Kapitel 1 - Razor’s Edge

 

Bielefeld

 

Frost

 

Er griff zum Gürtel seines Kampfanzuges um das Magazin in seiner Waffe zu wechseln. Die übergroße halbautomatische Maschinenpistole vom Typ KM-7L hatte bisher nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Lieber hätte er die an seinen Oberschenkel geschnallte, mit einem kurzen modifizierten Doppellauf versehene Schrotflinte benutzt. Aber er hatte nur noch wenig von der durchschlagenden Spezialmunition und wer wusste schon, was ihn auf seinem weiteren Weg Richtung Stadtzentrum noch alles erwartete.

Vorsichtig schob er sich den Gang entlang, der den Verwaltungsbereich der Fabrik mit einer der Produktionshallen verband. Er registrierte die toten und gräßlich entstellten Körper derjenigen, die hier nicht rechtzeitig weggekommen waren. Seine Stiefel glitten über halbgetrocknete Pfützen menschlichen Blutes und immer wieder musste er über Trümmer von Einrichtungen und Mauerstücken steigen. Was sein Blick noch wahrnahm und der professionelle Teil seines Gehirns analysierte und archivierte, erreichte nach achtzehn harten Stunden in Bielefeld seine Gefühle nicht mehr. Es waren die längsten Stunden, die er je erlebt hatte. Schrecken, Entsetzen, Adrenalin und Überlebenswille hatten einen mentalen Block entstehen lassen. Frost war dankbar dafür.

Mit angelegter Waffe linste er um die nächste Ecke und fluchte leise. In dem großen Raum hatte vor kurzem ein heftiger Kampf getobt. Mehrere tote Mitglieder der Einsatztruppe lagen verstreut umher, einige noch zwischen den Trümmern ihrer provisorischen Deckungen. Nur einer lebte noch, aber nicht mehr lange. Eine unförmige monströse Gestalt, von doppelter Größe eines Menschen mit muskelbepackten, krummen Gliedmassen und stahlbewehrten Klauen hatte ihn an der Kehle gepackt, hochgehoben und gegen die Wand gedrückt. Die Bestie öffnete das geifernde Maul, Schleimfäden zogen sich von einer Reihe handlanger Reisszähne zur anderen, während die menschliche Gestalt verzweifelt versuchte, eine Waffe in Anschlag zu bringen. An den Spuren auf dem verspiegelten Visier erkannte Frost, dass das Opfer hart gekämpft hatte, bis es nun in der Falle saß. Was konnte er tun? Das Wesen hatte einen kompletten schwerbewaffneten Trupp ausgeschaltet. Wenn er sich einmischte, würde er nur eine weitere Leiche auf dem Boden sein. Er fluchte erneut, vor allem über seine eigene Dummheit, und schob sich aus der Deckung. Mit einer kurzen Bewegung richtete er die Waffe aus und zog den Abzug durch. Ein Kugelhagel ergoss sich über das Monster, bohrte sich in sein Fleisch und drang in seinen alptraumhaften Körper ein. Brüllend wandte es den Kopf, bösartig blitzende Augen suchten nach dem neuen Opfer und hefteten sich auf den Störenfried.

‚Verdammt, tolle Idee Frost, und jetzt?’

Eine kurze Zeit schien es, als könne sich das Vieh nicht zwischen dem zappelnden Leckerbissen in seiner Klaue und dem ärgerlichen Angreifer hinter ihm entscheiden. Am Ende siegte die Wut. Verächtlich liess es seine Beute los und wandte sich um. Frost wechselte in einer fliessenden Bewegung das Magazin und suchte nach einem Ausweg. Die Toten am Boden liessen ihn den Gedanken an einen erfolgreichen Rückzug schnell vergessen. Seine Schüsse schienen dem Monster nicht mehr auszumachen als ein lästiger Fliegenschwarm. Da sah er den Gabelstapler.

Weiter die bleispuckende Waffe auf das Wesen gerichtet rannte er los und warf sich in den Fahrersitz. Ein Tritt aufs Gas und der Stapler setzte sich in Bewegung. Er fuhr direkt auf das Ungetüm zu, das ihm mit großen, hämmernden Schritten entgegenkam. Frost grinste wild und fuhr die Gabel hoch, das Monster brüllte und warf sich auf ihn. Wie urzeitliche Dinosaurier im Duell krachten der Stapler und das Biest ineinander. Der Aufprall warf Frost fast vom Sitz, eine tödliche Klaue riss Furchen in sein Helmvisier, konnte ihn aber wegen der hochgefahrenen Staplergabel nicht richtig erreichen. Ohne mit der Wimper zu zucken richtete sich Frost auf, stützte sich mit einem Bein ab und riss die Schrotflinte aus dem Schnellzieh-Halfter. Das Biest raste. In wilder Rage brüllend riss es seine Kiefer auseinander und entblößte tödliche Fänge.

Frost sprang nach vorne, rammte den Lauf direkt in das aufgerissene Maul und zog zweimal den Abzug durch. Mit heraustretenden Arm-Muskeln und angespanntem Körper hielt er dem mächtigen Rückstoss entgegen. Die Waffe brüllte in seinen Händen auf und pustete ihre Ladungen aus Spezialmetall durch den Schädel des Monsters.

Friss das, Missgeburt!’

 

Theobald von Büdingen

 

Am Rande der Stadt war hastig ein mobiles Hauptquartier errichtet worden. Vier Lastwagen mit Container-Aufbauten bildeten dessen Kern, zwischen ihnen unter Zeltplanen das Kommandozentrum. Den Einsatz leitete Oberst Schneider von der GSG-9. Er besprach jeden Schritt mit einem schlanken Mann in einem dunklen Kampfanzug, dessen einziges Erkennungszeichen ein kleines schwarzes Kreuz auf weißem Grund war, welches auf seiner Brust und auf den Schultern befestigt war. Sein Name war Freiherr Theobald von Büdingen. Beide Männer hörten sich besorgt die Berichte der kämpfenden Einheiten an. Mit jedem Funkspruch wurde die Liste ihrer Verluste höher. Schneider blickte den anderen Mann an.

‚Wird es nicht Zeit für einen Rückzug?’

Von Büdingen blickte konzentriert auf die Karte der Stadt, die vor Ihnen aufgespannt war.

Wir müssen erst wissen, was passiert ist.’

Schneider nickte, das war ihm auch klar. Genauso klar war ihm aber, dass jede Sekunde dort draussen seine Leute starben, im verzweifelten Kampf gegen einen unmenschlichen Feind.

‚Die Hälfte unserer Trupps haben wir bereits definitv verloren, von den meisten der Übrigen wissen wir nicht, wie deren Lage ist. Ich gebe Ihnen noch eine Stunde, dann hole ich meine Leute da raus. Sie sollten das mit Ihren Männern auch tun, wenn die bis dahin noch am Leben sind’.

 

Frost

 

Er zog den verschrammten und blutbespritzten Helm ab und wandte sich an die Gestalt, die sich an der Wand hochrappelte und ebenfalls den Helm abnahm. Wie er mit einem Grinsen feststellte handelte es sich um eine Frau, die, noch leicht benommen, nach ihrer Waffe sah. Sie hatte dunkles, zu einem Pagenkopf geschnittenes Haar das ihr gerade schweißnass am Kopf klebte. Eine Strähne fiel über eines ihrer tiefblauen Augen. Ihr Gesicht war ebenmässig, ein gutes Stück mehr als hübsch. In starkem Kontrast dazu stand eine blasse Narbe, die sich weiß vom Jochbein bis über die Wange zog. An einer Wand, halb unter Trümmer gerutscht fand sie ihre Waffe, prüfte das Magazin und nickte ihm dann kurz zu. Er nahm das als ein Danke und nickte zurück. Dabei lud er die Schrotflinte neu und steckte sie wieder in das Halfter.

Am Ende des Raumes war eine offen stehende Tür zu einem Frachtaufzug zu sehen, sie waren ihrem Ziel ganz nahe. Mit der KM7-L im Anschlag näherte er sich vorsichtig der Tür, die Frau folgte ihm, nach hinten sichernd. Der Aufzug war leer. Er tippte auf den Knopf für das unterste Stockwerk, Dreizehntes Kellergeschoss. Zischend schloss sich die Tür.

