14. KAPITEL

Reda nahm all ihren Mut zusammen und sah auf ihr Handgelenk hinab. Die Wunden waren saubere Einstiche, und sie verheilten bereits durch irgendeine Art von Vampirmagie. Doch am meisten beunruhigte sie der rote Kreis an ihrem Handgelenk, wo sein Mund gewesen war.

Während es geschehen war, hatte es sie nicht weiter gestört. Jetzt allerdings drehte sich ihr fast der Magen um, und sie wusste nicht genau, warum. Es hatte nicht sehr wehgetan, und die Lust war dabei viel größer gewesen als das Stechen. Sie fühlte sich jetzt außerdem nicht anders als vorher, und es hatte sie beide gerettet, verdammt. Was sollte daran falsch sein?

Erst als sie keine Antwort bekam, merkte sie, dass sie auf eine gewartet hatte. Sie wollte, dass Vernunft und Logik sich beteiligten, wollte eine rationale Antwort hören, wollte von ihnen erklärt bekommen, warum ihre menschlichen Moralvorstellungen besagten, dass es falsch war, wenn eine Person das Blut einer anderen trank, obwohl ihr unter den gegebenen Umständen keine guten Gründe dafür einfielen.

Vielleicht war das ja ihre Antwort und der Grund, warum die Stimme der Vernunft schwieg – weil sie nicht mehr in der Welt der Menschen waren, nicht einmal in der Welt der Wolfyn. Sie waren in den Königreichen, wo Magie – und Gefühle – regierten.

Das hatte sie alles schon gehört: Liebe ist chaotisch, sie tut weh, sie ist nicht logisch, man kann sie nicht vorhersagen. Aber jetzt verstand sie, warum es diese Klischees gab, und warum manche darüber verständnisvoll nickten, während andere nur leer vor sich hinstarrten.

Ihre Eltern hatten nicht zusammengepasst. Oberflächlich gesehen hatte eine versponnene Träumerin, vielleicht eine Reisende zwischen den Welten, nichts gemeinsam mit einem bodenständigen, konservativen, geradlinigen Major. Und doch hatten sie einander ausgesucht und gemeinsam vier Kinder gezeugt. Mehr noch, als ihre Mutter gestorben war, war ein Teil von ihm mit ihr gestorben – der Teil, der gewusst hatte, wie man lacht, wie man lebt und wie man sich an etwas erinnert, ohne die Gegenwart von der Vergangenheit überschatten zu lassen.

Reda hatte schon lange verstanden, dass der frühe Tod ihrer Mutter und die Veränderung ihres Vaters ihre Entwicklung entscheidend beeinflusst hatten. Was sie bisher nicht ganz begriffen hatte, war, dass sie auch aus einer Liebe entsprungen war, die so stark gewesen war, dass sie ihre Eltern trotz ihrer Unterschiede zusammengebracht hatte. Und der Verlust dieser Liebe hatte ihren Vater zu einem anderen, einem schlechteren Mann gemacht.

Es erinnerte sie an einen Spruch, den sie mal gehört hatte: Wirf dein Herz über Bord, und der Rest kommt nach. Das hatte ihr Vater getan, und er hatte es bereut. Hatte sie das in irgendeiner Weise gespürt und sich deshalb in sich zurückgezogen, statt auf ihr Herz zu hören? Weil sie Angst vor dem Schmerz hatte, den er durchmachen musste, und weil sie auch niemand anderem diesen Schmerz zufügen wollte?

Wann hatte sie sich je in eine Beziehung geworfen? Ganz zu schweigen davon, an jemanden ihr Herz zu verlieren? Vielleicht hatte sie in der Welt der Wolfyn damit angefangen, ehe Dayns Geheimnis sich zwischen sie gestellt hatte. Aber selbst dort hatte sie sich nicht vollkommen gehen lassen.

Dayns Prüfung hatte wohl darin bestanden, zu beweisen, dass er an andere denken konnte, ehe er an sich selber dachte. Aber vielleicht musste sie lernen, genau das Gegenteil zu tun: auf sich selbst zu hören, statt sich darum Gedanken zu machen, was andere Menschen – oder auch die Stimmen in ihrem Kopf – von ihren Entscheidungen hielten.

