt.«

»Die Männer dürfen nicht mehr kommen«, sagte Humfrey. »Sie müssen zu Hause bleiben, bei ihren Familien.«

»Könnte nicht einfach nur ein Mann kommen – und ein bißchen bleiben?« fragte sie flehend.

»Ich fürchte, nein. Männer sind einfach nicht das, äh, richtige für dich.«

»Aber ich hab’ doch so viel Liebe zu geben! Wenn doch nur einer bliebe! Es kann ruhig ein kleiner sein! Ich würde ihn in alle Ewigkeit lieben und ihn so glücklich machen –«

»Du mußt ins Exil gehen«, sagte Humfrey. »Der König hat befohlen, den magischen Schild abzuschalten, du kannst Xanth

also ohne Schwierigkeiten verlassen. In Mundania wird sich deine Magie auflösen, und du wirst fähig sein, freie Beziehungen zu einem Mann oder zu Männern zu unterhalten.«

»Xanth verlassen?« rief sie entsetzt. »O nein! Lieber würde ich sterben! Ich kann doch nicht mein Zuhause verlassen!«

Bink konnte sie gut verstehen. Er hatte auch einmal ins Exil gemußt …

»Aber in Mundania wärst du ein ganz gewöhnliches Mädchen, ohne jeden Fluch. Du bist äußerst schön und hast ein liebenswürdiges Wesen. Dort kannst du dir so viele Männer aussuchen wie du willst.«

»Ich liebe Männer«, erwiderte sie langsam. »Aber mein Zuhause liebe ich noch mehr. Ich kann nicht fort. Wenn das meine einzige Wahl ist, dann bitte ich dich darum, mich umzubringen und meinem Leiden ein Ende zu machen.«

Der Gute Magier schien zum ersten Mal in seinem Leben erschüttert zu sein. »Dich umbringen? Das würde ich nicht tun! Du bist das anziehendste Geschöpf, das ich je gesehen habe, selbst im Spiegel! In meiner Jugend hätte ich –«

Da griff sie zu einer kleinen, ganz normalen weiblichen List. »Aber du bist doch gar nicht alt! Du bist ein sehr attraktiver Mann.«

Crombie unterdrückte mit knapper Not ein Krächzen. Chester hüstelte, und Bink wäre beinahe erstickt. Da hatte sie aber wirklich übertrieben, um nicht zu sagen, die Dinge verfälscht! Humfrey war ein guter, ein talentierter Mann, aber wohl kaum ein attraktiver. »Du schmeichelst mir«, erwiderte der Magier ernst. »Aber ich habe zu tun.«

»Von allen Männern, die mich hier aufgesucht haben, bist du der einzige gewesen, der sich mit mir unterhalten hat«, fuhr die Gorgone fort. »Ich bin ja so einsam! Ich flehe dich an – bleib hier, damit ich dir auf alle Zeiten dienen kann.«

Da krächzte Crombie laut auf. »Dreh dich bloß nicht um, du Narr!« rief der Golem. »Blick nur in den Spiegel!«

»Ah, ja«, meinte Humfrey. Der Greif mußte wirklich ein gutes Gehör haben, dachte Bink, wenn er es schon wahrnahm, daß der Magier im Begriff war, sich umzudrehen! »Gorgone, wenn ich dich direkt anschaute –«

»… dann würdest du dich gezwungen fühlen, fortzugehen und mir lediglich ein steinernes Denkmal deiner selbst zu hinterlassen«, beendete sie seinen Satz. »Ich verstehe nicht, warum die Männer so sind! Aber komm doch, schließ die Augen, wenn es sein muß, und küß mich, damit ich dir zeigen kann, wieviel Liebe ich dir zu geben habe. Dein letztes Wort ist mir Befehl, wenn du nur bleibst!«

Der Magier seufzte. Ob der alte Gnom in Versuchung geführt war? Bink überlegte, daß Humfrey vielleicht nicht deswegen Junggeselle geblieben war, weil er sich nicht für Frauen interessierte, sondern weil er bisher nur noch nicht die Richtige gefunden hatte. Die Durchschnittsfrau interessierte sich nicht für einen ergrauten, zwergenhaften alten Mann – und wenn sie so tat als ob, dann nur, um eine gehörige Portion seiner Magie zu ergattern. Hier aber war eine Frau, die nur sein Äußeres kannte, die nichts über ihn wußte und sich danach sehnte, ihn lieben zu dürfen, wenn er nur blieb.