Durchatmend lehnte sich Frost an die Kabinenwand. Das Adrenalin pochte in seinen Adern und hielt ihn trotz seiner körperlichen Erschöpfung wach und konzentriert. Nach dem Einsatz würde er dafür bezahlen. Egal, erst mal galt es zu überleben. Jede Sekunde Erholung nutzend entspannte er bewusst und schaute zu, wie die, wie er feststellte junge, Frau ihre Verletzungen untersuchte.

Sie zog den Verschluss ihres Kampfanzuges nach unten und legte eine Schulter frei, über die sich drei blutige Klauenspuren zogen. Dabei bekam er auch einen guten Teil ihrer nicht zu großen und sehr wohlgeformten Brust zu sehen. Natürlich bemerkte sie seinen Blick und schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Unbeeindruckt schaute Frost weiter auf das runde Fleisch und genoss den Anblick. Er war kein Typ von übertriebener Zurückhaltung. In einer Situation, wo er nicht wusste, ob er die nächste Stunde überleben würde, wollte er sich das Vergnügen eine schöne Brust zu betrachten, nicht nehmen lassen.

Eine leichte Bewegung ihrerseits liess den hochentwickelten Kampfanzug aus Spezialkunststoff verrutschen und noch etwas mehr von dem weißen Busen aufblitzen. Er konnte nun ihre rosane, feste Brustwarze sehen, die sich unter seinem Blick aufrichtete und härter wurde.

‚Wie lange der Aufzug wohl nach unten braucht?’ fragte er.

‚Lange genug.’ antwortete sie, ihr schlanker Körper drängte sich an ihn.

Gierig suchten ihre Lippen die seinen. Seine Zunge traf die ihre während er einen Arm um ihre Taille schlang um mit der anderen den Kampfanzug von ihrem Oberkörper zu streifen. Ihre Hände rissen sein Oberteil auseinander, glitten fest über seine kräftigen Brustmuskeln und wanderten tiefer über seinen flachen Bauch. Er griff an ihre Brust und genoss das weiche Fleisch und die zarte Haut in seiner Hand, sein Daumen spielte mit ihrer aufgerichteten Brustwarze. Seine andere Hand schob sich unter den Overall, ertastete den Gummizug ihres Slips und fuhr darunter, über feste, durchtrainierte aber sehr, sehr weibliche Pobacken, die unter seinem forschenden Griff zuckten.

Ihre zielstrebigen Hände strichen indessen über seinen Bauch, ertasteten seine Muskeln, zupften mit gestreckten Fingern an seiner Haut und glitten dabei immer tiefer.  Eine Hand streichelte seinen Unterleib von Hüftknochen zu Hüftknochen, ihr Handballen ertastet deren Form während sie immer tiefer in seine Unterwäsche tauchten, wo sein Glied schon hart und geschwollen war. Ihre Fingerknöchel streiften seine Eichel.

Ein kurzes Stöhnen entrang sich Frosts Kehle, er drang mit seiner Zunge tiefer in ihren Mund, eng verschlungen mit seiner. Mit einer Bewegung drehte er sie gegen die Wand und fuhr mit seiner Hand zwischen ihre Beine. Zitternd reckte sie ihm ihren Venushügel entgegen. Als er fest ihr Geschlecht umfasste und seine Finger auf ihre feuchten Schamlippen legte, warf sie ihren Kopf nach hinten und stöhnte auf.

 

Rita

 

Sie packte das Glied des Kämpfers und ertastete seine Größe, Härte und Form. Sie war von sich selbst überrascht. Tat sie das wirklich? Mit einem wildfremden Mann, mitten im Kampfgebiet, umgeben von Albtraumgestalten die sie umbringen wollten, Sex zu haben? Andererseits, wenn nicht mehr jetzt, wann dann. Sobald der Aufzug sein Ziel erreichte, wartete vermutlich der Tod auf sie. Und der unbekannte Kämpfer war auf eine wilde Art attraktiv. Sie pfiff auf alle Konventionen und zog ihren Kampfanzug soweit herunter, dass sie die Beine weiter spreizen konnte. Zwischen ihren Beinen fühlte sich seine feste Hand so gut an. Sein Mittelfinger hatte den Eingang zu ihrer Lust mit leichtem Druck und kreisenden Bewegungen weit geöffnet. In ihrer Hand pulsierte sein harter Schaft. Gerne hätte sie noch länger seine Hitze in ihrer Handfläche gespürt, ihn gestreichelt, zärtlich erkundet. Aber mehr noch wollte sie ihn in sich spüren. Rita setzte seine pralle Eichel direkt ans Zentrum ihrer Feuchtigkeit.

Er packte ihre Arme, drückte sie an die Wand und drang behutsam in sie ein. Die Spitze seines Geschlechtes ruhte zwischen ihren inneren Schamlippen. Leicht bewegte er seine Hüfte, was sie erneut aufstöhnen ließ. Lechzend nach ihrer Enge stieß er mit einer Bewegung sein hartes Fleisch bis zum Ansatz in ihre Grotte.

Ihr Geschlecht schloss sich heiss um sein Glied und sie drückte sich an ihn, ließ ihre Hüfte rotieren.

Jetzt war es an ihm aufzustöhnen. Seine Zunge glitt über ihren Hals, schmeckte das Salz ihres Schweisses, genoss den Schwung ihrer Kehle.

Sie genoss sein Geschlecht in ihrer Grotte, rieb ihren Unterleib an seinem.

  Er drückte seine nackten Oberkörper gegen ihren, um ihre Brüste auf seiner Brust zu spüren, eng umschlungen glitten sie beide zu Boden.

In diesem Augenblick erreichte der Fahrstuhl das letzte Untergeschoss und seine Türen öffneten sich.  Die beiden blickten auf die Hölle.

 

Der Aufzug hatte auf Höhe einer etwa fünf Meter breiten Galerie gestoppt, die an drei Seiten um eine riesige Produktionshalle lief. Über ihnen liefen zwei gewaltiger Deckenkräne von einer bis zur anderen Seite, scheinbar mitten in der Produktion gestoppt, denn ein Koloss von Turbine hing immer noch zwischen beiden. Überall in der Halle standen Werkzeugmaschinen, Hebebühnen und große Gestelle mit fertigen oder unfertigen Maschinenteilen. In der Mitte der Halle ragte ein riesiger leuchtender Pfeiler empor, der sicher nicht für irgendwelche Produktionszwecke gemacht war. Wahnsinnige Symbole brannten in ihm und ein gleissendes Feuer ging von ihm aus. Um ihn herum war alles geschmolzen, verbogen, zerstört. Aus dem Feuer kamen Wesen, unförmige, wahnwitzig aussehende, tödlich erscheinende. Sie sprangen, flogen, krochen. Einige sahen aus wie riesige fliegende Gesichter, die Feuerbälle spuckten, andere ähnelten dem Wesen, gegen das Frost gekämpft hatte und anderen Monstern, denen er auf der Mission schon begegnet war.

Frost und die Frau starrten auf das Szenario, gebannt von dem infernalischen unwirklichen Bild vor ihren Augen.

Mit gesenkter Stimme raunte sie ihm zu:

‚Wenn Du aufhörst, bringe ich Dich um’.

 

Frost

 

Sie war nicht nur hübsch, sie hatte auch Nerven wie Drahtseile. Und sie war leidenschaftlich. Wie um ihre Worte zu unterstreichen schlang sie ein Bein um seine Hüfte.

Langsam zog er sein Glied aus ihr heraus, bis nur noch seine Eichel von ihrer feuchten Lust umschlossen war. Er spürte wie sich ihre weichen äußeren Lustlippen um die Spitze seines Schwanzes schmiegten. Seine Hoden zogen sich zuckend zusammen im Bemühen seinen Saft zurück zu halten. Ein kurzes Innehalten und er drang wieder tief in sie ein. Sie stöhnte tief aus ihrer Kehle. In ruhigem Rhythmus begann er sie zu bearbeiten. Ihre Hände krallten sich in sein Haar, kniffen in seine Brustwarzen.

