Kapitel 6 – Left in the Dark

 

Wildenstein

 

Kayleigh

 

Kayleigh wachte am frühen Morgen auf. Nur noch ein Tag in diesen Mauern und morgen endlich weg. Zurück in etwas Normalität. Zarah hatte ihr angeboten, noch für etwas Garderobe für sie zu sorgen. Nach dem Frühstück würde Horatio mit ihr Einkaufen fahren. Ein Blick aus dem Fenster zeigte dunkle Wolken, passend zu ihrer Grundstimmung.

 

Zarah

 

Zarah war mit dem ersten Morgengrauen zurück gekehrt. Nach der langen Nacht brauchte sie erst mal etwas Schlaf. Am späten Vormittag erwachte sie wieder und beschloss, den Abend mit ihrem jungen Gast zu verbringen. Sie griff zum Haustelefon und gab Agnes entsprechende Anweisungen. Dieses Mädchen hatte noch das ein oder andere von ihr zu lernen.

 

Frankfurt am Main

 

Frost

 

Frost schlug die Augen auf und Sonnenstrahlen brannten sich wie gleißende Speere in seinen Kopf. Schnell schloss er die Augen wieder und stöhnte auf. Hans Lofstraad war schon wach und hatte gerade das Fenster aufgerissen um Luft hereinzulassen. Ihr Besäufnis hatte in Big Berts Zimmer geendet. Leider war die Klimaanlage nicht für vier Alkohol-Fahnen verströmende Männer ausgelegt. Die Luft hatte diesen Namen nicht mehr verdient. Man hätte sie in Stücke schneiden und als Frühstück an die Tauben verfüttern können. Vermutlich hätten diese das nicht überlebt. Frost kümmerte das wenig. Er wollte nur schlafen. Doch Lofstraad hatte andere Pläne. Wild schüttelte er den verkaterten Ritter.

‚Angelina ist verschwunden.’

Er fluchte.

‚Scheiße, der Morgen fängt ja gut an’

 

Heimwelt

 

Lady Sir-Tek

 

Lady Sir-Tek und Leander, der die Nacht auf der Burg geblieben war, verbrachten den Morgen auf ganz eigene Weise. Schon lange hatten die beiden ein Verhältnis. Er, getrieben von seiner Lust, die sie ihm auf so einzigartige Weise bereitete und seinem Trieb, sie zu besitzen. Sie, immer offen für alle Art von Spielen und angezogen von seiner dunklen Ausstrahlung. Das war, bevor sie die Abgründe seiner Seele, soweit er überhaupt eine hatte, wirklich kennengelernt hatte. Natürlich hatten sie ihre Beziehung geheim halten müssen. Hätte ihr Mann davon erfahren, hätte nichts Leander vor der Vernichtung bewahren können. Irgendwann hatte er ihr einen Vorschlag gemacht, zu dem sie nicht Nein sagen konnte. Half sie ihm, ihren Mann auszuschalten, würde er ihr verschaffen, was sie so sehr begehrte. Natürlich war ihr klar, dass Leander nicht nur wegen ihr Kal-Sor aus dem Weg haben wollte. Ihm ging es vor allem um die Armeen des Kriegsherren. Ihr war es gleich. Kal-Sor war nur ein nützlicher Begleiter gewesen. Mächtig, brutal, leider im Bett vollkommen uninspiriert. Vor allem konnte sie ihn auf keinen Fall um das bitten, was sie haben musste. Da war Leander die bessere Wahl. Ihr verfallen erfüllte er nicht nur ihre sexuellen Gelüste. In seiner Durchtriebenheit konnte er alles erreichen. Manchmal jedoch fragte sie sich, ob sie nicht buchstäblich mit dem Teufel ins Bett ging.

Leander hatte in einem eigenen Zimmer geschlafen, dem Schlafraum des Burgherrn. Früh am Morgen war er bei Lady Sir-Tek aufgetaucht und sie hatte ihn genauso begrüßt, wie er es in seinem dunklen Innersten wünschte.