„Hast du es schon herausgefunden?“

Erschrocken sah sie sich um und entdeckte, dass Dayn sie unter schweren Lidern ansah. Ihre Wangen röteten sich, ihre Haut wurde wärmer, und sie spürte plötzlich ihren eigenen Puls. „Was soll ich herausgefunden haben? Den Weg auf die Insel?“

„Was auch immer gerade diesen wilden Ausdruck auf dein Gesicht gebracht hat, als wärest du bereit, gegen die ganze Welt anzutreten. Ein Gedanke, der mir übrigens ziemliche Angst macht.“

Sie hörte, dass er wieder mehr wie er selbst klang, und sah ihn sich näher an. „Du bist geheilt!“

Er nickte, streckte sich und prüfte hier und da einen Muskel, eine Bewegung. „Ich kann es nicht erklären, aber das bisschen Blut von dir hat mir viel mehr geholfen, als ich erwartet hätte. Vielleicht hat es etwas mit deinen Vorfahren zu tun, wer auch immer sie gewesen sein mögen, oder auch mit dem Zauber, der meine Lebenskraft an die Insel bindet. Wer weiß? Aber, ob du es glaubst oder nicht, ich bin bereit weiterzuziehen.“ Er öffnete sein zerfetztes Hemd, um ihr seine Brust und seinen flachen Bauch zu zeigen, die wieder geheilt waren. Nur rote Flecken auf der Haut zeugten davon, dass noch vor einer Stunde sein Fleisch an einigen Stellen bis auf die Knochen aufgerissen gewesen war.

Wären sie in der Räuberhöhle gewesen, getrennt durch Zäune und einige Schritte voneinander entfernt, wäre es vielleicht nicht passiert. Aber hier, in dem hohlen Baumstamm, saß sie so dicht neben ihm, dass es zu einfach war, die Hand auszustrecken, ihre Handfläche auf seine Brust zu legen und die warmen nachgiebigen Muskeln und den gleichmäßigen Schlag seines Herzens zu spüren.

„Ich habe gedacht, du stirbst.“ Sie hatte es nicht laut aussprechen wollen, hatte nicht gewollt, dass ihr Tränen in die Augen stiegen.

Er legte seine Hand auf ihre und hielt sie auf seinem Herzen fest. „Du hast selbst gesehen, dass man mich nicht so einfach umbringen kann.“

„Aber vorhin hättest du sterben können. Du könntest es auch jetzt noch.“

Er streckte einen Arm aus, der noch vor einer Stunde gebrochen gewesen war, und berührte die einzelne Träne, die ihr aus einem Auge geflossen war. Dann legte er seine Hand an ihre Wange. „Ach, Reda. Meine süße, süße Reda. Ich wünschte, ich könnte die Zeit anhalten. Nicht mehr zurückblicken, nicht nach vorn, nur wir beide zusammen.“

Sie schloss die Augen und spürte, wie eine weitere Träne ihre Wange hinablief, als er sich vorbeugte und ihre Lippen mit seinen berührte. Und auch wenn sich zwischen ihnen nichts geändert hatte, fühlte sich etwas in ihr neu an, als sie ihren Mund unter seinem öffnete.

Er machte ein leises drängendes Geräusch tief in seiner Kehle, fast ein Seufzen und doch so viel männlicher, als brauchte er sie ebenso dringend wie sie ihn, als hätte er befürchtet, dass sie nie wieder zusammen sein würden. Doch gerade jetzt waren sie es, und sie ergab sich ganz dem Augenblick und war entschlossen, sich zu nehmen, was sie brauchte, und im Gegenzug alles zu geben. Keine Zweifel mehr, keine inneren Debatten. Ihre Gedanken galten einzig und allein dem Augenblick, als sie ihm die Arme um den Hals schlang und er sich über sie schob, um sie auf das trockene nachgiebige Moos zu legen. Es gab keine Zurückhaltung mehr, keine aufsteigenden Ängste vor zu scharfen Zähnen oder Zwängen, nur noch gegenseitiges Geben und Nehmen.

Sie spürte den Zauber des Wolfyn im zarten Kratzen seiner schwieligen Hände auf ihrer Haut, als sie genug ihrer Kleidung auszogen, um einander zu finden. Sie spürte den Zauber in seinem warmen Atem, als sie sanft seine Wange küsste, seine Stirn, und mit jeder Berührung sagte: Ich bin hier, bei dir, und im Augenblick ist nichts anderes wichtig. Sie spürte, wie er den Vampir in sich kontrollierte, wie er sich vor Lust und Verlangen anspannte, als sie mit den Zähnen über die Adern an seinem Hals kratzte und ganz leicht an den verblassenden Knutschflecken knabberte.