Hätte er sein Tempo beschleunigt, hätte er sich sofort in sie ergossen. Seine linke Hand umfasste eine ihrer Pobacken, knetete sie, zog sie auseinander, drückte sie zusammen. Sein Rhythmus wurde härter und schneller.

Plötzlich erbebten die Bodenplatten auf der Galerie vor ihnen. Mit einem gewaltigen Satz war ein missgestaltetes Wesen, hoch wie ein Mensch und doppelt so breit, heraufgesprungen. Es richtete sich auf und brüllte auf. Dabei entblösste es handlange Hauer.

Geistesgegenwärtig griff Frost zu seiner Maschinenpistole und entleerte das ganze Magazin auf das Ungetüm. Allein von der Wucht der Kugeln wurde es die Galerie hinuntergeworfen. Nun hatten sie die Aufmerksamkeit weiterer Monstren auf sich gezogen. Toll. Die Frau unter ihm wälzte sich mit ihm herum. Er spürte, wie ihr bebendes Becken sich tiefer auf sein Geschlecht presste. Gleichzeitig hatte sie einen Colt Manhunter gezückt. Unbewusst registrierte er, dass dies keine Standardwaffe der GSG 9 war. Ohne seinen harten Kolben auch nur einen Zentimeter frei zu geben schoss sie zwei weitere geifernde Ungeheuer von der Brüstung. Dies gab ihm die Zeit, ein neues Magazin in seine Waffe zu laden. Mit einer weiteren Drehung brachte er sich in Schussposition und fegte eins der Feuerball spuckenden Gesichter vom Himmel. Ein Magazin Spezial-Munition übrig, zählte er leise mit. Er war kurz vor dem Höhepunkt. Aufstöhnend rammte er sein zum Bersten gespanntes Glied in das gierig saugende Geschlecht unter ihm.

Sie schien ebenfalls fast soweit zu sein wie er am Beben ihres Körpers spürte. Das hielt sie aber nicht davon ab, nach dem Schrotgewehr an seiner Hüfte zu tasten und es auf ein Gargoyle-ähnliches Geschöpf zu richten, das sich aus der Luft auf sie stürzte. Ein Brüllen der Waffe und der Angreifer wurde zerfetzt. Wieder drehten sie sich um ihre gemeinsame Achse. Frost lag wieder oben und konnte nun über die Brüstung sehen. Aus dem Feuer schob sich eine riesige Hand, gefolgt von einem beschuppten Arm.

Das Schrotgewehr.‘

Er keuchte ihr die Worte zu.

 

Ohne die drängende, sich windende Bewegung ihres Unterleibs zu unterbrechen reichte sie ihm die Waffe. Noch genau eine Patrone. Um zielen zu können musste er die Waffe hinter ihrem Rücken halten. Ihre Brüste mit den hart aufgerichteten Nippeln pressten sich an seine schweißnasse Brust. Beide erschauerten bei der Berührung vor Lust.

Als hätte sie dieses aufwallende Lustgefühl gespürt drehte sich eine menschliche Gestalt am Boden der Halle zu ihnen um starrte das Paar an. Sie streckte einen knorrigen Finger nach den beiden aus und auf einmal war da nur noch eisige Kälte in ihnen.

Sie konnten sich nicht mehr bewegen.

Frost konzentrierte seine ganze Willenskraft darauf seinen rechten Zeigefinger nur ein kleines Stück zu krümmen. Ein halber Zentimeter um seine Waffe abzufeuern. Vergeblich. Hilflos mussten sie zusehen wie das schaurige Ritual weiterging. Etwas Großes schien sich im leuchtenden Schein zu wegen. Groß und böse. Ein gehörnter Kopf begann sich aus dem Feuer zu schieben. Alle anderen Monster hatten in ihrer Bewegung innegehalten und sich dem Mittelpunkt der Halle zugewandt. Ein grässliches Antlitz wurde sichtbar. Gewaltige und wahnsinnige Augen zuckten umher. Ein Hals streckte sich hervor.

Später konnte Frost nicht mehr genau sagen, was er erlebt hatte. Es war wie ein kurzer Schnitt durch die Realität, ein kurzes Zucken der Zeit, ein Gefühl, dass irgendetwas gewesen war, ohne es greifen zu können.

Das gewaltige Leuchten flackerte kurz, die allgegenwärtigen Monstren schienen kurz zu zucken und Frost spürte, wie die Lähmung, die sie beide befallen hatte, kurz nachließ.

Er hatte nur eine Chance. Wie immer, dachte er und drückte ab.

 

Die Ladung Schrot aus seiner Waffe zerfetzte eine Kette der in der Halle hängenden Maschine. Mit einem Krachen stürzte sie an einem Ende herab. Durch den Schwung pendelte sie mit ihrer ganzen gewaltigen Masse direkt gegen die glühende Säule. Die Wucht ließ das Artefakt zusammenbrechen und mit ihr das gesamte feurige Tor. Ein unirdisches, markerschütterndes Geräusch erfüllte die Halle, als würden riesige Metallplatten wie Papier zusammengeknüllt und dann zerrissen.

Frost sah, wie der gehörnte Kopf zurück zuckte. Nicht schnell genug um dem Zusammenbruch des Tores rechtzeitig zu entgehen. Kurz hing das Haupt alleine in der Luft um dann in einem Schwall grün spritzenden Blutes zu Boden zu krachen. Die in der Halle verteilten Monster brüllten vereint auf und stoben planlos auseinander.

Rita sah das fremdartige Tor zusammenbrechen. Schrecken und Adrenalin rasten durch ihren Körper, doch sie waren nichts gegen die Lust die ihr Blut zum Kochen brachte. Die Berührungen des fremden Mannes, sein hartes Glied das sie leidenschaftlich nahm trieben sie unaufhaltsam zum Höhepunkt.

Ein Haufen blutgieriger Monster raste auf sie zu. Den anderen Kämpfer fest an sich gedrückt warf Rita sich zurück in den Aufzug. Der vorderste Angreifer setzte zum Sprung an. Die Hände beider Menschen fuhren zur Fahrstuhl-Steuerung und drückten die Aufwärts-Taste. Zischend bewegten sich die Türen. Zu langsam für den Geschmack Ritas. Das Monster sprang. Es stürzte sich auf seine Opfer. Fast. Mit einem Krachen prallte der schwere Körper gegen die sich schließende Aufzugtür. Der Ruck des anfahrenden Aufzuges trieb Frost noch tiefer in sie hinein. Beide kamen gleichzeitig, eng umschlungen und ekstasisch zuckend.

 

Heimwelt

 

Kal-Sor

 

Fassungslos starrte Kal-Sor auf den enthaupteten Torso des riesigen Kampftitans. Nicht einmal die Hälfte der Söldner- Armee hatte es durchs Tor geschafft. Schlimmer noch, die meisten Bestienmeister befanden sich noch hier, abgeschnitten von den Kreaturen, die jetzt ziel- und planlos auf der anderen Seite herumirrten. Was hatte diese Erschütterung in den magischen Gefügen verursacht? Oder wer? Welcher Magier, welche Hexe mochte zu so etwas möglich sein? Ihm blieb nur noch, sich zurückzuziehen. Er rief nach seinem Dargo, einer speziell für den Kampf ausgebildeten Flugechse und magisch mit ihm, seinem Reiter verbunden. Nur wenige konnten sich so ein Tier leisten, aber für ihn, einen der dreizehn Kriegsherren des Gottkaisers, spielte das keine Rolle. Behende schwang er sich in den Sattel und lenkte den Dargo in Richtung des Talrandes.

Kal-Sors Söldner und die angeheuerten Biestmeister sahen, wie sich ihr Anführer mit dem Flugwesen erhob und sich weg von dem zusammengebrochenen Tor bewegte. Es war nicht schwer, zu erkennen, dass die Schlacht vorbei war bevor sie überhaupt angefangen hatte. Sie begannen ebenfalls den Rückzug anzutreten.