Nun kniete er mit weit gespreizten Schenkeln nackt vor ihr. Sein Schwanz musste schon fast schmerzen, so hart war er angeschwollen. Die Hände auf den Rücken gefesselt war er ihrer Willkür ausgeliefert. Ihre linke Hand hatte ihn um den Hals gepackt. Mit einem Bündel Lederriemen schlug sie auf Leanders bleiches Geschlecht mit der tiefroten Eichel. Immer wieder, bis der vor ihr Kniende darum bettelte, sich ergießen zu dürfen. Sein Sperma füllte seinen Sack bis zum Platzen, es drückte in seinem Schaft gegen die glänzende Eichel, die die Eruption nicht mehr lange zurückhalten konnte. Sein Flehen wurde drängender.

Bevor sie ihm den Gefallen tat und ihm gestattete sich zu entladen, stellte sie sich vor ihn und befriedigte sich mit flinken Fingern selbst.

Der Anblick der in ihrem Geschlecht wühlenden Hand ließ Leander fast schon kommen, nur mit eiserner Beherrschung hielt er sich zurück. Würde er ohne ihre Erlaubnis seinen Samen verspritzen, so wusste er, dass sie ihn tagelang mit Nichtachtung strafen würde. Ihm vielleicht einen Schwanzkäfig verpassen würde, um hin noch mehr büßen zu lassen. So starrte er mit geilem Blick auf ihre nassen Finger, die geschickt ihr geschwollenes Geschlecht und die pralle Kirsche des Kitzlers bearbeiteten bis sie stöhnend kam.

Dann endlich schob sie ihm ihren Stiefel zwischen die Beine und erlaubte ihm mit einem verächtlichen ‚Gib mir Deine Schmiere‘ auf das glänzende Leder abzuspritzen.

Als sie so über ihm stand und zusah wie sein Schwanz zuckend seine Ladung auf ihre Stiefel entleerte, dachte die Lady darüber nach, wie leicht es wäre, ihn jetzt zu töten. Eine Klinge, irgendeine andere Waffe, eine kurze Bewegung….

Leander hob den Kopf. Ein Blick aus kalten Augen durchbohrte sie.  Als wüsste er genau, was sie dachte. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Während sein Schwanz noch mit den letzten Spasmen klebrige Tropfen verspritzte sprach er mit ruhiger Stimme als säßen sie sich gemütlich gegenüber.

‚Übrigens, ich habe Deine Schwester gesehen. Es schien ihr, den Umständen entsprechend, gut zu gehen.’ 

Mit starrem Gesicht begegnete sie seinem Blick, ohne etwas zu erwidern. In ihr drinnen sah es anders aus. Warum erinnerte er sie gerade jetzt an ihre Abmachung? Den Grund warum sie das Risiko eingegangen war, sich auf den Handel mit ihm einzulassen. Ihre Schwester. Einem mächtigen Herren ausgeliefert und unerreichbar. Konnte er wirklich ihre Gedanken lesen? Dieser Mann jagte ihr nackte Angst ein. Doch sie würde sich davon nicht aufhalten lassen. Dieses Spiel beherrschte sie auch.

Sie versuchte sich ihrer Stimme nichts anmerken zu lassen. ‚Saubermachen.‘

Gehorsam streckte er die Zunge heraus.

 

Frankfurt am Main

 

Frost

 

Niemand wusste etwas vom Verbleib Angelinas. Zuletzt war sie in der Ritter-Schänke gesehen worden, wo sie nachdenklich einen Wein geleert hatte. Danach hatte sie keiner mehr gesehen. Im allgemeinen Trubel vor dem Aufbruch zur Messe legte keiner außer den vier Gefährten der Abwesenheit der Kämpferin große Bedeutung bei. Hunderte Ritter von anderen Komtureien waren in Frankfurt eingetroffen. Viele schon wieder aufgebrochen zum Loreley-Felsen. In dem Trubel war es leicht, den Überblick zu verlieren. Das versuchte man den Gefährten beruhigend klar zu machen. Frost und die anderen glaubten jedoch nicht, dass sich Angelina schon aufgemacht hatte. Sie befürchteten Schlimmeres. Zusammen mit ihr hatten sie vereinbart gemeinsam zur Messe zu fahren, um sich gegenseitig Deckung und Unterstützung geben zu können. Nie hätte sie die Abmachung gebrochen. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.

Beunruhigt durchsuchten die Ritter die Anlage. Vergebens. Nach langem Suchen trafen sie sich wieder. Es machte keinen Sinn zu warten. Stattdessen wurde es immer wichtiger, dass Frost Kontakt mit dem Abt aufnahm. Voll grimmiger Sorgen machten er und seine Gefährten sich auf den Weg.