Es lag wohl an diesem Zauber, an dieser Kontrolle, dass Reda keine Angst hatte. Und auch an der durch Zeit und Trauer verblichenen Erinnerungen daran, wie ihr Vater mit ihrer Mutter über den Rasen hinter dem Haus getanzt war und die zwei den hölzernen Pfad in den Wald hinabgerannt waren, wie sie sich dabei umgesehen hatten wie ungezogene Kinder – oder Liebende, die nicht zusammenpassten und sich doch gefunden hatten. Jedenfalls fürchtete sie sich nicht, als sie sich unter Dayn drehte und seinen Mund an ihren Hals führte.

Er wurde ganz ruhig. Und dann, mit einem leisen Stöhnen, das tief in ihr vibrierte, öffnete er den Mund dicht an ihrer Haut.

Gegen ihren Willen spannte sie sich an, entspannte sich jedoch schnell wieder, als er sie küsste, mit seiner Zunge leckte und seine Zähne behutsam über die empfindliche Haut kratzten. Dann löste er sich von ihr.

Sie murmelte enttäuscht, und als sie die Augen öffnete, sah er sie an und wartete darauf, dass auch sie ihn ansah. Das Smaragdgrün seiner Augen war verschleiert vor Leidenschaft und seine Haut gerötet, sein dunkles Haar zerzaust. Er sah jünger und unbeschwerter aus, als sie ihn je gesehen hatte. Aber seine Miene war todernst, als er heiser fragte: „Bist du sicher?“

Als er sprach, spiegelte sich das Licht in seinen Fangzähnen. Der Anblick brachte ihr Blut schier zum Kochen. Sie wollte diese Zähne auf sich spüren, in sich, wollte das Risiko mit Körper und Seele eingehen, wollte, dass ein Teil von ihr sich in ihm befand. „Ich bin mir sicher. Aber nur, wenn du es willst.“

„Ich habe noch nie etwas – oder jemanden – so sehr gewollt.“ Er drückte seine Stirn an ihre. „Reda, ich …“

„Schsch.“ Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. „Sparen wir uns das für hinterher auf.“ Denn auch wenn sie hier und jetzt diesen gemeinsamen Augenblick genossen, eine ungewisse Zukunft erwartete sie, und sie wollte nicht, dass einer von ihnen etwas versprach, was er nicht halten konnte.

Er hob den Kopf. Sein Blick war verschleiert, aber er nickte. „Hinterher also.“ Er küsste sie auf die Lippen, zuerst zärtlich und keusch, doch dann öffnete er seinen Mund, als wollte er ihre Worte wiederholen: Nur, wenn du es willst.

Und oh ja, sie wollte. Ihre Nervosität machte es nur noch aufregender, als sie den Mund öffnete und seinen Kuss erwiderte. Mit der Zunge erforschte sie die zwei langen Fangzähne, ließ sie erst an einem, dann an dem anderen entlanggleiten. Sein tiefes Stöhnen entfachte neue Leidenschaft in ihr.

Er streichelte ihren Körper, während sie sich küssten, schob ihre Kleidung beiseite, strich über ihre Kurven und massierte sie. Sie bog sich ihm entgegen, spreizte wollüstig die Beine, um ihr Verlangen zu zeigen, und stöhnte auf, als er sie dazwischen streichelte, ohne in sie einzudringen. Doch dann löste er den Kuss und presste seine Lippen auf ihre Wange, ihren Kiefer und die weiche Stelle unter ihrem Ohr.

Sie bewegte sich rastlos unter ihm, hätte ihn gern in die Hand genommen, ihn selbst mit köstlicher Reibung berührt, aber er hatte seine Hüfte zur Seite gedreht, um sich ganz auf sie konzentrieren zu können. Was so unglaublich sexy war, dass sie das Gefühl hatte, sie müsste zerspringen. „Mehr“, flüsterte sie. „Jetzt. Bitte, jetzt.“

Die Nervosität war verschwunden, und es blieb nur wilde Hitze und Verlangen, als er mit einem Fangzahn ihren Hals entlangkratzte. Wohlige Schauer durchliefen sie, bis ihr ganzer Körper im Takt mit ihrem Herzschlag pulsierte und sie sich köstlich bewusst war, wie ihr Blut durch ihren Körper rauschte und unter der Stelle an ihrem Hals entlangfloss, wo er seinen Mund öffnete und an ihr saugte.