Mit der Armee zogen sich auch die Spione zurück. Im Reich  gab es viele Interessen-Gruppen die sich gegenseitig belauerten und ausspionierten. Daher gab es bei jeder größeren Unternehmung auch Spione verschiedenster Herren, so auch bei dieser. Natürlich hatte auch der Gottkaiser selbst seine Informationsquellen. Alle hatten das Zusammenbrechen des Tores erlebt und wussten, was ihr nächster Auftrag war: Herauszufinden, wer dafür verantwortlich war.

 

Bielefeld

 

Frost

 

Während Frost seinen Kampfanzug wieder schloss, fragte er seine Begleiterin mit einem Grinsen ‚Bist Du immer so stürmisch?‘

Sie sah ihn ungerührt an und antwortete trocken ‚Nur wenn ich es eilig habe‘.

Ohne weitere Worte griff sie zum Funk, um der Einsatzleitung Bericht zu erstatten. Sie hörte die Stimmen von Schneider und einem anderen Mann im Hintergrund, während sie auf eine Antwort wartete. Endlich kam der erhoffte Befehl ‚Rückzug. Alle verbleibenden Einheiten sofortigen Rückzug.‘

Verdammt, das ist die erste vernünftige Idee, die ich heute von Euch gehört habe.‘ raunzte sie in ihr Mikro ‚Rot Eins ist unterwegs.‘

Die Kämpferin der Spezialeinheit voran machten sie sich im Eiltempo auf den Rückweg. Kurz nachdem sie das Gebäude verlassen hatten bekam Frost eine Nachricht. Sein eigenes Funkgerät war nicht nur mit der GSG-9 Einsatzleitung sondern auch mit seinem eigenen Back-Up verbunden war. Er tippte seine Begleiterin an.

Ich muss noch etwas überprüfen, wir sehen uns draußen.‘

Rita Tomas von der GSG 9 nickte ihm kurz zu und hastete weiter. Sie hatte sich schon zu Beginn des Einsatzes gefragt, was ein Sonderbeauftragter des Deutschen Ordens hier zu suchen hatte. Und was ein Sonderbeauftragter des Deutschen Ordens eigentlich war. Egal, jetzt galt es, den eigenen Hintern heil hier rauszubekommen.

 

Wenige Kilometer weiter hatte Oberst Schneider schon den Befehl gegeben, das Kommandozentrum abzubauen, um ihn herum herrschte hektische Betriebsamkeit. Er sah die Gesichter seiner Männer und versuchte in Gedanken nicht das Wort ‚Panik’ zu verwenden. Sein Blick suchte den Mann vom Deutschen Orden.

Ritter, sind Ihre Männer alle informiert?‘

Der Angesprochene nickte. Theobald von Büdungen war der Erste Ritter des Deutschen Ordens. Als Befehlshaber eines größeren Trupps von Rittern war er der eigentliche Leiter der Aktion. Sie hatten nun erfahren, was sie wissen wollten. Nach allem was er gesehen hatte, war die Stadt nicht mehr zu retten. Es musste nun verhindert werden, dass die Angreifer aus der Stadt heraus kamen. Der Countdown lief.

 

Frost

 

Er folgte den Koordinaten, die er erhalten hatte. Eine ungeklärte Anomalie hatte Ben gemeldet. Er fluchte vor sich hin, was zum Henker war denn der ganze Mist der hier überall abging? Geklärte Anomalien? Auf dem Weg der ihn aus dem Fabrikkomplex heraus führte konnte er einigen Monstren ausweichen. Es schien, als fehlte ihnen der zielgerichtete Antrieb, der sie bisher ausgezeichnet hatte. Ihre Wildheit war nun planloser, unkoordiniert. Er hatte einige Bestien gesehen, die sich gegenseitig angefallen hatten. Die fliegenden Feuerschädel waren ganz verschwunden. Das alles machte die Wesen nicht ungefährlicher. Mehrmals konnte er nur mit Mühe umherstreunenden Monstren entkommen.

Auf der Straße angelangt, entdeckte er ein herumliegendes Motorrad. Genau das richtige um schnell zu seinem Ziel zu gelangen. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr, wollte er überhaupt noch aus der Stadt entkommen. Frost kannte den Plan genau. Ebenso war ihm die Notwendigkeit, den Rest der Welt zu schützen, klar. Dennoch fluchte er jetzt auf diejenigen, die diesen Plan beschlossen hatten. Er saß in einer zuschnappenden Falle und die Minuten rannten ihm wie der Sand einer Sanduhr durch die Finger.

Der Krach des Bikes lockte eine Herde Monster herbei. Mit halsbrecherischem Tempo raste er ihnen davon. Kurz vor dem Ziel stieg er ab und bewegte sich durch kleine Strassen und Gebäude vorwärts. Vorsichtig schlich er durch ein halbzerstörtes Schulgebäude. Überall war gewütet worden, er sah viele grausig zerfetzte Leichen. Er durchquerte einen in Schutt und Asche liegenden Gebäudeteil. Die Außenwand war vollständig eingerissen, blutbespritzte Trümmer überall und die Decke zitterte bedrohlich. Davor ein Schulhof. In seiner Mitte kauerte ein junges Mädchen, vielleicht siebzehn, achtzehn Jahre alt völlig verstört auf dem Boden. Den Kopf gesenkt, die Arme krampfhaft um einen Gitarrenkoffer geklammert. Sie war umgeben von einem halben Dutzend grässlicher Monster, die auf der Jagd nach frischem Blut auf das Mädchen gestossen waren. Frost starrte mit offenem Mund auf die Szene.

Die todbringenden Killer, stärker und schneller als jedes natürliche Raubtier auf der Erde, durch normale Waffen kaum zu verwunden, lagen tot um das Mädchen herum.

 

Rita

 

Rita Tomas, oder RT, wie sie in der Einheit genannt wurde, stand zwischen den metallenen, computergesteuerten Säulen, die den einzigen Durchlass in dem Energieschirm bildeten, der die Stadt Bielefeld umschloss. Sie verstand nicht ganz den Ursprung der Energie. Irgendwie kam sie aus riesigen mobilen Generatoren aber auch ernste Priester des Vatikans hatten etwas damit zu tun. Mit ihr unbekannten Zeremonien hatten sie die Schaffung des Schirms begleitet. Sie verstand jedoch sehr gut, dass dieser Schirm die einzige Barriere zwischen dem Grauen in der Stadt und der Welt hier draussen war.

Der Soldat neben ihr drängte ‚Wir müssen schliessen, die letzte Frist ist vor fünf Minuten abgelaufen.‘

Rita versuchte mit einem letzten Blick irgendein Lebenszeichen, eine Bewegung zu entdecken. Nichts. Sie drehte sich um.

‚Machen Sie dicht.’

Das war kein guter Tag gewesen, ein Haufen guter Männer verloren. Nur um herauszufinden, dass die ganze Stadt niedergemetzelt worden war. Wenige Einsatzkräfte hatten es wieder hinaus geschafft. Der Mann des Deutschen Ordens nicht. Merkwürdigerweise hatte sie trotzdem das Gefühl, ihn nicht zum letzten Mal gesehen zu haben.

 

Frost

 

So schnell es ging zog Frost das zitternde Mädchen hinter sich her. Nur mühsam hatte er sie zum Aufstehen bewegen können, ihr Gitarrenkoffer schien ihr einziger Halt zu sein und sie machte keine Anstalten ihn loszulassen.  Der  Ordensritter wusste, sie hatten keine Zeit für Diskussionen und ließ dem Mädchen seinen Willen. Hauptsache weg hier. Raus aus den Ruinen, über den Vorplatz zur Straße. Gegenüber stand sein Ziel, ein offenbar fluchtartig verlassener Siebener BWM, offen stehende Tür, mitten auf der Strasse stehen geblieben. Mit ein bisschen Glück steckte der Zündschlüssel. Hinter ihnen schnüffelnde Geräusche, näher kommend. Links, die Straße runter, eine Gruppe sechsbeiniger schuppiger Monster. Rechts uneinsehbare, qualmende Straßenzüge.

