Schatzräuber

Neugierig beobachteten die drei ??? das Gaunerpaar. Jetzt war klar, wer hinter den Anschlägen steckte. Bob beugte sich noch weiter über die Kante, als ihm plötzlich die Brille von der Nase rutschte. »Mist!«, zischte er leise. Er griff mit einer blitzschnellen Bewegung nach der Brille – doch es war zu spät. Lautlos fiel sie herunter und landete mit einem leisen Rascheln in einem trockenen Gestrüpp am Boden.

»Was war das?«, entfuhr es der Frau, die Leila genannt wurde. »Da ist was von oben runtergefallen.« Nick beruhigte sie. »Keine Angst, da ist nichts. Der Wald gibt andauernd seltsame Geräusche von sich.« Doch Leila ließ nicht locker. »Nein, das war kein Waldgeräusch. Hier muss es irgendwo gewesen sein.«

Die drei ??? hielten vor Schreck den Atem an. Im nächsten Moment stieß die Frau einen kleinen Jubelschrei aus. »Na bitte! Ich habe doch gewusst, dass hier was faul ist. Sieh mal! Da ist eine Brille runtergefallen.« Nick ging auf sie zu. »Eine Brille? Was soll das denn bedeuten? Wieso fällt eine Brille vom Himmel?«

»Mann! Denk doch mal nach! Zu einer Brille gehört ein Gesicht. Und dieses Gesicht hat sich da oben versteckt. Der Brille nach zu urteilen, ist es ein kleines Gesicht. Vielleicht ein Kind.« Blitzschnell zogen die drei ??? ihre Köpfe zurück. Aber es war zu spät. »He! Wer auch immer sich da oben versteckt, komm raus und hol dir deine Brille ab.« Die laute Stimme hallte durch den Wald. »Hast du nicht gehört? Zeig dich, oder wir kommen die Strickleiter hoch. Wir haben es nicht gern, wenn uns jemand beobachtet.«

»Verdammt!«, flüsterte Peter. »Wir sitzen hier oben in der Falle. Gleich kommen die hoch. Was machen wir jetzt?« Fieberhaft dachte Justus nach. »Wir müssen Zeit gewinnen und hoffen, dass Landers mit seinen Leuten kommt.« Bob hatte plötzlich eine Idee. »Die beiden haben uns sowieso entdeckt. Wir haben nur eine Chance, wenn wir die Strickleiter schnell hochziehen.« Peter nickte. »Stimmt. Es gibt keinen anderen Weg. Also los!«

Wie auf Kommando stürzten die drei ??? auf die andere Seite der Plattform und rissen zusammen an der Strickleiter.

Unten wurden sie bemerkt. »He! Leila! Da oben! Es ist nicht nur ein Kind, sondern es sind gleich drei. Beeilung! Die Strickleiter!«

Oben zerrten Justus, Peter und Bob, so fest sie konnten, an der Leiter. Doch sie ließ sich nicht hochziehen.« Nick fing plötzlich lauthals an zu lachen. »Nun schau dir diese Idioten an, Leila. Die haben nicht gemerkt, dass die Leiter unten am Boden fest verankert ist. Vergesst es, Jungs! Wir kommen rauf!«

Die drei ??? waren am Ende. Fassungslos beobachteten sie, wie der Mann langsam die Strickleiter emporstieg. Plötzlich durchzuckte Bob ein Gedanke. »Peter, hast du dein Taschenmesser dabei?« Dieser verstand sofort, an was Bob dachte. Blitzschnell zog er sein Messer aus der Tasche, klappte es auf und begann, damit das Halteseil der Strickleiter durchzuschneiden.