Seine Finger ahmten den Druck seiner Lippen nach und rieben ihren Kitzler mit einer sinnlichen Intensität, die die Lust in ihr weiter und weiter ansteigen ließ. Sie seufzte und wand sich unter ihm. Beim letzten Mal hatte sie sich zurückgehalten, weil sie ihn nicht wissen lassen wollte, wie sehr sie unter seinem Bann stand, doch diesmal ergab sie sich ganz ihren Gefühlen und genoss sie. Sie schob die Finger in sein Haar und trieb ihn weiter an.

Er saugte fester, drang mit den Fingern etwas weiter vor, sodass sie seine Zähne an ihrer Haut und seine Finger an ihrem Eingang spürte. Schauer rasten über ihren Körper und kündigten ihren Höhepunkt an, und stöhnend rief sie seinen Namen, als die Lust sich zu sammeln begann. Sie spannte sich an. Wurde ganz ruhig …

Schmerz durchfuhr sie, als er zubiss, und gleichzeitig steigerte sich ihre Leidenschaft, als er mit zwei Fingern in sie eindrang. Für einen Augenblick war sie schockiert zwischen beiden Empfindungen gefangen. Doch dann, von einem Herzschlag zum nächsten, wandelte der Schmerz sich in Erregung, und der Schock löste sich in einem bebenden Stöhnen auf, als er auf tiefe und ursprüngliche Weise von ihr trank und dabei mit seinen langen geschmeidigen Fingern tief in sie eindrang, während er mit dem Handballen ihren Kitzler massierte.

Sie klammerte sich an ihn, eine Hand lag in seinem Haar und hielt ihn an ihrem Hals fest, mit der anderen krallte sie sich an seiner Schulter fest, als Wellen der Hitze und der Lust sie im Takt mit ihrem Puls durchfuhren, und dann auch mit seinem, als ihre Herzschläge sich einander anpassten. Sie spürte das Pochen seines Herzens und seine Lust und wusste, dass es die Magie sein musste, die eine Bindung zwischen ihnen schuf. Doch statt erschreckend oder einengend, wie Reda es sich vorgestellt hatte, war das Gefühl unglaublich und unbeschreiblich. Es nahm nicht, es gab, es teilte etwas mit ihr. Genau, wie er es tat.

Die ersten köstlichen Vorbeben eines gewaltigen Höhepunkts regten ihre Sinne, und als er tief aufstöhnte, wusste sie, dass auch er es spürte. Er beschleunigte seinen Rhythmus, drang in sie, saugte an ihr und keuchte an ihrem Hals, als sie seufzte und ihre Hand tiefer in sein Haar schob, ihn an sich zog, ihn antrieb.

Seine Aufregung ergriff von ihr Besitz und mit ihr eine tiefe besitzergreifende Lust, die in ihrem Kopf flüsterte: Du gehörst jetzt mir, wie ich dir gehöre. Wir sind wir selbst, aber wir sind auch eins.

Der Orgasmus kam über sie, wirbelte um sie herum, durch sie hindurch und sog sie in einen Wirbel der Lust, der sie so überwältigte, dass der Rest der Welt für sie aufhörte zu existieren – da waren nur noch Dayns Mund und seine Hände, die brennende Hitze, die durch ihre neue Verbindung floss und die Herrlichkeit, die durch ihren Körper wirbelte.

Sie bäumte sich auf und keuchte, ließ sich vom Druck und dem Wirbeln mitreißen. Die Erregung ebbte auch nicht ab, als die pulsierenden Echos verklangen. Die Leidenschaft blieb hoch, als würde auch ihr Körper nach mehr verlangen.

Er stöhnte leise, als er seine Fangzähne aus ihrem Hals löste. Es tat kurz weh, aber der Schmerz verging, als er über die Stelle leckte. Dann küsste er ihren Hals, ihren Kiefer, flüsterte ihren Namen.