Er sah dem Mädchen in die Augen. ‚Wie heißt Du?‘Sie wirkte gehetzt, ihr Blick zuckte panisch hin und her. Ruhig wiederholte er seine Worte, versuchte ihren flackernden Blick zu fangen. ‚Wie heißt Du? Mein Name ist Frost. Wie ist Deiner?‘

Nach mehrmaligen Versuchen schließlich schaute sie ihn an. Sofort hakte er nach.

Wie ist Dein Name?‘

‚Kayleigh, mein Name ist Kayleigh.‘

Etwas erleichtert atmete Frost aus. Er musste sich ihrer Aufmerksamkeit sicher sein. Jeder Fehler, jede Verzögerung konnte jetzt tödlich sein.

‚Kayleigh? Wie in diesem Lied aus den Achtzigern?‘

Das Mädchen wirkte immer noch abwesend, aber zumindest sprach sie jetzt mit ihm.

‚Meine Eltern waren Marillion-Fans.‘

‚Schöner Name. Hör zu, Kayleigh, bald sind wir in Sicherheit, aber dafür müssen wir über die Straße zu diesem Auto. Verstehst Du mich?‘

Sie nickte.

‚Wir müssen schnell sein, okay?‘

Wieder nickte sie.

Er grinste sie an.

Du schaffst das!‘

Wie durch ein Wunder stahl sich ein zartes Lächeln auf ihr Gesicht. Frost war beeindruckt. Ein starkes Mädchen, eigentlich müsste sie vollkommen weggetreten sein nach dem ganzen Wahnsinn hier.

Ein letzter Blick auf die Umgebung, die leeren Straßen und die Gruppe Bestien, die sie noch nicht bemerkt hatte. Frost packte Kayleighs Hand und spurtete los. Sofort fuhr die Ansammlung geschuppter Jäger herum. Gelbe Augen richteten sich auf die zwei Menschen. Sechs, acht raubtierhafte Körper setzten sich in Bewegung.

Fluchend hetzte Frost zum Wagen. Erst zerrte er Kayleigh hinter sich her, dann stieß er sie förmlich auf den Beifahrersitz. Die Monster hatten Tempo aufgenommen, nur noch wenige Meter waren sie entfernt. Jetzt musste der Schlüssel stecken oder die Party war vorbei. Frost tastete nach dem Zündschloss, kein Schlüssel, nur ein Start-Knopf. Wo war der Zündschlüssel?

Neben ihm schrie Kayleigh.

‚Auf der Straße!‘

Verdammt, da lag das Ding. Er griff aus dem Auto, während das erste der Biester sprang. Frost erwischte den Schlüssel und zog seinen Arm zurück. Gerade noch rechtzeitig bevor das Vieh gegen die geöffnete Tür krachte und diese zuwarf. Ein zweites Monster landete auf der Motorhaube. Startknopf gedrückt. Beim ersten Aufbrüllen des Motors rammte er den Schalthebel auf D und drückte das Gaspedal durch. Vierhundert PS brüllten auf und katapultierten den Wagen nach vorne. Ungebremst von den Körpern angreifender Jäger raste der BMW nach vorne, fegte die Wesen beiseite und brach durch die Gruppe.

Frost trat das Pedal bis zum Bodenblech durch, fest entschlossen, erst wieder ausserhalb der Stadt vom Gas zu gehen. Mit zweihundertdreißig Stundenkilometern rasten der Kämpfer und das Mädchen durch die brennende Stadt.

 

Ben

 

An einer leergefegten Ausfallstraße stand ein Lieferwagen einsam an einem Parkplatz. Hinter ihm ragte ein gewaltiger Energieschirm in den Himmel, hellblau durchscheinend leuchtend, sah es aus, als würde man die Stadt dahinter durch getrübtes Glas betrachten. Blickte man nach oben, konnte man eine Krümmung erahnen und mutmaßen, dass es sich wohl um eine Kuppel handeln musste, die die gesamte Stadt einschloss. Am unteren Ende war der Energieschirm unterbrochen durch einen etwa vier Meter breiter Bogen, stabilisiert von glühenden Generatoren.

Im Wagen hämmerte ein junger Mann mit halblangen, wilden Haaren fieberhaft auf diversen Schaltgeräten herum.

‚Beeil Dich, Beeil Dich’ murmelte er vor sich hin.

Verzweifelt beobachtete er, wie sich ein schillernder Schirm um das Tor senkte und langsam an seinen Rändern durchdrang. Die Toröffnung wurde immer kleiner.

Wenn Frost es jetzt nicht raus schaffte, hatte er keine Chance mehr, die Stadt wieder zu verlassen.

Er hämmerte seine Faust auf die Konsole. Doch er konnte nichts weiter tun. Die Generatoren liefen schon auf Hochtouren, vollkommen überhitzt und kurz vor dem Explodieren. Jedes Quentchen Energie floss in den Torbogen um ihn aufrecht zu erhalten während sich unbarmherzig der Energieschirm senkte. Gleich war er geschlossen. ‚Nein!‘

Das Brüllen eines Automotors erklang und in letzter Sekunde raste ein schwerer Wagen durch das zusammenbrechende Tor, Karosserieteile wurden messerscharf abgeschnitten und eine Reihe von wild fletschenden Monsterkörpern prallte nacheinander von der anderen Seite gegen den geschlossenen Schirm.

Ben atmete erleichtert aus, Frost hatte es gerade noch geschafft.

Hey Alter, Dein Wagen sieht nicht gut aus!‘

Grinsend ging Ben auf Frost zu, der schimpfend die zerstörte Fahrertür mit einem Tritt auf den Boden beförderte.

Endlich heraus aus dem Auto schlug der Kämpfer dem Technik-Nerd auf die Schulter und sagte trocken ‚Besser als der letzte, den ich abgeliefert habe.‘

Er drehte sich um und half dem Mädchen aus dem Auto.

‚Darf ich vorstellen, Kayleigh, Ben. Er ist der beste und verrückteste Elektronikbastler und Computerfreak den ich kenne und wenn er weniger blöde Sprüche machen würde sogar so etwas wie ein Freund von mir. Ben, Kayleigh. Sie ist, hmmmm,‘ er schaute das Mädchen an, ‘also ich denke, durstig, hungrig und verwirrt.‘

Ben betrachtete sie. Er sah ein junges Mädchen, um die achtzehn, mittelgroß, gekleidet in eine ziemlich ramponierte Jeans deren Risse und Flecken nicht aussahen, als seien sie von einem Designer entworfen worden. Über einem T-Shirt trug sie eine ebenfalls sehr mitgenommene Kapuzenjacke die attraktive weibliche Formen erahnen ließ. Rote Doc-Martens-Stiefel und ein Gitarrenkoffer vervollständigten das Bild. Ein ganz normales Mädchen, den Zustand ihrer Kleidung mal ausgenommen. Das Auffälligste an ihr waren die langen roten Locken, die ein hübsches Gesicht umrahmten und wunderbar zu den grünen Augen paßten. Sie sah erschöpft aus, ihre Augen blickten unruhig.

Verwirrt dürfte leicht untertrieben sein dachte Ben für sich.

Kein Problem, das Hauptquartier hat schon nach Dir gefragt, in vier Stunden sitzt ihr im Warmen. Kayleigh willst Du bis dahin eine halbe, leider schon kalte Pizza und eine Coke?‘

 

Kayleigh

 

Sie war mit den Nerven am Ende. Was sollte das alles hier? Was war zuvor geschehen? In ihrer Erinnerung klaffte ein riesiges schwarzes Loch. Ein bösartig grinsendes Gesicht, ein Messer an ihrer Wange, Sirenen gingen los. Das nächste an das sie sich verschwommen erinnerte war dieser Mann der sie ansprach während sie langsam begann wieder ihre Umwelt wahrzunehmen. Dazwischen lag irgendetwas, das sie in ihren Grundfesten erschüttert hatte. So entsetzlich, dass ihr Geist beschlossen haben musste, sich davor zu verschließen. Oder das alles war nur ein fürchterlicher Albtraum. Warum fühlte es sich aber dann so schrecklich real an? Am liebsten hätte sie sich jetzt ins ewige Vergessen geflüchtet. Es war, als würde der Wahnsinn sie mit dem Versprechen ewigen Friedens locken. Einfach nur fallen lassen. Mühsam klammerte sie sich an den Rest ihres Verstandes. Ich bin Kayleigh Stevens. Das ist meine Gitarre. Meine geliebte Gitarre. Ich bin nicht verrückt. Noch nicht. Verzweifelt versuchte sie sich zu sammeln, rational zu denken. Doch spürte sie, wie der Verstand ihr unaufhaltsam entglitt. Irgendwie sehnte sie sich auch danach. In die Dunkelheit gleiten. Vergessen. Sich fallen lassen und nie wieder etwas wahrnehmen zu müssen. Sich der einlullenden Süße des Wahnsinns hinzugeben.