»Meine Liebe, ich fürchte, es geht nicht«, sagte Humfrey schließlich. »Ein solches Vorgehen hätte sicherlich seine Reize, das will ich gar nicht leugnen! Und normalerweise wäre ich durchaus nicht abgeneigt, ein bis drei Tage mit dir zu plänkeln, und wenn es mit verbundenen Augen wäre. Aber es bedürfte eines Magiers, um sicher mit dir umgehen zu können, und außerdem befinde ich mich auf einer Suche, die Vorrang hat, und darf nicht –«

»Dann plänkel doch ein bis drei Tage mit verbundenen Augen!« rief sie. »Ich kenne zwar keinen Magier, der sich für mich interessieren würde, aber nicht einmal ein Magier könnte wunderbarer sein als du!«

Ob sie die Kraft von Humfreys Talent ahnte? Aber machte das überhaupt etwas aus? Der Magier seufzte erneut. »Vielleicht besuchst du mich nach meiner Suche mal auf meinem Schloß –«

»Aber ja, aber ja!« jubelte sie. »Wo liegt denn dein Schloß?«

»Du mußt nur nach Humfrey fragen, dann wird man es dir schon sagen. Aber auch dann darfst du keinem Mann dein Gesicht zeigen. Du mußt einen Schleier tragen – nein, nicht einmal der würde genügen, denn es sind schließlich deine Augen, die –«

»Verdeck mir nicht die Augen! Ich muß doch sehen können!«

»Laß mich mal nachsehen«, sagte Humfrey. Sie hörten ein Rascheln, als er sein magisches Zubehör durchwühlte. Dann: »Das hier ist zwar nicht ideal, wird aber erst einmal genügen. Halte diese Flasche vor dein Gesicht und öffne sie.«

Noch mehr Rascheln, als sie die Flasche entgegennahm, die er ihr über die Schulter reichte. Dann das Knallen des Korkens, das Zischen des entweichenden Dampfes, ein Keuchen, dann Stille. Hatte der Magier sie mit giftigem Dampf hingerichtet?

»Freunde, nun könnt ihr eure Augenbinden ablegen und euch umdrehen«, sagte Humfrey. »Die Gorgone ist unschädlich gemacht.«

Bink riß sich die Binde vom Kopf. »Magier, Sie haben sie doch nicht etwa –«

»Nein, ich habe ihr nichts zuleide getan. Seht selbst.«

Vor ihnen stand eine atemberaubend schöne junge Frau, deren Haar aus zahllosen winzigen kleinen Schlangen bestand. Doch ihr Gesicht – fehlte! Es war einfach nichts da.

»Ich habe einen Unsichtbarkeitszauber über ihr Gesicht verhängt«, erklärte Humfrey. »Sie kann zwar nach außen sehen, aber kein Mann kann ihr Gesicht erkennen. Das ist insofern schade, als es das Schönste an ihr ist. Aber auf diese Weise kann niemand ihrem Blick begegnen. So ist sie harmlos, und wir sind in Sicherheit.«

Wirklich schade, dachte Bink. Sie war ein solch nettes Mädchen, mit einem derart schrecklichen Fluch belastet! Die Magie war keineswegs immer freundlich. Der Magier hatte ihren Fluch zwar neutralisiert, aber es war beunruhigend, einfach nur in ein Vakuum zu starren, anstatt ein Gesicht zu sehen.

Crombie schritt über die Insel und musterte die Statuen. Einige davon waren Zentauren, einige auch Greife. »Skwaak! Schaut euch nur mal an, was dieses Aas angerichtet hat! Sie muß ja Hunderte von unschuldigen Männern versteinert haben. Was nützt es da, sie jetzt zu neutralisieren? Das ist doch, als würde man das Tor verriegeln, nachdem der Gefangene bereits entkommen ist.« Es war offensichtlich, daß er jetzt mehr wie ein Greif dachte. Das war eine der Gefahren fortgesetzter Verwandlung.