„Hör nicht auf“, wisperte sie. Sie war erfüllt und doch noch gierig, und sie konnte spüren, wie sehr er sie brauchte. Er war so hart, dass es wehtun musste, und sehnte sich schmerzlich danach, in ihr zu sein. „Komm in mir.“

Er hob den Kopf. Sein Blick richtete sich auf ihre Augen. Stumm fragte er, ob sie wusste, was sie von ihm verlangte. Er hatte von ihrem Hals getrunken, was bedeutete, dass sie jetzt bereit war, seinen Samen zu empfangen.

Sie nickte langsam und machte sich nicht einmal die Mühe, ihre inneren Stimmen zu fragen. Es war ihr Leben und ihre Entscheidung. Und vernünftig oder nicht, sie wollte es. Sie brauchte es. „Nur, wenn du es willst“, sagte sie noch einmal.

„Bei allen Göttern, ja.“ Er küsste sie, die Fangzähne immer noch ganz ausgefahren und so empfindlich, dass er erschauerte, als sie an einem von ihnen leckte. Während sie sich küssten, nahm er seine Finger aus ihr und schob ihr Bein zur Seite, spreizte sie weit und brachte sich in Position.

Sie beendete den Kuss und schaute erregt dorthin, wo sie kurz davor waren, sich zu vereinen. Er war schwer und prall und die Spitze, die ihre geschwollenen Lippen berührte, herrlich gerötet. Sie konnte sein Pochen spüren, konnte spüren, wie ihr Herzschlag sich diesem Puls anpasste.

„Ich will es“, sagte er, und sie sah ihm in die Augen. Dann schloss sie flatternd ihre Lider, als er ein köstliches Stück in sie eindrang. Er beugte sich vor, küsste sie auf die geschlossenen Lider und flüsterte: „Ich will dich.“ Er drang noch ein Stück ein, füllte und dehnte sie. Und dann, mit tiefer ehrfürchtiger Stimme, als würde er ihr die Welt versprechen, sagte er: „Ich gehöre dir.“ Und drang ganz in sie ein.

Farben explodierten hinter ihren geschlossenen Lidern, Regenbogen der Sinne, die ihr sagten, dass der Sturm vorüber war, die Luft klar und die Vergangenheit fortgewaschen. Und für diesen einen zeitlosen Augenblick, den sie sich gestohlen hatten, erlaubte sie sich, daran zu glauben. Auf einigen Ebenen war es schließlich die Wahrheit.

Als sie sich unter ihm aufbäumte und die kräftigen Stöße erwiderte, die ihnen beiden Schreie entlockten, war sie ganz sie selbst, nahm sich, was sie wollte, und vertraute ihren Instinkten statt ihrer Lebenserfahrung, die für sie nicht mehr funktionierte, vielleicht nie funktioniert hatte. Und als er ihre Hüften umklammerte und sie festhielt, damit er tiefer in sie eindringen konnte, so tief, dass sie fast kam, weil er genau die richtige Stelle traf, wusste sie, dass ihre Beziehung nichts zu tun hatte mit den Problemen von Elden und seinem Wunsch nach Vergeltung. Diese Dinge mochten sie zusammengebracht haben, aber ihre tiefe Verbindung – die jetzt noch dazu magisch war – kam nur aus ihnen selbst.

In diesem Wissen, im Glauben daran und an ihn und diesen einen Augenblick, den sie sich gestohlen hatten, fand sie seinen Mund und gab sich ganz einem Kuss hin, der nichts zurückhielt. Sie war weit für ihn geöffnet, spürte seinen Herzschlag, empfing seine Lust und teilte im Gegenzug ihre mit ihm.

Gefühle schlugen über ihr zusammen, und ihr Körper spannte sich um ihn herum an, als ein zweiter Orgasmus sich ankündigte, tief und mächtig. Sie wiegten sich gegeneinander, und das hier war kein Sex, sie liebten sich auch nicht, sie paarten sich und besiegelten so den Bund, den sie gemeinsam eingegangen waren.

Durch diese Verbindung wusste sie, dass er in ihr verloren war, im Augenblick und in den Empfindungen. Auch er hielt nichts zurück, als er wieder und wieder zustieß und diesen herrlichen Punkt fand, wo sie perfekt zusammenpassten, intim miteinander verbunden waren. Ihr Körper spannte sich noch weiter an, als er sich fester und fester in ihr rieb und dabei immer wieder diesen Punkt berührte, diesen herrlichen wunderbaren Ort, der sie in sich einhüllte, sie umfasste, sie zum Fliegen brachte.