Unten bemerkte Nick, was die drei vorhatten. »He! Moment! Was machst du da? Du kannst doch nicht einfach das Seil durchschneiden?« Peter brüllte zurück. »Und Sie können nicht einfach Stahlseile kappen. Sie haben doch versucht, den aufgestellten Kletterbaum auf dem Marktplatz umzustürzen!« Jetzt mischte sich Leila ein. »Junge, mein liebes Kind. Was redest du da? Komm, leg das Messer weg und lass uns reden.« Doch Peter dachte nicht daran. Unermüdlich schnitt er mit der scharfen Klinge über das dicke Halteseil. Unten zappelte Nick. »Das kannst du nicht machen!«

»Kann ich doch!«, schrie Peter zurück. In diesem Moment war das Seil durchtrennt, und die Strickleiter rauschte zu Boden. Nick stürzte fluchend in die Tiefe und landete im weichen Moos. »Aua!«, schrie er. »Das gibt einen blauen Fleck. Jetzt werdet ihr uns kennenlernen!«

Peter schluckte. »Was haben die jetzt vor? Wo bleibt nur Landers?«

Nick war rot vor Wut und rannte zum Wohnmobil. Wenig später kam er mit einer großen Motorsäge zurück. »So, Freunde der Nacht, jetzt wollen wir mal sehen, wer hier wen von den Bäumen holt. Entweder ihr kommt freiwillig nach unten, oder ich säge den ganzen Baum ab. Dann fällt der halbe Kletterpark zusammen.« Mit diesen Worten riss der Mann an einem Seil, und die Motorsäge startete.

Der Lärm war so ohrenbetäubend, dass vor Schreck unzählige Vögel in den Bäumen aufflatterten. »Was ist? Ich zähle bis drei, und dann mache ich aus eurem Baum Kleinholz. Ihr habt mich echt wütend gemacht. Eins, zwei …«

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»Was sollen wir nur tun?«, schrie Bob entsetzt. »Der sägt uns wirklich ab.«

»… und die letzte Zahl heißt drei! Gut, ihr habt es so gewollt.« Gerade als der Mann die laufende Säge am Baum ansetzen wollte, sprang Justus auf. »Okay, okay, Sie haben gewonnen. Wir ergeben uns. Warten Sie, wir kommen runter. Machen Sie die Säge aus!« Leila mischte sich jetzt wieder ein und lachte spöttisch. »Sehr gut, ihr Rotzlöffel. Macht genau das, was euch der liebe Nick sagt. Dann passiert euch auch nichts. Zumindest nicht sofort. Wir werfen euch ein Seil nach oben, und dann schön einer nach dem anderen runterklettern. Ihr wart ja so dumm, die Strickleiter abzuschneiden.«

Die drei ??? hatten keine andere Wahl. Es dauerte nicht lange, und Justus, Peter und Bob standen vor den beiden Gangstern. Leila reichte Bob seine Brille. »Hier, Freundchen, hast du deine Brille wieder. Sonst verpasst du das Beste. Nick, was stellen wir jetzt mit den drei Hampelmännern an?«

»Keine Ahnung, Leila. Die hatten wir in unserem Plan nicht vorgesehen. Ich will aber nicht noch mehr Zeit verlieren. Die Sache mit den Kindern verändert alles. Man wird sie suchen. Jede Minute, die wir uns hier frei bewegen können, ist kostbar.«

Justus nahm seinen ganzen Mut zusammen. »Was haben Sie eigentlich vor? Es kann Ihnen doch nicht nur um eine Erpressung gehen. Was soll das alles?« Der Mann brachte die Motorsäge wieder ins Wohnmobil zurück. »So so, die Herrschaften sind auch noch neugierig. Was meinst du, Leila, sollen wir ihnen unseren genialen Plan erzählen?«

»Von mir aus. Spätestens in ein paar Tagen wird es ja sowieso die ganze Welt erfahren. Dann, wenn wir den Indianerschatz gefunden haben.«

»Einen Indianerschatz?«, platzte Bob heraus.