»Ja, wegen der Statuen müssen wir etwas unternehmen«, stimmte Humfrey ihm zu.

»Aber ich habe schon genug von meiner wertvollen Magie verbraucht. Zu viel sogar! Crombie, zeig mir, wo die Lösung dieses Problems liegt.«

Der Greif wirbelte herum und zeigte nach unten.

»Hm. Und jetzt zeig uns noch mal, wo die Quelle der Magie liegt.«

Das gleiche. »Das hab’ ich mir gedacht«, sagte Humfrey. »Unsere Suche dient also nicht nur dem Wissenserwerb.«

Da begriff Bink noch etwas: Die ganze Episode mit dem Gewirrbaum und den tödlichen Schwestern war ihm zunächst wie eine Ablenkung von seiner Suche und als eine persönliche Bedrohung erschienen, und doch hatte sein Talent es dazu kommen lassen. Nun war ihm klar, daß dieses Erlebnis unmittelbar mit seiner Suche zu tun hatte. Dennoch wäre es nicht nötig gewesen, daß er dabei in Gefahr geraten war. Offenbar war da noch etwas anderes am Werk.

Ob der Erdhaufen letzte Nacht damit zu tun hatte? Er konnte sich zwar nicht im geringsten vorstellen, wie dies der Fall sein konnte, mochte aber keinen zufälligen Zusammentreffen trauen, die nicht von seinem Talent herleitbar waren. Wenn tatsächlich ein Feind –

Der Gute Magier holte wieder seinen Spiegel hervor. »Verbinde mich mit der Königin«, sagte er.

»Mit der Königin?« fragte Bink überrascht.

Der Spiegel wurde neblig, dann erschien das Gesicht der Königin Iris. »Wurde auch Zeit, daß du dich mal meldest, Humfrey«, sagte sie.

»Wieso hängst du auf dieser Gorgoneninsel herum, anstatt deiner dämlichen Suche nachzugehen?«

Crombie krächzte grimmig. »Nicht übersetzen« fuhr Humfrey den Golem an. Dann, an die Zauberin gewandt: »Das ist Binks Suche, nicht meine. Wir haben die Sirene und die Gorgone ausgeschaltet und machen uns auf den Weg zur Quelle der Magie. Gebt dem König Bescheid.«

Iris machte eine abfällige, gelangweilte Geste. »Wenn ich mal Zeit habe, Zwerg«, sagte sie.

Hinter ihr erschien das Gesicht des Königs Trent. Sofort verwandelte sie sich in ein süßes junges Ding, komplett mit Zöpfen. »Das wird schon sehr bald sein, Guter Magier«, fügte sie hastig hinzu. Trent winkte jovial und zupfte sie an einem Zopf. Dann verschwand das Bild.

»Wieso kann sie im Spiegel reden?« fragte Bink. »Er gibt doch sonst nur stumme Bilder wieder.«

»Sie ist eine Meisterin der Illusion«, erklärte Humfrey. »Wir glauben nur, daß wir sie hören«, fuhr er fort und steckte den Spiegel wieder weg. »Und der König glaubt auch nur, daß er an einem eingebildeten Zopf zerren kann. Aber die Illusion hat durchaus ihre praktischen Seiten.«

»Ich hätte gern die Illusion der Wirklichkeit«, meinte der Golem betrübt.

Humfrey wandte sich wieder der Gorgone zu. »Wir kehren bald zurück. Ich schlage vor, daß du in der Zwischenzeit deine Schwester trösten gehst. Sie hat ihre Harfe verloren.«

»Das werde ich, das werde ich!« rief sie. »Lebwohl, schöner Zauberer!« Sie umarmte ihn und gab ihm einen unsichtbaren Kuß auf den Mund, während die Schlangen nach seinen Ohren schnappten und stürmisch zischten. »Beeil dich! Ich habe soviel Liebe aufgestaut –«

»Hm. Ja«, meinte der Magier verlegen. Er schnippte eine Schlangen-Locke fort, die etwas zu aufdringlich an seinem Ohrläppchen knabberte.