 

Wildenstein

 

Kayleigh

 

Sie saß mit Horatio im Bentley und genoss den Luxus der sie umgab. Der Geruch des Leders, die glatten Holzbeschläge unter ihren Fingern und nicht zuletzt die Perfektion der Hi-Fi-Anlage.

 

‚Was für ein geiler Wagen!‘

Der Ausruf entfuhr ihr unvermittelt.

Horatio lachte.

‚Ist der Dir nicht zu spießig?‘

Lässig ließ sie die Rückenlehne per Knopfdruck zurückgleiten und schlug die Beine in den Docs übereinander.  ‚Na ja, nichts ist perfekt.‘

Unbefangen plauderte sie mit dem Engländer. Er besaß  einen trockenen Humor und eine wache Intelligenz. In seiner Gegenwart ließ es sich aushalten. Auf dem Weg in die Stadt beschäftigten sich Kayleighs Gedanken noch mit dem Vortag. Genau genommen mit  den Vorführungen in Kampfkunst, der sie gestern beigewohnt hatte. Während sie die Fahrt in dem teuren Auto genoss, fragte sie ihn, ob er ihr nicht auch etwas beibringen könnte.

‚Gerne‚ aber löse Dich gleich von dem Glauben, dass es Dir im Ernstfall etwas helfen könnte’

Kayleigh war ehrlich überrascht.

‚Willst du damit sagen, dieser Kampfsport ist zu nichts nutze und Corwin sich den ganzen Stress umsonst antut?’

‚Nun, er trainiert schon sein ganzes Leben lang und das macht ihn im Duell in einer seiner Disziplinen, und er beherrscht viele, zu einem gefährlichen Gegner. Leider ist es, wenn es um eine reale Auseinandersetzung geht, selten der Fall, dass Dein Gegner sich an irgendwelche Regeln oder Vereinbarungen hält. Ein Beispiel: Angenommen Du bist wirklich fit im waffenlosen Kampf, jahrelang trainiert und richtig gut. Trotzdem wirst Du als Frau bei gleichwertigen Fähigkeiten immer unterlegen sein. Allein aufgrund der physischen Stärke. Das ist aber noch nicht alles. Selbst wenn Du dies irgendwie ausgleichen kannst, weil Du vielleicht besser bist, sobald der Gegner ein Messer benutzt, hat er wieder die Oberhand. Egal wie gut Du bist.’

‚Aber Corwin kann doch auch mit Messern kämpfen?’

‘Das ist nur ein Beispiel. Dein Gegner wird immer versuchen, sich eine bessere Waffe oder eine bessere Ausganssituation zu verschaffen. Sicherlich ist es gut, möglichst viele Kampffertigkeiten zu haben. Zumindest wenn Du erwartest in kämpferische Auseinandersetzungen zu geraten. Deshalb trainiere ich Corwin ja auch. Aber ein Kampf wird durch andere Dinge entschieden: Ort, Zeit, Gegebenheiten, Waffen.’

Kayleigh war etwas enttäuscht.

‚Das heißt, ich kann gar nichts lernen, um mich selbst verteidigen zu können?’

Horatio wandte kurz den Blick von der Straße und lächelte sie an.

‚Ich kann Dir ein paar Sachen zeigen. Trainiere die regelmäßig und Du kannst sie vielleicht bei passender Gelegenheit anwenden. Aber wenn es wirklich zu einer Auseinandersetzung kommt, vergiss es. Merke Dir nur eins: Schaue Dich um, was Du als Waffe einsetzen kannst. Ein Haushaltsmesser, ein Stuhl oder einfach nur eine Flasche. Was immer Du findest, nimm es und benutze es konsequent. Ohne Zögern. Eine zweite Chance bekommst Du selten.‘

Aufmerksam hörte Kayleigh zu.

‚Dumme Frage, aber... was mache ich dann damit, was meinst Du genau mit benutzen?‘

,Konzentriere Dich auf alles was mit Hals und Kopf zu tun hat. Dann schlage zu. Ohne Ansatz. So schnell und so hart Du kannst.’

Das rothaarige Mädchen dachte darüber nach. Irgendwie war ihr nicht wohl bei dem Gedanken.