Kayleighs Kraft schwand und sie war bereit sich aufzugeben als die Stimme in ihrem Kopf zu flüstern begann. Die gleiche Stimme, die schon einmal zu ihr gesprochen hatte. Zwar konnte sie die Worte nicht verstehen, doch allein der Klang und Tonfall des wie aus weiter Ferne klingenden Zuredens beruhigten sie auf irgendeine Weise.

Ganz langsam kam sie wieder zu sich und blickte auf. Ein junger Mann bot ihr etwas zu Trinken und ein Stück Pizza an.

‚Ist die mit Thunfisch?‘ fragte sie misstrauisch. ‘Ich hasse Thunfisch.‘

 

Frost

 

Er hatte nicht wirklich Lust auf einen Haufen Fragen und Berichte, aber er musste über das Mädchen berichten. Irgendwer musste sich jetzt um sie kümmern. Alles andere hatte er schon an den ersten Ritter gemeldet. Was er in der Stadt gesehen hatte, die Schlüsse die er daraus zog. Alles. Ob die Bundespolizei wirklich ein Bild von dem hatte, was dort passiert war? Die Grausamkeit und Brutalität des Angriffs, die Vernichtung von Tausenden von Menschenleben konnte einem den Atem verschlagen und, so zynisch dies auch klingen mochte, den Blick für das eigentlich Wesentliche nehmen: Dieser Vorstoß der Torgänger war nicht nur der größte, den Frost in vielen Jahren erlebt hatte, er war auch gezielter und geplanter als alles bisher Dagewesene. Und die auf dieser Welt lebenden Verbündeten der Angreifer hatten sich noch nie so stark und offen gezeigt.

Die große Konfrontation rückte immer näher und der Deutsche Orden als einer der wenigen Verteidiger gegen die Eindringlinge war noch keinen Schritt weiter gekommen. Aber für diesen Angriff hatten sich die Verschwörer aus der Deckung wagen müssen und vielleicht hatten die Ritter des Ordens jetzt die Chance, ihrer Organisation auf die Schliche zu kommen.

 

Ben war im Wagen verschwunden und stellte eine abhörsichere Verbindung her.

Hey Frost, das Hauptquartier ist jetzt dran!’

Er stieg in den umgebauten Van und setzte sich in den Sessel von dem aus Ben seinen Einsatz überwacht hatte. Seufzend streckte er seine Beine aus und, legte die Füße auf die Konsole der Kommunikationsanlage. Das tat gut! Einen Augenblick genoss er das Gefühl der Entspannung und Ruhe. Dann griff er zur Steuerung und stellte die Freisprechanlage an.

‚Frost’

‚Bruder, der Tempel ist sehr besorgt über die Geschehnisse in Bielefeld und der Abt weist Dich an, unverzüglich ins Hauptquartier zu kommen und Bericht zu erstatten.’

Danke fürs Nachfragen, knurrte Frost innerlich, es geht mir gut. Ich habe seit fünfzig Stunden nicht mehr geschlafen, mein Körper fühlt sich an wie nach einem Ringkampf mit einer Dampfmaschine und meine Pizza ist kalt.

Könnt Ihr mir nicht wenigstens ein paar Stunden Ruhe gönnen?’

Hatte Ben nicht irgendwo ein Red Bull? Er schaute sich um.

Die Stimme am anderen Ende blieb unbeeindruckt. ‚Ritter, Deine Anweisungen sind klar. Ich übergebe nun direkt an den Abt.’

Frost hob erstaunt die Augenbrauen – welche Ehre. Abt Nikolaus neigte nicht gerade zur Verbrüderung mit den einfachen Rittern. Er selbst hatte ihn noch nie persönlich getroffen. Der Abt war für seine Frömmigkeit bekannt und der geistige Gegenpol zum Großmeister, dem Anführer des Ordens.

Unwilkürlich nahm er die Füße von der Konsole und richtete sich in seinem Sessel auf.

Hochwürden?’

Eine sanfte aber gleichzeitig eindringliche, fast zwingende Stimme kam aus den Lautsprechern. ‚Bruder, bist Du allein?’

Frost bejahte.

‚Schalte die Freisprechanlage aus und nimm das Headset’.

Schnell folgte er den Anweisungen.

‚Bruder, was ich Dir nun sage, ist von größter Wichtigkeit und bedarf höchster Geheimhaltung. Hast Du mich verstanden?’

Der Abt hätte jetzt auch etwas sagen können wie, gelobe mir, dass Du das Geheimnis für Dich behältst. Aber eine Anweisung des Abtes war gleichbedeutend mit einem heiligen Befehl. Innerhalb des Ordens stand es außer Frage, dem nachzukommen, was immer es auch war.

Also bestätigte Frost nur:

‚Ja, Hochwürden.’

Gut. Du hast gesehen, was in Bielefeld geschehen ist, welches Grauen über diese Stadt hereingebrochen ist. In ganz Deutschland und den angrenzenden Gebieten wurden Tore geöffnet. Nicht so große wie in Bielefeld, aber sehr viele. Was wir seit Jahrhunderten bekämpfen hat nun einen Angriff auf diese Welt gestartet. Mit anderen Worten: Wir befinden uns im Krieg. Einem Krieg, der uns wenig Spielraum für Fehler lässt. Unsere Mittel sind eingeschränkt und wir müssen alles nutzen, was uns einen Vorteil verschaffen könnte.‘

Frost fragte sich, auf was der Abt hinaus wollte.

‚Du hast in der Stadt ein junges Mädchen aufgegriffen. Wir wissen nicht, ob es von Bedeutung ist, aber sollte dies so sein, müssen wir sie schützen. Deshalb werde ich Dir nun eine Adresse durchgeben. Bringe sie dort hin. Niemand darf darüber Bescheid wissen, bis wir beide darüber gesprochen haben. Übergebe sie dort der Kontaktperson, fahre umgehend ins Hauptquartier und melde Dich bei mir. Und nochmals, zu keinem Menschen, auch nicht zu Bruder Bernhardinus ein Wort. Hast Du meine Bitte verstanden?’

Frost war die Bedeutung des Wortes >Bitte< hier ganz klar.

Hochwürden, ich vertraue meinen Brüdern.’

‚Das ehrt Dich, mein Sohn. Aber leider hat mich der Großmeister informiert, dass es einen Verräter unter uns gibt. Es ist ganz sicher nicht Bruder Bernhardinus, aber trotzdem sollten wir die Information über das Mädchen mit so wenigen teilen, wie möglich. Es geht um ihr Leben.‘

Ein Verräter? Frost fluchte innerlich.

‚Verlasst Euch auf mich.‘

Der Abt sprach mit sanfter Stimme.

‚Das tue ich. Viel Erfolg Bruder, mögest Du auf bewachten Wegen wandeln.’

Kaum hörte er das leichte Geräusch mit dem das Ende der Verbindung angezeigt wurde, brummte auch schon Frosts Communicator. Er aktivierte den Bildschirm und las eine Adresse sowie den Namen der Kontaktperson. Verdammt, wieder nichts mit Schlaf.

 

Kayleigh

 

Sie fühlte sich noch immer wie nach einer Betäubung. Ihre Erinnerung war nur ein dichter Nebel, der ein düsteres Geheimnis verbarg. Sie wusste, dass sie es leicht lüften konnte, würde sie sich nur darauf konzentrieren, aber sie wollte das gar nicht.

