LANGEOOG

Die Bezeichnung »Langeoog« lässt sich von allen Namen der ostfriesischen Eilande am einfachsten erklären: Sie ist eben die Lange Insel. Ihre Existenz wurde erstmals im Jahr 1398 durch eine Urkunde der ostfriesischen Häuptlinge Widzel tom Brook und Folkmar Allena belegt. Die Annalen berichten davon, dass die Insel schon im 14. Jahrhundert besiedelt war. Melchior Edden Gramers war der erste Bewohner, der seinen Namen in der Geschichte der Insel hinterließ. 1636 schrieb der damalige Inselvogt an seinen Landesherrn nach Aurich; zu jener Zeit lebten gerade mal drei Dutzend Menschen auf der Insel. Man muss wissen, dass ein Inselvogt zu jener Zeit der wichtigste und bedeutendste Mann auf einem Eiland war. Lief ein Schiff am Meeressaum auf, so war es samt seiner Ladung nach altem Recht herrenloses Strandgut – und den in armseligen Verhältnissen lebenden Insulanern ein willkommenes Ereignis. Doch die Landesherren, die ansonsten nur wenig Interesse an den kargen Inseln hatten, ließen sich diese Einnahmequelle nicht gänzlich entgehen. Der von ihnen eingesetzte Inselvogt hatte darüber zu wachen, dass das begehrte Strandgut zu je einem Drittel an den Besitzer, die Insulaner und den Landesoberen aufgeteilt wurde. Dass die Langeooger – wie alle ihre Inselnachbarn – so manches Mal schneller am Strand waren, als ihr Vogt laufen konnte, versteht sich von selbst. Zu bescheiden waren die Lebensverhältnisse auf der langen Insel, die immer mal wieder vom Blanken Hans heimgesucht wurde. Anno 1714 waren die Langeooger sogar derart verarmt, dass sie von Steuern und Abgaben befreit wurden. Drei Jahre hinterließ die Weihnachtsflut den sogenannten Großen Schlopp – einen Durchbruch in der Inselmitte, bei dem auch die Kirche, die erst 1706 errichtet worden war, unterging. Nur vier Familien blieben standhaft. Doch als sich 1721 das Meer wiederum über das Eiland hermachte, verließen auch sie ihr Zuhause und gingen aufs Festland.

1723 versuchten einige Helgoländer ihr Glück auf der verlassenen Insel zu machen, doch sie gaben schon nach wenigen Jahren auf. Erst ab 1732 gab es wieder eine dauerhafte Besiedelung auf Langeoog, denn drei Familien aus Holstein trotzten den widrigen Bedingungen. Ihren Lebensunterhalt bestritten sie mit dem Verkauf von Muschelschill und durch Fischfang. Auch Walfänger hat es gegeben. Da die brachen Flächen immer wieder versandeten, brachten Landwirtschaft und Viehhaltung kaum etwas ein. 1749 gab es im Westen der Insel vier Gehöfte und im Ostteil die heutige Meierei – ein großzügiges Haus, das sich der Inselvogt Hayung Taken unerlaubterweise errichtet hatte. Taken wurde zwar seines Amtes enthoben, aber er schloss daraufhin einen Pachtvertrag mit dem Amt Esens, und so entstand die Staatsdomäne Ostende.

Zur napoleonischen Zeit, als Ostfriesland und seine Inseln den Namen Department Oost-Vriesland trugen, hielten sich 200 französische Soldaten im Osten Langeoogs auf. Sie sollten das Meer im Blick haben und verhindern, dass England Seehandel betreiben konnte. Das war auch die Aufgabe der französischen Kanonenboote, die im Seegatt zur Nachbarinsel Spiekeroog dümpelten. Die Langeooger indes, die sich im Wattenmeer bestens auskannten, segelten an den Aufpassern vorbei nach Helgoland, um sich auf der seinerzeit britischen Insel mit Waren einzudecken und sie daraufhin einträglich auf dem Festland zu verkaufen. Die Schmuggelei hatte ab 1813 ein Ende, als Langeoog wieder Preußen zugesprochen wurde. 1825 wurden die Insulaner erneut von einer großen Sturmflut überrascht, die das Kleine Schlopp hinterließ. Lange Zeit bestand Langeoog nun aus drei Teilen, doch mit den Jahrzehnten wuchs das Eiland wieder zu seiner heutigen Erscheinungsform zusammen.