Sie warf ihren Kopf zurück, gefangen in der Herrlichkeit eines Höhepunkts, der Körper, Herz und Verstand vereinte und dem sie sich ganz und gar hingab. Sie rief seinen Namen, pries ihn, drängte ihn, brachte ihn um den Verstand.

„Ja, Reda. Meine süße Reda.“ Er neigte den Kopf, als sein Rhythmus aus dem Takt geriet und sein großer Körper über ihr erbebte. Er presste sich eng an sie, berührte die Stelle, die nur ihnen gehörte, und dann kam auch er, und ihr Name lag auf seinen Lippen, als er ganz in ihr aufging.

Zusammen schwebten sie auf ihren Empfindungen, bestärkten sich gegenseitig in ihren Reaktionen und hielten einander in anhaltender Lust gefangen, bis sie abebbte und schließlich verging.

„Bei den Göttern.“ Er legte seine Wange an ihre und atmete immer noch schwer und schnell. „Liebe Götter. Wenn ich gewusst hätte …“

Ihr wurde klar, dass es auch für ihn das erste Mal gewesen war. Er hatte das erste Mal vom Hals einer Frau getrunken. Sich zum ersten Mal verbunden. Und wenn man sie fragte, würde es auch sein erstes und einziges Mal bleiben. Sie wartete auf die Panik und verspürte keine. Sie lächelte und fühlte sich leichter als … je zuvor. „Es freut mich, dass du es nicht bei einer anderen herausgefunden hast.“

„Nur mit dir, süße Reda.“ Er drehte sich auf die Seite und nahm sie dabei mit sich, sodass sie einander gegenüberlagen. Sie waren nicht mehr intim miteinander verbunden, aber sie konnte ihre Verbindung noch in sich spüren, ein kleiner Kern der Wärme, der sich in ihr regte und sich mit ihrem Blut bewegte. Es störte sie nicht, war nicht aufdringlich. Es war einfach da.

Er sah ihr tief in die Augen. „Es geht mir gut“, sagte sie und schloss ihre Finger fester um seine. „Mehr als gut.“

„Kein Bedauern?“ Seine Worte waren weich und langsam. Voller Hoffnung.

„Niemals, egal, was passiert.“ Ihre Befürchtungen, was die Zukunft bringen würde, wollten ihr in der Seele wehtun, aber sie hielt ihre Gedanken entschlossen auf die Gegenwart und auf ihn gerichtet. Auch wenn die Schwere seiner Lider ihr verriet, dass sie ihn nicht mehr lange bei sich haben würde, jedenfalls nicht bei vollem Bewusstsein. „Sie, mein Herr, stürzen gleich ab.“

„Sss… zu viel Magie.“ Er fing an zu lallen, und sein Blick wurde unscharf. Er blinzelte, versuchte, wach zu bleiben, hatte aber eindeutig keine Chance. „Die ganze Heilerei. Brauche eine Stunde. Sollten … genug Zeit haben.“

Ob sie die Zeit hatten oder nicht, er würde niemandem von Nutzen sein, ehe er sich nicht ausgeruht hatte. Flüchtig dachte sie an Candidas nützliche Tränke, aber die waren lange verbraucht. „Schlaf ruhig“, sagte sie. „Ich halte Wache.“ Im Gegensatz zu ihm war sie hellwach, ihr Kopf war klar, und sie war zum Einsatz bereit.

„Geh … geh nich’ weg. Is’ nich’ sicher.“ Seine Augen waren jetzt fast geschlossen, und sein Körper fiel in den Schlaf, ob er es wollte oder nicht.

„Mache ich nicht. Versprochen.“

Er hob ihre verschränkten Hände an seine Lippen, küsste ihre Fingerknöchel und drückte sie dann an sein Herz. Er lächelte, als der Schlaf ihn übermannte, und sie lächelte zurück, während sie ihm dabei zusah. Und in diesem Augenblick, diesem perfekten gestohlenen Stück Gegenwart, fühlte sie nur Frieden.

Dayns Finger schlossen sich fester um Redas Hand, während sein älterer Bruder die Worte wiederholte, die ihn zum König von Elden machten.