Da der magische Pfad auf der Gorgoneninsel endete, mußten sie zurückschwimmen. Mit Hilfe von Crombies Talent machten sie eine Strecke aus, die frei von Teichungeheuern war. Dann stieg Bink auf Chester, und Humfrey ritt auf dem Greif. Es war spät am Vormittag, und so kehrten sie ohne

Schwierigkeiten recht schnell zum Dorf des magischen Staubes zurück.

Der Gewirrbaum, an dem sie vorbeikamen, war nur noch ein verkohlter Stumpf. Die Dörflerinnen hatten wirklich ganze Arbeit geleistet, als sie ihren Erzfeind vernichtet hatten. Doch das Dorf selbst war vollkommen still, und die Fenster waren schwarz verhangen – Trauer für die letzte verlorengegangene Männergruppe.

Doch wie schnell änderte sich das, als diese Männer ins Dorf marschiert kamen! »Ihr seid noch am Leben!« rief Trolla und weinte vor untrollischer Freude. »Wir haben versucht, euch zu folgen, aber da wir die Sirene nicht hören konnten, konnten wir den Pfad im Dunkeln nicht finden. Am Morgen wußten wir dann, daß es zu spät war. Außerdem mußten wir uns um unsere Verwundeten kümmern …«

»Wir haben die Sirene und ihre Schwester, die Gorgone, ausgeschaltet«, sagte Bink. »Jetzt werden keine Männer mehr dorthin gehen. Aber die Männer, die früher dorthin gegangen sind –«

»Die sind alle tot, das wissen wir.«

»Nein, sie sind versteinert. Es ist möglich, daß sie mit einem Zauber wieder ins Leben gerufen werden können. Wenn wir unsere Suche erfolgreich beendet haben –«

»Kommt, wir müssen feiern!« rief Trolla. »Wir werden ein Fest für euch geben, daß ihr –«

»Äh, nein, danke«, sagte Bink. »Ihr seid sehr freundlich, aber wir müssen mit unserer Suche fortfahren. Wir suchen die Urquelle der Magie – die Quelle eures magischen Staubes. Unter der Erde.«

»Es gibt keinen Weg nach unten«, erwiderte Trolla. »Der Staub wird durch einen Schacht emporgeworfen –«

»Ja, das wissen wir. Deshalb wollen wir woanders nach einem Zugang suchen. Wenn es irgendwo einen gibt –«

Trolla nahm ihre Enttäuschung mit Würde hin. »In welche Richtung wollt ihr denn dann ziehen?«

»Dort entlang«, sagte Bink und zeigte in die Richtung, die Crombie ihnen gewiesen hatte.

»Aber da kommt ihr doch in das Gebiet des Wahnsinns!«

Bink lächelte. »Dann liegt unser Eingang vielleicht im Wahnsinn.«

»Ihr Männer seid immer so unvernünftig! Wartet wenigstens ein paar Tage damit. Wir werden keinen Staub mehr in die Luft abgeben, dann wird die Magie nachlassen, und ihr könnt ungefährdeter reisen.«

»Nein, wir haben beschlossen, uns gleich auf den Weg zu machen.« Bink fürchtete, daß einige Tage der Rast in diesem Dorf voller eifriger, entgegenkommender Frauen sich als nicht minder verheerend erweisen könnten als ein längeres Zusammensein mit der Sirene und der Gorgone. Sie mußten weiter.

»Dann werden wir euch eine Führerin mitgeben. Sie kann euch vor den naheliegendsten Fallen warnen, so daß ihr es vielleicht so lange überleben könnt, bis ihr das Schlimmste hinter euch gebracht habt. Ihr seid schließlich sowieso schon halb wahnsinnig.«

»Stimmt«, sagte Bink mit schiefem Lächeln. »Wir sind schließlich Männer.« Kein Geschlecht konnte das andere verstehen. Das war auch ein Aspekt der Magie von Xanth. Dieser weibliche Troll gefiel ihm eigentlich ganz gut. Offenbar konnte man jedes Ungeheuer schätzen lernen, wenn man sich erst einmal persönlich mit ihm bekannt gemacht hatte.