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Auf Langeoog hatte es sich längst herumgesprochen, dass die Norderneyer 1797 ein Seebad gegründet hatten, denn sie lieferten dorthin Möweneier, die den Sommerfrischlern als Frühstücksspezialität gereicht wurden. Dass die ersten Badegäste 1830 den Weg nach Langeoog fanden, ist den Anstrengungen des späteren Esenser Amtsrichters Albert Wilhelm von Wangerow zu verdanken – eine wöchentliche Überfahrt machte es möglich. Als 1843 eine Fährverbindung von Bensersiel nach Langeoog eingerichtet wurde, die häufiger und regelmäßig übers Wattenmeer fuhr, kamen auch mehr Besucher. 1851 zählte man 100, 1884 bereits 703 Gäste. In jenem Jahr übernahm das säkularisierte Kloster Loccum vom Steinhuder Meer die Seebadeanstalt samt des Kurbetriebes, baute ein Hospiz und schuf eine strenge Badeordnung. Als der Fremdenverkehr einträglicher wurde, 1888 sogar eine Reederei Esens-Bensersiel-Langeoog gegründet wurde, konnten die Insulaner einen Teil der Einnahmen in den Deichbau am Kleinen und am Großen Schlopp investieren. 1890 entstand die Inselkirche, um den Kurgästen ein ausreichend großes Gotteshaus bieten zu können. Im Jahr 1892 wurde eine Landungsbrücke errichtet, die den Besuchern der Insel eine bequemere Ankunft ermöglichte – zuvor hatten sie direkt vom Schiff in die Pferdewagen steigen müssen. 1901 schließlich wurde eine Pferdebahn angelegt, mit der sich die Badegäste von der Fähre bis zum Hospiz Loccum bringen lassen konnten. 1927 kaufte die Gemeinde Langeoog die Reederei samt Pferdebahn. Diese nennt sich seither »Schifffahrt der Inselgemeinde Langeoog«. Der Badebetrieb ist in jenem Jahr auch von der Gemeinde übernommen worden. Die staatliche Anerkennung zum Nordseeheilbad bekam Langeoog 1949. Seit 1976 verfügt die Insel über einen tideunabhängigen Hafen, in dem die Fähren täglich mehrfach verkehren. Auch ein Flugplatz macht die Anreise einfacher. Dass die Gäste heutzutage nur mehr sieben Minuten vom Anleger zum Inselbahnhof benötigen, macht die kunterbunte Inselbahn möglich, deren Anfänge auf das Jahr 1937 zurückgehen.

DÜNENFRIEDHOF

Der Dünenfriedhof liegt am nordwestlichen Rand des Inseldorfes. Dort wurde 1959 ein Ehrenmal zum Gedenken an die Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkrieges eingeweiht – ein darin eingemauerter Messingkasten enthält ein Buch mit den Namen. Eine weitere Gedenkstätte erinnert an 300 vertriebene Deutsch-Balten, die im März 1945 auf die Insel kamen und von denen mancher dort verstarb. Ein weiteres trauriges Kapitel der Langeooger Geschichte handelt von 450 russischen Kriegsgefangenen, die 1941 beim Bunkerbau und der Befestigung der Dünen unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten. Viele kamen dabei um. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ließ auf dem Dünenfriedhof Sandsteintafeln mit den Namen der Russen aufstellen.

FLINTHÖRN

Das Naturschutzgebiet Flinthörn im Südwesten der Insel gehört zur Ruhezone des Nationalparks. Jahrhunderte war das Flinthörn lediglich ein hoher Strand mit einem durch die Gezeiten nach Süden umgebogenen Fluthaken (plattdeutsch: Hörn). Dann kam die Sturmflut von 1825, die dort Trümmer von zerstörten Baltrumer Häusern antrieb, aus denen durch Sandablagerungen die ersten Dünen entstanden. Auf höher gelegenen Schillflächen (Muschelschalen) brüten vom Aussterben bedrohte Seevögel. Auf den benachbarten Salzwiesen sind unter anderem Rotschenkel und Uferschnepfen zu Hause. Seit 1999 führt ein Naturlehrpfad zwischen den Dünen und dem Fluthaken hindurch zu einer Plattform, die mit einer Informationshütte der Nationalparkwacht und einem Fernglas ausgestattet ist. Zudem kann man an Flinthörn-Führungen teilnehmen. Apropos: Der Langeooger Shantychor de Flinthörners hat sich den Namen des großen Naturschutzgebietes zu eigen gemacht.

SEEMANNSHUS

Das weißgetünchte Seemanshus am Rande der Kaapdünen ist Heimatmuseum und Standesamt in einem. Das Haus an der Ecke Caspar-Döring-Pad heißt so, weil der letzte Eigentümer Seemann hieß – und nicht weil er die Meere befuhr. Das schmucke Gebäude aus dem Jahre 1844 beherbergt in mehreren Räumen Mobiliar von anno dazumal und zahlreiche Gegenstände aus dem einstigen Alltag der Inselbewohner – begleitet wird der Besucher bei seinem Rundgang vom Knarren alter Holzdielen. Im Trauzimmer finden sich historische Fotografien von Langeooger Hochzeitsgesellschaften und dicke Alben, denn jedes Paar, das im Seemanshus den Bund fürs Leben schließt, wird prompt abgelichtet. Originell ist auch der Klinkerpfad, der rund um das alte Inselhaus führt: Dessen Backsteine tragen die Initialen der Brautpaare und deren Hochzeitsdaten. Heiraten kann man übrigens auch im Rathaus-Standesamt oder auf dem Fahrgastschiff LANGEOOG I.