‚Wahrscheinlich würde ich sowieso davor zurückschrecken, irgendjemanden zu verletzen.’

‚Das ist der Punkt, und es ist auch gut so. Deshalb gibt es Leute wie mich, die aufpassen, dass lieben Mädchen wie Dir nichts passiert.‘

Kayleigh lachte laut.

‚Liebes Mädchen? So ist alles relativ. Wo ich herkomme, war ich schon verrufen, weil ich mit ausgewaschenen Jeans und einem Ramones-T-Shirt rumgelaufen bin.’

‚Punk ist Deine Musik?‘

‚Auch, vor allem aber Rock. Alles wo die Gitarren richtig zur Sache gehen. Meine Lieblingsband sind die 69 Soldiers Of Fortune. Das ist Goth-Rock.‘

Musik, das war genau Kayleighs Thema. Stundenlang hätte sie darüber reden können.

‚Deine Gitarre habe ich schon bemerkt. Spielst Du?‘

‚Ja, das ist meine Leidenschaft. Ich habe eine Fender Stratocaster, das geilste Teil das Du Dir nur vorstellen kannst.‘

‚Na, da musst Du mir bei Gelegenheit etwas vorspielen. Mal sehen, ob wir nicht einen Verstärker besorgen können. Willst Du später mal etwas mit Musik machen?‘

Kayleigh schüttelte den Kopf.

‚Daran habe ich bisher noch nicht gedacht. Rock ist für mich etwas so Persönliches, fast Intimes, dass ich mir augenblicklich gar nicht vorstellen kann, Musik für andere zu machen. Jedenfalls nicht beruflich. Ich habe aber auch schon in einer Band gespielt. Leider sind die Jungs alle weggezogen.‘

Kurz verstummte sie. Ihr fiel ein, dass es für diese wohl eher Glück gewesen war. Horatio bemerkte ihr Innehalten. Schnell fragte er weiter, um sie wieder von dem hinter ihr liegenden Grauen abzulenken.

,Was ist Dir sonst noch wichtig, zum Beispiel bei anderen Menschen?‘

Sie dachte etwas nach.

‚Ich glaube, mir kommt es vor allem auf einen ehrlichen und gerechten Charakter an. Nichts hasse ich so sehr wie Ungerechtigkeit. Ehrlich, ich bin ein wirklich pflegeleichter Mensch. Fast versuche ich zu sehr, es anderen recht zu machen. Ich will nie jemanden enttäuschen oder jemandem wehtun. Aber ich kann keiner Ungerechtigkeit zusehen, dann muss ich mich einfach einmischen. Und natürlich ist es mir wichtig, dass jemand auf Musik steht, am besten auf Rockmusik. Was für Musik hörst Du?‘

‚Schon auch Rockmusik, aber es darf ruhig etwas elektronischer sein. Die Platte schlechthin ist für mich The Wall von Pink Floyd.‘

Kayleigh lachte.

‚Ich weiß, von wem The Wall ist.‘

Schnell wandte sich das Gespräch dem weiten Feld des Musikgeschmacks zu und die beiden diskutierte eifrig über alte Klassiker und die Wiederauferstehung des Rock. Die Fahrt bis in die Stadt verging wie im Flug.

 

Heimwelt

 

Leander

 

Im höchsten Raum des West-Turms der Trutzburg saßen Leander, der Kriegsherr Bal-Kar und Lady Sir-Tek zusammen um sich zu besprechen. Bal-Kar war durch das Ultimatum des Kaisers sichtlich nervös geworden und Leander hatte das rasche Treffen organisiert, um seinen Verbündeten etwas zu beruhigen. Gerade fasste er die Lage zusammen.

Kal-Sors Versuch, einen Brückenkopf auf der Erde, wie ihre Bewohner Kolonie Sieben nennen, zu errichten, war voreilig, zu unüberlegt und vor allem zu zaghaft. Demzufolge ist er auch dramatisch gescheitert. Ihr fragt Euch warum? Wo doch unsere Magie die dortigen Naturgesetze dominiert? Nun, es gibt diverse Gruppen, die gegen uns arbeiten. Die eine Gruppe besteht aus den lokalen Regierungen, die die wesentlichen militärischen Kräfte auf dieser Welt steuern. Durch eine gewisse Ignoranz gegenüber anderen Realitäten ist dieser Widerstand jedoch eher passiv und wird zu gegebener Zeit schnell zusammenbrechen. Die Schlagkraft ihrer Truppen wird bestimmt durch Technik, die auf Gesetzen und Gegebenheiten ihrer Realität basiert. Einer Überlagerung durch unsere Magie haben sie nicht mehr viel entgegenzusetzen. Wir haben bereits festgestellt, dass unsere Magie ihre stärksten Waffen unbrauchbar macht. Zudem sind sie zerstritten und uneins.