Die Führerin stellte sich als äußerst hübscher weiblicher Greif heraus. »Skwaak!« protestierte Crombie. »Aaak! Aaak!« erwiderte sie schelmisch. »Nun würgt uns doch nicht so ein Hühnchen rein!« übersetzte Grundy erfreut. »Wer ist hier ein Hühnchen? Ich bin eine Löwin!«

»Du bist eine Qual!«

»Und du bist ein Langweiler!«

»Weib!«

»Mann!«

»Äh, das reicht, Grundy«, sagte Bink. »Jetzt sind sie bei den tödlichen Beleidigungen angelangt.« Er drehte sich zu Trolla um. »Danke für eure Führerin. Wir werden uns jetzt auf den Weg machen.«

Alle Dörflerinnen stellten sich in einer Reihe auf, um ihnen zuzuwinken. Es war ein trauriger, aber notwendiger Abschied.

Doch in der Wildnis von Xanth wich die Sentimentalität schnell von ihnen. Die Bäume dieser Gegend waren extrem groß und bildeten einen dichten Dschungel. Dieses Gebiet lag in der Windzugrichtung des magischen Staubes, genau wie Trolla es gesagt hatte. Hier gedieh die Magie überall prächtig. Ganz unten wuchsen monströse Nadelkissen, die jeden stachen, der ihnen zu nahe kam. Dazwischen ragten lebende Stalagmiten hervor, deren steinerne Spitzen feucht glitzerten. Überall, wo sich geeignete Mulden befanden, schlängelten sich Ölschlieren. Das Öl war glitschiger als alles andere und gleichzeitig wesentlich zäher. »Diese Tankerbäume sollten ihre Abfälle nicht auf der ganzen Oberfläche verteilen«, brummte Chester. »Sie sollten sie vergraben, wie es alle zivilisierten Wesen tun.«

Doch die höher stehenden Gewächse waren auch nicht vielversprechender. Die riesigen metallenen Stämme der Eisenholzbäume drängten sich dicht an dicht mit ausgebrannten Ascheneschen. Rost und Asche bedeckten den Boden um sie herum. Hier und dort schnaubten Bullenschößlinge und drehten drohend ihre Asthörner auf sie zu. Darüber war alles noch schlimmer: Raupendisteln krochen umher und blickten in stachliger Vorfreude auf sie herab, während Kotzpilze aus ihren schleimigen Vertiefungen herunterbaumelten. Wo war denn hier ein sicherer Pfad?

»Aak!« machte die Führerin und wies ihnen den Weg. Sie glitt an einem Knäuel Schlangenwurz vorbei, zwischen den beiden scharfen Klingen einer Säbelkiefer hindurch und über die Sprossen eines umgestürzten Leiterbusches. Die anderen folgten ihr, vorsichtig zwar, aber doch schnell.

Es war düster, fast finster, obwohl es erst der Mittagszeit entgegenging. Das Baumdach, dem es offenbar nicht genügte, das Sonnenlicht abzuhalten, zog sich nun wie ein Gummiband zusammen, bis es sie wie eine enge Blase umhüllte. Wie ein Gummiband? Da erkannte Bink, daß es tatsächlich Gummi war, denn er sah die gewaltigen Gummilianen, die zwischen den anderen Gewächsen gespannt waren. Gummi stellte zwar keine ernste Gefahr dar, wenn man Schwerter oder Messer dabei hatte, aber es konnte äußerst lästig sein.

Große Lebewesen waren keine zu sehen, dafür aber zahlreiche kleine. Überall gab es Käfer. Manche davon erkannte Bink: Blitzkäfer, die sich zischend entluden, Soldatenkäfer, die in Reih und Glied zu ihrem Lager marschierten, Damenkäfer und Damselfliegen hielten sich in ihrer Nähe auf, wie es leichtlebige Frauen so häufig mit Armeen taten.

Dann bemerkte Bink, daß Humfrey wie verzaubert vor sich hin starrte. Ein beunruhigendes Zeichen. »Ist Ihnen nicht wohl, Magier?«

»Wunderbar!« murmelte Humfrey entzückt. »Eine Schatzkammer der Natur!«

»Meinen Sie damit die Käfer?«

»Dort ist ein Federflügelkäfer«, sagte Humfrey. Tatsächlich: Ein Käfer mit zwei grellen Federn flatterte an ihnen vorüber.