HÖHENPROMENADE

Die Langeooger können von sich behaupten, dass sie die höchstgelegene Strandpromenade aller ostfriesischen Inseln haben. Die Höhe der anderthalb Kilometer langen Wegstrecke liegt zwischen 15 bis 20 Metern – angefangen im Westen beim Strandaufgang Kirchpad bis zum Strandaufgang Gerk-sin-Spoor. Auf dem höchsten Punkt steht die Strandhalle.

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INSELBAHN

Die Inselbahn hat eine über hundertjährige Geschichte: 1901 als Pferdebahn in Betrieb genommen, wurde sie 1936 durch eine motorisierte Inselbahn mit Tausend-Millimeter-Spurweite ersetzt. Wer heute am Anleger Langeoog aussteigt, steht prompt vor den farbenfrohen Waggons des Zuges, der die Urlauber auf nostalgisch anmutenden Holzsitzen in wenigen Minuten zum Inselbahnhof bringt. Am Bahnhof ist immer Betrieb, denn dort warten schon die Abreisenden und auch die Männer mit den weißen Schirmmützen, die sich ums Gepäck kümmern. Wer möchte, kann sich ein Kutschtaxi mit zwei Pferdestärken nehmen, das vor dem Bahnhof wartet.

KIRCHEN

Die evangelische Inselkirche entstand in den Jahren 1888–1890 und wurde 1958 erweitert. Viel diskutiert wird das Altarbild des Gotteshauses, das der Norder Maler Hermann Buß im Jahr 1990 geschaffen hat. Eine Assoziation zur biblischen Geschichte ist für manchen Betrachter in keiner Weise gegeben, anderen Kirchenbesuchern erscheint das Gemälde mit dem gestrandeten Ozeanriesen als ein vielsagendes Motiv. Der Glockenturm hat eine Höhe von 24,5 Metern und fünf Glocken; die älteste von ihnen schlägt zur vollen Stunde.

Die katholische Kirche St. Nikolaus steht am Strandjepad – direkt am Strandaufgang. Die Gemeinde wird von Esens aus betreut. Das Gotteshaus wurde in den 1960er-Jahren erbaut und dem heiligen Nikolaus geweiht, dem Schutzpatron der Seefahrer. Auffällig ist der geschwungene Glockenturm, der wie ein Schiffssteven geformt ist und die Nähe zum Meer symbolisieren soll. Er wird auch spaßeshalber Möwenrutschbahn oder »Nonnenrutsche« genannt.

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LALE ANDERSEN

Lale Andersen (1905–1972) ist als Interpretin des Soldatenliedes Lili Marleen in die deutsche und internationale Musikgeschichte eingegangen. Die Sängerin lebte zeitweise auf Langeoog im Sonnenhof und ist auf dem Dünenfriedhof beerdigt worden. Im ihrem reetgedeckten Sonnenhof befindet sich ein Café, in dessen Räumlichkeiten Erinnerungsstücke an Lale Andersen ausgestellt sind. Zu ihrem 100. Geburtstag wurde unterhalb des Wasserturmes eine lebensgroße Lale-Bronzestatue samt Laterne enthüllt; eine Arbeit der Langeooger Goldschmiedin Eva Recker. Auch wird der berühmten Sängerin im Seemanshus mit Dokumenten aus ihrem Leben gedacht. Verführerisch: die Süsse Lale, die man in Langeoogs Bäckereien kaufen kann.

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MEIEREI

Es war der Langeooger Vogt Taaken, der sich 1741 im Osten der Insel ein Haus baute. Es avancierte ab 1828 zum beliebten Ausflugslokal, und von hier aus wurde später auch das Inselhospiz Kloster Loccum unter anderem mit Milch, Gemüse und Eiern beliefert. Heute stärken sich dort (Rad-)Wanderer mit Milchspezialitäten oder Leckerem aus Sanddorn; auch, weil der Weg zur Meierei am Ostende bei Gegenwind eine Herausforderung ist.

MELKHÖRNDÜNE

Die Melkhörndüne erhebt sich viereinhalb Kilometer vom Inseldorf entfernt am Ende des Großen Schlopps. Einst 21,3 Meter hoch, galt diese Düne als höchste natürliche Erhebung Ostfrieslands. Doch Wind und Wetter ließen sie mit der Zeit auf 19 Meter schrumpfen. Ganz in der Nähe, mitten im grünen Dünental, befinden sich die Jugendherberge Domäne Melkhörn und das Zeltlager der Sportjugend Niedersachsen – zum Strand sind es von hier aus nur hundert Meter.

RETTUNGSBOOT

Gegenüber vom Haus der Insel ist das ehemalige Rettungsboot LANGEOOG zu sehen, das Anfang der 1980er-Jahre außer Dienst gestellt wurde. Es erinnert an die Geschichte des Seenotrettungswesens, das auf der Insel mit einem Ruderboot begann. Im Hafen von Langeoog ist heute das Rettungsboot CASPAR OTTEN der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) stationiert. Und: Am östlichen Dorfrand befindet sich auf dem Sockel einer Radarstation aus dem Zweiten Weltkrieg die ehemalige Seenotbeobachtungsstation – von dort hat man einen Rundblick auf Insel, Watt und Meer.