Die zweite Bedrohung könnte eine Reihe von Religionsgemeinschaften sein. Im Gegensatz zu den Regierungen haben diese einen tiefen Einblick in das Wesen der Magie. Ironischer weise weigern sie sich jedoch selbst, ihr eigenes Wissen zu akzeptieren. Deshalb können wir diese für heute vernachlässigen. Sollten sie aber nach einer Eroberung schnell ausscheiden.

Ganz anders ist es mit dem sogenannten Deutschen Orden. Diese Menschen haben sich seit Jahrhunderten zum Ziel gemacht zu verhindern, dass sogenannte ‚Böse‘ zu zerstören. Dazu zählen aus Ihrer Sicht auch wir.‘

Leander grinste gemein.

‚Eigentlich kann ich ihnen da auch nicht widersprechen. Dieser Orden hat uns in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel Ärger gemacht. Immer wieder wurden Erkundungstrupps von ihnen aufgespürt und vernichtet. Tore wurden entdeckt und unbrauchbar gemacht. Auch beim Fehlschlag von Kal-Sors Angriff hatten sie irgendwie ihre Finger im Spiel. Kurz gesagt, sie sind sehr lästig.. Die gute Nachricht: Es ist uns gelungen, den Orden zu unterwandern. Morgen schon wird er als Gegner Geschichte sein. Was von ihm bleibt, wird unter unserer Kontrolle stehen.

Die letzte Gruppe schließlich ist etwas schwer zu fassen. Wer genau dahinter steht, ist uns nicht klar. Wir wissen nur, dass es sie gibt. Immer wieder kommt es zu Angriffen auf unsere Agenten, die wir keiner der anderen Gruppen zuordnen können. Das spielt jedoch keine Rolle mehr sobald die Invasion läuft.‘

Ungeduldig fragte Bal-Kar ‚Und wie geht es weiter? Die Zeit rast.’

Die Lady blickte spöttisch auf den Kriegsherrn ‚Eine weitere überstürzte Aktion ist das letzte, was wir brauchen. Außer ihr wollt schnell meinem werten Ex-Gatten folgen.’

Bal-Kar blickte böse zurück.

‚Mit Euch an unserer Seite kann das schnell passieren. Schließlich habt Ihr ihn ja auch trefflichst hintergangen!’

‚Ruhig, Ruhig, nur kein Streit.’

Leander hob zur Mäßigung mahnend die Hand.

‚Mit vereinten Kräften schaffen wir es. Abt Nikolaus vom Deutschen Orden steht auf unserer Seite und wird nach der Vernichtung des Ordens die Öffnung eines Großtors vorbereiten.‘

Lady Sir-Tek schaute interessiert.

‚Wie wollt Ihr das Tor in dieser kurzen Zeit öffnen?‘

Leander schaute triumphierend in die Runde.

‚Mit einem besonderen Schlüssel. Der Äonen-Klinge, die sich im Besitz des Hexenzirkels befindet.‘

Lady Sir-Tek sprang auf. ‚Unmöglich! Der Zirkel wird uns dieses Artefakt nie überlassen. Außerdem ist es viel zu gefährlich. Nur ein Fehler, ein vorzeitiges Entfernen des Schlüssels und das ganze Tor bricht zusammen! Was dies bei einem Tor dieser Größe bedeutet, ist uns allen klar. Der Einsturz dieses Großtores könnte die Verbindungen aller Tore zu dieser Welt betreffen und für immer verschließen. Das darf nicht passieren!‘

Eindringlich sah Leander sie an.

‚Es ist unsere einzige Möglichkeit. Die Äonenklinge oder die Invasion ist gescheitert bevor sie losgeht. Dann landen wir alle in den Seelenkerkern des Kaisers.‘

Kopfschüttelnd ging die Lady auf und ab.