»Und eine Eulenfliege. Und zwei Netzflügler!« Bink erblickte den großäugigen, gepunkteten Käfer, der zwei schwebende Netze musterte, die vor ihm in der Luft hingen. Niemand wußte genau, wie ein Netzflügler fliegen konnte, da seine Netze offensichtlich keinerlei Luftwiderstand erzeugen konnten. Doch was machte das bei Magie schon? »Und ein Gemäldeflügler auch!« rief der Magier, der jetzt wirklich äußerst erregt war. »Das muß eine neue Art sein. Sie muß mutiert sein. Ich werde mal mein Buch befragen.« Ungeduldig nestelte er eine Flasche auf. Der hervortretende Dampf verdichtete sich zu einem riesigen Buch, das der Magier zwischen den Flügeln auf dem Rücken des Greifs balancierte, während er die Seiten umblätterte. »GEMÄLDEFLÜGLER«, las er laut. »Landschaft, Stilleben, Naturalistisch, Surrealistisch, Kubistisch, Aquarell, Öl, Pastellkreide, Federzeichnung, Kohle – ich hatte recht! Das hier ist eine Buntstiftart, die noch nicht in der Liste steht! Bink, überzeuge dich davon, damit der Bericht beglaubigt werden kann!« Bink beugte sich vor und betrachtete das auf dem rechten Ohr des Greifs hockende Insekt, das mit bunten Mustern geschmückt war. »Sieht aus wie Buntstift«, sagte er.

»Genau!« rief Humfrey. »Ich muß es aufschreiben! Was für eine phantastische Entdeckung!« Bink hatte den Mann noch nie derart aufgeregt erlebt. Und plötzlich kam ihm eine wichtige Erkenntnis: Das war es, wofür der Gute Magier lebte! Humfreys Talent war die Information, das Wissen, und die Entdeckung und die Klassifizierung von Lebewesen gehörten dazu. Es gab nichts Wichtigeres für ihn, als Wissen anzusammeln, weshalb er natürlich auch nicht gerade erfreut gewesen war, sich davon losreißen zu müssen. Nun hatte das Glück ihn dafür mit einer Neuentdeckung entschädigt. Humfrey war also keineswegs nur ein gefühlskalter, habgieriger Mensch, sondern er war genauso lebhaft und gefühlsfähig wie andere auch – wenn er es sich anmerken ließ.

Bink merkte, wie plötzlich jemand an seinem Schwert zupfte. Er fuhr mit der Hand an den Griff – und zwei Raubfliegen schwirrten davon. Sie hatten versucht, sein Schwert zu rauben! Plötzlich machte Chester einen Satz, der Bink beinahe abgeworfen hätte. »Ich habe keine Lust, mir jetzt auch noch eine Blase am Huf zuzuziehen.«

Die Greifin drehte den Kopf zurück, ohne ihren Körper zu wenden, wie Greife das stets zu tun pflegten. »Aak!« rief sie ungeduldig. »Beeil dich, Krabbe!« übersetzte der Golem. »Wir nähern uns der Wahnsinnszone.«

»Skwaak!« erwiderte Crombie gereizt. »Wir tun schon unser Bestes. Warum zeigst du uns nicht einen besseren Weg, Spatzenhirn?«

»Jetzt hör mir mal gut zu, Katzenschwanz!« krächzte sie zurück. »Ich mach’ das hier nur, um euch einen Gefallen zu tun. Wenn ihr Hohlschädel im Dorf geblieben wärt, wie es sich gehört hätte –«

»In einem Dorf voller Weiber? Dich hat der Wahnsinn wohl schon gepackt!«

Dann mußten sie ihren Streit beenden und einer Schlangenfliege ausweichen, die sich mit gebleckten Fängen zwischen ihnen durchschlängelte. Diesmal trat Chester doch auf ein Insekt – auf einen Stinkkäfer. Ein entsetzlicher Gestank drang empor, und sie beeilten sich zu fliehen. Die Greifin schreckte eine bunte Schar von Rehfliegen, Baumhüpfern,

Tigermotten und einen fetten Butterling auf, der den Magier von oben bis unten mit Butter bespritzte.