Stattdessen versuchte sie sich mit aller Kraft an Stücke von Normalität zu klammern. Mit leiser Stimme sprach sie den jungen Mann an, der neben ihr stand und beobachtete wie sie aß.

Für Brüder seht Ihr Euch aber nicht sehr ähnlich’.

Die schlaksige Gestalt lächelte. ‚Wir sind auch nicht verwandt, wir sind nur Mitglieder des Deutschen Ordens oder, wenn Du so willst, Ordensritter.’

Ordensritter. Dieser mythische Begriff triefte nur so von in Jahrhunderten angesammelter Bedeutung. Sie sah förmlich Bilder von Magie, Geschichte und Epik vor sich. Ben sprach ihn aus als würde er sagen: Wir arbeiten beide in der Stadtverwaltung. Sie dachte an die Erscheinung von Frost, den Kampfanzug, die struppigen Haare, seine Ausdrucksweise und die Art wie er sie anschaute. Sie hätte ihn eher für einen Söldner gehalten als für einen Mönch.

Was ist denn der Deutsche Orden, oder andersherum, ist das nicht ein Orden aus dem Mittelalter, vergangen und vergessen?’

Richtig, aber wie andere auch, zum Beispiel der Arbeiter-Samariter-Bund, hat er sich bis in die Neuzeit gerettet. Soziale Dienste hier, ein bisschen Lehrtätigkeit da und möglichst nicht auffallen. So haben sich viele Orden bis heute gehalten. Und seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde beim Deutschen Orden auch die Zahl der Ritter wieder erhöht, weil….’

In diesem Augenblick winkte Frost aus der Tür des Vans.

Neue Anweisungen. Ben, Kayleigh und ich brauchen ein Auto.’

Kayleigh sah die beiden misstrauisch an. ‚Ich will nach Hause.‘ Sofort merkte sie, wie sinnlos dieser Wunsch war. Die ganze Stadt war vernichtet worden. ‚Bringt mich zur Polizei.‘

Die beiden Männer sahen sich an. Was lag in deren Blicken? Frost wandte sich ihr zu. Er versuchte offensichtlich beruhigend zu wirken. Fest schaute er ihr in die Augen.

‚Du hast erlebt was in der Stadt passiert ist. Die Polizei kann Dir jetzt nicht helfen. Vielleicht die Regierung und die Armee. Die versucht allerdings gerade zu verstehen, was eigentlich passiert ist und wie der Welt vermittelt werden kann, das eine ganze Stadt von nicht-irdischen Monstren ausgelöscht wurde. So traurig es ist, sie werden sich zurzeit nicht um ein junges  Mädchen kümmern können. Kannst Du zu irgendwelchen Verwandten, Freunden außerhalb von Bielefeld?‘

Immer noch misstrauisch ging Kayleigh in Gedanken ihre Optionen durch. Ihre Eltern schieden aus. Selbst wenn sie gewusst hätte, wo sich diese aufhielten, wäre sie lieber zurück in die zerstörte Stadt gegangen als zu diesen. Sämtliche Verwandten waren nur Namen zu denen sie wenn überhaupt peinliche berührte Gesichter in Erinnerung hatte. Wo sollte sie hin? Sie fühlte sich einsamer als je zuvor in ihrem Leben und das sollte schon etwas heißen. Da fiel ihr ein Name ein. Matthias. Ihr Kindheitsfreund. Er war wie ein Bruder gewesen bevor er vor einigen Jahren nach Berlin gezogen war. Sie hatte in unregelmäßigen Abständen immer noch Kontakt.

‚Berlin. Ich möchte nach Berlin. Dort habe ich einen Freund.‘ Irgendwie fühlte es sich gut an, einen Bezugspunkt zu haben.

Frost nickte. ‚Okay, das bekommen wir hin. Aber für heute Nacht ist das nicht möglich. Ich bringe Dich an einen sicheren Ort und sobald Du willst, wird Deine Reise nach Berlin organisiert. Jetzt müssen wir erst mal weg hier. So schnell wie möglich.‘

Weg hier. Das klang auf jeden Fall verlockend. Der Rest klang noch sehr vage. Egal. Sie war müde und wollte an diesem Ort und jetzt nicht über den Unterschied zwischen > Deine Reise wird organisiert< und >dann fliegst Du nach Berlin< diskutieren. Sie nickte.

 

Ben versuchte über Internet einen Wagen zu bekommen, doch er bekam keine Verbindung. Sämtliche Mobilfunk-Frequenzen schienen blockiert zu sein. Schließlich schaffte er es per Satelliten-Telefon. Die Männer vereinbarten, sich im Hauptquartier zu treffen. Vermutlich war der Sitz ihres antiken Ordens damit gemeint. Sie hakte nach und erhielt die Auskunft, dass dieser sich in Frankfurt am Main befand. Ben war mit dem Van langsamer und fuhr alleine. Bis zur Vermietstation brachte er sie. Mit einer freundschaftlichen Umarmung verabschiedeten sich die Männer. Diese ehrliche Geste flößte Kayleigh mehr Vertrauen ein als alle Worte zuvor.

Ben drückte auch sie.

‚Vertraue Frost, er ist der Beste.‘

Noch einmal fröhlich aus dem Seitenfenster grüßend fuhr der junge Mann mit dem Lieferwagen davon. Ein seltsamer Kontrast zu den dunkel drohenden Wolken am Himmel und den Erlebnissen, die hinter ihnen lagen. Und zu denen die vor ihnen lagen. Aber davon ahnte Kayleigh zum Glück nichts.

 

Frost

 

Kayleigh und Frost stiegen in den Mietwagen um. Er sah sich das Mädchen an. Armes Ding, wo bist Du da rein geraten. Na ja, zumindest muss ich Dich nicht verhungern lassen. Eilig hin, eilig her.

Kurzerhand steuerte er den nächsten Burger-Laden an. Wie hungrige Bären stürzten sich die beiden auf das Essen. Während sie mampfend einen Burger nach dem anderen verspeisten fragte er Kayleigh vorsichtig aus.

Wie sie erzählte wohnte sie in einer kleinen Wohnung in Bielefeld.

In Gedanken verbesserte er sie – hatte gewohnt – aber er sagte nichts.

Dort ging sie auf die Schule und stand kurz vor dem Abitur. Über ihre Eltern sprach sie nicht. Sie schien sich auch keine Gedanken über deren Verbleib zu machen.

Seltsam, aber zumindest muss ich ihr nicht noch erzählen, dass sie ihre Eltern verloren hat, dachte er für sich. Wenige waren  aus Bielefeld gerettet worden. Er erläuterte ihr, dass es eine absolute Nachrichtensperre zu den Ereignissen gab. Für die Außenwelt wurde der Schein aufrecht erhalten, solange es ging. Die Realität war jedoch, es gab kein Bielefeld mehr.

Kayleigh hörte ihm halb abwesend zu und wirkte vor allem erschöpft. Augenblicklich wollte sie offensichtlich nur irgendwo in Sicherheit sein und schlafen.

Sie verließen den Laden satt und noch müder als zuvor. Frost deckte sich an der nächsten Tankstelle mit Red Bull ein und fuhr auf die Autobahn. Kayleigh bekam davon nichts mehr mit. Sobald sie im Wagen saß fielen ihr die Augen zu. Übergangslos fiel sie in einen erschöpften unruhigen Schlaf.

Frost schloss seinen MP3-Player an, wählte ‚Escape with Romeo‘ und trat das Gaspedal durch.

 

Frankfurt am Main

 

Nikolaus

 

Abt Nikolaus war ehrlich besorgt. Sorge hatte schon sein ganzes Leben geprägt. Sorge und das Bedürfnis sich zu kümmern, um kleine und um große Dinge. Das hatte ihn dahin gebracht, wo er heute war und seine größte Sorge galt dem Deutschen Orden. Ein Orden mit großer Vergangenheit und heute wieder mit großer Verantwortung. Manchmal hatte er das Gefühl, der einzige zu sein, der den Orden nicht nur in seiner jetzigen Form sondern im Gesamtbild der Geschichte und der Welten sah. Heute das Zünglein an der Waage, morgen vielleicht die Waage selbst.