‚Die Großhexe wird niemals zustimmen. Was können wir ihr schon anbieten?‘

Darüber hatte Leander schon nachgedacht und er hatte eine Idee.

‚Kal-Sors Söldner-Truppen haben diese Stadt in Kolonie Sieben überrannt. Jedes Lebewesen dort wurde getötet. Bis auf ein junges Mädchen. Sie wurde von einem Ritter des Deutschen Ordens gefunden mit sechs toten Jägern um sie herum.‘

‚Eine wilde Hexe?‘

Magisch begabte Frauen waren selten. Der Zirkel war ständig auf der Suche nach ihnen, entriss potentielle Hexen schon im Kleinkind-Alter ihren Eltern. Doch eine wilde Hexe mit der Macht sechs Jäger zu töten, ohne Ausbildung, ohne jahrelange Übung und Anleitung? Dazu noch auf dieser so Magie-armen Welt? Unwahrscheinlich. Aber wenn es so wäre, könnte das sehr, sehr interessant für den Zirkel sein.

‚So sieht es aus. Mit Sicherheit kann ich das natürlich von hier aus nicht beurteilen.‘

‚Du sagtest, ein Ordensritter hat sie gefunden. Wie sollen wir an sie herankommen?‘

Lady Sir-Tek setzte sich wieder und schaute Leander fragend an.

Der lächelte gemein.

‚Auf Anweisung des Abtes hat dieser Ritter das Mädchen zu unseren Verbündeten gebracht. Auch wenn der gute Mann das gar nicht weiß. Das Mädchen befindet sich jetzt in unserer Gewalt. Sie gegen die Benutzung der Äonen-Klinge.‘

‚Gut, das könnte klappen. Ich spreche mit der Groß-Hexe.‘

‚Das wäre also geklärt. Ich werde den Abt sofort anweisen, das Mädchen an uns zu übergeben. Kommen wir zu den Invasionstruppen.‘

Er wandte sich an Bal-Kar.

‚An Euch ist es, ein Invasionsheer aufzustellen, damit wir alles, was sich uns entgegenstellt, überrennen können.’

Der Kriegsherr wurde sachlich, hier ging es um sein ureigenstes Fachgebiet.

‚Ich werde meine Armee umgehend erwecken.’

‚Was ist mit der Armee Kal-Sors?‘

‚Die Animierung seiner Armee ist nicht so einfach, da uns sein Sohn entwischt ist. Wie jeder Kriegslord hat Kal-Sor Sperren eingebaut, die jeden außer ihn oder eben seinen Erben daran hindern, die Krieger zu wecken. Ohne seine Kämpfer haben wir zwei Drittel weniger zur Verfügung. Wir müssen seinen Sohn finden. Dieser wird uns den Zugang verschaffen. Lady, was wisst Ihr über seinen Verbleib?‘

Die Angesprochene schüttelte den Kopf.

‚Er scheint verschwunden. Bei mir hat er sich nicht gemeldet, was mich aufgrund unserer, sagen wir mal, schwierigen, Beziehung auch nicht wundert.‘

‚Unproblematisch‘ unterbrach Leander ‚mit den bestehenden Kräften sind wir ausreichend ausgestattet. Das Wichtigste wird sein magische Unterstützung zu erhalten. Hier hilft uns zum einen die werte Lady Sir-Tek, die über sehr gute Kontakte zum Hexenzirkel verfügt und zum anderen werde ich persönlich für Unterstützung der Magiergilde sorgen.’

Die Magier der Gilde waren nur dem Kaiser unterstellt. Sie waren so arrogant wie mächtig und ihre Unterstützung würde entscheidend sein um die neue Welt zu erobern und zu halten.

Bal-Kar hatte Einwände.

‚Die Frage ist nicht ob sie uns unterstützen, sondern was ihr Preis sein wird.’

Leander beugte sich vor und musterte ihn aus kalten Augen scharf.

‚Diese Welt ist groß genug, dass wir die Magier bezahlen können und ihr trotzdem Euren angemessenen Anteil bekommt, macht Euch da mal keine Sorgen.’

Damit schloss Leander die Besprechung und Bal-Kar machte sich auf den Weg. Sobald er den Raum verlassen hatte sah Lady Sir-Tek Leander an.

‚Bleibt nur noch die Frage, was bei dem letzten Angriff schiefgegangen ist.’