Da flatterte ein hübscher Goldkäfer Bink unter die Nase. »Vielleicht ist das hier auch eine neue Spezies!« rief er, vom Enthusiasmus des Magiers angesteckt. Er griff danach, doch in diesem Augenblick stolperte Chester, so daß er ihn knapp verfehlte. »Er fliegt auf Sie zu, Magier!« rief er. »Fangen Sie ihn!«

Doch Humfrey wich dem Insekt aus. »Das ist eine Midasfliege!« rief er entsetzt. »Faß die bloß nicht an!«

»Eine Midasfliege?«

»Alles, was sie anfaßt, verwandelt sich in Gold.« Die Fliege surrte nun um den Kopf des Magiers herum und suchte einen Landeplatz.

»Aber das ist doch wunderbar!« meinte Bink. »Wir müssen sie einfangen. Gold können wir gut gebrauchen!«

»Nicht, wenn wir dabei selbst zu Gold werden!« schnauzte Humfrey. Er duckte sich so tief, daß er von dem Greif herunterfiel. Die Midasfliege schickte sich an zu landen.

»Crombie!« schrie Bink. »Paß auf!«

Da prallte die Greifin auch schon gegen Crombie und stieß ihn mit ihrer Löwenschulter beiseite. Er entkam – doch dafür landete die Midasfliege auf ihr.

Plötzlich war sie zu einer goldenen Statue geworden. Die Fliege surrte harmlos davon, doch der Schaden war angerichtet. »Sie sind extrem rar und landen nur selten«, sagte Humfrey aus dem Busch, in den er gestürzt war. »Ich bin erstaunt, daß wir dieser überhaupt begegnet sind. Vielleicht hat der Staub sie verrückt werden lassen.« Er erhob sich.

»Vielleicht hat sie auch jemand geschickt«, meinte Bink. »Sie ist jedenfalls zuerst bei mir erschienen.«

Crombie kam gelenkig wie eine Katze wieder auf die Füße. »Skwaak!«

»Das hat sie für mich getan – um mir das Leben zu retten!« übersetzte Grundy. »Warum bloß?«

»Das muß wirklich Wahnsinn sein«, meinte Chester trocken.

Bink musterte die Statue. »Wie das Werk der Gorgone«, murmelte er. »Nur nicht aus Stein, sondern aus Gold. Ob es möglich ist, sie wiederherzustellen?«

Crombie wirbelte herum und deutete. »Skwaak!«

»Die Antwort liegt in derselben Richtung wie die Suche«, sagte Grundy. »Jetzt hat Vogelschnabel auch einen persönlichen Grund, die Suche zu einem Ende zu führen.«

»Zuerst müssen wir durch den Wahnsinn – und zwar ohne Führerin«, warf Chester ein.

Bink blickte bestürzt voraus. Plötzlich war die Lage äußerst ernst geworden – und dabei war sie vorher schon alles andere als unernst gewesen. »Wie kommen wir hier sicher durch, und zwar ohne wahnsinnig zu werden?«

»Crombie muß uns Schritt für Schritt den sichersten Weg zeigen«, sagte Humfrey. »Schaut mal, da ist ein Spazierstock.« Er zeigte auf einen Stock, der auf zwei winzigen Füßen wackelnd durch das Dickicht spazierte. »Mit Mahagonigriff – ein Prachtstück.«

Crombie zeigte ihnen den Weg, und sie schritten langsam voran. Die goldene Greifin ließen sie zurück. Sie konnten nichts für sie tun – außer darauf zu hoffen, daß das Ergebnis ihrer Suche auch eine Lösung erbrachte.

Viel zu bald setzte die Dämmerung ein. Glühwürmchen erschienen aus ihren Erdtunneln, und die Bettwanzen schnarchten bereits auf ihren Pritschen. Schwalbenschwänze machten die Schwalbe und verschwanden. Eine Gruppe

Sägefliegen war damit beschäftigt, die Bretter für ihr nächtliches Nest zurechtzusägen.