Augenblicklich drückte ihn seine Bürde besonders. Große Ereignisse, sehr große Ereignisse bahnten sich an und Kleinigkeiten konnten von entscheidender Bedeutung sein. Jeder Fehler konnte der letzte sein. Der Großmeister war in wichtiger Mission unterwegs und er, Nikolaus, hatte nun die Verantwortung, auf die aktuellen Geschehnisse richtig zu reagieren. Er hatte die Schicksalsfäden in der Hand und der Gedanke ließ ihn leicht schauern.

In seinem Büro im Hauptquartier des Ordens sitzend war es seine Aufgabe die Geschicke der Welt da draußen zu beeinflussen. Bei ihm war sein Sekretär.

‚Ich brauche die Infos über Ritter Frost.‘

Sein Gehilfe tippte auf einem Bildschirm herum und rief verschiedene Dateien auf. Dann las er vor ‚Francis Frost. Alter: etwa Fünfunddreißig, Geburtsdatum: unbekannt. Geburtsort: unbekannt. Trat dem Orden vor fünfzehn Jahren bei. Zunächst Kampfeinsätze in diversen Krisengebieten. Später Spezialaufträge des Großmeisters. Gilt als sehr fähig aber unzuverlässig. Mangel an Ordensdisziplin und Frömmigkeit. Führt Aufträge erfolgreich aus, jedoch nicht immer in angemessener Weise. Ritter des dritten Kreises, Wegen Subordination Ausschluss aus dem Orden mehrmals geprüft.‘

Der Abt legte die Fingerspitzen zusammen, er wirkte wie der Inbegriff des weisen Mannes. Minutenlang überlegte er. Sein Sekretär hütete sich, das Schweigen seines Abtes zu unterbrechen. Schließlich sprach dieser.

, Wir müssen das Werkzeug nehmen, welches uns gegeben ist. Und manchmal sind gerade die unerwarteten die geeignetsten.‘

 

Wildenstein

 

Kayleigh

 

Sie träumte von einer brennenden Stadt. Grauenhafte Monster verfolgten sie, jagten sie durch rauchende Trümmer, griffen nach ihr, rissen gewaltige Mäuler auf um sie zu zerfetzen. Panik bestimmte ihr Denken und Handeln. Todesangst. Hilflos war sie den Bestien ausgeliefert. Sie wollte schreien….

Jemand rüttelte sie sanft an der Schulter. Sie schreckte auf und sah das sehr müde und erschöpfte Gesicht eines fremden Mannes. Sie zuckte zusammen, dann fiel es ihr wieder ein. Frost, ihr Retter. Er grinste sie an. Ein freches Grinsen, das ihn sympathisch machte. Doch in seinen Augen stand eine unterdrückte Besorgnis. Wieder überfiel sie ein ungutes Gefühl und ein unbestimmtes Misstrauen.

Wir sind da‘.

Der Wagen stand vor einem Tor in einer Mauer aus schweren Steinen. Im Dunkel und so nahe konnte sie nur wenig erkennen. Es musste aber eine Burg oder ein Schloss sein, das hinter diesem Tor lag. Das verrieten die dicken Mauern. Gut um sich vor etwas zu schützen. Aber auch um jemanden einzusperren. Entwickelte sie jetzt eine Phobie? Andererseits – wenn man nach ihren Erlebnissen keine Phobien bekam, wann dann? Frost stieg aus und versuchte, die Dunkelheit mit seinen Augen zu durchdringen.

‚Warte noch im Wagen.‘

Mit einer Hand griff er zu seinem Handy und wählte. Kayleigh fiel auf, dass er seine Waffe offen im Holster trug und seine freie Hand nicht weit davon entfernt hielt. Tat er es bewusst oder war das eine antrainierte Gewohnheit? Sie packte ihren Gitarrenkoffer fester, den vertrauten Gegenstand wie einen rettenden Strohhalm umklammernd. Sie wollte nach Hause. Schmerzhaft fiel ihr ein, dass die kleine Wohnung, die ihr Zuhause gewesen war, in Schutt und Asche lag. Egal, auf jeden Fall wollte sie nicht in diese dunklen Gemäuer. Dann lieber bei Frost bleiben. Der stand im Dunkeln und hatte sein Telefon wieder weggesteckt. Er wartete, ein Schatten in der Nacht. Irgendwie wirkte er wie ein Raubtier. Scheinbar ruhig aber jederzeit bereit tödlich zuzuschlagen.

Nach kurzer Zeit ging eine kleine Tür in dem großen Tor auf und ein älterer, weißhaariger Mann trat heraus. In der bedrohlichen Szenerie wirkte er vollkommen unpassend. Er trug die Livree eines Bediensteten, wie aus einem alten amerikanischen Film. Hinter ihm, halb im Schatten verborgen, stand noch jemand. Kayleigh erkannte keine Einzelheiten. Frost trat vor um einige Worte mit ihr zu wechseln und es fiel Scheinwerfer-Licht auf die Gestalt im Schatten. Kayleigh sah eine hochgewachsene, schlanke Frau, eine wärmende Stola um die Schultern gelegt. Als hätte sie ihren Blick bemerkt, wandte sie den Kopf und Kayleigh blickte in tiefe Augen, die sie bis in ihr Innerstes zu mustern schienen. Ein Schauer lief durch ihren Körper. Vor einiger Zeit hatte sie einen Film gesehen in dem die Protagonistin vor einer Tür stand, die in eine düstere und magische neue Welt führte. Die Tür öffnete sich und eine Flut von Bildern stürzte über die Hauptdarstellerin ein. Vorahnungen, dunkle Wünsche und Ängste, Visionen. Genauso kam sie sich jetzt vor.

Der Mann im Livree und Frost waren sich scheinbar einig geworden und Frost kam zu Kayleigh.

‚Ich will da nicht rein.‘ flüsterte sie ihm zu.

Er sah sie ernst an. ‚Es ist zu Deinem Besten, hier bist Du in Sicherheit.‘

‚Lass mich mit Dir gehen. Bei Dir kann mir auch nichts passieren.‘

Er schüttelte den Kopf. ‚Wenn die Gefahr nicht zu mir kommt, komme ich zu ihr. Wenn Du irgendwo nicht in Sicherheit bist, ist es in meiner Nähe.‘ Dann schien er kurz zu überlegen und griff schließlich ins Handschuhfach. ‚Hier, ein Handy mit meiner Nummer eingespeichert. Gib sie niemandem. Aber rufe mich jeden Abend an. Wenn Du Probleme hast, sag mir Bescheid. Ich kümmere mich darum. Rufst du nicht an, weiß ich, dass Du Probleme hast. Dann kümmere ich mich auch darum.‘

Dankbar nahm sie das Handy. War das wirklich noch die gleiche Welt, in der sie bisher gelebt hatte? Wo die größte Bedrohung ein halbstarker Neonazi gewesen war und ihre größte Besorgnis wie sie aus der spießigen Kleinstadt entkommen konnte? Ich träume das alles nur, ganz bestimmt. Oh Mann, ihre Knie zitterten. Waren das die Nachwirkungen ihrer Erlebnisse, die tiefe Erschöpfung oder der eindringliche Blick der unbekannten Frau? Sie nahm Frosts hingehaltene Hand und stieg aus dem Auto. Die Frau in den Schatten bewegte sich nicht und musterte sie weiter während Frost Kayleigh zu ihr führte.

Mit knappen Worten stellte er sie einander vor ‚Kayleigh, das ist Baronin Zarah von Wildenstein. Baronin, das ist das Mädchen.‘

Ein letztes Mal wandte er sich ihr zu ‚Hier bist Du sicher, vertraue mir. Man wird sich um Dich kümmern. Ich muss weiter.‘

Ohne ein weiteres Wort stieg er in den Wagen und verschwand im Dunkel. Kayleigh wusste nicht, ob es Zufall war, dass er seinen Rücken nie der Burg zugewandt hatte. Irgendwie war ihr auch alles egal. Es war jetzt einfach eine gute Gelegenheit bewusstlos zusammenzubrechen und das tat sie dann auch.