‚Genau das würde mich auch interessieren’

 

Loreley

 

Frost

 

Der Loreley-Felsen war ein hoch über dem Rhein gelegenes Felsplateau mit herrlichem Blick über das gesamte Rheintal. In die Felsformation die ein natürliches Amphitheater bildete, waren Stufen herein gehauen worden die zusammen mit den ansteigenden Grashängen Platz für mehrere tausend Besucher boten. Heute Nacht bestanden diese Besucher ausschließlich aus Rittern des Deutschen Ordens, traditionell gekleidet in ihre schwarz-grauen Winterkampf-Anzüge und dem weißen Überwurf mit dem schwarzen Kreuz darauf. Diese Gewandung hatte ihren Ursprung noch in den Kreuzzügen.

Ein weiteres Zugeständnis an die Tradition war das Schwert, das jeder Ritter mit sich trug. Etwa ein Meter zehn lang, mit einer Hand am Griff und einer am Knauf zu führen, deshalb auch Ein-Einhalb-Händer genannt. Jeder Ritter hatte seine eigens für ihn gefertigte Waffe, die er am Tag seines Ritterschlags empfangen hatte. Keines glich dem anderen. Scharf geschliffen wurde es jeden Morgen zu einer andächtigen Konzentrationsübung benutzt. Im Kampfeinsatz waren die historischen Schwerter natürlich schon vor langer Zeit durch moderne Feuerwaffen ersetzt worden. Auf diese wurde jedoch während der Messe verzichtet, was Frost nicht davon abhielt, eine Automatik in einem Holster unter seinem Wappenrock zu tragen. Auch seine Begleiter hatten angesichts der Umstände nicht auf zusätzliche, versteckte Bewaffnung verzichtet.

Zusammen mit Hunderten anderen strömten sie zum Amphitheater. In Bussen und Autos reisten die Ritter an. Frost hatte seinen eigenen Wagen genommen, einen alten Dodge Challenger, und Big Bert, Hans Lofstraad und Joe Lang mitgenommen. Der Nachteil war, dass er sich neunzig Minuten Lil Wayne, Eminem und Cypress Hill aus Berts MP3-Spieler und die giftigen Kommentare von Hans dazu hatte anhören müssen.

Es wurde schon dunkel, als sie ankamen. Flackernde Fackeln erleuchteten das ganze Gelände als sie der Masse zum Amphitheater folgten. Am Ende würden hier fast dreitausend Ritter versammelt sein.

Ohne sichtbare Eile erreichten sie das Hochplateau. Vor ihnen neigte sich das Gelände wieder bis steinerne Stufen ein großes Halbrund bildeten. In dessen Zentrum befand sich eine erhöhte Plattform. Darauf  ein Altar an dessen Seiten große Holzfeuer in metallenen Körben brannten. Wolken zogen auf, irgendwo grollte Donner. Die ganze Szenerie hatte etwas urwüchsig Beeindruckendes, fast Bedrohliches. Eine besondere Anspannung lag in der Luft. Überall begrüßten sich Ritter, die sich lange nicht gesehen hatten. Die Stimmung war gedämpft. Frost sah sich um. Das Gelände jenseits der Fackeln lag undurchdringlich im Dunkeln. Wieder dieses ungute Gefühl. Langsam fing er an, überall Gespenster zu sehen.

Ganz bewusst suchten sie sich einen Platz am äußeren Rand des erleuchteten Bereichs. Wenige Schritte und auch sie würden mit dem Dunkel verschmelzen. Ein ganzes Stück abseits stand ein großes Zelt, einem mittelalterlichen Ritterzelt nachempfunden. Darin befand sich ein hochmoderner mobiler Wohncontainer, der dem Abt als Quartier diente.

Frost würde sich im Schutz der Masse direkt dorthin begeben. Er musste sich beeilen. In Kürze würde die Messe beginnen und der Abt vorher zu den Schuppen gebracht, die etwas tiefer hinter der Bühne lagen. Zu anderen Gelegenheiten dienten diese als Backstage-Bereich für auftretende Künstler.

‚Sei vorsichtig‘ gab Big Bert Frost ernst mit auf den Weg.

Er nickte und zog los in Richtung Abt. Es war nicht weit bis zum großen Zelt. Die Wachen, zwei Mann am Zelteingang und noch mal zwei an der Tür des großen Containers, ließen Frost ohne Probleme passieren. Sie waren offensichtlich schon über sein Kommen informiert.