Bink blickte um sich. »Im Augenblick hätte ich nichts dagegen, selbst ein Insekt zu sein«, sagte er. »Die fühlen sich hier wie zu Hause.«

Chester stimmte ihm nüchtern zu. »Ich hab’ ja schon mal einen Abend im Freien verbracht, aber noch nie in der tiefsten Wildnis. Diese Nacht werden wir wohl kaum sehr genießen.«

Bink blickte den Magier an, der noch immer mit seiner Artenbestimmung beschäftigt war. »Dort ist ein Nashornkäfer, der versucht, ein paar Häuser umzubaggern!« sagte Humfrey. »Das wird den Hausfliegen aber gar nicht passen!«

»Mein Herr, es wird gefährlich sein, hier draußen zu schlafen. Wenn Ihre Magie uns dabei behilflich sein könnte, ein sicheres Lager –«

»Jetzt holen sie Holzameisen, um das Gebälk abzustützen!«

»Vielleicht haben Sie etwas in Ihren Flaschen, ein provisorisches Nachtlager oder so –« fuhr Bink fort.

»Aber dieses Nashorn ist ja viel zu dumm, um aufzugeben!

Der –«

»Magier!« bellte Bink ungeduldig.

Humfrey hob den Blick. »Ach, hallo Bink! Hast du dich noch nicht zur Ruhe gelegt?« Er blickte wieder zu Boden. »Schau mal! Jetzt haben sie einen Killerkäfer angeheuert! Sie wollen damit diesem –«

Es war zwecklos. Der Magier interessierte sich mehr für den Wissenserwerb als für die Sicherheit. Humfrey war kein geborener Führer, weshalb er diese Aufgabe auch willig Bink überlassen hatte.

»Wir müssen uns irgendeinen Schutz bauen«, entschied Bink schließlich. »Und abwechselnd Wache halten.« Er dachte über ihr Problem nach. Wie sollten sie einen Schutz bauen, wenn jedes Stück Holz, jeder Stein, jedes Blatt wütend seine Rechte verteidigen würde? Sie befanden sich schließlich in der ungezähmten Wildnis.

Da erblickte er etwas Vielversprechendes: die großen, gebogenen Knochen eines verblichenen Ungeheuers. Er konnte zwar nicht sagen, um welches Tier es sich dabei gehandelt haben mochte, aber es mußte auf jeden Fall größer gewesen sein als ein Drache. Die Knochen wirkten zu dick, als daß sie einem Rokh hätten gehören können, und es waren auch keine Anzeichen für Flügel zu sehen. Wahrscheinlich hatte es sich also um eine ausgewachsene Landsphinx gehandelt, die zehnmal so groß wurden wie ein Mensch. Der einzige Grund, weshalb Sphinxe nicht den Dschungel beherrschten, bestand darin, daß sie zu selten waren und sich nicht für gewöhnliche Alltagsdinge interessierten. Drachen kamen häufiger vor als Sphinxe. Bink fragte sich, warum dem wohl so sein mochte und was eine Sphinx auf dem Höhepunkt ihrer Kraft umbringen konnte. Vielleicht die Langeweile. »Crombie, zeig uns die Richtung der nächsten geeigneten Lagerstelle«, sagte er, um sich Gewißheit zu verschaffen.

Crombie gehorchte. Er zeigte auf die Knochen. Also hatte Bink recht gehabt! Er war zufrieden. »Wir werden ein paar Deckblätter sammeln und sie über die Knochen ausbreiten«, sagte er. »Dann haben wir eine gute Unterkunft und können uns notfalls auch verbarrikadieren. Crombie, zeig uns, wo wir die nächsten Decken finden können.«

Der Greif zeigte – direkt in die bebenden Seile eines Raubbaumes hinein. Es war zwar kein Greifer, schien ihm aber verwandt zu sein. Das war wohl kaum ein sicherer Ort, um Decken zu suchen! »Na ja, vielleicht ist es sogar besser so. Wenn wir Wache halten, können wir wenigstens hinausschauen«, meinte Bink. »Chester, übernimm du die erste Wache. Weck mich, sobald du müde wirst, und danach Crombie.«

Der Zentaur nickte. Er fragte nicht, ob Humfrey sich an der Wache beteiligt, denn es war offensichtlich, daß auf den Magier in seinem gegenwärtigen Zustand kaum Verlaß war.