»Genau. Du hast richtig gehört. Einen unglaublichen Schatz sogar. Gold und Silberschmuck in Hülle und Fülle. Und dieser Schatz befindet sich direkt in unserer Nähe.« Ungläubig sahen sich die drei ??? um. Dann stellte sich der Mann vor einen großen Baum. »Gut, passt einmal auf. Da könnt ihr nämlich noch was lernen. Ihr denkt, wir sind skrupellose Verbrecher. Aber in Wirklichkeit sind wir harmlose Studenten. Wir beide studieren Amerikanistik. Ich sehe, ihr macht große Augen. Nun ja, es geht um die Geschichte von Amerika. Und was gab es alles in Amerika? Richtig: Indianer. Kennt ihr doch, oder? Apatchen, Shoshonen, Comanchen, Sioux – das ganze Programm. Es gibt Hunderte von Indianerstämmen. Und wenn ihr einmal einen Western gesehen habt, dann wisst ihr auch, was so alles passiert ist. Cowboys jagen Indianer, und Rothäute greifen die Siedler an. Auch hier in Kalifornien gab es jede Menge Indianer. Und die hatten viel Goldschmuck. Sehr viel Goldschmuck. Tja, und irgendwann haben die Indianer Angst bekommen, dass der weiße Mann ihnen alles wegnimmt.«

Nick machte eine kurze Pause, dann fuhr seine Partnerin fort: »Genau so war es. So kann man es in den Geschichtsbüchern nachlesen. Was dort aber nicht steht, ist, dass die Indianer ihren wertvollen Goldschmuck geschickt versteckten. Nicht in irgendwelchen Höhlen wie die Piraten, sondern in den Bäumen. Richtig gehört. In den kleinen Spalten der dicken Baumstämme. Und zwar genau in solchen großen Mammutbäumen wie in diesen hier. Diese Bäume können über 3000 Jahre alt werden. Alles, was man braucht, um diesen sagenhaften Goldschatz zu finden, ist eine Schatzkarte. Eine alte Karte der Indianer, die zeigt, in welchen der vielen Bäume die Schätze versteckt sind. Und genau so eine Karte haben wir.«

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Justus begriff jetzt den bösen Plan der beiden. »Ich verstehe. Darum wollten Sie beide unbedingt, dass dieser neu gebaute Kletterpark wieder verschwindet. Sie wollten in Ruhe nach dem Schatz suchen.«

»Sieh an, Nick. Gar nicht so doof, der Dicke.«

»Und darum haben Sie die Anschläge ausgeführt. Sie haben das Brett der Hängebrücke angesägt. Sie haben die Schrauben der Tarzanbahn gelöst. Und Sie wollten das Stahlseil auf dem Marktplatz durchschneiden. Die vermeintliche Erpressung sollte nur von Ihrem wahren Vorhaben ablenken.«

Leila fing breit zu grinsen an und applaudierte. »Bravo, Moppelchen. Gut aufgepasst. Genau das ist unser Plan.«

Jetzt mischte sich Bob ein. »Eine Frage bleibt aber offen: Woher haben Sie diese geheimnisvolle Schatzkarte der Indianer?«

Leila grinste immer noch und holte aus dem Wohnmobil eine lange Pappröhre. Darin befand sich aufgewickelt ein bunt bemaltes Stück Leder. »Ich sage dir, woher ich sie habe: Ich habe sie geerbt. Ich stamme nämlich von den Indianern ab. Mein Vater hat sie von meinem Opa und der von seinem Vater und so weiter. So steht mir allein der Schatz zu. Es ist mein Erbe.«

Peter unterbrach sie. »Nein, es ist das Erbe der Indianer. Sie wollen sich das Gold nur unter den Nagel reißen!«

Das Gaunerpaar hatte anscheinend keine Lust mehr weiterzureden, und Nick packte Peter an der Schulter. »So, genug gequatscht, mein Freund. Jetzt zeige ich euch mal, was die Indianer mit ihren Feinden gemacht haben: Die wurden nämlich am Marterpfahl gefesselt. Leila, hol ein paar kräftige Seile aus dem Wagen. Die drei sollen uns nicht mehr dazwischenfunken.«