Im Inneren des Containers, genau genommen waren es mehrere die zu einem zweistöckigen vollausgestatteten Wohn- und Arbeitszentrum zusammengebaut waren, wurde er von einem Ritter im Waffenrock des Ordens zum Abt geführt. Endlich. Nikolaus saß an einem Schreibtisch in einem schmucklosen Raum mit ein paar Stühlen und Schränken. Christoph von Tannenberg war ebenfalls anwesend. Den Schleimer brauche ich eigentlich nicht, dachte sich Frost.

Abt Nikolaus war ein hagerer Mann mit Halbglatze und dünnen weißen Haaren, die eng an seinem schmalen Schädel anlagen. Sein Gesicht hatte etwas von einer Ratte, wie Frost für sich dachte. Das Auffallendste am Abt waren seine stechenden Augen, die in einem glühenden Eifer brannten. Keiner konnte sich deren durchdringendem Bann entziehen und Frost fühlte sich wie ein kleiner Schuljunge mit schlechtem Gewissen unter dem musterndem Blick.

‚Ah, Ritter Frost, es freut mich sehr Dich zu sehen mein Sohn, wenn auch unter diesen schwierigen Umständen.’

Er unterdrückte den unwillkürlichen Reflex eine Verbeugung zu machen.

‚Abt, endlich. Ich muss Euch dringend berichten…’

Er blickte kurz auf die Wache, die hinter ihm stand.

Nikolaus beruhigte ihn.

‚Sprich ruhig weiter. Dieser Mann, wie natürlich auch Ritter von Tannenberg, genießt mein uneingeschränktes Vertrauen.’

Frost richtete seinen Blick wieder auf den Abt.

‚Ben, ich meine Ritter Bernhardinus wurde auf dem Rückweg von seinem Einsatz getötet. Offensichtlich von Torgängern. Nach meiner Rückkehr ins Hauptquartier haben Männer Eurer Garde, oder zumindest mit ihren Abzeichen, versucht mich kalt zu stellen. Ritter Angelina ist verschwunden, nachdem ich ihr von meinem Einsatz erzählt habe. Das alles lässt nur einen Schluss zu. Es gibt tatsächlich Verräter in den Reihen des Ordens und diese befinden sich direkt im Hauptquartier. Die Offenheit ihres Vorgehens kann nur bedeuten, dass etwas Großes sehr bald passieren wird. Außerdem muss irgendetwas in Bielefeld gewesen sein, das von besonderer Wichtigkeit ist. Warum sonst der Anschlag auf Ben und der Versuch, mich auszuschalten?‘

Der Abt nickte.

‚Ich könnte mir sogar vorstellen, was das sein könnte. Das Mädchen. Alles weist daraufhin, dass die Vorgänge irgendetwas mit ihr zu tun haben. Hast Du jemandem von ihr erzählt?’

Wurde der Blick des Abtes noch eindringlicher? 

‚Nein, getreu Euren Anweisungen weiß niemand von ihr. Außer Ben…’

Bei diesen Worten wurde Frost nachdenklich. War das vielleicht der Grund des Angriffs auf Ben? Aber im Orden hatten nur der Abt und er selbst neben Ben von dem Mädchen gewusst. Sein schlechtes Gefühl, mit dem er schon hierher gekommen war, verstärkte sich.

Von Tannenberg unterbrach seine Überlegungen. ‚Was ist mit der Offizierin von der Bundespolizei, mit der Ihr die Nacht verbracht habt? Habt Ihr mit ihr darüber gesprochen?’

‚Natürlich nichts. Im Gegensatz zu Euch habe ich andere Dinge zu tun, wenn ich mit einer Frau zusammen bin.’

Innerlich fluchte Frost. Jetzt machte er sich auch Sorgen um Rita. Er war komplett überwacht worden. Was für ein Idiot war er gewesen. Nach außen ruhig aber jeden Muskel gespannt wie eine zum Sprung bereite Feder blickte er den Abt an.

‚Glücklicherweise seid Ihr hier, ich habe schon befürchtet, das sei auch eine Falle.’

Nikolaus lächelte ihn großmütig an.

‚Nun mein Sohn, wie soll ich sagen, genau genommen ist es das auch.’