Nicolais Stimme erhob sich über die Menschenmassen, die im Hof der Burg versammelt waren und bis jenseits der Außenmauern und auf den Rasen davor standen. Der Himmel war blau und wolkenlos, die Burg repariert, geschrubbt und mit alten und neuen Bannern geschmückt. Breena stand an Nicolais anderer Seite neben einem kräftigen Mann mit den Zügen ihres Vaters – Micah? Bei allen Göttern! –, und ihr Anblick wärmte Dayn, machte ihn dankbar für den Zauber, der sie alle gerettet und zusammengeführt hatte. Jeden Tag, seit der Zauberer sein Leben gelassen hatte, hatte er diese Dankbarkeit empfunden. Er spürte, dass der Zauber noch mehr bewirkt hatte, spürte hinter jedem seiner Geschwister eine weitere Person, konnte sie aber nicht deutlich erkennen.

Als Nicolai den Eid beendet hatte, neigte er den Kopf, um die Symbole seiner Regentschaft entgegenzunehmen. Dayns Augen wurden feucht beim Anblick der Insignien, die ihr Vater getragen hatte, doch es waren gute Tränen, ein guter Schmerz, frei von Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen. „Er wird ein guter König sein“, raunte er Reda zu.

„Er hat eine gute Stellvertreterin, die auf ihn aufpasst“, murmelte sie zurück.

„Ich ebenfalls.“ Seine Mundwinkel hoben sich, als er zu ihr hinübersah. „Oder bin ich dein Stellvertreter? Ich bin mir nie sicher.“

„Wir können uns abwechseln, jedenfalls, bis unser neuer Kommandant ankommt.“ Sie legte ihre verschränkten Hände auf ihren sanft gerundeten Bauch, und er breitete seine Hand über ihrem wachsenden Kind aus. Wilde Liebe und ein heftiger Beschützerinstinkt stiegen in ihm auf.

Nicolai trat hinaus auf den Balkon der Burg, und die Menge begann zu jubeln, als sie den neuen König von Elden das erste Mal erblickte. Als der Lärm sich steigerte, grinste Dayn, beugte sich vor und küsste Reda zärtlich.

„Es gibt nichts Wichtigeres als das hier“, sagte er und küsste sie noch einmal. Stumm dankte er den Göttern und der Magie, die sie in sein Leben gebracht hatten.

Der Traum zerplatzte und verstreute sich, und Dayn tauchte wieder an die Oberfläche seines Bewusstseins. Noch ehe er die Augen geöffnet hatte, wusste er, dass er die Ruhe gebraucht hatte und auch den angenehmen Traum, von dem er so gern glauben wollte, dass er eine Vorahnung gewesen war und kein Wunschdenken. Er fühlte sich erfrischt und voller Energie, und die Benommenheit war vollkommen verschwunden.

Es war ihm ein wenig peinlich – nicht, dass er so vollkommen das Bewusstsein verloren hatte, sondern dass es ihn so unvorbereitet getroffen hatte. Er hatte schon davon gehört, aber selbst noch nie so viel Magie benutzt wie in den letzten vier Tagen. Und dazu noch die Verbindung … na ja. Nicht der beste Plan aller Zeiten.

Doch gleichzeitig war es auch die beste Entscheidung gewesen, die er je getroffen hatte. Er spürte ihre Wärme in seinen Adern, spürte ihre schwache Verbindung, spürte …

Augenblick mal. Schwach? Sein Blut gefror, als ihm klar wurde, dass sie sich auf einmal sehr weit weg anfühlte.

Irgendetwas stimmte nicht.

„Reda?“, fragte er, als er die Augen öffnete, auch wenn er bereits wusste, dass sie nicht da war. Doch er bekam einen zweiten Schrecken, als er sich umsah. Es war schon beinahe dunkel.

Er sprang auf, rückte seine Kleider hastig zurecht und kroch aus ihrem Unterschlupf.

An der Umgebung hatte sich nichts verändert, jedenfalls soweit er es in der zunehmenden Dunkelheit beurteilen konnte. Es gab keine Anzeichen auf einen Kampf, keinen Hinweis darauf, dass sie nur ein Stück fortgegangen war, um sich zu erleichtern, und dabei von irgendeinem wilden Monster angefallen worden war. Und wenn man sie direkt aus dem Unterschlupf geraubt hätte, hätte man dabei auch ihn entdeckt und wegen des Kopfgeldes mitgenommen. Was bedeuten musste, dass sie von sich aus gegangen war.

