Waldgeister

Wenig später saßen alle in dem offenen Jeep von Steve Landers. Am Horizont ging langsam die Sonne unter, und die Luft kühlte sich etwas ab.

Wieder fuhren sie die holprige Straße durch den Wald und erreichten schließlich den Monkey Mountain Kletterpark. Ein leichter Nebel hatte sich zwischen den hohen Bäumen gebildet, und die ersten Nachtvögel waren zu hören. Peter stieg etwas zögernd aus dem Jeep. »Toll hier. Wirklich toll um diese Zeit. Hier könnte man bestimmt einen Gruselfilm drehen.« Hoch oben in den Bäumen flatterte eine große Eule davon.

Plötzlich klingelte wieder das Handy von Landers. »Das wird jetzt hoffentlich die Polizei sein. Ich schalte auf Lautsprecher, dann könnt ihr mithören.« Doch auch diesmal meldete sich nicht die Polizei, sondern wieder die unheimliche Stimme: »Ich danke Ihnen, dass Sie so gut mitgearbeitet haben. Diese erste Zahlung war nur ein Test. Jetzt verlangen wir hunderttausend Dollar. Morgen früh um zehn Uhr am Brunnen in Rocky Beach.«

Steve Landers war für einen Moment sprachlos und starrte auf sein Handy. Dann ballte er plötzlich die Faust und fing an zu brüllen. »Wissen Sie was, Sie mieser Erpresser! Gar nichts werde ich tun. Sie halten sich nicht an die Abmachungen, und darum muss ich mich auch nicht daran halten. Ich habe keine hunderttausend Dollar, und ich würde sie Ihnen auch nicht geben. Sie haben Menschenleben gefährdet, und dafür werden Sie ins Gefängnis wandern. Eine Spezialeinheit ist Ihnen schon auf den Fersen. Und mit dem Kletterpark können Sie mich auch nicht mehr erpressen. Ich mach den Laden einfach zu. Mit Verbrechern wie Ihnen will ich nichts zu tun haben.«

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Steve Landers war so wütend, dass er sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Doch die Stimme auf der anderen Seite der Leitung blieb sonderbar ruhig. »Sehr gut. Dann vergessen Sie Ihren Kletterpark einfach und verschwinden. Und zwar auf der Stelle!« Dann wurde das Gespräch abgebrochen.

Landers war immer noch außer sich vor Wut. »Tut mir leid, Jungs. So wie ich reagiert habe, war es bestimmt nicht das Beste. Ich bin fast geplatzt.« Justus beruhigte ihn. »Ich weiß nicht, vielleicht haben Sie sogar richtig reagiert. Die Sache wird immer merkwürdiger. Scheinbar freuen sich die Gangster, wenn Sie den Kletterpark aufgeben. Warum nur?«

»Keine Ahnung. Ich habe auf jeden Fall die Nase voll. Wir fahren wieder in die Stadt und versuchen, Reynolds zu erreichen.« Doch Justus hielt ihn zurück. »Nein, wir haben beschlossen, den Park zu beobachten, und das werden wir auch tun. Ich habe das Gefühl, dass wir bald Besuch bekommen. Und ich möchte zu gern wissen, wer dahintersteckt.«

»Na schön, aber ihr werdet nur beobachten, wie abgemacht. Ich mache mich solange mit dem Jeep auf den Weg und hole Verstärkung. Auf mein Team ist Verlass. Aber es dauert eine Weile.«

Bob blickte nach oben. »Von der großen Plattform aus hat man alles im Blick. Wenn wir uns dort auf die Lauer legen, dann entgeht uns nichts. Haben Sie Schlafsäcke für uns?«

»Natürlich habe ich Schlafsäcke. Das ist hier schließlich ein Abenteuerpark. Ganze Gruppen übernachten hier. Wartet, ich hole sie euch. Ich kann nur hoffen, dass ich keinen Fehler mache.«

Wenig später war Steve Landers mit dem Jeep verschwunden, und die drei ??? hatten die große Plattform erreicht. Nebeneinander breiteten sie die Schlafsäcke aus. »Hoffentlich fallen wir in der Nacht nicht runter«, murmelte Peter ängstlich. Es war inzwischen dunkel geworden, und durch das dichte Blätterdach drang nur schwach das helle Mondlicht. Von allen Seiten waren sonderbare Geräusche zu hören. Mal flatterte etwas durch die Luft. Mal raschelte etwas am Boden. Bob krabbelte tief in seinen Schlafsack hinein. »Just, haben wir diesmal nicht etwas übertrieben mit dem Abenteuer?«

»Ich hoffe nicht«, flüsterte dieser. »Bald werden wir es wissen.«

Lange Zeit geschah nichts. Ab und zu wehte ein schwacher Wind durch den Wald und ließ die hohen Äste hin und her wiegen. Überall knackte und knarrte es im Kletterpark. Nach zwei Stunden konnten die drei ??? die Augen kaum mehr offen halten. Es war mittlerweile stockdunkel. Selbst der Mond war hinter einigen Wolken verschwunden.

Plötzlich zuckte Bob zusammen. »Habt ihr das gehört?«, zischte er leise. Peter rieb sich die Augen. »Ich höre die ganze Zeit was. Es raschelt, krächzt und quiekt. Ich komme mir vor wie in einem Zoo.«

»Nein, das meine ich nicht. Ganz weit weg höre ich ein Motorgeräusch.«

Jetzt vernahmen auch seine beiden Freunde das Brummen. Es war eindeutig ein Fahrzeug, das sich näherte. Vorsichtig beugten sich die drei Freunde über den Rand der Plattform. »Da!«, flüsterte Bob. »Ich hab recht gehabt. Da kommt ein Wagen auf uns zu. Seht ihr die grellen Scheinwerfer?«

Ein scharfer Lichtkegel leuchtete nun durch den dichten Wald. Es wurde schließlich so hell, dass die drei Jungen die Augen zukneifen mussten. Dann hielt das Fahrzeug direkt unter ihnen. Die drei riskierten einen vorsichtigen Blick. Es war ein großes Wohnmobil. Wenig später wurde die Beifahrertür geöffnet, und eine junge Frau stieg aus. »Hallo? Ist hier wer?«, rief sie laut. »Hallo? Hört mich jemand?« Bob rutschte ein wenig von der Plattformkante zurück. »Was soll das denn?«, flüsterte er. »Vielleicht hat die sich verfahren und braucht Hilfe?« Justus legte den Zeigefinger auf den Mund. »Leise! Das werden wir gleich erfahren.«

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Jetzt wurde auch die Fahrertür geöffnet, und ein Mann stieg aus. Er war ungefähr so alt wie die Frau. »Leila, hier ist kein Mensch. Und ich hoffe, das wird auch in den nächsten Wochen so bleiben. Unser Plan ist aufgegangen.« Die Frau blickte sich unsicher um und zückte eine Taschenlampe. »Ich will auf Nummer sicher gehen. Nicht dass dieser Landers doch noch auftaucht, Nick.«

»Ach was. Der hat die Schnauze voll von seinem Kletterpark. Du hast doch vorhin gehört, wie er am Telefon ausgerastet ist. Der wird sich hier nicht mehr blicken lassen. Die Polizei tappt im Dunkeln, und wir können uns endlich in Ruhe um die Bäume kümmern. Hat ja auch lange genug gedauert. So, und jetzt machen wir uns an die Arbeit.«