Sein Puls hämmerte wie wild in seinen Ohren. Sie hatte versprochen, bei ihm zu bleiben, und doch war sie verschwunden, und er hatte viel zu lange geschlafen. Bei allen Göttern und dem Abgrund, das war kein Traum, es war ein Albtraum. Sie war verschwunden, und seine Zeit wurde knapp.

Was war geschehen? Hatte sie es bereut, sich mit ihm verbunden zu haben, hatte es sie vielleicht sogar angeekelt, als die Leidenschaft abgeklungen war? Hatte ihr intensives Liebesspiel sie in die Flucht getrieben?

Und am wichtigsten, war sie zum Schrein geflohen?

„Nein“, stieß er heiser aus und weigerte sich, das zu glauben. Sie hatten sich vielleicht nicht die Ewigkeit versprochen, aber sie hatte ihn trinken lassen, sich mit ihm gepaart und seinen Samen in sich aufgenommen. Sie gehörten jetzt zueinander. Das musste sie doch wissen.

Nur hatte er es ihr nie gesagt, nicht wahr? Als er etwas in dieser Richtung hatte sagen wollen, hatte sie ihm die Finger auf die Lippen gelegt und das Thema gewechselt. Zu dem Zeitpunkt hatte er gedacht, sie wäre zu verletzlich und aufgebracht von allem, was sie sonst miteinander geteilt hatten, um von der Zukunft zu sprechen. Jetzt allerdings fragte er sich, ob sie vielleicht geglaubt hatte, dass es keine gemeinsame Zukunft für sie gab.

Er war so geblendet gewesen von seiner Kriegerin auf dem störrischen Gaul, dass er nicht mehr daran gedacht hatte, dass auch sie lange Zeit allein gewesen war und ihren Wert infrage gestellt hatte. Wie hatte er das vergessen können?

Bei allen Göttern. Hatte er sie wirklich verloren? Er spürte rasch nach ihrer Verbindung. Das schwache Flackern musste bedeuten, dass sie sich noch irgendwo in den Königreichen befand. Aber wie lange noch? Arbeitete sie gerade daran, einen Vortex in ihre Heimatwelt zu rufen?

Lass sie gehen, flüsterte eine innere Stimme. Sie ist sicherer dort und wird überleben, egal, was auf der Insel geschieht. Vielleicht kannst du sogar zu ihr reisen, wenn alles vorbei ist. Im Augenblick musst du nur auf diese Insel kommen. Die Zeit wird knapp.

Er erstarrte. War das seine Prüfung? Musste er seinen Wert beweisen, indem er Elden wählte und nicht sie? Denn trotz aller Logik sagte ihm sein Bauchgefühl, dass er sie nie wiedersehen würde, wenn sie seine Welt erst verlassen hatte. Mehr noch, es sagte ihm, dass er ihr jetzt folgen musste und es nicht wagen konnte, sich der Insel oder dem Zauberer zu stellen, solange sie nicht an seiner Seite war.

Wunschdenken, spottete es in seinem Kopf. Aber das war es nicht. Es war Vertrauen. Er hatte Vertrauen in sein Bauchgefühl und in die Magie, die er und Reda gemeinsam geschaffen hatten.

Bitte, Götter, helft mir, es nicht zu vermasseln. Dieses Mal kam die menschliche Umgangssprache wie von selbst.

Sein Herz hämmerte wild gegen seine Rippen und sein Magen verkrampfte sich, doch als er sich in Bewegung setzte, war es nicht in Richtung des Blutsees, der Insel oder der Vergeltung, auf die er zwanzig Jahre lang hingearbeitet hatte. Stattdessen ging er in die entgegengesetzte Richtung und folgte den dünnen Spuren, die nur ein ausgebildeter Jäger erkennen konnte. Er bediente sich der Magie ihrer Verbindung und dachte mit aller Kraft: Halt durch, süße Reda. Ich komme. Warte auf mich, und wir überlegen uns gemeinsam, wie es weitergeht.

Denn sein Traum mochte eine Fantasie gewesen sein, aber eines war richtig gewesen: Sie war für ihn das Wichtigste. Er war nicht der Thronerbe, war nicht besser als seine Geschwister, höchstens beim Reiten oder auf der Jagd. Aber bei Reda – und für sie – war er zum Prinzen geworden. Sogar ein Held.

Sie machte ihn besser, und ohne sie würde er Elden nicht das Geringste nützen.